„Ich habe heute leider kein Foto für dich.“ Dieser Satz stammt von Model und Moderatorin Heidi Klum; und ich eröffne diese Seminararbeit im Zuge des Seminars „Realityfernsehen“ mit der auf eigenen Beobachtungen fußenden Behauptung, dass er während der Sendezeit ihrer Reality-TV-Show „Germany’s Next Topmodel“ in einer Regelmäßigkeit fällt, die ihn deutschlandweit unter Fans, Gegnern und sogar Indifferenten bekannt gemacht hat. Grund genug, um sich zu fragen - wie schaffen Heidi Klum und ihr Produzententeam das? Sie und viele andere bekannte Größen aus dem Realitätsfernsehen, die Jahr um Jahr, Woche für Woche auf Sendung gehen, ohne dass sich der Plot ihrer Show je ändern würde, so wie man das von jeder anderen Serie oder Spielfilmfortsetzung erwarten würde. Man hat sogar häufig das Gefühl, dass über mehrere Staffeln hinweg gerade in den sogenannten kritischen Momenten, wie beim Entscheid über den Verbleib einer Kandidatin (auf eine Genderdifferenzierung werde ich in meiner Arbeit der Einfachheit halber verzichten) in der Show, immer wieder die gleichen Abläufe gezeigt werden und nur das Personal wechselt. Und dennoch - „The Voice“ und „Germany’s Next Topmodel“, die beiden Beispiele aus dem Realitätsfernsehen, auf die ich mich in dieser Arbeit konzentrieren werde, laufen ungebrochen im deutschen Fernsehen; ersteres seit vier, letzteres sogar seit nunmehr neun Jahren.
Ziel dieser Arbeit soll sein, der oben gestellten Frage auf medienlinguistischem Weg nachzugehen. Liegt das Geheimnis der Beständigkeit des Realitätsfernsehens in dieser Wiederholung oder - wie ich sogar argumentieren möchte - in der (sprachlichen) Ritualisierung gewisser Momente? Kann man überhaupt von einer solchen sprechen, oder ist sie am Ende vielleicht nur ein Trugschluss, ausgelöst von der langjährigen Überpräsenz dieser Gattung (zum Gattungsbegriff siehe Klaus und Lücke 2003: 196)? Oder lässt sich eine Ritualisierung, wenn sie existieren sollte, gar nicht mit dem Erfolg des Realitätsfernsehens in Verbindung bringen?
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der Begriff des ,,Moment's Moments“ - überproduzierte Momente im Reality TV
- Der Ritualbegriff
- Eine ethnologische Perspektive
- Eine soziolinguistische Perspektive
- Beispiele
- ,,The Voice“
- „Germany's Next Topmodel“
- Braucht das Publikum Rituale? Eine medienanalytische Betrachtung.
- Zusammenfassung, Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Ziel dieser Arbeit ist es, die nachhaltige Präsenz von Reality-TV-Formaten wie „The Voice“ und „Germany's Next Topmodel“ im deutschen Fernsehen mithilfe einer medienlinguistischen Analyse zu erklären. Die Arbeit untersucht die These, ob und wie die sprachliche Ritualisierung bestimmter Momente im Realitätsfernsehen zum Erfolg dieser Formate beiträgt.
- Definition und Charakteristika des „Moment's Moments“ als überproduzierter Moment im Realitätsfernsehen
- Der Ritualbegriff aus ethnologischer und soziolinguistischer Perspektive
- Analyse von Beispielen aus „The Voice“ und „Germany's Next Topmodel“
- Zusammenhang zwischen Ritualisierung und Erfolg im Realitätsfernsehen
- Medialisierung von Emotionen und die Rolle von „Ereignistaschen“
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und führt in die Thematik der Ritualisierung im Realitätsfernsehen ein. Dabei wird der Fokus auf die sprachliche Ritualisierung in „überproduzierten Momenten“ gelegt. Das zweite Kapitel definiert den Begriff des „Moment's Moments“ nach Annette Hill und erläutert die Merkmale dieser überproduzierten Momente im Realitätsfernsehen. Kapitel drei behandelt den Ritualbegriff, wobei sowohl eine ethnologische als auch eine soziolinguistische Perspektive einbezogen wird. Die Kapitel vier und fünf präsentieren die Analyse von Beispielen aus den Reality-TV-Formaten „The Voice“ und „Germany's Next Topmodel“. Dabei werden die Videosequenzen auf sprachliche Besonderheiten und auf die Ritualisierung der Momente untersucht. Die Analyse versucht, den Zusammenhang zwischen der Ritualisierung und dem Erfolg des Realitätsfernsehens zu ergründen.
Schlüsselwörter
Realityfernsehen, „Moment's Moment“, überproduzierte Momente, Ritualisierung, Sprachliche Performanz, „The Voice“, „Germany's Next Topmodel“, Medienanalyse, Ereignistaschen, Emotionen, Erfolg, Authentizität
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- Katharina Wilhelm (Author), 2015, Ritualisierung im Realitätsfernsehen. Eine medienlinguistische Analyse "überproduzierter" Momente, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/375793