Erfolgschancen des Front National im Kontext der romanischen Mehrheitswahl


Hausarbeit, 2016

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 .Einleitung

2. Theorie
2.1. Die Etablierung des Front National im französischen Parteiensystem vor 2002
2.2. Die romanische Mehrheitswahl als Hindernis für den Front National
2.3.Operationalisierung und Datenquellen

3. Vergleiche der nationalen und europäischen Wahlergebnisse
3.1. Nationalversammlungswahl en 2002 und Europaparlamentswahl 2004
3.2. Nationalversammlungswahlen 2007 und Europaparlamentswahl 2009
3.3. Nationalversammlungswahl en 2012 und Europaparlamentswahl 2014

4. Diskussion der Wahlergebnisse: Wohin entwickelt sich die Wählerzustimmung des FN?

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Einleitung

Der Front National (FN) ist spätestens seit den Europaparlamentswahlen 2014 in Frankreich, in denen er erstmals stärkste Kraft wurde, ein ernsthafter Konkurrent für die beiden großen Parteien Parti Socialiste (PS) und Union pour un mouvement populaire (UMP), die 2015 in Les Républicains (LR) umbenannt wurde. Trotz Isolation im Parteiensystem der V. Republik schaffte er es, sich allmählich zu etablieren und erhebliche Stimmenanteile in allen wesentli­chen in Frankreich stattfindenden Wahlen dazuzugewinnen. Damit stellt sich die Frage, ob ge­rade der Ausschluss des Front National von Wahl ab sprachen durch die anderen Parteien in den nach romanischer Mehrheitswahl stattfindenden Nationalversammlungswahlen zu einer wachsenden Wählerzustimmung geführt hat. Sollte dies der Fall sein, wäre die Strategie der Isolation gescheitert.

Um diese Frage und die Behauptung von Jean-Yves Camus, dass „der FN auf lange Zeit die dritte politische Kraft in Frankreich bleiben wird, zumal wenn sich bestätigen sollte, dass die Partei ihre Ergebnisse zu verbessern und ihre Wähler dauerhaft an sich zu binden vermag [...]“ (Camus 2015: 29) zu überprüfen, werde ich die Wahlergebnisse der Europaparlaments­und Nationalversammlungswahlen im Zeitraum von 2002 bis 2014 miteinander vergleichen. Zur Einordnung dieser jüngsten Wahlergebnisse gebe ich davor im theoretischen Teil einen Rückblick auf die ersten Wahlerfolge und die Etablierung des Front National im französischen Parteiensystem vor 2002. Daraufhin werde ich die Bedeutung der romanischen Mehrheits­wahl, die bei den Nationalversammlungswahlen angewandt wird und der für sie charakteristi­schen Wahl ab sprachen für die Unterrepräsentation der Partei auf nationaler Ebene erläutern, bei der ich mich vor allem auf die Darstellungen von Dieter Nohlen zum französischen Wahl­recht beziehen werde. Im dritten und letzten Teil der Theorie stelle ich meine Operationalisie­rung und meine Datenquellen dar.

Im empirischen Teil vergleiche ich die amtlichen Wahlergebnisse der aufeinanderfolgenden Wahlen und die Verteilung der Mandate. Beginnen werde ich mit dem Vergleich der National­versammlungswahlen 2002 und der Europaparlamentswahlen 2004, gefolgt von den National- versammlungs- und Europaparlamentswahlen 2007 und 2009 und letztlich den jüngsten Wahl­ergebnissen der Nationalversammlungs- und Europaparlamentswahlen 2012 und 2014. Aufbauend auf den daraus gewonnenen Erkenntnissen, werde ich diskutieren, wohin sich die Wählerzustimmung des FN bewegt, um dann schlussendlich im Fazit die Fragestellung zu be­antworten und Camus' These zu bewerten.

Theorie

Die Etablierung des Front National im französischen Parteiensystem vor 2002

Der 1972 gegründete Front National konnte sich seit den frühen 1980em Jahren zunehmend im französischen Parteiensystem etablieren. Den ersten Erfolg landete er in den Kommunal­wahlen von Paris und den Nachwahlen zur Nationalversammlung 1983 durch „erhebliche Stimmengewinne“ (Decker 2004: 55) im Vergleich zu den vorigen Wahlen. In den Europa­parlamentswahlen 1984 schaffte er erstmals mit 11,1% ein Ergebnis über 10%, was nach „a handful of small-scale successes at municipal level in 1983“ (Knapp 2004: 289) nicht erwartet wurde. Er konnte fortan in Wahlen, die nach Mehrheitswahl abgehalten wurden, immer häufiger seine Kandidaten oder Listen im entscheidenden Wahlgang aufrechterhalten. Konkret steigerte der FN die Anzahl seiner Kandidaten, die den ersten Wahlgang bei den Nationalver­sammlungswahlen überstanden von 13 im Jahr 1988 auf 100 bzw. 132 in den Wahlen 1993 und 1997 und hat „damit zur Wahlniederlage der gemäßigt Rechten beigetragen“ (vgl. Schild 2006: 46-49). Bei den Parlamentswahlen 1997 erreichte der FN sein bis heute höchstes natio­nales Ergebnis von 14,94% (vgl. Interparlamentarische Union 1997) und erstmals schaffte es ein Kandidat sogar, seinen Wahlkreis im ersten Wahlgang zu gewinnen und damit ins Parla­ment einzuziehen (vgl. Shields 2007: 266). Auch auf europäischer Ebene blieb der Stimmen­anteil seit 1984 stets über 10%. Einzige Ausnahme bildet hier das Jahr 1999, in dem er nur noch 9,01% der Stimmen bekam (Knapp 2004: 290).

Diese Wahlerfolge erreichte der Front National nach einer Phase interner Zwistigkeiten, in deren Folge sich schon 1974 die Parti des Forces Nouvelles (PFN) vom FN abspalteten. Beide Splitterparteien bekamen bei den Pariser Kommunalwahlen 1977 zusammengerechnet ledig­lich 1,9 Prozent der Stimmen. Den absoluten Tiefpunkt erreichten beide Gruppierungen im Jahr 1981, als weder Jean-Marie Le Pen noch der PFN-Kandidat die 500 benötigten Unter­schriften zur Präsidentschaftskandidatur erreichten. Da die PFN auch in der Parlamentswahl im selben Jahr eine herbe Niederlage einstecken musste, kam es zu deren Auflösung und einer teilweisen Rückwanderung der Mitglieder zum FN: (Decker 2004: 55).

Der Front National erfüllt im französischen Parteienspektrum eine „'Tribunenfunktion' (fonc­tion tribünéi enne), also die Funktion, dem Dissens mit der herrschenden Politik eine politi­sche Artikulation zu verschaffen.“ (Camus 2015: 25). Damit war er ungleich erfolgreicher, als seine Konkurrenten auf der Linken. Durch seine von den anderen Parteien betriebene Ex- klusion aus Wahl ab sprachen wurde dieser Effekt noch verstärkt (vgl. Camus 2015: 25).

Allerdings wurde dieser „Sperrgürtel“ (Camus 2015: 25) nicht immer konsequent eingehalten, da es 1998 vereinzelt schon zu regionalen Absprachen des Rassemblement pour la République (RPR) und des FN gekommen war.

Die romanische Mehrheitswahl als Hindernis für den Front National

Frankreich hat ein Wahlsystem mit absoluter Mehrheitswahl mit Stichwahl (romanische Mehrheitswahl) in Einerwahlkreisen. Eins der Ziele, die de Gaulle bei der Einführung eines neuen Wahlsystems 1958 hatte, war „die kommunistische Vertretung [zu] verringern“ (Nohlen 2014: 351). Außerdem sollte es klare Mehrheiten hervorbringen. Daher hat man sich dazu ent­schieden, dass im zweiten Wahlgang nur Kandidaten zugelassen werden, die vorher mindes­tens 5% der Stimmen ihres Wahlkreises bekommen haben. Diese Hürde wurde 1966 auf 10 Prozent und 1986 auf 12,5% erhöht. Eine Ausnahme bildet hier der Fall, dass nur ein Kandi­dat diese Hürde meistert, dann ist automatisch auch der zweite Kandidat für die Stichwahl qualifiziert. Um schon im ersten Wahlgang gewählt zu werden, benötigt man eine absolute Mehrheit und mindestens 25% der Stimmen aller im Wahlkreis eingeschriebener Wähler (vgl. Grote 1995: 69).

Das Mehrheitswahl system macht Wahl ab sprachen zwischen den Parteien notwendig (vgl. Nohlen 2014: 344-345) und es „hat auf diese Weise maßgeblich zur Herausbildung eines bi­polaren Parteiensystems beigetragen, das nach 1962 zwei Jahrzehnte lang die politische Aus­einandersetzung in Frankreich bestimmt hat“ (zit. nach Grote 1995: 69). Trotz der Aufwei­chung dieser starken Bipolarität, vor allem durch das Aufkommen der Grünen und des Front National Mitte der 1980er Jahre, führt „das geltende Wahlrecht zu einer Marginalisierung der­jenigen politischen Kräfte in der Nationalversammlung [...], die den Anschluss an einen der großen politischen Blöcke nicht finden können oder wollen. Sie verfügen häufig [...] über keinerlei parlamentarische Vertretung. Auf der anderen Seite begünstigt das geltende Mehr­heitswahl system, und zwar Z.T. In exorbitanter Weise, die stärkste Partei bzw. das siegreiche Parteienbündnis, dem bei Mandatsverteilung wesentlich mehr Sitze zufallen, als es seinem prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen entspricht“ (Grote 1995: 69-70).

Nachdem die Grünen sich „Anfang der 1990er Jahre fest im linken Pol des Parteiensystems verankerten und damit die Bipolarisierungslogik der V. Republik akzeptierten^..]“ (Schild 2006: 47) und es ihnen dadurch möglich geworden ist, Wahl ab sprachen mit den Sozialisten einzugehen, wurde der Front National von den Parteien der gemäßigten Rechten weiterhin nicht berücksichtigt und ist somit die Partei, die am meisten vom politischen System benach­teiligt wird, wenn man seine Sitze im Parlament mit seiner Wählerzustimmung vergleicht. Um seinen Mandatsanteil in Zukunft zu erhöhen, muss er langfristig gesehen den Versuch un­ternehmen, sich für Bündnisse mit den gemäßigt rechten Parteien attraktiv zu machen.

Operationalisierung und Datenquellen

Zur Untersuchung meiner Fragestellung werde ich die Wahlergebnisse der Nationalversamm­lungswahlen 2002 bis 2012 mit den Ergebnissen der französischen Europaparlamentswahlen 2004 bis 2014 vergleichen. Die dafür benötigten Daten entnehme ich den Websites der Inter­parlamentarischen Union, des französischen Innenministeriums und France-politique.fr, de­ren Daten wiederum auf denen des Innenministeriums basieren und diese lediglich für ganz Frankreich zusammengerechnet haben. Für meine Untersuchung der nationalen Parlaments­wahlen richte ich meinen Fokus vor allem auf die Wählerzustimmung des FN in den ersten Wahlgängen, da dort noch keine Wahl ab sprachen stattfinden und die Wähler daher weniger taktisch wählen. Da die Nationalversammlungswahlen nach romanischer Mehrheitswahl und die Europaparlamentswahlen nach Verhältniswahl abgehalten werden, ist zu vermuten, dass die Wähler bei den beiden verschiedenen Wahltypen auch verschiedene Wahlverhalten an den Tag legen. Das hieße im Fall des Front National, dass sein Stimmenanteil unter Verhältnis­wahl größer sein müsste, als unter Mehrheitswahl, weil die Wahrscheinlichkeit, dass die Stim­men bei der Mandatsverteilung berücksichtigt werden im ersten Fall größer ist und der Wäh­ler so eher seine Erstpräferenz wählt. Andererseits müsste der Stimmenanteil auf nationaler Ebene niedriger als auf europäischer Ebene sein, da die Chance einen Wahlkreis gegen einen Kandidaten, der einer der beiden großen Parteien angehört oder von ihnen unterstützt wird, zu gewinnen unwahrscheinlicher ist und der Wähler sich daher eher seiner Stimme enthält oder seine Zweitpräferenz wählt.

Ließe sich ทนท ein steter signifikanter Anstieg des Stimmenanteils in den Nationalversamm­lungswahlen im Laufe der untersuchten Zeitspanne beobachten,, während der Anteil bei den Europaparlamentswahlen relativ konstant bleibt, würde dies darauf hindeuten, dass die Partei von ihrer Außenseiterrolle im französischen Parteiensystem in Form wachsender Wählerzu­stimmung profitiert.

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Erfolgschancen des Front National im Kontext der romanischen Mehrheitswahl
Hochschule
Universität Trier
Veranstaltung
Wahlrecht und Wahlsysteme im internationalen Vergleich
Note
2,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
15
Katalognummer
V375272
ISBN (eBook)
9783668543348
Dateigröße
569 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Marine Le Pen, Frankreich, Romanische Mehrheitswahl, Mehrheitswahl, Wahlrecht, Wahlsystem, Europawahlen, Nationalversammlungswahlen, EU, Europäische Parlament, Nationalversammlung, Parlament, Opposition, Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Benachteiligung, Wahl, Absprachen
Arbeit zitieren
Nicolai Jacobs (Autor:in), 2016, Erfolgschancen des Front National im Kontext der romanischen Mehrheitswahl, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375272

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