Multikulturalität und das Human Resources Management. Multikulturelle Sozialisationen als Prädiktor berufsbezogener Kompetenzen

Eine empirische Studie


Texte Universitaire, 2016

77 Pages, Note: 1,70


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Forschungsmotivation und erste Komplikationen

3. Theorie
3.1 Kultur und Unternehmenskulturen
3.2 Multikulturalität als Herausforderung für das HR-Management
3.3 Multikulturelle Sozialisationen und Interkulturelle Kompetenz
3.4 Erwartungen an die Studie und Ableitungen

4. Hypothesen im Überblick

5. Methoden
5.1 Studiendesign und Procedere
5.2 Stichprobenbeschreibung
5.3 Psychometrische Messinstrumente
5.3.1 Inventar sozialer Kompetenzen (ISK)
5.3.2 Leistungsmotivationsinventar (LMI)
5.3.3 Multicultural Personality Questionnaire (MPQ)
5.4 Kompetenzkonstrukte und Subdimensionen

6. Ergebnisse

7. Diskussion
7.1 Fazit und Ausblick
7.2 Kritik an der Studie

8. Empfehlungen für die Praxis am Beispiel von XY

II Literatur

III Anhang
Anhang a. Fragebogen
Anhang b. Umfrageabbrüche nach Seite
Anhang c. Tabellen der statistischen Berechnungen

Abstracts

Viele mögliche Prädiktoren berufsrelevanter Kompetenzen und Fähigkeiten, unter ihnen multikulturelle Sozialisationen, sind bislang wenig erforscht. Daher untersuchte die vorliegende Studie an 1059 Befragten, von denen insgesamt n = 595 komplette Datensätze lieferten, inwieweit Angaben zu Demografie, Lebenssituation und multikulturelle Sozialisationen, eine Vorhersagekraft für berufsrelevanten Kompetenzen, wie soziale Kompetenz, Leistungsmotivation und interkulturelle Kompetenz leisten. Zugrunde liegt eine nicht-experimentelle Fragebogenuntersuchung (exploratives Design) mit selbstentwickelten Items sowie standardisierten Messinstrumenten (ISK-K nach Kanning, LMI-K nach Schuler, Prochaska & Frintrup, MPQ nach van der Zee & van Oudenhoven). Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass multikulturelle Sozialisationen (UV) eine bedeutende Rolle bei der Vorhersage berufsrelevanter Kompetenzen (AV) spielen. Signifikante Effekte wurden u. a. bei der Anzahl gesprochener Sprachen gefunden (r = .28, p ≤ .01), die verbrachte Zeit in einem Land (r = -.09, p ≤ .05) sowie das Lebensalter (r = -.27, p ≤ .01). Außerdem weisen in unserer Studie Frauen signifikant höhere Werte hinsichtlich ihrer Offenheit und kulturellen Empathie auf, wo hingegen Männer signifikant höhere Werte hinsichtlich der Offensivität und Selbststeuerung aufweisen. Die Studie bietet daher sowohl eine Grundlage für weitergehende Forschung zu Prädiktoren berufsrelevanter Kompetenzen (Kriterium), als auch praktische Erkenntnisse im Hinblick auf multikulturelle Differenzen für Organisations- und Personalentwicklung, Personalauswahl sowie für das Human Resources Management allgemein

Up to now there has been only little empirical research concerning the impacts of work related skills, such as multicultural socializations. Therefore the present study asked 1059 Persons, from who n = 595 returned completed questionnaires, to examine how data of demography, life situation and multicultural socializations can predict work related skills, such as social competences, achievement motivation and intercultural competences. The examination is based on a none-experimental questionnaire design (explorative), with self generated Items as well as standardized psychometric questionnaires (ISK-K by Kanning, LMI-K by Schuler, Prochaska & Frintrup, MPQ by van der Zee & van Oudenhoven). The results point out that multicultural socializations play an important role predicting work related skills. Significant effects were among others found in the amount of languages spoken (r = .28, p ≤ .01), the amount of time spent in a country (r = -.09, p ≤ .05) and Age (r = -.27, p ≤ .01). In addition, in our study, women have shown significantly higher values in terms of their openness and cultural empathy, whereas men have shown significantly higher values in terms of assertiveness and self-control. Therefore the results offer both a basis for further research of determinants of work related skills and practical findings for organisation- and personnel development as well as personnel selection and Human Resources Management in general.

1. Einleitung

Multikulturalität auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sowie in den diversesten Branchen, ist die logische Folge einer immer stärker globalisierten Welt. Soziale Kompetenzen, spezieller noch, interkulturelle oder multikulturelle Kompetenzen und Fähigkeiten scheinen mittlerweile notwendiges Rüstzeug, um darin ein erfolgreicher Akteur zu sein – sei es als Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Dies wird etwa daraus ersichtlich, dass heutzutage nahezu jede Stellenausschreibung soziale Kompetenz(en) explizit auflistet, etwa in Form von Teamfähigkeit, Durchsetzungsvermögen, Perspektivenübernahme, usw. Zwar kompensieren diese nicht die nötigen Fachkompetenzen, doch scheinen persönliche Attribute gleichzeitig immer mehr an Bedeutung zu gewinnen.

Blicken wir jedoch auf die Forschung und suchen aussagekräftige Belege, ob oder inwiefern überhaupt ein Zusammenhang zwischen multikulturellen Erfahrungen und berufsrelevanten Kompetenzen besteht, finden wir höchstens eine Lücke oder rein holistische Erklärungsversuche. Zwar widmen sich bereits zahlreiche Studien, Publikationen und unzählige öffentliche Diskussionen dem Thema Multikulturalität, seinen Problemen und Vorteilen – doch zielen allesamt hauptsächlich auf gesellschaftliche Sozialisationen sowie deren mehr oder weniger erfolgreichen Erfahrungen einer gesellschaftlichen Integration ab. Insbesondere in der schulischen Landschaft, der Soziologie und der Pädagogik sowie der allgemeinen Integrationsforschung ist dieses Thema seit geraumer Zeit im Fokus. Das Problem ist allerdings, dass sich in diesen Disziplinen kaum Quellen finden lassen, die valide Effekte auf berufsrelevante Unterschiede liefern und über eine rein qualitative Forschung hinausgehen. An genau dieser Stelle soll diese Arbeit ergänzend wirken und unter Eingrenzung des Konstrukts Multikulturalität, erstmals quantitative Ergebnisse liefern, die für die Personaldiagnostik von Relevanz sind. Unterscheiden sich Menschen mit multikulturellen Erfahrungen bzw. Sozialisationen von denen ohne dieselben? Und wie sehen die Effekte hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz, Leistungsmotivation und der interkulturellen Kompetenz aus? Mit anderen Worten, dient der Hinweis auf multikulturelle Sozialisationen (bspw. im Lebenslauf) als Prädiktor berufsrelevanter Kompetenzen?

2. Forschungsmotivation und erste Komplikationen

Im Rahmen meines Studiums absolvierte ich ein fünfmonatiges Praktikum im Global Human Resources Management der XY AG in der Konzernzentrale in M. bei Stuttgart. Während dieser Zeit habe ich nicht nur im alltäglichen HR-Tagesgeschäft mitwirken können, sondern vor allem einen tiefen Einblick in das operative Geschäft einer global tätigen Personalabteilung und eines Konzerns mit über 12.500 Mitarbeitern weltweit erfahren – darüber hinaus lernte ich viele interessante Menschen kennen, mit denen ich zahlreiche Gespräche führte und die mich im Folgenden zu dieser Arbeit motivierten. Während des Praktikums wurde abteilungsübergreifend eines sehr schnell deutlich: Eine enorme kulturelle Vielfalt sowie der ständige Kontakt mit internationalen Kollegen, Partnern und anderen Schnittstellen des Unternehmens. Nach ersten Ideen zum Thema (ursprünglich: Migrationshintergrund & berufsrelevante Kompetenzen) folgten die ersten Züge des Studiendesigns, PowerPoint Präsentationen und Handouts, um Überzeugungskunst bei den direkten Kollegen und Vorgesetzen leisten zu können. Das Thema Migrationshintergrund und dessen negative Konnotationen sowie der stark akademische Ansatz dieser Forschung stießen anfänglich allerdings auf starken Widerstand – zu viel Wissenschaft für die Praxis?

Nach Überarbeitung des Studiendesigns und einem Umschwung auf das naheliegende Thema der Multikulturalität, widmete sich das Vorhaben nun m ultikulturellen Sozialisationen als Prädiktor berufsbezogener Kompetenzen und ich wandte mich damit an die höhere Instanz, dem Senior Vice President of Global Human Resources. Dieser zeigte nicht nur großes Interesse an der Datenerhebung, sondern betonte gleichzeitig die hohe Relevanz dieses Themenfeldes für die XY AG (sowie das zeitgemäße HR-Management im Allgemeinen).

3. Theorie

3.1 Kultur und Unternehmenskulturen

„Die wohl hinterhältigste Frage, die man einem Kulturwissenschaftler/-

Volkskundler stellen kann, ist die nach seinem Kulturbegriff“.

(Wittel, 1996)

Beschäftigen wir uns mit dem Thema Multikulturalität oder interkulturelle Kompetenz, ist Kultur unweigerlich ein Schlüsselbegriff. Und auch wenn zahlreich diskutiert und publiziert, insbesondere in populären Handbüchern, so finden sich noch immer recht naive und nebulöse Vorstellungen darüber, was genau Kultur bezeichnen soll und wo die Grenzen sind. Kulturen stünden beispielsweise analog für bestimmte Länder und seien im gleichen Maße auf die einzelnen Mitglieder übertragbar oder etwa trennscharf von anderen Kulturen abzugrenzen. Und obwohl schon Herder (1887/1967) die Problematik dieses Phänomens erkannte: „Nichts ist unbestimmter als dieses Wort und nichts trüglicher als die Anwendung desselben auf ganze Völker und Zeiten“ – so ist auch heute noch kaum eine allgemein akzeptierte Definition zu finden. Stattdessen und um diese mannigfaltige Idee des Konstrukts Kultur auch weiterhin erfolgreich zu umgehen – vielleicht weil es in seiner Ganzheit kategorial kaum erfassbar ist – wird in der Fachliteratur, statt einer exhaustiven Definition, oft mit sogenannten Kulturmodellen operiert (Földes, 2009) – so dass Wittel (1996) auch weiterhin Recht behält.

Für unser Verständnis sind Kulturen keinesfalls statische oder homogene Konstrukte, sondern vielmehr ständig im Wandel und vom Kontakt lebende Bezeichnungen für Individuen, die sich aufgrund einiger (überwiegender) gemeinsamer Lebenseinstellungen, Erfahrungen und oder -charakteristika zusammen gruppieren lassen. Sie sind eine Art kollektiv geteilte soziale Wirklichkeit, wie sie beispielsweise Maletzke (1996, S. 16) beschreibt: „In der Kulturanthropologie ist Kultur im wesentlichen zu verstehen als ein System von Konzepten, Überzeugungen, Einstellungen und Werteorientierungen, die sowohl im Verhalten und Handeln des Menschen als auch in ihren geistigen und materiellen Produkten sichtbar werden. Ganz vereinfacht kann man sagen: Kultur ist die Art und Weise, wie die Menschen leben und was sie aus sich selbst und ihrer Welt machen.“

Haben wir dies einmal verdeutlicht, so lässt sich der Kulturbegriff ebenfalls in einen wirtschaftlichen, bzw. beruflichen Kontext transportieren. Auch Unternehmen besitzen eine eigene Kultur, die wiederum ebenfalls aus unterschiedlichen mehr oder weniger geteilten Werten aller Akteure besteht. Für das Human Resources Management spielt dies eine besonders wichtige Rolle, z. B. bei der Rekrutierung neuer Kandidaten. Unter der Fragestellung, welche Person zum Unternehmen passt, könnte ein Kandidat zwar fachlich der Stärkste unter allen Bewerbern sein, doch persönlich nicht mit den Werten des Unternehmens übereinstimmen und somit ungeeignet sein. Würde man diesen Aspekt bei der Besetzung neuer Stellen völlig vernachlässigen, könnte es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Arbeitsunzufriedenheit oder anderen Konflikten führen und langfristig größere Probleme verursachen (z. B. Demotivation seitens der Mitarbeiter, Anspannungen innerhalb der Belegschaft oder mit dem Management) und in Folge dessen in höheren Mitarbeiterfluktuationen oder Krankheitsquoten gipfeln. Ist die Belegschaft eines Unternehmens zudem sehr international zusammengesetzt oder stark multikulturell geprägt, kann es dieses Konfliktpotenzial zusätzlich verschärfen – Gutting beschreibt u. a. etwa Kommunikationsprobleme und andere Missverständnisse als Konsequenz unterschiedlicher Hintergründe und Vorstellungen (2015). Doch egal ob im sogenannten Diversity Management oder in der Personalauswahl, Unternehmen sind aufgrund eines immer akuter werdenden Fachkräftemangels auch in Zukunft unausweichlich auf internationale Rekrutierung angewiesen. Dies verdeutlichen auch die Ergebnisse der ManpowerGroup Studie (2015). Mehr als 41.700 Personalverantwortliche aus über 42 Ländern wurden dabei zum Thema Fachkräftemangel befragt. Bei der Frage, ob sie Schwierigkeiten bei aktuellen Stellenbesetzungen haben, antworteten 46 % mit ja – 6 Prozentpunkte mehr als in 2014 und sogar 16 Prozentpunkte mehr als in 2013. Ziel dieser Arbeit ist es somit, einen aufklärenden Anteil am Thema Multikulturalität in der Arbeitswelt beizusteuern und beschäftigt sich daher gezielt mit der Frage, inwieweit multikulturelle Sozialisationen (unabhängige Variable) berufsrelevante Kompetenzen (abhängige Variablen) wie soziale Kompetenz, Leistungsmotivation und interkulturelle Kompetenz beeinflussen, bzw. vorhersagen können.

3.2 Multikulturalität als Herausforderung für das HR-Management

„Kultur ist Reichtum an Problemen“.

(Friedell, 1990)

Multikulturalität, Interkulturalität, Transpluralität, Plurikulturalität – sicherlich ließen sich noch weitere Zeilen mit Begriffen füllen, die alle ziemlich ähnlich klingen und auf den ersten Blick dasselbe bezeichnen. Doch auch wenn eine sehr starke Verwandtschaft dieser mono-Kultur-übergreifenden Begriffe unumstritten vorliegt, sind es keineswegs Synonyme. Weder der Ursprung noch die Vertiefung all dieser Definitionen stehen im Fokus dieser Arbeit, doch ist es trotzdem nötig, einige Begriffe kurz zu erläutern und möglichst voneinander abzugrenzen sowie den hier verwendeten Begriff multikulturelle Sozialisationen stärker einzugrenzen. Multikulturalität und interkulturelle Kompetenz sind dabei die Schlüsselbegriffe, auf die hier weiter eingegangen werden soll, da sie nicht nur in der Kulturforschung viele Debatten und Diskussionen begleiten, sondern auch aufgrund der begrifflichen Verwandtschaft leicht missinterpretiert oder verwechselt werden können. Daher ist für das Verständnis dieser Arbeit eine klare Trennung der Begriffe notwendig.

Multikulturalität beschreibt ganz allgemein das Zusammenleben und die Interaktion von Angehörigen verschiedener Kulturen und somit Phänomene, die uns Tag für Tag privat, beruflich sowie politisch begegnen (Erll & Gymnich, 2007). Doch so viele Vorteile eine multikulturelle Gesellschaft auch bringen kann, so soll das einleitende Zitat von Friedel auch verdeutlichen, dass dies nicht selten problematisch erfolgt und oft ebenfalls aufgeladener Natur ist. Dass dies zudem die Realität gut widerspiegelt und mehr als aktuell ist, dürfte spätestens seit der jüngsten Flüchtlingskrise kein Europäer mehr anzweifeln. Welche Veränderungen genau auf Wirtschaft und Gesellschaft zukommen sowie die Konsequenzen für den Arbeitsmarkt und das Personalmanagement sind jedoch noch mehr als ungewiss – allein die Vorhersagen an die zu erwartenden Flüchtlingszahlen (aktuell rund 800.000 pro Jahr in den kommenden Jahren), werden allein in Deutschland fast täglich korrigiert (Tagesschau.de, 2015). Bedenken wir, dass nur wenige davon hochqualifiziert sind, verschärft es zusätzlich die Problematik.

Doch ein Detail scheint – zumindest in öffentlichen Diskussionen – noch viel größere Bedeutung zu haben. Wie kompatibel sind die aufeinander treffenden Kulturen? Blättern wir in den Geschichtsbüchern zurück, so sehen wir, dass Deutschland bereits häufig vor ähnlichen Situationen stand. In einem vom zweiten Weltkrieg zerstörten Deutschland strömten um 1945 rund 12 Millionen Menschen ein (Tagesschau.de, 2015) – allerdings teilten diese denselben kulturellen Hintergrund, sowie die deutsche Sprache. Auch die in den 1960ern praktizierte deutsche Politik, südeuropäische Gastarbeiter aufzunehmen, um einen enormen Mangel an Arbeitskräften auszugleichen, führte zu einer großen Einwanderungswelle. Das Bureau of Labor Statistics (1968) verzeichnete für Westdeutschland zwischen 1961 und 1967 einen Zuwachs von rund 686.000 auf 1.8 Millionen Ausländer – bis 1973 sogar auf 3.9 Millionen. War dies vielleicht der Beginn eines multikulturellen Deutschlands? – Zwischen 1954 und 2006 wurden insgesamt 36 Millionen Zuwanderungen nach Deutschland gelistet, von denen 80 % ausländischer Herkunft waren und nur 27 Millionen das Land wieder verließen (Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, 2009). Um der Frage jedoch tiefer nachzugehen, müssten wir sicherlich noch viel weiter in den Geschichtsbüchern zurückblättern – rückwärts über den ohnehin umstrittenen Beginn der Globalisierung (IMF, 2000), über Kolonial- und Mittelalterzeit bis zu den Ursprüngen des deutschsprechenden Raumes. Daher belassen wir die geschichtlichen Entwicklungen und einigen wir uns darauf, dass Deutschland seit langer Zeit und unbestritten ein multikulturell geprägtes Land ist.

Konzentrieren wir uns auf die Herausforderungen für das Human Resources Management, so wird folgendes deutlich: Genau wie in den genannten Jahrzehnten zuvor, wird es auch in diesem Fall einen großen Impakt auf die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt geben und völlig losgelöst davon, ob der zukünftige demografische Wandel dadurch positiv oder negativ beeinflusst wird und sogar der Fachkräftemangel in naher Zukunft gänzlich beseitigt wird – wird es zunächst ein kulturelles Problem für Unternehmen und Personaler, welches keinesfalls ignoriert werden darf. Denken wir noch einmal an Friedells (1990) Zitat und ersetzen das Wort Problem durch Herausforderung, so beschreibt es das aktuelle Szenario. Denn die erfolgreiche Rekrutierung von kulturell-kompatiblen Mitarbeitern, sowie die Integration vermehrter Diversität in Unternehmen spielen unweigerlich eine immer größere Rolle im zukunftsorientierten HR-Management.

3.3 Multikulturelle Sozialisationen und Interkulturelle Kompetenz

Bezieht sich Multikulturalität, wie oben beschrieben, auf die Diversität kultureller Eigenschaften sowie sozialer Strukturen – in Gesellschaft und Organisationen – so bezeichnen multikulturelle Sozialisationen auf einer übergeordneten und zusammengefassten Art und Weise jede Erfahrung und jeglichen Einfluss, dem ein Individuum in solch einem multikulturellen Kontakt oder in einer bestimmten Lebenssituation ausgesetzt wurde. Multikulturell sozialisiert bedeutet daher noch keine Erweiterung bestimmter Kompetenzen, keine Verschmelzung verschiedener Kulturen, sondern lediglich, dass es eine Erfahrung mehrerer (kultureller) Realitäten gibt. Daher darf der Begriff keineswegs als Synonym von Interkulturalität oder interkulturelle Kompetenz verstanden werden, da diese in unserem Verständnis etwas Prozedurales beschreiben, d. h. eventuell daraus resultierende Kompetenzen. Abbildung 1 stellt einen Versuch dar, diese Idee zu visualisieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Visualisierung des Lernprozesses: Multikulturalität

Bolten (2006) bezeichnet interkulturelle Kompetenz berechtigterweise als Sammelbecken verschiedener Kompetenzen und besteht bei der Verwendung des Begriffs auf einer differenzierten Unterscheidung eigen kultureller (allgemeiner) sozialer Kompetenzen und fremd kultureller Kompetenzen. Laut Bolten werden oftmals rein additive Konzepte beschrieben und Subdimensionen eines Konstrukts aufgelistet (u. a. Belastbarkeit, Teamfähigkeit, Empathie, Kommunikationsfähigkeit), die kaum eine Unterscheidung der eigen - und fremd kulturellen Kompetenzen ermöglichen, sondern vielmehr als allgemeine soziale Kompetenzen gelten. Zwar bilden sie die grundlegenden Ressourcen, müssen aber trotzdem erst in den interkulturellen Bezug transferiert werden. Abbildung 2 zeigt seinen Versuch, dieses Konzept grafisch zu visualisieren und macht zusätzlich darauf aufmerksam, dass sich interkulturelle Kompetenzen mit solch systemisch-prozessualen Modellen (Strukturmodell) differenzierter beschreiben lassen als rein additive Merkmalsauflistungen (Listenmodell)(z. B. Gertsen, 1990 oder Stüdlein, 1997 nach Bolten, 2006):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Transfer auf das fremd- bzw. interkulturelle Bezugsfeld nach Bolten (2006).

3.4 Erwartungen an die Studie und Ableitungen

Ausgehend von möglichen Zusammenhängen zwischen multikulturellen Sozialisationen und berufsrelevanten Kompetenzen liegt das Hauptaugenmerk der vorliegenden Untersuchung auf der Vorhersagekraft von sozialer Kompetenz, Leistungsmotivation und interkultureller Kompetenz. Da jedoch in der Untersuchung von Determinanten interkultureller Kompetenz häufig nicht ausreichend zwischen demografischen Aspekten unterschieden wird, soll dies in dieser Arbeit der Fall sein und differenziert dargestellt werden, d. h. zusätzlich ein Grad von mehr oder weniger multikultureller Sozialisationen unterscheiden lassen.

Diese Skalierung mehr oder weniger vorhandene multikulturelle Sozialisationen, wurde mit Hilfe erweiterter demografischer Items ermöglicht (siehe Anhang a.2). So spielten neben Geschlecht, Alter, Bildung, usw. auch folgende Fragen eine Rolle:

- Wie viele Jahre Ihres Lebens haben Sie bisher (insgesamt) in dem Land verbracht, in dem Sie aktuell leben?

How many years have you spent (in total) in the country you momently live in?

- In welchem Land sind Sie/Ihre Mutter/Ihr Vater/Ihr Lebenspartner geboren?

Where were You/Your Mother/Your Father/Your Partner born?

- Welche Sprache sprechen Sie primär zuhause? – Landessprache(n) oder andere

What language do you speak primarily at home? – official language(s) or other

- Wie viele Sprachen sprechen Sie konversationssicher?

How many languages do you speak fluently?

Schließlich beinhaltet unsere Annahme, dass einzelne Variaten ebenfalls einen Effekt auf einzelne Dimensionen unserer Kompetenzkonstrukte haben. Außerdem wurden zusätzlich folgende selbstgenerierte Items eingesetzt, um die Probanden auch hinsichtlich ihrer Einstellungen, sowie weiterer Persönlichkeitsmerkmale differenzieren zu können:

1. Für den Erfolg meines Arbeitgebers bin ich bereit, mich mehr als nötig zu enga-gieren.

For the success of my employer, I am ready to commit myself more than neces-sary.

2. Ich bin stolz, wenn ich sagen kann, dass ich für meinen Arbeitgeber arbeite.

I am proud when I can say that I am working for my employer.

3. Bewerber mit Migrationshintergrund werden in Deutschland bei der Personal-auswahl benachteiligt.

Applicants with immigrant backgrounds in Germany are disadvantaged in per-sonnel selection.

4. In meiner Freizeit habe ich mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zu tun.

In my free time I deal with people from different cultural backgrounds.

5. Beruflich habe ich mit Menschen aus verschiedenen Kulturen zu tun.

In my job I deal with people from different cultural backgrounds.

6. Anonyme Bewerbungsunterlagen - z. B. ohne Hinweis auf Geschlecht, Alter o-der Herkunft - wären ein guter Schritt in eine objektivere Personalauswahl.

Anonymous application documents, eg. without inference to sex, age or origin, would be a good step into objective personnel selection.

7. Multikulturelle Erfahrungen steigern die Teamfähigkeit.

Multicultural experiences enhance the team spirit.

8. Multikulturelle Erfahrungen steigern die sozialen Kompetenzen.

Multicultural experiences enhance social skills.

9. Von einer guten Führungskraft erwarte ich interkulturelle Kompetenzen.

I expect to see intercultural competences in a good leader.

Während Items 1 und 2 das Commitment der Probanden gegenüber ihrem Unternehmen (Arbeitgeber) messen sollen, geben Items 3 und 6 Aufschluss über die wahrgenommene Diskriminierung von Bewerbern mit Migrationshintergrund. Items 4 und 5 skalieren den interkulturellen Kontakt bzw. die private und berufliche Kulturerfahrung. Items 7, 8 und 9 sollen die allgemeine Meinung zum Kulturnutzen abfragen. Diese Daten sollen nicht nur einen besseren Überblick über unsere Stichprobe verschaffen, sondern auch Korrelationsberechnungen sowie Mittelwertevergleiche im Hinblick auf die jeweiligen Zielvariablen ermöglichen.

4. Hypothesen im Überblick

H1: Das Lebensalter wirkt sich...

a) negativ auf die sozialen Kompetenzen aus

b) negativ auf die Leistungsmotivation aus

c) negativ auf die interkulturellen Kompetenzen aus

H2: Das Geschlecht hat...

a) keinen Einfluss auf die sozialen Kompetenzen

b) keinen Einfluss auf die Leistungsmotivation

c) keinen Einfluss auf die interkulturellen Kompetenzen

H3: Die Länge der Zeit in einem Land...

a) hat keinen Einfluss auf die sozialen Kompetenzen

b) hat keinen Einfluss auf die Leistungsmotivation

c) hat keinen Einfluss auf die interkulturellen Kompetenzen

H4: Die Anzahl nicht-deutscher Familienmitglieder...

a) hat keinen Einfluss auf die sozialen Kompetenzen

b) hat keinen Einfluss auf die Leistungsmotivation

c) hat keinen Einfluss auf die interkulturellen Kompetenzen

H5: Die Primärsprache...

a) hat keinen Einfluss auf die sozialen Kompetenzen

b) hat keinen Einfluss auf die Leistungsmotivation

c) hat keinen Einfluss auf die interkulturellen Kompetenzen

H6: Die Anzahl gesprochener Sprachen...

a) hat einen positiven Einfluss auf die sozialen Kompetenzen

b) hat einen positiven Einfluss auf die Leistungsmotivation

c) hat einen positiven Einfluss auf die interkulturellen Kompetenzen

H7: Das Bildungsniveau...

a) hat einen positiven Einfluss auf die sozialen Kompetenzen

b) hat einen positiven Einfluss auf die Leistungsmotivation

c) hat einen positiven Einfluss auf die interkulturellen Kompetenzen

5. Methoden

Der folgende Abschnitt beinhaltet zunächst die Beschreibung des Studiendesigns sowie der Studiendurchführung. Weiterhin wird die Stichprobe detailliert beschrieben und die Konzeption des im Rahmen dieser Arbeit entwickelten Fragebogens sowie die zugrunde liegenden psychometrischen Messinstrumente erläutert.

5.1 Studiendesign und Procedere

Bei der im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Studie handelte es sich um eine nicht-experimentelle Fragebogenuntersuchung (Korrelationsstudie) in deutscher und englischer Sprache. Der verwendete Fragebogen bestand insgesamt aus fünf datenrelevanten Teilen: Soziodemografische Daten, selbstdefinierte Items, die Kurzversion des Inventares Sozialer Kompetenzen (ISK-K) nach Kanning (2009), die Kurzversion des Leistungsmotivationsinventares (LMI-K) nach Schuler, Prochaska & Frintrup (2001), sowie auserwählte Items des Multicultural Personality Questionnaires (MPQ) nach van der Zee & van Oudenhoven (2000). Ferner beinhaltete der Fragebogen einen Begrüßungsteil mit allen nötigen Informationen für die Teilnehmer sowie einen Schlussteil mit Danksagung und der Aufklärung eines weitverbreiteten psychologischen Mythos über Partnerwahl – diese Information war bereits im Begrüßungsteil vorhanden und diente nicht nur als kleines Dankeschön an die Teilnehmer, sondern diente vielmehr dazu beizutragen, die Teilnehmerzahl sowie Beendigungsquote dieses eher zeitintensiven Fragebogens zu erhöhen (Anmerkung: der gesamte Fragebogenaufbau ist dem Anhang a. zu entnehmen).

Die Studie wurde ausschließlich onlinebasiert mit Hilfe der Plattform www.unipark.de durchgeführt. Dabei wurde die Stichprobe folgendermaßen rekrutiert: Zunächst wurde der entsprechende Link zu der Online-Studie an den weiteren Bekanntenkreis des Autoren gesandt mit der Bitte, diesen im Sinne des Schneeballsystems weiter zu streuen. Des Weiteren wurden Einträge mit demselben Verweis zur Studie in diversen Online-Communities und Foren (z. B. www.facebook.com, www.linkedin.com) gepostet. Ferner unterstützte die Leitung des Global Human Resources der XY AG diese Studie maßgeblich, in dem sie den Link zur Studie intern an die Konzernmitarbeiter weiterleitete und somit zur Steigerung der Teilnehmerzahl beitrug.

Der endgültige Link, d. h. die Umfrage wurde erst offiziell bekannt, nachdem bereits eine Versuchsphase im engeren Bekanntenkreis (circa 30 Personen) durchgeführt wurde und kleine Feinheiten nochmals angepasst wurden. U. a. beinhaltete die Originalversion 15 statt 9 selbstdefinierte Items sowie die komplette Version des MPQ nach van der Zee und van Oudenhoven (2000). Die Daten aus der Experimentphase sind allerdings nicht in die Endberechnungen mit eingeflossen.

Die Ergebnisse der Studie wurden mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS (IBM SPSS Statistics Version 21) berechnet. Dazu wurden einzelne Korrelationsberechnungen, sowie Mittelwertevergleiche (Varianzanalysen) durchgeführt.

5.2 Stichprobenbeschreibung

An der vorliegenden Studie nahmen insgesamt N = 1059 Personen teil, wobei für die reelle Auswertung solche Probanden ausgeschlossen wurden, die die Befragung vorzeitig abgebrochen haben (N = 462) oder unter der deutschen Volljährigkeit lagen (N = 2 < 18 Jahren). Weitere Voraussetzungen für die Teilnahme oder Ausschlusskriterien gab es keine. Dementsprechend flossen N = 595 (56,37 % aller Teilnehmer) vollständige Datensätze in die weiteren Berechnungen ein (siehe Abb. 3). Die Nettostichprobe (ebenfalls in Abb. 3 aufgeführt) enthält, zusätzlich zu den beendeten Datensätzen, die Teilnehmer, die zum Zeitpunkt der Berechnung noch aktiv waren oder die Befragung unterbrochen haben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Stichprobendarstellung (Screenshot aus unipark.de)

Betrachten wir die relativ hohe mittlere Bearbeitungszeit des Fragebogens mit über M = 21 Minuten, so lässt sich die Stichprobe dieser Studie als relativ hoch beschreiben. Wie ebenfalls aus Abbildung 3 ersichtlich, wurden zwar die meisten Abbrüche pro Seite bereits während der Begrüßungsseite datiert (N = 195), doch sind auch im weiteren Verlauf der Umfrage nennenswerte Abbruchzahlen zu verzeichnen, welches die Tatsache unterstreicht, dass zeitintensive Umfragen wie diese nur schwerlich auf hohe Datensätze kommen (Anmerkung: Für einen umfassenden Überblick der Umfrageabbrüche nach Seite, siehe bitte Abbildung 4 in Anhang b)

Aus Tabelle 1 entnehmen wir, dass knapp drei Viertel (71.4 %) der Befragten weiblich und 28.6 % männlich ist. Das Alter der Teilnehmer lag im Durchschnitt bei M = 35.46 Jahren (SD = 9.82, Min = 19, Max = 67) (Tab. 2). Der größte Teil (84.2 %) aller Befragten ist in Deutschland geboren, wobei sie ebenfalls angaben, dass 25.2 % der Mütter bzw. 27.9 % der Väter im Ausland geboren sind. 33.9 % gaben an, dass der Lebenspartner im Ausland geboren ist – nur N = 106 bewerteten diese Frage als nicht zutreffend, welches darauf schließen lässt, dass lediglich 17.8 % der Befragten Singles sind und respektive 82.2 % in einer Beziehung leben (siehe ebenfalls Tab. 1).

Tabelle 1. Antworthäufigkeiten zur Stichprobenbeschreibung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

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Résumé des informations

Titre
Multikulturalität und das Human Resources Management. Multikulturelle Sozialisationen als Prädiktor berufsbezogener Kompetenzen
Sous-titre
Eine empirische Studie
Université
University of Applied Sciences Osnabrück
Note
1,70
Auteur
Année
2016
Pages
77
N° de catalogue
V378158
ISBN (ebook)
9783668554191
ISBN (Livre)
9783668554207
Taille d'un fichier
1345 KB
Langue
allemand
Mots clés
Multikulturelle Sozialisationen, Prädiktor berufsbezogener Kompetenzen, Wirtschaftspsychologie, Korrelation, Kultur, Unternehmenskultur, Multikulturalität, Personalmanagemt, HR, Human Resources, Interkulturelle Kompetenz, Inventar sozialer Kompetenzen, ISK, Leistungsmotivationsinventar, LMI, Multicultural Personality Questionnaire, MPQ, Kanning, van der Zee, van Oudenhoven, Schuler, Prochaska, Frintrup
Citation du texte
Pedro Palmeira (Auteur), 2016, Multikulturalität und das Human Resources Management. Multikulturelle Sozialisationen als Prädiktor berufsbezogener Kompetenzen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378158

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