Migration und kommunalpolitische Engpässe. Die Krise des sozialen Wohnungsbaus durch die Migrationskrise am Beispiel Mannheims


Term Paper, 2016

48 Pages


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Gliederung

Einleitung

I. Migrationssysteme und Migrationstheorien 3
1. Geschichte von Wanderungsbewegungen
2. Migrationsbewegungen als Fundament für den Arbeitsmarkt
3. Die Nationalstaatsentwicklung und das Problem der Integration
4. Das Drei-Phasen-System von Wanderungssystemen
5. Die nationalökonomisch-administrative Theorie der Migration
6. Prozesse für Migration
7. Das Problem der Integration

II. Der Wohnraum und die kommunale Wohnraumpolitik als Problem der Integration 27
1. Mannheim und das Problem der Flüchtlingsunterbringung
2. Das sozialstrukturelle Problem als Barriere für die Integration
3. Das Problem der Integration in den Stadteilen aufgrund des fehlenden Sozialwohnungsbaus
4. Die Bevölkerungsentwicklung und das Integrationsproblem
5. Das Problem Miete und der damit verbundenen Integration

Fazit

Literaturverzeichnis:

Abbildungsverzeichnis:

Einleitung

Der ehemalige Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel zeigt in einem Essay auf, dass Migration immer auch etwas mit entwicklungspolitischen Potenzialen zu tun hat, also mit dem Begriff der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet demnach Konzepte zu entwickeln, mit denen (in Verbindung vor allem auch mit ökologischen Aspekten) die Überwindung gesellschaftlicher Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten (z. B. Generationengerechtigkeit) sowie eine stärkere Teilhabe aller Beteiligten an gesellschaftlichen Prozessen angestrebt werden. Betrachtet man die derzeitigen Zahlen des UNHCR zur den gegenwärtigen Fluchtbewegungen weltweit, wird die nachhaltige Integrationsfrage auf kommunaler Ebene dringlicher denn je und die damit verbundene wie die Kommunen, wie beispielsweise Mannheim mit der neuen Herausforderung der gesamtgesellschaftlichen Integration gerade auf dem Wohnungsmarkt umgehen? Welche Probleme der nachhaltigen Integration für Mannheim im speziellen offenbaren sich wohnungspolitisch bei dem anhaltenden Zustrom von Flüchtlingen? Kann die Stadt stadtpolitisch allen Bedürftigen die nach Wohnraum suchen gerecht werden? Dies sind die zentralen Fragen dieser Arbeit, wobei hier folgt vorgegangen wird: Zunächst wird auf die Formen von Migration geschaut, wie dann auch auf die damit einhergehenden Probleme der Integration. Sodann folgt der Blick auf den Mannheimer Wohnungsmarkt und die damit verbundenen nachhaltigen Integrationsprobleme. Am Schluss wird ein möglicher Lösungsvorschlag für eine nachhaltige Integration präsentiert.

I. Migrationssysteme und Migrationstheorien

1. Geschichte von Wanderungsbewegungen

Wenn mit dem Begriff Migration gearbeitet wird, so kann dies auf vielerlei Definitionen zurückgeführt werden. Zum einen geht man auf die Form der Zuwanderung aus einem benachbarten Staat zurück, oder aber man denkt an die transatlantische Wanderungsbewegung. Auch ist es möglich, dass man den Begriff als Zuwanderungsmodus ansieht, welcher kulturell bestimmt ist.[1] Wenn man das Wort Migration ausnationalstaatlicher Sicht betrachtet, so gehen die meisten Konzeptionen von Wanderungsbewegungen von einem Land in das andere aus.[2] Geht man also von der nationalstaatlichen Ebene der Wanderungsbewegungen aus, so bedeutet dies auch gleichzeitig, dass die soziokulturelle Charakterisierung der Migranten dazu führt, dass die Mehrheitsgesellschaft erst durch diese Einstellungsmerkmale auf die Zugewanderten aufmerksam werden.[3] Dies bedeutet wiederum vereinfachend betrachtet, dass Migration eine einmalige Situation darstellt, die meist zielgerichtet ist und auf die jeweiligen Lebensbedingungen des Ziellandes ausgerichtet ist.[4] Deshalb spricht man in diesem Zusammenhang von Push-Faktoren, was gleichzeitig bedeutet, dass die besseren Lebensbedingungen eines Nationalstaates Menschen aus schlechteren Verhältnissen in dieses Gebiet ziehen.[5] Deshalb wird hier auch von Ausgangsstaat gesprochen und im Falle der Einwanderung in den sogenannten Zielstaat aufgrund der besseren Konditionen sprechen wir auch von Pull-Faktoren. In den 80er Jahren bereits hat die internationale Migrationsforschung darauf hingewiesen, dass selbst Menschen die kurzfristig in einen Zielstaat reisen, hier wird auch von temporärer Bleibefrist gesprochen, was wiederum bedeutet, dass jene dann auch in ihre Herkunftsländer zurückkehren, dadurch entstehen Möglichkeiten temporäre Eingewanderten in einen Niederlassungs- oder Integrationsprozess einzubinden.[6] Deshalb muss man Migration auch unterschiedlich betrachten. Spricht man von einer ethnischen Gruppe, also von einer Einheit von Zugewanderten, so ist auch davon auszugehen, dass diese Einheit aus einem Staat stammt, der auch völkerrechtlich anerkannt ist. Gleichzeitig ist davon auszugehen, dass jene Gruppe auch weiterhin Verbindungen ins Herkunftsland unterhält.[7] Diese Tatsache sehen wir gerade bei der jetzigen Flüchtlingssituation, wo viele Flüchtlinge über die globale Telekommunikation Kontakt ins Herkunftsland halten, um wahrscheinlich später wieder in das Herkunftsland zurückzukehren. Ist von der handlungs- oder prozessorientierten Wanderungsbewegung auszugehen, dann ist das Verhalten dieser Wanderungsbewegung auch unvergleichbar in eine größere Bandbreite zu setzen. Hier wird das Entscheidungs- und Verhaltensmuster einer Gruppe oder eines Individuums betrachtet. Deshalb sind Migration und Integration komplett und auch die darauf bezogenen Konzepte hierfür viel strukturierter anzusetzen. Genauso wie die Konzepte unterschiedlich sind, die wir im Kontext von Migration und Integration anwenden, ist die Geschichte der europäischen und internationalen Migration zu betrachten. Diese kann unterschieden werden in interne-transatlantische oder globale Zusammenhänge.[8] Ein solcher divergenter Ansatz führt dazu, dass der Begriff der Handwerkermigration eine lange historische Erfahrung mitgemacht hat. In Europa beispielsweise waren die komplexen Gesellschaftsformen und damit auch staatlichen Formationen nicht länger nomadisch geprägte Ökonomien.[9] Bei einem starken demographischen Wandel vor allem in Richtung der Bevölkerungszunahme standen meist gerade für die agrarischen Gebiete Besiedlungsmöglichkeiten zur Verfügung .[10] Anders und viel differenter und auch viel komplexer sah es in anderen Weltregionen aus. Im subsaharischen Afrika dauerte die südwärts gerichtete Expansion bspw. des Stammes Bantu bis ins 19. Jahrhundert an.[11] Das chinesische Imperium begann mit der Kolonialisierung der Mandschurei und Mongolei schon im Mittelalter und in Nord-, Süd- und Mittelamerika wurden gerade die nicht-urbanen Gebiete wieder besiedelt nach dem die Urbevölkerung verdrängt und vernichtet war.[12] Damit begann die europäische Besiedelung des süd- und nordamerikanischen Raumes. Indes war Europa dadurch geprägt, dass dieses räumlich mobiler war als andere Regionen und Kontinente der Welt.[13] Dies zeigt sich schon daran, dass Europa jene Großmächte stellte, welcher andere Kontinent kolonialisierten und neu bevölkerten. Allein in den 1820er Jahren bis in die 30er Jahre hinein verließen ca. 55 Millionen Menschen Europa.[14]

Eine viel größere Mobilitätsauthenzität sehen wir im 30-jährigen Krieg bzw. am Ende des 30-jährigen Krieges. Bis 1648 waren ca. 1/3 der mitteleuropäischen Bevölkerung liquidiert.[15] Was gleichzeitig bedeutete, dass ganze Regionen und Gebiete neu besiedelt werden mussten. Hinzu kam, dass mit Beginn des 17. Jahrhundert bis Mitte des 18. Jahrhunderts die urbanen Gesellschaften der Niederlande, Schwedens und Spaniens zusätzliche Arbeitskräfte brauchten. Hierin wird schon deutlich, dass das Arbeitswanderungssystem in der heutigen Zeit noch viel drastischer in ihrer Mobilität ist und schon damals von großer Bedeutung war.[16] Hierbei gab es schon im 17. und 18. Jahrhundert verschiedene Arbeitswanderungssysteme, so zum Beispiel das Ostsee- oder Nordseesystem bzw. das französisch-spanische System.[17] Im 17 Jh. bereits waren die demographischen Verluste des 30jährigen Krieges insoweit wieder ausgeglichen, dass sogar die Ernährungsdeckung der Bevölkerung verschiedenster Länder nicht mehr ausreichend war, so dass es zu Siedlungswanderungen kam um gesamte Landstriche in Europa fruchtbar zu machen.[18] Hierzu wurden meist Sumpfgebiete trocken gelegt oder sogar Hügel beackert. Im selben Zeitraum drängten die Dynastien der Habsburger und der Romanows die Grenzen des Osmanischen Reiches zurück, was wiederum zu Migrationsbewegungen führte.[19] Denn die muslimische Bevölkerung jeder Gebiete floh in das Kerngebiet des Osmanischen Reiches während die christlich-katholischen oder orthodoxen Bevölkerungsteile der beiden europäischen Großmächte die muslimischen besiedelten.[20] Mit dem 18.Jh war das regionale Wanderungssystem auf die Urbanität ausgerichtet. Dies wird durch die urbanen Zentren in den Niederlanden sowie den Großzentren London und Paris sowie bei vielen Städten im Mittelmeerraum oder in Osteuropa wie bspw. Moskau deutlich. Hier fand eine gesellschaftliche Umstrukturierung durch die Migration statt. Meistens wanderten nämlich ungelernte Arbeitskräfte wie bspw. Dienstmädchen in die städtischen Räume.[21] Dieser Umstand wird auch heute deutlich, wenn die Zahlen der Zugewanderten als empirisches Material verwendet wird.

2. Migrationsbewegungen als Fundament für den Arbeitsmarkt

Hierdurch wird auch deutlich, dass viele ungelernte Arbeitskräfte derzeit zu uns gestoßen sind. Indes zirkulierten gelernte Handwerker und Techniker schon damals sogar sehr weite Strecken zwischen unterschiedlichen Städten. Auch dies wird bei der Statistik von heute mehr als erfassbar. Es ist klar, dass für die Versorgung der Arbeitsmigration eine Versorgungsdeckung mit landwirtschaftlicher Versorgung notwendig war, was wiederum Arbeitskräfte anziehen musste. Das führte auch dazu, dass viele Menschen die sich lange Zeit auf Wanderschaft befunden hatten, nun sesshaft wurden.[22] Inwieweit die Flüchtlinge der heutigen Zeit an den neuen Zielorten sesshaft werden ist noch nicht ganz absehbar. Gerade zu Zeiten des Merkantilismus kann festgestellt werden, dass Massenzuwanderung im Rahmen einer vorindustriellen Phase benötigt wurde.[23] Hierbei handelte es sich nicht nur um stupides Arbeitskräftepulling, sondern schon hier war man auf spezialisierte Arbeitskräfte aus, so dass jetzt erst recht die Klarheit offenbart wird, warum in Zeiten der vierten industriellen Revolutionsphase mehr denn je nach spezialisierten Arbeitskräften gesucht wird.[24] Diese Zuwanderungsform entlang des merkantilistischen Wirtschaftskonzepts machte es sowohl individuell wie familiär sehr attraktiv, sich bestimmten Wanderungsbewegungen des 17. und 18. Jh. anzuschließen. Hinzu kam die Flucht und Vertreibung aus religiösen Gründen.[25] So flüchteten circa 250.000 Hugenotten aus Frankreich Richtung Preußen, dennoch verlor der religiöse Fluchtgrund mit dem 17. Jh. an Bedeutung.[26] Dennoch ist darauf zu verweisen, dass Flucht aus religiösen Gründen nie aufgehört hat, wie in gegenwärtiger Zeit festzustellen ist. Während demnach Flucht aus religiöser Differenz abnahm stieg jene Fluchtbewegung aus politischen Gründen.[27] Dies galt insbesondere in Zeiten der Revolutionen und Transformationen schon im 18. und 19. Jh., wo politische Reformen und radikale Veränderung in Liberalgesinnten Zentren wie London und Paris oder in Staaten wie Belgien oder der Schweiz Zuflucht suchten.[28] Gerade im 19. Jh. in Zeiten der industriellen Revolution, aber auch der politischen Umbrüche verstärkte sich im Zentrum Europas die interregionale und innerstaatliche Migration nicht nur über mittlere Distanzen, sondern durchaus über größere Entfernungen hinweg.[29] So gab es bspw. sogar Saisonwanderungen aber auch transatlantische Fernwanderungen, dies galt vor allem auch für ländliche Räume im Bereich des süddeutschen Raumes wo gerade bäuerliche Familien in die Balkanregion oder in den Süden des russischen Reiches aber auch nach Nordamerika abwanderten.[30] Intensiv diskutiert ist die Land-Stadt-Wanderung die gesamt Europa umfasste und gerade zu Ende des 19.Jh sich duplizierte, so dass die ländlichen Unterschichten sich in den Vorstädten wiederfanden.[31] Andererseits galt für wohlhabende Familien des Mittelstandes, dass sie sich Landhäuser erwarben, um teilweise Teile des Jahres in diesen zu verbringen. Dabei kann auch von einem interkulturellen Austausch Stadt-Land gesprochen werden. Durch massenhaft produzierte Industriewaren und eine umfangreiche und ausdifferenzierte Transportinfrastruktur benötigte man Fachkräfte, was natürlich wiederum zu Migrationsbewegungen und vor allem Arbeiterbewegung führte, denn es wurden Kanäle und Straßen und seit den 1830er Jahren auch Schienen verarbeitet und gebaut.[32] Die dafür benötigten Baukräfte stellten vor allem Männer aus dem ländlichen Raum was dazu führte, dass diese der mobilisierende Faktor für weitere Migrationsströme war. Wenn dies übersetzt wird auf die heutige Zeit, so hat auch Deutschland und die EU einen hohen Nachholbedarf an infrastrukturellen Maßnahmen, was gerade in der Breitbandverlegung deutlich wird.[33] Dies kann durchaus durch den Zuzug neuer Arbeitskräfte bewältigt werden, insofern sie Fachkräfte sind. Gerade die Großbaustellen in den Zentren Europas wurden zu einem zentralen Topos der Arbeitskräftebewegung des 19. Jh. Dies lag auch daran, dass innerhalb weniger Jahrzehnte das Schienennetz Europas von 330 km im Jahre 1831 auf 300.000 km im Jahre 1876 anstieg.[34] Auf die Gegenwart bezogen kann man sagen, dass der globale Luft- und Transitverkehr sich in den letzten Jahren ca. verzehnfacht hat.[35]

Großprojekte gerade im Transportwesen, wie z.B. der Panama-Kanal, führten dazu, dass die Arbeitsmigrationsbewegung selbstverständlich noch verstärkt wurde. Hinzu kam die Veränderung der Arbeitswelt im Allgemeinen vom Sektor der Landwirtschaft hin zur industriellen Fertigungswirtschaft in den 1880er Jahren.[36] Die technologischen Innovationen die auch heute noch ungebrochen sind, führten zu einer sogenannten innovatorischen Migrationswelle die bis heute anhält. Der Ruf nach Fachkräften aus der deutschen Wirtschaft zeigt dies in einem bestimmenden Maße.[37] Gerade die Konzentration der innovatorischen Industrien Englands, Frankreich, Deutschlands, Belgien, der Niederlande, Schweiz und Österreichs führten schon damals dazu, dass Arbeitskräfte aus den Peripherien Europas in die Zentren geschleust wurden.[38] Heute finden entsprechende Wanderbewegungen aus den Peripherien der Welt nach Europa und der USA.[39]

3. Die Nationalstaatsentwicklung und das Problem der Integration

Mit Ende des 19.Jh stieg die Idee der nationalen Identität über die Bedeutung lokaler und regionaler Zugehörigkeit.[40] Dies formte letztlich auch Rassendiskriminierung und ethnische Ausgrenzung. Daraus entstand die Differenzierung soziokultureller Zugehörigkeit die bis heute und gerade in unserer heutigen Zeit wieder durch die Re-nationalisierung zunimmt.[41] Die Folge die bis heute unübersehbar ist, ist das Staaten aber auch gesamte Gesellschaftsformen Arbeitskräfte die sie benötigen oder sogar importieren müssen, etno-kulturell zuordnen und unerwünschte Menschen sogar von der Zuwanderung ausschließen.[42] Jene Debatte haben wir heute in den rechtspopulistischen oder linkspopulistischen Diskursen. Umso mehr ist Migration mit globaler Veränderung und der vierten industriellen Revolution verzahnt. War die Aufklärung und die Französische Revolution auf Gleichheit manifestiert so postulierte der Nationalstaat des 19.Jh. - sei er dynastisch oder demokratisch-republikanisch ausgerichtet- die Klasse und das Geschlecht, aber vor allem konzentrierte er sich auf die nationale Staatsangehörigkeit.[43] Gerade deshalb wurden Arbeitskräfte aus dem Ausland strengeren Restrektionen unterworfen .[44]

Dies hatte auch zur Folge, dass die Arbeitsmarktgesetzte verschärft und sogar Zwänge miteingebaut wurden, das Land im Notfall wieder zu verlassen. Diese Faktizität finden wir auch heute in den Arbeitsmarktgesetzten gerade in Deutschland wieder.[45] Die zugewanderte Personen müssen erst einmal auf eine Vorrangprüfung auf dem Arbeitsmarkt warten, damit sie überhaupt einen bestimmen Arbeitsplatz in Anspruch nehmen können, findet die Arbeitsagentur unter den Einheimischen einen entsprechenden Anwärter auf einen Arbeitsplatz, so ist dieser vorzuziehen.[46]

Diese Form der Integrationsarbeit bereits am Ende des 19. Jh. und im viel größeren Maße im 20. und 21. Jh. führte dazu, dass Migranten oder bestimmte soziokulturelle Gruppen als Minderheiten degradiert wurden und damit auch einer Diskriminierung unterlagen.[47] Meistens wurden diese Minderheiten an die Peripherie der Stadtzentren gedrängt; selbiges lässt sich heute wieder feststellen: Geringer Wohnraum führt zur Zurückdrängung gesamter Gesellschaftsteile was wiederum zu Abwanderung führte, um Arbeit und Einkommen zu finden. In die heutige Zeit geschaut wandern gerade gut konstituierte Personen ins Ausland ab. Beispiele der damaligen Zeit für die Abwanderung im Sinne der Neufindung zeigen sich beispielsweise bei den Slowaken im Habsburger Reich die nach Budapest, Wien oder Sankt Petersburg, später dann nach Nordamerika auswanderten. Ideologisierung, Nationalismus, Rassismus sowie die Kämpfe von Minderheitsgruppen um Selbstbestimmung waren ebenfalls auslösende Faktoren für Migration.[48] Beispiele hierfür sind die frühen Balkankriege, der Erste und Zweite Weltkrieg. Gerade diese globalen Kriege führten zu Regenerierung von riesigen Fluchtbewegungen über mehrere Kontinente hinweg. In den 30er Jahren ging dies sogar soweit, dass Zwangswanderungssysteme eine kurze Lebenszeit mitmachten, gerade im nationalsozialistischen Deutschland oder in der Sowjetunion.[49] Viel schlimmer jedoch war die Dekolonisation und die Schaffung neuer Nationalgebiete in Afrika, Asien, Lateinamerika im 20. Jh.[50] Diese führten letztlich zur Fluchtbewegung aus verschiedenen Kulturräumen in die Welt hinaus.[51] Diese Mobilisierung von Menschenströmen hält bis heute an. Indes veränderten sich die Migrationsbewegungen innerhalb Europas. Während die transatlantische und später koloniale Auswanderung zum Erliegen kam, muss festgehalten werden, dass ab dem 1950er Jahren eher der Weg von West-Ost und Ost-West Richtung nach Süd-Nord verlagert wurde.[52] Vor allem die Arbeitsmigration verlagerte sich in das Süd-Nord-System also in den Mittelraum bzw. nach Südeuropa. Dadurch entstand erst die „Europäische Arbeitsmarktunion“.[53] Interessant hierbei erscheint, dass hier die erste Einwanderungswelle außerhalb Europas nach Europa, und zwar aus den ehemaligen Kolonien entstand. Nach Frankreich wanderten vor allem Menschen aus Algerien und Vietnam, nach Großbritannien Menschen aus Westindien / Karibik, Indien oder Pakistan, nach Portugal Einwanderer aus Mosambik oder Angola sowie in die Niederlande zuerst Menschen aus Indonesien und später aus Surinam.[54] Was die damaligen Regierungen der europäischen Nachkriegsstaaten nicht verstanden und bis heute scheinbar nicht verstehen, ist das dies meist keine temporären Bewegungen waren, sondern die Migranten der früheren Zeitgeschichte warenbestrebt , dauerhaft sich in den neuen Gebieten niederzulassen.[55] Dies implizierte letztlich die Integrationsprobleme von heute. In den letzten Jahrzenten des 20 Jh. transformierte sich die Trennlinie zwischen nördlicher und südlicher Hemisphäre.[56] Dies bedeutet und gleichzeitig muss festgestellt werden, dass dieser Prozess heute noch anhält, dass Asyl- oder Arbeitsmigrationsbewegungen aus der Süd- Halbkugel in den Industrialisierungsprozess drei und vier sowie die politische Liberalisierung in Europa deshalb so attraktiv war, weil es eben auf der Südhalbkugel keine Industrialisierungsmechanismen und Liberalisierungsformen gab, oder diese nur langsam voran kamen, sodass eine Einkommensregenerierung fast unmöglich wurde und dies bei gleichbleibendem Bevölkerungszuwachs, so dass die nördliche Hemisphäre, also die EU das einzig rettende Gebiet war, um wirtschaftliche Prosperität zu erhalten.[57] Die Festung Europa, die mit dem Schengener Abkommen letztlich geschaffen wurde, führte nur dazu, dass sich die Migrationsbewegungen nicht im Sinne einer Integrationsverstärkung bewegte, sondern eher zu einer Illegalität in den Zielstaaten und damit auch zur illegalen Arbeitsaufnahme also zu einer vermehrten Schwarzarbeit, die bis heute mehr als sichtbar wird.[58] So verwundert es nicht, dass sich illegal aufhaltende Personen in der „Festung Europas“ auch als undocumented persons bezeichnet werden, was natürlich die Diskriminierung solcher Menschen verstärkt und nicht zur Integration beiträgt. Während für viele Menschen die eben berschriebene europäische Migration freiwilliger Natur war, wobei der Begriff freiwillig oder frei im Gegensatz zu erzwungener Integration allein auf den Entscheidungsbereich konzentriert ist, ist die Migration der heutigen Zeit, also die des 20. und 21. Jahrhunderts eher der regiden wirtschaftlichen Bedingungen der Ausgangsräume und der verhinderten Erwerbschancen geschuldet.[59] Das führte letztlich dazu, dass Einzelne oder sogar Familien oder ganze Gesellschaften in der „Ferne“ Arbeit suchten und eine neue Heimat suchen mussten und bis heute müssen. Schon im damaligen Europa war die demographische Entwicklung der Auslöser für Immigration und letztlich dann auch Lohnarbeit und dies gilt bis heute. Die Entscheidungsfindung, ob man abwanderte oder nicht, und ob man heute noch abwandert oder nicht, hängt meistens nicht von dem Begriff „Frei“ ab, sondern diese Frage entschied sich letztlich darin, wer gehen sollte und durfte.[60] Aus diesen Gründen wandern auch heute noch Familien, Einzelne und gesamte Gruppen nach Europa, in die USA oder nach Kanada, um ihre Erwerbschancen zu erhöhen.[61]

4. Das Drei-Phasen-System von Wanderungssystemen

Wurde bis dato die Immigration aus historischen Prozessfaktoren analysiert, so ist jener Prozess durchaus auch in einem Drei-Phasen-System zu betrachten. Die erste Phase umschließt die Entstehungsform der Wanderungsbereitschaft bis zur genauen Bestimmung des Verlassens des Ausgangsraumes.[62] Die zweite Etappe basiert auf derDauer des Verweilens, welche sich in verschiedene Zeitabschnitte gliedert bis zur Reise in den gewählten Zielort. Die dritte Phase dagegen ist dadurch gekennzeichnet, dass sieunterschiedlich zeitlich gegliedert ist, was die Integration in die Aufnahmegesellschaft anbelangt.[63] Wenn es zu mehrfacher Migration kommt, dann widerholen sich auch jene Phasen der Hin- und Rückwanderung, die sich entlang bestimmter Routen und Etappen in verschiedenste Bestimmungsorte vollziehen.[64] Warum jemand wandert, hängt von den in der Ausgangsgesellschaft vorzufindende sozio-ökonomische Faktoren wie bspw. demographische Charakteristika, politische Systeme, soziale Strukturen und der damit verbundenen ökonomischen Stratifikation, Entwicklung der industriellen Basis sowie Urbanisierungsgrad.[65] Hinzu kommt die ethnisch, kulturelle und oder religiöse Zusammensetzung und der Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen wie vor allem der Zutritt zu Bildungseinrichtungen.[66] Jene Menschen, die zur Wanderung bereit sind, haben diese Grundfaktoren in unterschiedlichem Ausmaße und nach der jeweiligen regionalen Begebenheit erlebt. Hier ist beispielsweise im 19.Jh. das südwestliche Deutschland oder die Agave in Portugal zu nennen, wo unterschiedliche Rahmenbedingungen vorhanden waren. Für die heutige Zeit kann man den ungefähren Vergleich zwischen Syrien und Nordafrika beispielsweise ziehen, wo unterschiedliche Bedingungen vorhanden sind. Durch die regionalen Wanderungsformen entstehen auch unterschiedliche Informationsflüsse, dazu kommt ein Wanderungsverhalten was zu kohibierenden Informationsflüssen aus dem jeweiligen Zielgebiet führt.[67] Das beste Beispiel hierfür ist die derzeitige Informationspolitik und der jeweilige Informationsfluss der hier angekommenen Flüchtlingen, die aufgrund der tatsächlichen Gegebenheiten völlig andere Informationen an die Heimat weiterliefern, die sich natürlich grundsätzlich von den Informationen im Ausgangsland unterscheiden. Die Divergenz zwischen den Informationen im Ausgangsland und den Informationen im Ankunftsland ist zudem bei höherem Innovationsgrad auch höher..[68] Waren die Informationsstränge früher mehr an die schriftlich-postalische Übermittlung gekettet und damit war auch die Übermittlungszeitspanne länger, kann heute innerhalb von weniger Sekunden und dies mehrfach mehrere Informationen gleichzeitig mit unterschiedlichem Inhalt ausgetauscht werden. Somit ist es auch klar, dass wenn die ökonomischen und gesellschaftlichen Bedingungen nicht den Vorstellungen entsprechen, dass dann meist Push-Faktoren, die bereits erläutert worden sind, ausgelöst werden können. Dies hat zur Folge, dass Gruppen, Familien und sogar einzelne Personen sich auf den Weg machen, um nach besseren Rahmenbedingungen für ihr Leben zu suchen.[69] Wobei dies nur die vermuteten besseren Lebensbedingungen sind, was unter Pull-Faktoren subsumiert wird. Wird von Zwangswanderungen abgesehen, so verbinden sich Push und Pull – Faktoren, wobei beide ein unterschiedliches Gewicht erhalten. Im Sinne eines angepassten Verständnisses von Heimat wird dieser Begriff mit dem Ort verbunden, an dem bessere Lebenschancen geboten werden..[70] Wurde bisher von einer ganzheitlichen Sichtweise ausgegangen, d.h. von der Ebene der Familie oder der Kommune, also der sogenannten Mikroebene, wo auch kulturelle, soziale, ökonomische Faktoren, also die Mesoebene, eine Rolle spielen wird immer mehr deutlich, dass meistens gültige Gesetze, Machtfaktoren, Geschlechterrollen, Altershierarchien, Klassen und die damit verbundenen ökonomischen Machtsysteme, also die Makroebene eine wesentliche Rolle spielen.[71] Allerdings sind für Wanderungsbewegungen alle 3 Ebenen miteinander verzahnt. Deshalb sind Wanderungsentscheidungen, ob nun vom ländlich-agrarischen, oder städtisch-industriellen oder Dienstleistungsmilieu, immer auch im 20. und 21. Jh. Familienentscheidungen. So ist eine Familienwirtschaft meist damit verbunden, in welchem Maße ein Familienoberhaupt seine Familie ökonomisch unterstützen kann.[72] Damit bestimmt die Geschlechter- und Generationshierarchie auch die Art und der Grad der Finanzierung der Familie.[73] Dabei ist die Familie nicht nur der Hort der materiellen Reproduktion, sondern sie hat selbstverständlich auch einen emotionalen Wert, was alleine die Sorge um die Kinder oder Bedürftige deutlich macht.[74]

[...]


[1] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S.19 ff.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] Ebd., siehe auch: UNHCR 2015, S. 2-3.

[6] Migrationsbericht der Stadt Mannheim, S. 10- 12. Siehe auch: Nationaler Flüchtlingsbericht 2014, S. 30-34.

[7] Geiger 2009.

[8] UNHCR 2015, S. 6-8.

[9] Osterhammel: Globalgeschichte, S. 5-6.

[10] Anmerkung: Der englische Mönch Maltus prophezeite im 16. Jahrhundert, dass es zu einem Massensterben kommen würde, wenn die Bevölkerungszunahme weiter anhalten würde. Er berücksichtigte dabei jedoch nicht, die technologische Entwicklung in der Agrar- und Ernährungsindustrie.

[11] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 22-25.

[12] Ebd.

[13] Siehe Osterhammel, S. 15-17.

[14] Ebd.

[15] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 29-31.

[16] Ebd.

[17] Ebd.

[18] Siehe: Geschichte der vorindustrialisierten Gesellschaft 1992, S. 21-46.

[19] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 35-37.

[20] Ebd.

[21] Ebd.

[22] Ebd.

[23] Siehe Geschichte der vorindustriellen Gesellschaft, S. 116-118.

[24] Paul Kennedy 1997, S. 15-37.

[25] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 35-37.

[26] Ebd.

[27] Ebd.

[28] Ebd. Siehe auch: Schriftgut von Heinrich Heine von 1846-1849.

[29] Ebd.

[30] Ebd.

[31] Ebd.

[32] Ebd.

[33] Siehe Stellungnahme der Bundesregierung 2007, S. 9-11.

[34] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 39-41.

[35] Paul Kennedy 1997, S. 15-37.

[36] Buchheim: Industrielle Revolutionen und Strukturveränderungen 1994, S. 32-40.

[37] Siehe Bericht des DIHK 2015, S. 3.

[38] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 39-41.

[39] Ebd. Siehe auch: Bericht des UNHCR 2015, S. 1-2.

[40] Ebd.

[41] Bericht des UNHCR 2015, S. 5-6.

[42] Siehe gegenwärtiges Asylrecht.

[43] Geiger 2009, S. 339-340.

[44] Siehe Asylrecht.

[45] Ebd.

[46] Siehe gegenwärtiges Arbeits- und Asylrecht.

[47] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 40 ff.

[48] Ebd.

[49] Ebd.

[50] Ebd.

[51] Ebd.

[52] Ebd.

[53] Siehe Bericht der EU-Kommission seit 1998, S. „/3.

[54] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 41-43.

[55] Ebd.

[56] Ebd.

[57] Ebd.

[58] Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums zur Lage der Schwarzarbeit im Jahre 2015, S. 3.

[59] UNHCR-Bericht 2015, S.6.

[60] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 45.

[61] UNHCR-Bericht 2015, S. 7.

[62] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 45 f.

[63] Ebd.

[64] Ebd.

[65] Buchheim: Industrielle Revolutionen, S. 61-69. Siehe auch UNHCR-Bericht 2015.

[66] Siehe: Flüchtlingsbericht der Bundesregierung, S. 9-11.

[67] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 48/49.

[68] Paul Kennedy 1997, S.37-68.

[69] UNHCR-Bericht 2015, S. 10.

[70] Siehe: Spiegel-Artikel 2010.

[71] Klaus J. Bade / Pieter C. Emmer 2007, S. 51.

[72] Siehe Arte-Reportage über alleinstehende Frauen nach Jordanien am 12.12.2016.

[73] Ebd.

[74] Ebd.

Excerpt out of 48 pages

Details

Title
Migration und kommunalpolitische Engpässe. Die Krise des sozialen Wohnungsbaus durch die Migrationskrise am Beispiel Mannheims
Author
Year
2016
Pages
48
Catalog Number
V378055
ISBN (eBook)
9783668553859
ISBN (Book)
9783668553866
File size
1567 KB
Language
German
Keywords
migration, flüchtlingsbewegung, wohnungsmarkt, mannheim
Quote paper
Ilya Zarrouk (Author), 2016, Migration und kommunalpolitische Engpässe. Die Krise des sozialen Wohnungsbaus durch die Migrationskrise am Beispiel Mannheims, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378055

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