Die Beruflichen Rehabilitation in der Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM Altenburg


Proyecto de Trabajo, 2017

46 Páginas, Calificación: 2,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte und Definition von Behinderung innerhalb des SGB IX
2.1 Der Weg zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)
2.2 Das Behinderungsverständnis aus Sicht des SGB IX und des BTHG

3. Der Stellenwert von Erwerbstätigkeit für den Menschen
3.1 Manifeste und latente Funktionen von Erwerbsarbeit
3.2 Die Folgen und Risiken von Erwerbslosigkeit

4. Der Rehabilitations-Prozess: Grundlagen, Formen und Ziele
4.1 Begriffsbestimmung „Rehabilitation“
4.2 Gesetzliche Grundlagen der beruflichen Rehabilitation
4.3 Kostenträger der Rehabilitation in Deutschland
4.4 Definition und Leistungen der medizinischen Rehabilitation
4.5 Definition und Leistungen der beruflichen Rehabilitation
4.5.1 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben im Überblick
4.5.2 Einrichtungen der Beruflichen Rehabilitation

5. Aufgaben und Arbeitsstruktur des Sozialdienstes in der beruflichen Rehabilitation in der Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM

6. Ausgewählte Problemlagen in der beruflichen Rehabilitation

7. Zusammenfassung

8. Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Unterhaltssichernde, ergänzende Leistungen bezüglich beruflicher Rehabilitation (Marburger, 2017, p. 23)

Abbildung 2 Reformschritte des BTHG (Beyer & Wolf, 2017, p. 3)

Abbildung 3 Rehabilitationsträger gesamt (Mühlum & Gödecker-Geenen, 2003, p. 69)

Abbildung 4 Verteilung der Leistungen der beruflichen Rehabilitation auf die Kostenträger (2008 - 2010) (Bahemann, 2013, p. 84)

Abbildung 5 Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33ff SGB IV (Buschmann-Steinhage & Brüggeman, 2009, p. 12)

Abbildung 6 Abgeschlossene Maßnahmen im LTA Bereich (2007) (Buschmann- Steinhage & Brüggeman, 2009, p. 11)

Abbildung 7 BFW im Überblick (Biermann, 2008, p. 73)

Abbildung 8 Standorte BFW (Berufsförderungswerk, 2017)

Abbildung 9 Bereiche eines BBW (Biermann, 2008, p. 57)

Abbildung 10 BBW im Überblick (Biermann, 2008, p. 59)

Abbildung 11 Anzahl der WfbM angegliederten Menschen (2007 - 2014) (Engels, et al., 2016, p. 199)

Abbildung 12 Demografische Entwicklung innerhalb der WfbM (Engels, et al., 2016, p. 199)

Abbildung 13 WfbM im Überblick (Biermann, 2008, p. 68)

Abbildung 14 Aufwendungen für Leistungen der medizinischen und beruflichen Rehabilitation (Pimmer & Buschmann-Steinhage, 2015, p. 70)

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Auch im Fall, dass das Arbeitslosengeld sehr hoch wäre: Fast drei Viertel der Deutschen würden lieber zur Arbeit gehen als Leistungen zu beziehen. Das geht aus einer gemeinsamen Studie der Bertelsmann-Stiftung und der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) aus dem Jahr 2015 hervor (GfK-Verein & Bertelsmann- Stiftung, 2017). Der Grund: Arbeit hat eine hohe Bedeutung im eigenen Leben. Denn nicht nur die Sicherung des Lebensunterhaltes steht im Vordergrund, der tägliche Weg zur Beschäftigungsstätte bedeutet für viele Menschen auch Routine, Verlässlichkeit und soziale Kontakte. Sie ziehen Bestätigung und Selbstwertgefühl aus dem, was sie tun - sei es nun als Kassiererin im Supermarkt oder als Unter- nehmensleiter. Da überrascht es auch nicht, dass selbst bei einem Lottogewinn 55 Prozent der Befragten weiter arbeiten würden.

Menschen, die durch Krankheit oder Unfall gefährdet sind, ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können, tun daher alles, damit genau das nicht geschieht. Damit sie in ihrem Kampf nicht allein dastehen, hat der Staat ein umfangreiches System zur Rehabilitation entwickelt. Im Jahr 2014 beliefen sich die Gelder, die die Deutsche Rentenversicherung für die Rehabilitation aufwendete, auf rund 6,03 Milliarden Euro. Dabei entfielen rund 4,4 Milliarden Euro auf die Medizinische Rehabilitation und rund 1,2 Milliarden Euro auf die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Davon beträgt der Anteil, der auf ambulanten Rehabilitations-Leistungen entfällt, gerade einmal 14%, während der größte Anteil stationären oder geriatrischen Re- habilitationseinrichtungen zugute kommt. Insgesamt wurden 2014 417.531 Anträ- ge auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt - aber gerade einmal 142.323 erfolgreich abgeschlossen (Pimmer & Buschmann-Steinhage, 2015, pp. 6 - 7). Diese Zahlen werfen einen aktuellen Blick auf die Rehabilitationslandschaft in Deutschland. Abseits dieser Zahlen beginnt für viele Patienten der Weg zurück ins Leben schon während der krankheitsbedingten Wiederherstellung der Gesundheit. Plötzlich sehen Sie sich mit Problemen und Ängsten konfrontiert, für die sie allein weder Antworten noch Lösungen finden: Wie sichere ich meinen Lebensunterhalt? Kann ich meinen alten Job wieder aufnehmen? Steige ich sofort in Vollzeit ein? Wie könnte eine eventuelle berufliche Neuorientierung aussehen? Der Sozial- dienst unterstützt Betroffene dabei, diese Fragen zu beantworten und ihnen die Rückkehr ins Berufsleben zu ermöglichen. Wie genau sich der medizinisch- berufliche Rehabilitationsprozess in der Bundesrepublik Deutschland in der Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM in Altenburg gestaltet, soll im Mittelpunkt dieser Arbeit stehen. Was genau bedeutet medizinische und berufliche Rehabilitation im Detail, welche Möglichkeiten der Förderung und Unterstützung haben Betroffene? Welche Kostenträger, Einrichtungen und Maßnahmen für eine berufliche Rehabilitation stehen Rehabilitanden der Klinik für ambulante Rehabilitation in Altenburg zur Verfügung? Welche konkreten Funktionen nimmt der Sozialdienst für den Betroffenen in der Wiedereingliederung ins Berufsleben ein? Und wo besteht ein eventueller Verbesserungsbedarf? Diese Punkte werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit erläutert und näher untersucht.

2. Geschichte und Definition von Behinderung innerhalb des SGB IX

Am 19. Dezember 2001 brachte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Resolution 56/168 auf den Weg und gab damit den Startschuss für die Ent- wicklung und Erarbeitung einer neuen Menschenrechtskonvention für Menschen mit Behinderung.

2.1 Der Weg zur UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK)

Durch diese - durch die Initiative von Mexiko entstandene - Resolution 56/168 wurde ein Ad-hoc-Ausschuss gebildet, der sich von 2002 bis 2006 in acht mehr- wöchigen Arbeitssitzungen zusammenfand. An diesen Sitzungen konnten Vertre- ter aller 193 Mitgliedstaaten der UN und verschiedener UN-Institutionen, wie der WHO (Degener & Diehl, 2015, pp. 55 - 56), deren 2001 entwickeltes System der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) Pate für das grundlegende Behindertenverständnis in den Verhandlungen darstellte (Hirschberg, 2016, p. 46), oder die UNICEF teilnehmen. Dabei gestalte- ten sich die Konsensfindung in dieser Sache als sehr schwierig, da von den zuletzt 900 Teilnehmern der letzten Sitzung in New York jeder eigene politische, kulturelle und religiöse Werte und Vorstellungen einbrachte und berücksichtigt sehen wollte. Getreu dem Credo der Behindertenbewegung „Nicht ohne und über uns“, und un- geachtet dessen, dass rein formal nur Vertreter der Staaten stimmberechtigt wa- ren, nahmen die Vertreter der Zivilgesellschaft einen gleichrangigen Stellenwert innerhalb der Zusammenarbeit ein. Grundlegend kristallisierten sich in den Ver- handlungen vier Konfliktfelder heraus.

Der erste Konflikt stellte die Auffassung nach der rechtlichen Handlungsfähigkeit von Menschen mit Behinderung dar. Zwar war man sich darin einig, dass es weg von einer bevormundenden Stellvertretung hin zu einer assistierten Entschei- dungsfindung kommen muss. Allerdings konnte zunächst kein Konsens darüber erzielt werden, ob zumindest in Ausnahmefällen eine rechtliche Vertretung zuläs- sig oder eben unzulässig sein sollte. Vor dem Hintergrund der Menschenrechte einigte man sich letztendlich darauf, dass alle Menschen mit Behinderung als rechts- und handlungsfähig anerkannt wurden und dass weiterhin Staaten ein Sys- tem schaffen müssen, das eine assistierte Entscheidungsfindung möglich macht und Menschen mit Behinderung vor einem Missbrauch bei der Ausübung ihrer rechtlichen Handlungsfähigkeit schützt.

Ein zweiter Konflikt zeichnete sich bei der Zwangsbehandlung und Institutionalisie- rung von Menschen mit Behinderung ab. Klar war, dass eine Unterbringung in Heimen und Sondereinrichtungen nicht mit den Menschenrechten im Einklang war. Die Unstimmigkeiten bestanden darin, wie weit das Verbot von Zwangsbe- handlungen explizit gehen sollte - gerade auch in Bezug auf Menschen mit Be- hinderungen, die für sich und andere eine potenzielle Gefahr darstellten konnten. Gerade die Staaten benötigten eine unmissverständliche und rechtstaatliche Lö- sung dieses Problems, während sich die Vertreter der Zivilgesellschaft für einen kompromisslosen Zwangs- und gewaltfreien Umgang aussprachen und zurecht ein Folterverbot einforderten. Gelöst wurde der Konflikt, indem auf ein wörtliches Verbot zwar verzichtet wurde, aber gleichzeitig auch neue Schutzrechte gegen Zwangsbehandlungen und Institutionalisierung und ein allgemeines Folterverbot (Artikel 15) in der Konvention verankert wurden. Im Besonderen wurden Men- schen mit Behinderung gegen Ausbeutung, Gewalt und Missbrauch sowie ihre körperliche und psychische Integrität geschützt (Artikel 16 und 17). Weiterhin ha- ben die Vertragsstaaten die Pflicht, Menschen mit Behinderung ein selbstbestimm- tes Leben frei von exkludierenden Anstalten und diskriminierenden Sondereinrich- tungen zu ermöglichen.

Ein weiterer Konflikt bestand darin, wie unter Berücksichtigung der unterschiedli- chen Wertevorstellungen der Mitgliedstaten mit problematischen und ethisch höchst bedenklichen Themen wie der Zwangssterilisation, einem Heiratsverbot oder der sexuellen und reproduktiven Selbstbestimmung umzugehen ist. Hier konnten Kompromisse gefunden werden, die Menschen mit Behinderung einen diskriminierungsfreien Zugang zu Elternschaft, Partnerschaft und Ehe sowie zu einer sexual- und fortpflanzungsmedizinischen Gesundheitsversorgung gewähr- leisten (Artikel 23 und 25).

Der vierte und letzte der Hauptkonflikte drehte sich um den Bereich der Bildung und Arbeit - und ist somit der Bereich, der sich direkt auf das Thema der berufli- chen Rehabilitation bezieht. So gab es innerhalb der Verhandlungen zur UN-BRK bezüglich Arbeit und Bildung viele Diskussionen zwischen den teilnehmenden Par- teien. Es herrschte beispielsweise Uneinigkeit darüber, ob zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Bildung Sonderschulen für blinde und/oder gehörlose Menschen auch als Menschenrecht in der Konvention verankert werden sollte. Im Bereich der Arbeit wurde die Frage diskutiert, ob eine WfbM eine angemessene Alternative zum ersten Arbeitsmarkt darstellt. Auch hier wurde die Lösung in ei- nem Kompromiss gefunden: Sich explizit zu einem Inklusiven Ansatz bekennend, wurde das Recht auf Inklusion im Regelbildungssystem, sowie der Zugang zum allgemeinen Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung festgeschrieben. Dabei wurden die Werkstätten für behinderte Menschen weder ausdrücklich verboten, noch als eine mögliche Alternative zum ersten Arbeitsmarkt benannt.

Infolge der Übereinkunft in den einzelnen Konfliktfeldern konnte die UN-BRK am 13. Dezember 2006 durch die UN-Generalversammlung einstimmig verabschiedet werden und stellt bis dato die am schnellsten von den einzelnen Mitgliedstaaten unterzeichnete Menschenrechtskonvention in der Geschichte der Vereinten Natio- nen dar (vgl. Degener & Diehl, 2015, pp. 55 - 61). Dabei werden innerhalb des Artikels 1 der UN-BRK Menschen mit Behinderungen nicht abschließend definiert, so heißt es dort eher beschreibend: „Menschen, die langfristige körperliche, seeli- sche, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwir- kung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtig- ten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können (Degener & Diehl, 2015, p. 58).“ Durch die Ratifizierung der UN-BRK Deutschlands im Jahre 2009 ist die Gesetz- gebung nun gefordert, die Vorgaben der Konvention in der deutschen Rechtsord- nung zu verankern. Durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland er- hält diese völkerrechtliche Konvention den Status eines einfachen Bundesgeset- zes und bedarf infolge dessen einer weitergehenden Konkretisierung innerhalb des deutschen Sozialgesetzes (Gieße, et al., 2017, pp. 13 -14). Diese Konkretisie- rung erfolgte am 01.12.2016 durch die Verabschiedung des Bundesteilhabegeset- zes (BTHG) durch den deutschen Bundestag.

2.2 Das Behinderungsverständnis aus Sicht des SGB IX und des BTHG

Am 1.7.2001 trat das SGB IX in Kraft und sollte durch die Zusammenfassung und Erweiterung bereits bestehender Gesetze, wie dem Rehabilitations- Angleichungsgesetz (RehaG) und dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG), die Autonomie sowie die gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für Menschen mit Behinderung oder durch von Behinderung bedrohte Menschen för- dern (Marburger, 2017, p. 11). Dabei wurde der Behinderungsbegriff im §2 Abs. 1 folgenderweise definiert:

„ Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung bedroht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist. “

Diese Definition stellt innerhalb des SGB IX den Ausgangspunkt für die Rehabilita- tion und Teilhabe an verschiedenen Lebensbereichen, wie beispielsweise die Teilnahme am Arbeitsleben, dar. Dabei ist gerade die Teilnahme am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung einen wesentlichen Partizipationsfaktor für ein gleichberechtigtes Miteinander innerhalb der Gesellschaft. Mit dem Ziel die Er- werbsfähigkeit von Menschen mit Behinderung oder von Behinderung bedrohter Menschen zu verbessern, zu erhalten, herzustellen oder wiederherzustellen (SGB IX §4) stellt dieser Bereich einen Schwerpunkt im SGB IX dar (Bieker, 2005, p. 25). Die oben genannte Definition folgt dabei dem Behinderungsverständnisses der UN-BKR und somit auch dem des ICF, ohne jedoch die dort beschriebene Wechselwirkung von Beeinträchtigung und Barrieren zu berücksichtigen. Der ICF stellt dabei ein international anerkanntes Ordnungssystem für Beschreibungen von Funktionsfähigkeit, Behinderung und deren Teilkomponenten dar, das gerade in den verschiedenen Berufsgruppen innerhalb der Rehabilitation zur Anwendung kommt (Schäfer & Wansing, 2016, pp. 46 - 47). Zum 01.01.2018 wird dieser Be- hinderungsbegriff infolge des Inkrafttretens der zweiten Stufe des BTHGs neu de- finiert (Gieße, et al., 2017, p. 14). Infolge dessen gestaltet sich der Behinderungs- begriff im §2 Abs. 1 SGB IX nun folgendermaßen:

„ Menschen mit Behinderungen sind Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesell- schaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Menschen sind von Be- hinderung bedroht, wenn eine Beeinträchtigung nach Satz 1 zu erwarten ist."

(Gieße, et al., 2017, p. 386)

Damit stellt diese neue Definition von Behinderung im SGB IX bzw. BTHG einen weiteren Schritt zur Umsetzung der UN-BRK in Deutschland dar.

3. Der Stellenwert von Erwerbstätigkeit für den Menschen

Für einen Menschen ist seine Erwerbsarbeit ein grundlegendes Element der eige- nen Lebensqualität. Selbstbestimmung, Selbstbewusstsein, Einkommen und letzt- endlich auch die gesellschaftliche Integration werden maßgeblich durch unsere Arbeit bestimmt. Doch was passiert, wenn wir aufgrund von Krankheit und Behin- derung an der Ausübung unserer Arbeit gehindert werden? Welche Wege gibt es für betroffene Menschen, trotz Erkrankung oder Behinderung einen Weg zurück in den Arbeitsmarkt zu finden und wie kann ihnen Soziale Arbeit dabei helfen?

Beruf, Arbeitsplatz und Erwerbstätigkeit sind die Sachgebiete, mit denen sich die berufliche Rehabilitation auseinandersetzt. In der Bundesrepublik Deutschland steht zu diesem Zweck der Rehabilitation ein flächendeckendes, qualitativ hoch- wertiges und spezialisiertes System an Einrichtungen zur Verfügung (Biermann, 2008, p. 7) - welches sich aber den Vorwurf gefallen lassen muss, Menschen mit Behinderungen eher auszugrenzen, anstatt sie wieder in die Gesellschaft zu in- kludieren. Mit der vorangegangenen Neuschöpfung und der Inkraftsetzung des SGB IX zum 01.07.2001 (Marburger, 2017, p. 11) und dem darin enthaltenen Pa- radigmenwechsel hin zu mehr Selbstbestimmung (Wacker, et al., 2009, p. 1), wur- de die berufliche Rehabilitation im SGB III mithilfe der Arbeitsförderung und im SGB IV durch die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen mit der Leis- tung zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) neu verankert. Das Normalisierungsprin- zip stellt dabei den Ausgangspunkt für eine Partizipation und Teilhabe behinderter Menschen dar. Die ersten Gedanken über die gesellschaftliche Normalisierung des Lebens von behinderten Menschen wurden bereits in den fünfziger Jahren von dem dänischen Juristen Bank-Mikkelsen entwickelt und unter anderem 1977 durch den Schweden Bengt Nirje in die folgende Konzeption gebracht:

- ein normaler Tagesrhythmus
- ein normaler Wochenrhythmus
- ein normaler Jahresrhythmus
- normale Erfahrungen im Ablauf des Lebenszyklus
- normaler Respekt vor dem Individuum und dessen Recht auf Selbstbe- stimmung
- normale sexuelle Lebensmuster
- normale ökonomische Lebensmuster
- normale Umweltmuster und -standards innerhalb der Gemeinschaft

(Biermann, 2008, pp. 10 - 11)

Dabei geht es nun nicht nur darum, behinderte Menschen gleich oder normal zu machen, sondern ihnen ein möglichst selbstbestimmtes, respektvolles und gleich- berechtigtes Leben innerhalb unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Genau hier soll die Neuschaffung des SGB IX 2001 und seine erneute Überarbeitung seit 2016 durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG), das 2018 seine nächste Stufe er- reicht und 2020 abgeschlossen sein soll (Beyer & Wolf, 2017, p. 3), ansetzen - und so Schritt für Schritt Selbstbestimmung anstelle von reiner Versorgung schaf- fen.

3.1 Manifeste und latente Funktionen von Erwerbsarbeit

Erste wissenschaftliche Erkenntnisse über die Funktion und den Stellenwert von Erwerbsarbeit wurden bereits 1930 durch einer Forschergruppe um Marie Jahoda gewonnen. Im Rahmen ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler, wie sich langfristige Arbeitslosigkeit auf die betroffenen Menschen auswirkt. Dafür wählten die Forscher das in der Nähe von Wien gelegene kleine Dorf Marienthal, in dem zum Zeitpunkt von Jahodas Studie 1486 Menschen lebten. Mit dem Konkurs der einzigen ortsansässigen Flachsspinnerei verlor dort die Mehrheit der Einwohner ihre Erwerbsarbeit und wurde daraufhin längere Zeit arbeitslos (Jahoda, et al., 1975, p. 35). Folgende Grundthese lag der Arbeit von Marie Jahoda zugrunde: „Um zu verstehen, welche Folgen Arbeitslosigkeit für die unmittelbar und mittelbar Betroffenen hat, muss geklärt werden, welche Funktion Erwerbsarbeit erfüllt.“ In- folge dieser Fragestellung kam die Forschergruppe zu dem Ergebnis, dass sich Erwerbsarbeit in manifeste und latente Funktionen einteilen lässt. Die manifeste Funktion stellt dabei die Unterhaltssicherung dar. Im Vergleich dazu sind die laten- ten Funktionen weitaus komplexer: Sie beschreiben die bewusste und unbewusste Erfüllung von grundlegenden Bedürfnissen - wie beispielsweise die Bildung einer festen Zeitstruktur, sozialer Status und die daraus resultierende Anerkennung oder die Erweiterung des individuellen sozialen Netzwerkes. Lassen sich diese Bedürf- nisse nun z.B. infolge von längerer Erwerbslosigkeit nicht befriedigen, kann es zu einer psychischen Verarmung kommen (vgl. Bieker, 2005, p. 15).

Vor allem die manifeste Funktion der Erwerbsarbeit zeigt sich innerhalb der Arbeit der Sozialen Beratung im Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM sehr schnell: Meist stehen die Rehabilitanden im Fall der drohenden Erwerbsunfähig- keit infolge ihrer Erkrankung vor einer großen finanziellen Problemlage - was oft erst einmal eine Abwehrreaktion seitens der Rehabilitanden hervorruft. Verständli- cherweise sind die Meisten nicht gewillt, ihren bis dahin oft schwer erarbeiteten Lebensstil aufgeben. So bedeutet LTA meist einen gut bezahlten Job gegen eine weniger gut honorierte berufliche Neuorientierung einzutauschen. Familie, Le- bensstil und auch Status werden infolge dessen häufig negativ beeinflusst. In die- sen sensiblen Bereichen ist es nun die Aufgabe des Sozialdienstes, von Behinde- rung bedrohten Menschen einen gemeinsamen an ihren persönlichen Ressourcen orientierten und für sie akzeptablen und zufriedenstellenden Weg aufzuzeigen.

3.2 Die Folgen und Risiken von Erwerbslosigkeit

Aufbauend auf die Arbeit von Marie Jahoda gab es nachfolgend eine Vielzahl empirischer Untersuchungen, die sich mit der Lebenslage von Menschen, die längerfristig ohne Erwerbsarbeit waren, auseinandersetzten. Im Rahmen dieser Untersuchungen wurden die Folgen der Erwerbslosigkeit und die damit einhergehenden unfreiwilligen Exklusionsprozesse näher analysiert. Anhand der Ergebnisse dieser breiten empirischen Forschung lassen sich charakteristische Folgen und Risiken von langfristiger Arbeitslosigkeit herausarbeiten.
1. Finanzielle Folgen: Diese beeinflussen die Lebenswelt der Betroffenen un- mittelbar und besonders negativ. Damit einher geht ein Verlust von Sicher- heit, der sich zum Beispiel durch das Auflösen von Sparvermögen äußert. Weiterhin kommt es zu einer Einschränkung des Konsums und einer Redu- zierung der Freizeitaktivitäten, auch kann es zu Zahlungsschwierigkeiten und einem Sicherheitsverlust durch laufende Kosten wie Miete, der Tilgung von Raten oder dem Bezahlen von Versicherungsbeiträgen kommen. Das kann dazu führen das der Betroffene sogar von Überschuldung und sozia- len Abstieg bedroht werden kann.
2. Berufliche Dequalifikation und Reduzierung von Schlüsselkompetenzen: Lange Arbeitslosigkeit kann zum Verlust von beruflicher und fachlicher Qualifikation führen. Arbeitsroutinen und -erfahrungen gehen verloren und Schlüsselkompetenzen wie Lernbereitschaft, Ausdauer oder Stresstoleranz drohen über die Zeit verloren gehen. Daraus kann Passivität und Apathie resultieren, schlimmstenfalls wird die Suche nach Erwerbsarbeit seitens der Betroffenen komplett aufgegeben.
3. Entwicklung psychischer und somatischer Belastungssymptome: Oft geht der Verlust von Arbeit mit starken negativen Gefühlserlebnissen wie Verun- sicherung, Resignation, Pessimismus, Aggressivität oder kognitiven Beein- flussungen (z.B. im Bereich der Merk- und Konzentrationsfähigkeit) einher. Regelmäßig kommt es auch zu einem Verlust des Selbstwertgefühls, das durch Selbstvorwürfe und/oder Gefühle der eigenen Nutzlosigkeit, des nicht gebraucht Werdens oder des Versagens bestärkt wird. Im körperlichen Be- reich können psychosomatische Beschwerden auftreten, denen oftmals keine direkte körperliche Ursache zugrunde liegt.
4. Sozialer Rückzug und familiäre Belastungen: Das Gefühl der gesellschaftli- chen Entwertung und der Verlust der finanziellen Absicherung kann einen gesellschaftlichen Rückzug aus sozialen Beziehungen begünstigen und darüber hinaus auch innerfamiliäre Konflikte schüren.
5. Soziale Gefährdungen: Infolge von längerer Arbeitslosigkeit, einer fehlen- den Zukunftsperspektive oder fehlender beruflicher Einbindung kann sich das Risiko, ein sozial abweichendes Verhalten zu entwickeln, stark erhö- hen. Gerade bei jungen Menschen kann dies unter Umständen zu gewalttä- tigen und kriminellen Verhalten führen.

Die Wirkung von Erwerbslosigkeit hängt natürlich nicht nur von den oben genann- ten Faktoren, sondern von einer Vielzahl weiterer innerer und äußerer Umstände ab. Dabei beeinflusst vor allem der Kontext der individuellen Faktoren, ob Be- troffene die problematische Lebenslage, in der sie sich befinden, erfolgreich oder weniger erfolgreich bewältigen (Bieker, 2005, pp. 17 -18).

4. Der Rehabilitations-Prozess: Grundlagen, Formen und Ziele

Die Begrifflichkeit „ Rehabilitation “ bedeutet in der wörtlichen Übersetzung „ Wie- derbefähigung “ (Hallier, 2013, p. 45) und wurde erstmals 1844 durch Ritter von Buß in einem gesundheitlichen Kontext verwendet. Dabei zielte er auf eine Rück- gewinnung der persönlichen Würde, der gesellschaftlichen Stellung und auf ein neues Leben von Menschen mit Behinderung ab (Mühlum & Gödecker-Geenen, 2003, p. 18). Im Jahr 1981 definierte die WHO den Begriff Rehabilitation wie folgt:

Rehabilitation umfasst den koordinierten Einsatz medizinischer, sozialer, beruflicher, pädagogischer und technischer Maßnahmen sowie Einflussnahmen auf das physische und soziale Umfeld zur Funktionsverbesserung zum Erreichen einer gr öß tmöglichen Eigenaktivität zur weitestgehend unabhängigen Partizipation in allen Lebensbereichen, damit der Betroffene in seiner Lebensgestaltung so frei wie möglich wird. “

4.1 Begriffsbestimmung „Rehabilitation“

Unter Berücksichtigung dieser Definition wurde die Rehabilitation im SGB IX unter dem Begriff der Teilhabe am Leben an der Gesellschaft neu in der Gesetzgebung verankert. Dabei stellt die Stärkung der sozialen, materiellen und seelischen Res- sourcen einen zentralen Punkt und einen Paradigmenwechsel innerhalb der Aus- richtung von Rehabilitation und der ihr innewohnenden Sozialberatung dar (Strubreither, et al., 2015, p. 42). Heute versteht man unter Rehabilitation ein ganzheitliches System, das sich aus schulischer, sozialer, beruflicher und medizi- nischer Rehabilitation zusammensetzt. Ziel dieses komplexen Systems ist eine größere Selbstbestimmung, die Stärkung von Prävention und Eigenverantwortung sowie die Rücksichtnahme auf die persönlichen Lebensumstände. Dabei soll das mit dem SGB IX geschaffene Verfahren den unbürokratischen und schnellen Zu- gang zu den entsprechenden Leistungen gewährleisten (Mühlum & Gödecker- Geenen, 2003, pp. 18 - 19).

In der Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM in Altenburg werden er- krankungsspezifische Rehabilitationsmaßnahmen für Patienten mit neurologi- schen oder orthopädischen Beeinträchtigungen durchgeführt. Dabei steht primär die Minderung von vorhandenen Funktionsdefiziten, die Prävention der Ver- schlechterung des Gesundheitszustandes, die Linderung von krankheitsbezoge- nen Beschwerden, die arbeitstherapeutische Beurteilung und die Maßnahmen zur Krankheitsbewältigung im Mittelpunkt. Darüber hinaus werden Schulungen zur gesunden Ernährung, zur Entwöhnung von Nikotin und Alkohol, zu Sozialrechts- themen, Rehabilitationssport und eine psychologische Betreuung angeboten (Enders, 1997, p. 28). Die Aufgabe der Sozialberatung - ohne dem sechsten Kapi- tel zu viel vorwegnehmen zu wollen - liegt unter anderen in der Vorbereitung und Durchführung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX, um somit einen dauerhaften Verlust der Erwerbstätigkeit vorzubeugen bzw. die weitere Teilhabe am Arbeitsleben langfristig zu sichern (SGB IX, 2017, p. 1089). Bei Rehabilitanden der Klinik für ambulante Rehabilitation handelt es sich meist um im Gesundungsprozess befindliche oder durch Behinderung bedrohte Men- schen, die sich zum Zeitpunkt der Rehabilitation in einem Arbeitsverhältnis befin- den und aufgrund ihrer Erkrankung langsam in dieses zurückgeführt werden sol- len. Ist eine Rückkehr in den alten Beruf aus gesundheitlicher Sicht nicht mehr möglich, ist es Aufgabe des Sozialdienstes zusammen mit dem Rehabilitanden, die berufliche Neuorientierung und berufliche Alternativen mittels LTA einzuleiten oder weitergehend an das Integrations- oder Arbeitsamt zu vermitteln.

[...]

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Detalles

Título
Die Beruflichen Rehabilitation in der Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM Altenburg
Universidad
University of Cooperative Education Eisenach
Curso
5. Semester
Calificación
2,0
Autor
Año
2017
Páginas
46
No. de catálogo
V377707
ISBN (Ebook)
9783668550575
ISBN (Libro)
9783668550582
Tamaño de fichero
2723 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Berufliche Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Soziale Arbeit, Werkstatt für behinderte Menschen, Berufliche Reha
Citar trabajo
Ronny Rzodeczko (Autor), 2017, Die Beruflichen Rehabilitation in der Klinik für Ambulante Rehabilitation im MEDICUM Altenburg, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/377707

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