Sachunterricht im Wald. Die Lehrer-Schüler-Interaktion am außerschulischen Lernort


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. BEGRÜNDUNG DER THEMENWAHL

2. DIE LEHRER-SCHÜLER-INTERAKTION

3. SACHUNTERRICHT IN DER NATUR
3.1 WARUM SACHUNTERRICHT AM UND IM AUßERSCHULISCHEN LERNORT WALD DURCHFÜHREN?

4. DIE VERÄNDERUNG DER LEHRERROLLE UND DER LEHRER-SCHÜLER- INTERAKTION AM AUßERSCHULISCHEN LERNORT WALD
4.1 DIE VERÄNDERUNG DER LEHRERROLLE UND DER LEHRER-SCHÜLER-INTERAKTION
4.2 VERÄNDERUNGEN DER LEHRER-SCHÜLER-INTERAKTION AM AUßERSCHULISCHEN LERNORT WALD NACH NICKEL UND TAUSCH UND TAUSCH

5. FAZIT

1. BEGRÜNDUNG DER THEMENWAHL

In dieser Arbeit möchte ich die von mir aufgestellte Hypothese, welche aussagt das SU am außerschulischen Lernort Wald die Rolle des Lehrers und die Lehrer-Schüler- Interaktion positiv verändern kann, prüfen. Ich habe diesen Themenbereich ausgewählt, da ich durch meine pädagogische Arbeit an einer Förderschule beeindruckende Erfahrungen gemacht habe. Bei Exkursionen in den Wald bekam ich eine ganz „neue Verbindung“ zu vorher sehr „schüchternen“ und „verschlossenen“ Schülerinnen und Schülern (im Folgenden SuS abgekürzt). Diese Veränderung ermöglichte es mir, mit den SuS auf einer neuen, offenen, freundlichen Ebene zu kommunizieren. Um die genannte Hypothese zu überprüfen, werde ich zuerst die Lehrer-Schüler-Interaktion theoretisch umreissen, um dann SU in der Natur, mit dem Schwerpunkt Wald, einzuführen. Daran anschließend soll die mögliche „Einflussnahme des Waldes“ auf die eingeführten Rollen und ihre Interaktion miteinander aufgezeigt werden, auf Grundlage der vorher dargelegten theoretischen Bezüge.

2. Die Lehrer-Schüler-Interaktion

Da das Thema Lehrer-Schüler-Interaktion sehr vielfältig erforscht und bearbeitet wurde und in dem Rahmen dieser Arbeit nicht vollständig dargestellt werden kann, wird eine inhaltliche Reduktion vorgenommen. Es soll nun im Folgenden ein Auszug von der Forschung von Tausch und Tausch so wie ein Teil der Arbeit von Nickel Verwendung finden. Bei der Forschung von Tausch und Tausch wurden vornehmlich positive Effekte des Lehrerverhaltens im Bezug auf emotionale Wärme herausgestellt. Hierbei waren besonders drei Variablengrößen ausschlaggebend (vgl. Thies, 2008, 84f). Diese sind „Achtung - Wärme - Rücksichtnahme“, „vollständiges emphatisches Verstehen“ und die „Dimension der Echtheit - Übereinstimmung - Aufrichtigkeit“. In dieser Arbeit wird darauf verzichtet die genannten Variablen zu erklären, da sie durch ihre Benennung, für das Ziel der vorliegenden Arbeit, selbsterklärend sind und die Forschung von Tausch und Tausch einen sehr hohen Bekanntheitsgrad genießt. Die drei genannten Variablenkomplexe erwiesen sich als förderlich für ein besseres Klassenklima. Des Weiteren forcierten sie eine seelische Zufriedenheit sowie eine höhere Berufszufriedenheit der Lehrer und ein angstfreieres Teilnehmen an schulischen Aktivitäten der Schüler (vgl. ebd.). Auch lässt sich aus den gesamten Vorzügen, die das personenzentrierte Verhalten der Lehrer anregte, eine positive Wirkung auf die Leistungsbereitschaft und Leistungserbringung der SuS ableiten (vgl. Sann et. al. 2008, 217). Der hieraus abzuleitende Aufbau und Austausch von Emotionen und Motiven gilt als grundlegend für eine positive Lehrer- Schüler-Interaktion und sollte daher in jedem Schüler-Lehrer-Verhältnis berücksichtigt werden (vgl. a.a.O. 209). Da jedoch in Untersuchungen in Deutschland herausgestellt werden konnte, dass das personenzentrierte Lehrverhalten nicht hinreichend Anwendung im Unterricht findet (vgl. Tausch, 2008, 170), sind die von Tausch und Tausch herausgearbeiteten Verhaltensvariablen nicht ausreichend in der Praxis umgesetzt. Hierzu nennt Tausch verschiedene Erklärungspunkte:

„Während des Lehrer-Studiums und der Berufsausbildung wurden die personzentrierten Haltungen, soziale Kompetenz und emotionale Intelligenz bei Lehrern/innen zu wenig gefördert. (...)

Manche Lehrer-Professoren haben wenig Kenntnisse von den bedeutsamen Auswirkungen von Achtung und Einfühlung auf Schüler-Studenten sowie über die Bedeutung zwischenmenschlicher Beziehungen etwa für die Lernmotivation. (...) Etliche Lehrer schätzen die Bedeutung günstiger zwischenmenschlicher Beziehungen im Unterricht gering ein, gleichsam als eine nicht notwendige Beigabe zur „Stoffvermittlung“, „Stoffdarbietung“.“ (a.a.O. 171).

Insbesondere die letzte Begründung von Tausch verdeutlicht den derzeitigen Handlungsbedarf an Schulen und in der Lehrerausbildung. Dieses Bild wird dadurch vervollständigt, dass der Lehrstil an deutschen Schulen oftmals der, der „direkten Instruktion“ ist. Das Wissen wird nur als Speicherung von möglichst vielen Informationen betrachtet (vgl. Landwehr, 2001, 8). Dieser ist auch als effektivster Wissensvermittler erforscht, jedoch enthält er nur wenige bis keine Freiräume um weitere Lernziele wie selbstständiges Arbeiten, soziale Kompetenzen und das Erfahren einer intrinsischen Motivation, einer Lernfreude, zu vermitteln. Hier zeigt sich implizit die asymmetrische Rollenverteilung zwischen Lehrer und SuS. „Was der eine weiß und kann, soll er dem anderen geben; hierzu darf er auf den anderen (funktional, traditional, rechtlich-begrenzten) Zwang ausüben“ (Reck, 2002, 25). Diese erschwert es dem Lehrer zusätzlich sich den SuS in der von Tausch und Tausch geforderten Intensität und „Breite“ anzunehmen, da die Kenntnis über die eigene Machtposition ein sehr reflektiertes Verhalten erfordert um diese Machtstellung nicht mit negativen Folgen auszunutzen.

Da Tausch und Tausch ein lineares Wirkungsgefüge erarbeitet haben, soll im Folgenden die Arbeit von Nickel angerissen werden um diese Perspektive um eine transaktionale Sicht zu erweitern. Diese Erweiterung ist wichtig, da es zu eindimensional wäre, das Lehrerverhalten als eine bestimmende Größe zu betrachten und das Schülerverhalten als eine davon abhängige Variable. Bei der Lehrer-Schüler- Interaktion handelt es sich vielmehr um ein Wechselspiel, welches durch die vielfältigsten Einflussfaktoren bestimmt wird (vgl. Brunner, 2006, 380). Genau diese These greift Nickel auf. Er verdeutlicht die beidseitige Beeinflussung von Lehrer- Schüler-Interaktionen und zeigt weiterführend mögliche Prädikatoren des jeweiligen Verhaltens. So ist zum Beispiel ausschlaggebend, welche Erfahrungen ein Lehrer bisher mit SuS gemacht hat und welche normative Erwartungshaltung er an einen Schüler stellt. Diese Erwartungshaltungen und Einstellungen können so weitreichende Folgen haben, dass sie eine selbstprophezeiende Wirkung erlangen (vgl. Thies, 2008, 91f). Die gegenseitige „Verstrickung“ der Interaktionen wird im folgenden Zitat besonders deutlich:

„Der Lehrer reagiert auf den Schüler, durch die Gegenreaktion des Schülers wird aber gleichermaßen das Folgeverhalten des Lehrers reguliert (soziale Interaktion). Die Verhaltensweisen beider werden zusätzlich durch selektive Wahrnehmungsprozesse gefiltert und unterliegen einer Vielzahl weiterer Einflüsse (Person-Situations- Interaktion). Letztendlich führt die Verschränkung der wechselseitigen Wahrnehmungsprozesse zu einer Transformation der Situation als solcher (Transaktion)“ (a.a.O. 93).

Diese komplexen Folgereaktionen lassen erahnen, wie sich die Lehrer-Schüler- Interaktion ergibt und wie sehr sie von vorherigen Erfahrungen und dem Handlungsrahmen bestimmt wird. Dementsprechend lässt sich ableiten inwiefern es schwer sein kann, ein personenzentriertes Verhalten einzuführen, um den oben genannten positiven Folgen den „Weg zu ebnen“. Hierfür unterstützende Umgebungen und Wege zu finden erscheint gerade deswegen wichtig, da das derzeitige Lehrer-Schüler-Verhältnis durch asymmetrische Machtverhältnisse und bipolare Rollenerwartungen gekennzeichnet ist. So schreibt Meyer, dass Lehrer sich in der Pflicht sehen zu korrigieren und dies sogar unter Umständen so stark intensivieren, dass sie durch ihr Verhalten Schüler bloßstellen (2000, 133). Dieses Verhalten wird häufig dann gezeigt, wenn die vorliegende Situation „unter Kontrolle“ gehalten werden soll. So fühlt sich der Lehrer zentral in die Verantwortung gezogen, dass der Unterricht gut verläuft. Den SuS kommt daher eher eine rezeptive Rolle zu. Hier kann kein Dialog auf Augenhöhe entstehen. Die Lernenden stehen als Objekte des Geschehens im Raum, sie sind in didaktischer so wie in pädagogischer Hinsicht die Objekte des Handelns, hier des Lehrens. Um jedoch wirklich Lernen zu können, müssen sie eine Subjektposition einnehmen können. Hier wird die Dilemmasituation deutlich. SuS sind gezwungen zum Einen eine eher passive Objektposition zu verkörpern und zum Anderen in ihrer Subjektivität, mit ihrer eigenen Lernbiographie, das Angebot des Lehrers wahrzunehmen und mit ihm in Kommunikation zu treten. Hier ist es somit dringend notwendig, dass Lehrer und SuS miteinander in den intensiven Austausch treten und „ihre Arbeit“ zusammen gestalten (vgl. a.a.O. 141).

Nach dieser theoretischen Einführung soll im Folgenden genauer auf den SU in der Natur, anhand des Lernraumes Wald eingegangen werden. Schließlich werden die hier genannten theoretischen Befunde für einen Vergleich wieder aufgegriffen.

3. Sachunterricht in der Natur

Der SU im Handlungsfeld der Natur findet insbesondere durch das Kerncurriculum seine Berechtigung. Hier ist die Natur in einer eigenen fachlich orientierten Perspektive wiederzufinden und durch die Beschäftigung mit ihr sollen grundlegende Kompetenzen erworben werden (vgl. Nieders. Kultusm., 2006, 11f.). Diese sind zum Beispiel Forschungskompetenzen wie: „betrachten, beobachten, bestimmen, sammeln, klassifizieren, untersuchen [etc. (Anm. d. Verf.)]“ (Blaseio, 2008, 223). und sie sind transferierbar auf andere Perspektiven des SUs. Ohne das Eröffnen von- und die Annäherung an Erfahrungsräume außerhalb der Schule (vgl. Burk/Claussen, 1980, 1) wäre Schule nur die vermittelnde Institution für elementare Kenntnisse, wie Schreiben und Rechnen (vgl. Burk et. al, 2008, 10). So ist auch nach Klafkis Ansicht eine Aufgabe des SUs, SuS außerhalb der Schule Begegnungen und Erfahrungen mit der natürlichen Umwelt zu ermöglichen (vgl. Blaseio, 2008, 211). Durch diese Realbegegnungen haben SuS die Möglichkeit auf subjektiv bedeutsame Art zu lernen, und dieses ohne didaktische Reduktion. Insbesondere für die Förderschule bietet diese Art des Lernens einen Vorteil, da den Lernenden nichts vorenthalten wird und sie in ihrer Gesamtheit angesprochen werden können (vgl. a.a.O. 212f).

Wenn von den SuS nur geringe Naturlerlebnisse mitgebracht werden, sollte der SU die Chance nutzen und direkte Begegnungen mit der Natur fördern. Die Sache „Natur“ kann so sinnbezogen erlebt werden und wird nicht durch didaktische Materialien „verfälscht“ (vgl. a.a.O. 219f). hierdurch sind die erfahrenen Naturerlebnisse direkt anschlussfähig an den Unterricht der Sekundarstufe und werden nicht durch Animismen oder Reduktionen manipuliert. Des Weiteren kann der SU durch die Bildung und Erziehung in der Natur einen Wertewandel anstoßen und somit eine Verhaltensänderung bei jedem Einzelnen anstreben. Wenn die Gesetze und Wirkungen der Natur verstanden und erlebt werden, kann ein neues Verantwortungsgefühl wachsen (vgl. Kozar et. al., 1994, 27f.). Dies schafft die Basis für eine Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) im Bereich der Natur- und Umweltbildung (vgl. Blaseio, 2008, 218) und ist wiederum rückschlussfähig zu Klafkis Schlüsselproblemen. Somit zeigt sich, dass der Einbezug der Natur als außerschulischen Lernort im SU als sinnvoll und wichtig bezeichnet werden kann.

3.1 Warum Sachunterricht am und im außerschulischen Lernort Wald durchführen?

Durch die geschichtliche Entstehung des Sachunterrichts, ist eine Verbindung zum Thema Wald dem SU inneliegend. Der Wald als eine der prägensten Floraformen in Deutschland gehört zu einer der häufig einbezogenen „Räume“ im SU. Insbesondere durch die von Lietz begründeten Landerziehungsheime, hat die natürliche Umgebung, fern ab von der Stadt, im Wald einen besonderen Stellenwert im SU bekommen (vgl. Jung, 2004, 114ff). Und nicht nur die Geschichte des SUs ist mit ihm verbunden, auch der Mensch selbst stand und steht in einer besonderen Weise zum Thema und Erfahrungsort Wald. So spricht Eichendorff:

[...]

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Sachunterricht im Wald. Die Lehrer-Schüler-Interaktion am außerschulischen Lernort
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Sachunterricht und Inklusive Didaktik)
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
20
Katalognummer
V376736
ISBN (eBook)
9783668539631
ISBN (Buch)
9783668539648
Dateigröße
569 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
sachunterricht, wald, lehrer-schüler-interaktion, lernort
Arbeit zitieren
Mareike Wanke (Autor:in), 2010, Sachunterricht im Wald. Die Lehrer-Schüler-Interaktion am außerschulischen Lernort, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/376736

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