James W. Fowler und die Stufen des Glaubens. Inhalt und Kritik eines Entwicklungsmodells


Dossier / Travail, 2017

21 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

A Einleitung

B Zum Werk James W. Fowlers
B.I. Die Grundlagen des Fowler‘schen Denkens
B.I.1. Warum gerade Fowler?
B.I.2. Fowlers Begriff des Glaubens
B.I.3. Grundvoraussetzungen zu Fowlers Stufenmodell
B.II. Die Stufen des Glaubens nach Fowler
B.II.1 Der undifferenzierte Glaube
B.II.2 Stufe 1 – Intuitiv-projektiver Glaube
B.II.3 Stufe 2 – Mythisch-wörtlicher Glaube
B.II.4 Stufe 3 – Synthetisch-konventioneller Glaube
B.II.5 Stufe 4 – Individuierend-reflektierender Glaube
B.II.6 Stufe 5 – Verbindender Glaube
B.II.7 Stufe 6 - Universalisierender Glaube
B.III. Zusammenfassung

C Bernhard Groms Kritik an Fowler
C.I. Die geistigen Ressourcen Bernhard Groms
C.II. Groms Blick auf Fowler: Allgemeines
C.II.1 Zu Lobendes an Fowlers Ansatz
C.II.2 Groms Einwände gegen Fowler
C.II.3 Zusammenfassung

D Schlussfolgerung

E Quellen- und Literaturverzeichnis

A Einleitung

„Du hast uns zu Dir geschaffen, und unser Herz ist ruhelos, bis es seine Ruhe in Dir findet.“ Dieses Zitat wird dem Kirchenvater Augustinus zugeschrieben. Neben den vielen theologischen Facetten, die sein Ausspruch aufweist, löst er wohl auch beim geschulten Religionspädagogen einige interessante Überlegungen aus. Denn unweigerlich kommt man beim Lesen dieses Zitates zu der Frage, wie die von Augustinus attestierte Ruhelosigkeit des Herzens überwunden werden kann. Wie kann es einem Menschen am ehesten gelingen, seine Ruhe in Gott zu finden? Welche Schritte hat er zu gehen, um sie spüren zu können? Und welche Entwicklung liegt hinter ihm, wenn er dieses Ideal in Gestalt der vollkommenen Ruhe im Beisein Gottes erreicht hat? An diesem Punkt ist es offenkundig, dass die Antworten der modernen Religionspädagogik weiterhelfen können. Neben diversen weiteren Aspekten, die diese wissenschaftliche Disziplin untersucht, ist eine ihrer Kernkompetenzen die Darstellung der menschlichen Glaubensentwicklung. Dabei berücksichtigt sie die vielfältigen Ausprägungen des Glaubens und versucht, diese - einem Entwicklungsschema gemäß - zu systematisieren. Nicht selten lässt sie dabei auch entwicklungspsychologische Erkenntnisse in ihre Überlegungen mit einfließen.

Auch im vergangenen Jahrhundert haben sich namhafte Religionspädagogen mit den Fragen der Entwicklung des Glaubens auseinander gesetzt. Mit geistiger Präzision und wissenschaftlicher Akribie haben sie sich der Frage angenommen, wie die Entwicklung des Glaubens in den verschiedensten Lebensstadien – von der frühen Kindheit bis zum höchsten Erwachsenenalter - abläuft und welche Formen diese Entwicklung annehmen kann.

Als einer der bedeutendsten dieser Forscher darf wohl der amerikanische Theologe und Religionspädagoge James W. Fowler (1940 – 2015) gelten. Im Folgenden werde ich mich mit seinen religionspädagogischen Erkenntnissen auseinandersetzen und die von ihm entdeckten und formulierten Stufen des Glaubens detailliert darlegen. Dabei werde ich mich vorrangig an Fowlers gleichnamigem Hauptwerk aus dem Jahr 1981 orientieren

Im Anschluss daran werde ich das von Fowler aufgestellte Stufenmodell einer kritischen Überprüfung unterziehen. Dazu werde ich die Erkenntnisse eines anderen religionspädagogisch (und entwicklungspsychologisch) sehr versierten Theologen in die Fragestellung mit einbeziehen: die Ansichten des Jesuiten und Religionspädagogen Bernhard Grom (*1936). Mit seiner Hilfe werde ich über Fowlers Beitrag reflektieren und darlegen, wie dessen Werk aus wissenschaftlicher Sicht zu beurteilen ist.

Zuvor werde ich mich jedoch einigen allgemeineren Fragen zuwenden, um somit einen ersten Einblick in das Werk Fowlers zu bekommen.

B Zum Werk James W. Fowlers

B.I. Die Grundlagen des Fowler‘schen Denkens

Bevor ich die Kerncharakteristika von Fowlers Stufen des Glaubens benenne, gilt es noch auf einige allgemeinere Fragestellungen einzugehen, die im Zusammenhang mit Fowler eine gewichtige Rolle spielen. Selbstverständlich ist der „Glaube“ an sich zunächst nichts anderes als ein abstrakter Begriff. Um zu einem kohärenten und wissenschaftlichen Resultat über die Glaubensentwicklung bei Fowler zu kommen, ist es also zunächst einmal von großer Wichtigkeit, die Definition des Glaubens vorzulegen, die Fowlers Stufenmodell zugrunde liegt und an der entlang er seine Systematik aufbaut. Bevor ich mich dieser Definition zuwende, werde ich mich jedoch zunächst einer noch viel grundlegenderen Frage annehmen: warum gerade Fowler?

B.I.1. Warum gerade Fowler?

Zunächst einmal stellt sich bei diesem Thema die berechtigte Frage, warum ich gerade James W. Fowler (und nicht irgendeinen anderen beliebigen Religionspädagogen) als Beispiel für die Darstellung der Glaubensentwicklung eines Menschen gewählt habe. Immerhin ist Fowler keineswegs der einzige, der sich mit dieser Fragestellung befasst hat. Die Auswahl Fowlers soll meinerseits ausdrücklich nicht auf eine willkürliche Entscheidung zurückweisen, sondern ist das Resultat einer bewussten Wahl. Es gibt einige Kerneigenschaften, die Fowlers Stufenmodell aus meiner Sicht besonders geeignet für diese Thematik erscheinen lassen: Als sehr augenscheinlicher Grund kann etwa genannt werden, dass Fowlers Modell eine recht junge Darstellung der Glaubensentwicklung ist. Sein Werk Stufen des Glaubens (engl. Stages of Faith) erschien im englischen Original erst im Jahr 1981. Thematisch vergleichbare Modelle dieser Art – etwa jene von Jean Piaget (1958) und Ronald Goldman (1964) – liegen dagegen verhältnismäßig lange zurück. Für Fowlers Modell bedeutet dies – neben einer womöglich höheren Aktualität seines Modells – dass er auch eine größere Zahl an bereits vorliegenden Theorien in sein Modell integrieren und so eventuell zu einer differenzierteren Sichtweise gelangen könnte. Fowler etwa hebt selbst explizit hervor, zur Bildung seiner Theorie auf derartige Modelle zurückgegriffen zu haben.[1] Hinzu kommt, dass Fowler – wie der Theologe Karl Ernst Nipkow bereits im Geleitwort festhält - eine größere Vielfalt unterschiedlicher Aspekte in seine Theorie einbindet und somit über einen grundlegend breiteren Ansatz verfüge als seine Vorgängermodelle.[2] Worin dieser Ansatz im Einzelnen besteht und inwiefern er ein breiteres Spektrum an Elementen inkorporieren kann, werde ich im Folgenden noch darlegen. Zuvor möchte ich allerdings auf den Begriff des Glaubens bei Fowler eingehen und darlegen, wie er diesen definiert. Denn erst wenn wir ein klares Bild davon haben, was für Fowler die Kerncharakteristika des Glaubens sind, können wir uns auch an die Frage heran wagen, wie sich dieser in den unterschiedlichen Lebensphasen der Menschen verändert und was die differenzierten Entwicklungsstadien aus seiner Perspektive ausmacht.

B.I.2. Fowlers Begriff des Glaubens

Getreu dem, was man sich unter einem breitgefächerten Ansatz vorstellt, betont Fowler die vielen Facetten des Glaubens: er erkennt den Glauben als ein kraftspendendes Element im Leben eines Menschen, der ihm Geborgenheit vermitteln und „einen vertrauenswürdigen ‚Lebensraum‘, eine letzte Umwelt“[3] schaffen möchte. Diesem Glauben, den Fowler beschreibt, kommt dabei eine besondere Universalität zu. Für Fowler ist er keineswegs nur ein Phänomen innerhalb religiöser Gruppen, sondern erstreckt sich in alle Teile des menschlichen Seins. Dazu gehört für ihn auch, dass dem Glauben – bei aller Vielfalt der Glaubensformen – in jeder Person auch eine explizite Einzigartigkeit zukomme (schließlich weist keine Person die exakten Glaubensmuster auf wie ihr gegenüber). Seine Position zu diesem Aspekt bringt Fowler treffend auf den Punkt, wenn er ihn als ein „allgemein menschliches Phänomen“[4] bezeichnet. Das grundlegende Potenzial, einen solchen Glauben auch entfalten zu können, liegt dabei aus Sicht Fowlers schon von Geburt an vor. Die Fähigkeit zum Glauben habe der Mensch bereits zum Zeitpunkt seiner Geburt inne, aber mit zunehmendem Lebensalter vermag sie sich in größerem Umfang auszubilden. Die entscheidende Komponente in diesem Kontext ist die Sozialisation: von der Gemeinschaft (und dem äußeren Umfeld allgemein), in dem ein Kind heranwächst, hängt maßgeblich ab, in welchem Umfang sich die Fähigkeit zu glauben herausbilden kann. Überhaupt spielt das Leben (und Erleben) des Glaubens in einer Gemeinschaft eine eminent wichtige Rolle für Fowlers Verständnis dieses Phänomens.[5] Wie sich die wachsende Glaubensfähigkeit des Menschen bei Fowler ganz konkret in seinem Stufenmodell bemerkbar macht, werde ich im folgenden Kapitel detailliert darlegen. Die systematische Darstellung der Glaubensentwicklung, wie Fowler sie als zutreffend erachtet, basiert jedoch auf einigen Grundannahmen, die zum Verständnis seines Modells unerlässlich sind. Bevor ich die Stufen des Glaubens nach Fowler benenne und sie entlang ihrer Kernelemente beschreibe, möchte ich nun zunächst auf diese Grundannahmen eingehen. Durch die Kenntnis dieser Grundannahmen wird es später leichter sein, sich einen Zugang zu Fowlers Stufensystematik zu verschaffen.

B.I.3. Grundvoraussetzungen zu Fowlers Stufenmodell

Explizit legt Fowler seine Grundannahmen in seinem 1987 im englischen Original erschienenen Werk Glaubensentwicklung – Perspektiven für Seelsorge und kirchliche Bildungsarbeit vor. Auch wenn dieses Werk damit erst einige Jahre nach den Stufen des Glaubens entstand, so sind die Grundannahmen, die Fowlers Stufenmodell prägen, dennoch bereits in seine Darstellung der Glaubensentwicklung eingeflossen.

Eine Grundannahme, die Fowler in seinem Werk vertritt, ist beispielsweise das Vorliegen einer genetischen Ausstattung des Menschen, die ihn zur Partnerschaft mit Gott befähigt. Im Kontext dieser Position geht Fowler auch auf das eingangs bereits wiedergegebene Zitat von Augustinus ein. Die Fähigkeit zum Glauben ist für Fowler somit nicht ausschließlich das Resultat einer glaubensfördernden Sozialisation, sondern – wie auf Seite 3 bereits betont – von Geburt an im Menschen angelegt.[6]

Selbstverständlich bedeutet diese Erkenntnis für Fowler nicht, dass die Sozialisation eines Menschen im Kontext der Glaubensentwicklung vernachlässigt werden darf. Im Gegenteil: Fowler betont ausdrücklich ihre herausragende Wichtigkeit für den Zugang, den ein Mensch zum Glauben erfährt. Jedes „Selbst“ (und somit auch der Glaube als eine wichtige Facette) kann für Fowler nur durch die feste Eingebundenheit in eine Gemeinschaft und in unmittelbarer Beziehung zum äußeren Umfeld zur Entfaltung kommen. Zu diesem äußeren Umfeld zählen für Fowler einerseits die persönlichen Beziehungen, die das Glaubenssubjekt in seinem Leben unterhält und andererseits die kulturellen Eigenheiten, die das gesellschaftliche Leben prägen und somit auf den Glaubenden sowie seine Glaubensentwicklung einwirken:

Es gibt kein Selbst, das sich nicht in der Beziehung zu anderen und zum kulturellen Erbe gemeinsamer sozialer Bedeutungen und Institutionen gebildet hätte.[7]

Die Position, die Fowler in diesem Zitat darlegt, bezieht sich jedoch nicht ausschließlich auf den Begriff des Selbst, sondern ausdrücklich auch auf das Phänomen des Glaubens. Von diesen Ansätzen ausgehend ist es wenig überraschend, dass Fowler auch die negativen Potenziale des äußeren Umfelds konstatiert. So hebt er beispielsweise hervor, dass die Fähigkeit des Menschen zum Glauben durch ein glaubensfernes Milieu sowie durch negativ erfahrene Interaktionen auch in eine unerwünschte (und für die Glaubensentfaltung womöglich destruktive) Richtung geleitet werden kann. Laut Fowler könnte dies zur Folge haben, dass jenes vorliegende Glaubenspotenzial nicht in seiner eigentlichen Bestimmung verwirklicht, sondern zu einer großen Distanz gegenüber dem Glauben verkehrt wird und so in Widerstand ihm gegenüber resultiert.[8]

Überhaupt gilt es mit Blick auf die Selbstwerdung des Menschen festzuhalten, dass Fowler sie in einem sehr entschiedenen Maße als mit der Glaubensentwicklung eng verbunden ansieht. Für Fowlers Werk ist die Erkenntnis der engen Verknüpfung von Glaubens- und Selbstentwicklung von enormer Wichtigkeit. Vielfach wird rezeptionsgeschichtlich darauf hingewiesen, dass diese Verknüpfung als sehr spezifisches Charakteristikum der Theorie Fowlers zu gelten hat. Der Religionspädagoge Godwin Lämmermann etwa betont diesen Aspekt der Lehre Fowlers explizit und hebt hervor, dass dies eines der Elemente sei, die Fowlers Werk ausmache.[9]

Schließlich nennt Fowler eine vierte und letzte Grundannahme, die uns in sein Denken hineinführt und bereits in der Begrifflichkeit des Stufenmodells enthalten ist: Fowler charakterisiert geistige Phänomene als Resultate komplexer Entwicklungsprozesse. Die Fähigkeit zur kritischen Selbstreflexion kann etwa erst dann konkrete Gestalt annehmen, wenn das Denken des Menschen im Rahmen einer bestimmten Abfolge eine ausreichende Tiefe und Komplexität erreicht hat. Selbstverständlich bezieht Fowler diese Entfaltung komplexer Fähigkeiten zu reflektierendem Denken nicht ausschließlich auf kognitive Prozesse, sondern bezieht den Glauben ausdrücklich in diesen Gedanken mit ein. Für ihn sind die Glaubensgrundsätze eines Menschen (trotz des Vorhandenseins der Glaubensfähigkeit von Geburt an) auch das Resultat einer komplexen Abfolge von Entwicklungsstufen - und damit eines kontinuierlichen Prozesses.[10]

In Kenntnis dieser Grundannahmen, die Fowler formuliert, haben wir nun also die nötigen vorausgehenden Schritte getan, um uns an diesem Punkt schließlich den Stufen des Glaubens selbst zuzuwenden. Durch die Darlegung seiner Glaubensdefinition können wir darüber hinaus darauf schließen, wie Fowler den Glauben als Phänomen charakterisiert: als ein dem Menschen von Geburt an innewohnendes und kraftspendendes Element seiner Persönlichkeit.

B.II. Die Stufen des Glaubens nach Fowler

Vor dem Hintergrund dieses Wissens wende ich mich nun den von Fowler systematisierten Stufen des Glaubens zu. Ich werde die Dynamik der Glaubensentwicklung in seinem Modell herausstellen und die Differenzierungen der Stufen untereinander ins Blickfeld nehmen, um so einen Einblick in die Kerncharakteristika der von Fowler mit sechs bezifferten Stufen zu bekommen. In einigen besonders aufschlussreichen Beispielen werde ich darüber hinaus auf die interviewten Personen eingehen, die Fowler als Fallbeispiele für die jeweiligen Stufen anführt und die ihm bei der Ausdifferenzierung der Stufen als entscheidende Grundlage dienten.

B.II.1 Der undifferenzierte Glaube

Das Stadium des „undifferenzierten Glaubens“ ist die Vorstufe, die Fowler seinem Modell voranstellt. Diese Form des Glaubens liegt in der Regel bei Kindern im Säuglingsalter vor. Die Fähigkeiten, in der eigenen Umwelt Fuß zu fassen, sind bei Säuglingen in noch nicht ausreichendem Maß entwickelt. Aus dieser Tatsache begründet sich die große Abhängigkeit, die der Säugling in diesem Lebensalter von seinen Bezugspersonen, die sich um ihn kümmern, aufweist.

Fowler hebt darüber hinaus hervor, dass es einem Säugling in dieser Lebensphase noch daran fehlt, sich als Subjekt von seiner Umwelt als getrennt wahrzunehmen. Erst mit voranschreitendem Alter (laut Fowler mit sieben bis acht Monaten) findet das Kind langsam zu der Erkenntnis, dass es von seinen Bezugspersonen unabhängig ist und erfährt sich somit als von anderen Menschen umgeben. Diesen Erkenntnisprozess beschreibt Fowler als für das Kind sehr schmerzhaft. Linderung dieses Schmerzes wird für das Kind erst dann ermöglicht, wenn unter anderem eine enge Vertrauensperson (in der Regel die Mutter) wieder in seine Nähe zurückkehrt.[11] Genau dieser Moment der Rückkehr ist für Fowler der erste Augenblick, an dem ein Kind erstmals ein Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit empfindet. Fowler sieht darin auch die Grundlage für erste Vorstellungen, die sich dieses Kind von Gott machen kann. Dabei sind diese Vorstellungen eng verbunden mit der erstmaligen Erfahrung vom „Vertrauen in die größere Welt des Sinns“[12]. Man könnte das Gefühl, welches der Säugling auf der Stufe des „undifferenzierten Glaubens“ empfindet, auch prägnant mit der Formel zusammenfassen, das Kind bilde auf dieser Vorstufe erstmals eine Form von Urvertrauen aus.[13]

B.II.2 Stufe 1 – Intuitiv-projektiver Glaube

Im Vergleich zur Vorstufe tritt beim „intuitiv-projektiven Glauben“ ein für das Kind sehr wichtiges Element hinzu: laut Fowler entwickelt es auf dieser Stufe langsam die Fähigkeit, sich zu artikulieren. Damit einher geht auch, dass das Kind ein erstes Verständnis für die Bedeutung von Symbolen entwickelt. Fowler benennt das Lebensalter von Kindern auf dieser Stufe mit einer sehr langen Zeitspanne: im Alter von zwei bis sieben Jahren könne man in etwa von einer Glaubensentwicklung ausgehen, die dem „intuitiv-projektiven Glauben“ entspricht.[14]

Besonders das erste Verständnis von Symbolen helfe Kindern dieses Lebensalters dabei, der Welt um sich herum eine erste Ordnung und Struktur zu verleihen. Das Kind beginnt auf dieser Stufe, Gegenstände und Objekte in seiner Nähe namentlich zu benennen und sammelt durch die Entdeckung vieler noch unerforschter Sachverhalte eine Menge neuer Erfahrungen.[15]

In Bezug auf Glaubensfragen lässt sich für Fowler auf dieser Stufe konstatieren, dass das Glaubenssubjekt noch weitgehend fremdgesteuert ist. Besonders starken Einfluss auf das Glaubensgerüst des Kindes hat dabei der Glaube, den es in seiner unmittelbaren Umgebung vorfindet. Aus den Eindrücken, die das Kind von Erwachsenen seiner direkten Umgebung und Kultur sammelt, zieht es in dieser Phase in Bezug auf Glaubensfragen seine eigenen Schlüsse.[16] Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang das in den Stufen des Glaubens zitierte Interview mit der viereinhalb Jahre alten Sally, die von Fowler dem „intuitiv-projektiven Glauben“ zugeschrieben wird. Auf die Frage, ob Sally an Gott glaube und woher sie von Gott wisse, nannte sie zum Beispiel Hochzeits- und Begräbnissituationen als ihre Quelle. Eine kurze Episode im Interview mit Sally kann als sehr aufschlussreich angesehen werden:

[...]


[1] vgl. Fowler, James W., Glaubensentwicklung, Perspektiven für Seelsorge und kirchliche Bildungsarbeit, München 1989, S.76

[2] vgl. Fowler, James W., Stufen des Glaubens, Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 1991, S.10

[3] Ebd.,S.22

[4] Ebd.,S.23

[5] Ebd.,S.23

[6] vgl. Fowler, James W., Glaubensentwicklung, Perspektiven für Seelsorge und kirchliche Bildungsarbeit, München 1989, S.78

[7] Ebd.,S.79

[8] Ebd., S.78

[9] vgl. Lämmermann, Godwin, Einführung in die Religionspsychologie, Grundfragen-Theorien-Themen, Neukirchen-Vluyn 2006, S.241

[10] vgl. Fowler, James W., Glaubensentwicklung, Perspektiven für Seelsorge und kirchliche Bildungsarbeit, München 1989, S.79

[11] vgl. Fowler, James W., Stufen des Glaubens, Die Psychologie der menschlichen Entwicklung und die Suche nach Sinn, Gütersloh 1991, S.137

[12] Ebd.,S.138

[13] vgl. Ebd.,S.138

[14] vgl. Ebd.,S.139

[15] vgl. Ebd.,S.140

[16] vgl. Ebd.,S.145

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
James W. Fowler und die Stufen des Glaubens. Inhalt und Kritik eines Entwicklungsmodells
Université
University of Münster
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
21
N° de catalogue
V378281
ISBN (ebook)
9783668556188
ISBN (Livre)
9783668556195
Taille d'un fichier
526 KB
Langue
allemand
Mots clés
james w fowler, bernhard grom, religionspädagogik, glaube
Citation du texte
Tobias Laubrock (Auteur), 2017, James W. Fowler und die Stufen des Glaubens. Inhalt und Kritik eines Entwicklungsmodells, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/378281

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