Können Kinderbücher bei der Mobbingprävention in der Grundschule helfen?

Die Förderung sozialer Kompetenzen


Bachelor Thesis, 2016

75 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mobbing
2.1 Definition und Merkmale
2.2 Rollen im Mobbingprozess
2.3 Ursachen und Folgen
2.4 Präventions- und Interventionsmöglichkeiten
2.5 Zusammenfassung

3 Soziale Kompetenz(en) als Schlüsselkompetenz
3.1 Definition
3.2 Faktoren/Teilkompetenzen
3.3 Zieldimensionen der sozialen Kompetenz nach Petillon (1993)
3.4 Zusammenfassung

4 Kinderbücher im Rahmen der Förderung sozialer Kompetenz(en)
4.1 Gattungen von Kinderbüchern
4.2 Möglichkeiten und Grenzen von Kinderbüchern (mit Gewaltthema)
4.3 Erarbeitung eines Kriterienkatalogs zur Buchanalyse anhand der Zieldimensionen der sozialen Kompetenz in Anlehnung an Petillon (1993)
4.4 Zusammensetzung der Analysekriterien
4.5 Analyse verschiedener Kinderbücher
4.6 Auswertung

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

Anhang 1: Analysebogen unausgefüllt

Anhang 2: Analysebogen (erste Fassung)

Anhang 3: Analysebogen zu „Nils wird gehänselt“

Anhang 4: Analysebogen zu „Ich bin der Bestimmer“

Anhang 5: Analysebogen zu „Irgendwie anders“

Anhang 6: Analysebogen zu „Sophie wehrt sich“

Anhang 7: Analysebogen zu „Sonst bist du dran“

Anhang 8: Analysebogen zu „Warte nur, wir kriegen dich!“

1 Einleitung

„Mobbing scheint nicht nur an den weiterführenden Schulen, sondern auch an Grundschulen und auch in Kindergärten ein Alltagsproblem zu sein. Möglicherweise fehlt es den Kindern in diesem Alter insgesamt noch an sozialen Kompetenzen im Umgang miteinander und speziell den Opfern an Fähigkeiten, sich vor Mobbing zu schützen.“

(Schubarth, 2013: 81)

Diese Beschreibung der Mobbingverbreitung an Schulen von Schubarth steht gewiss im Gegensatz zu dem gängigen Vorurteil, dass Mobbing nur eine Problematik der weiterführenden Schule sei.

Jannan nennt in seinen Ausführungen folgende Zahlen für das Vorkommen von Mobbing an den verschiedenen Schulformen (vgl. Jannan, 2010: 23)[1]: 13,3% der Schüler geben an, dass sie in der Grundschule ein oder mehrmals in der Woche Mobbinghandlungen von Mitschülern ausgesetzt waren. Während die Realschule (8,9%) und das Gymnasium (4,9%) deutlich niedrigere Werte aufweisen, liegen die Zahlen im Bereich der Hauptschule (12%) und der Gesamtschule (11,3%) jedoch auch über 10%.

Auch die Ausführungen anderer Autoren bestätigen die Aussagen Schubarths: Werner beschreibt ein häufiges Vorkommen von Mobbing in der Grundschule. Er fordert, dass präventive Arbeit dort ansetzen solle, um sich entwickelnde Täterverhaltensweisen zu minimieren und um den Betroffenen eine Hilfe zum Beenden der eigenen Opferrolle zu bieten (vgl. Werner, 2013: 21). Auch Jannan betont, dass insbesondere in der Grundschule Maßnahmen dringend erfolgen müssten (vgl. Jannan, 2010: 24). Weiterhin beschreibt er auch eine Zunahme der Mobbingproblematik nach dem Schulübergang in die weiterführende Schule (vgl. ebd.: 25), allerdings übersteige die Häufigkeit hier nicht die des Vorkommens in der Grundschule (vgl. ebd.: 25). Die Zunahme von Mobbing nach einem Schulwechsel zeigen zudem auch Braun und Braselmann (vgl. Braun/Braselmann, 2013: 22) sowie Scheithauer und andere auf (vgl. Scheithauer et al., 2003: 53). Entscheidend für das soziale Umfeld auf der weiterführenden Schule ist auch die Resistenz einer Außenseiterrolle als Folge einer Opferrolle in der Grundschule, da sich Mobbingopfer in der Grundschule ihre Position in der sozialen Gruppe zu Eigen machen und dementsprechend auch nach einem Schulwechsel so handeln, wie sie annehmen, wie andere Mitschüler es von ihnen voraussetzen (vgl. Petillon, 1980: 115).

Mittlerweile finden sich in Literatur und Praxis viele Interventions- und Präventionsprogramme, um das Fortschreiten oder Aufkommen von Mobbingsituationen einzudämmen und vorzubeugen. Diese Programme sind jedoch nicht selten über einen sehr langen Zeitraum angesetzt und können gleichzeitig nicht in den regulären (Fach-)Unterricht integriert werden. Der Verlust vieler Unterrichtsstunden ist die Folge für die Lehrkräfte, sodass viele nicht bereit sind, insbesondere die Mobbingprävention in Form eines speziellen Programmes in ihren Unterrichtsstunden einzubauen, da ihnen meist keine akute Mobbingsituation in der Klasse bekannt ist. Eine Notwendigkeit der Prävention, besonders in der Grundschule, spiegelt sich jedoch in den eben genannten Häufigkeiten des Mobbingvorkommens an den verschiedenen Schulformen wider. Um zu verhindern, dass Mobbingprävention im unterrichtlichen Kontext vernachlässigt wird, sollten Präventionsmaßnahmen in den Blick genommen werden, die sich in den (Fach-)Unterricht, beispielsweise im Deutsch- oder Sachunterricht, einbinden lassen, um so beide Einheiten sinnvoll zu verknüpfen.

In dieser Arbeit soll die Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Kinderbüchern im Unterricht im Hinblick auf die Förderung sozialer Kompetenzen und somit der Mobbingprävention untersucht werden. Insbesondere sollen dabei die Förderung von Empathiefähigkeit, von alternativen Verhaltensweisen und einer gestärkten Ich-Identität durch die untersuchten Kinderbücher betrachtet werden.

Die vorliegende Arbeit gliedert sich demnach in folgende Kapitel: In Kapitel zwei soll zunächst der Begriff des Mobbings sowie verschiedene Rollenzugehörigkeiten im Mobbingprozess und deren Ursachen und Folgen beleuchtet werden. Außerdem soll ein kurzer Einblick in Präventions- und Interventionsmöglichkeiten und deren Ansatzpunkte gegeben werden. Im dritten Kapitel soll anschließend die Bedeutung von sozialer Kompetenz im Zusammenhang mit Mobbing herausgestellt werden. Ferner soll die Begrifflichkeit sowie einzelne Teile dieser Kompetenz und Zieldimensionen des sozialen Lernens beschrieben werden. Danach sollen im Kapitel vier nach einer kurzen Darstellung verschiedener Gattungen von Kinderbüchern eine knappe, allgemeine Diskussion der Möglichkeiten und Grenzen von Kinderbüchern mit Gewaltbezug, ein Kriterienkatalog zur Analyse der Förderung sozialer Kompetenz durch Kinderbücher (mit Gewaltbezug) erstellt und mit diesem exemplarisch sechs Kinderbücher auf ihre Tauglichkeit in diesem Zusammenhang untersucht werden. Es folgt ein kurzes Fazit, welches die Ergebnisse dieser Unter­suchung zusammenfassen und mögliche weitergehende Fragen oder Aufgaben im Zusammenhang mit dieser Untersuchung aufzeigen soll.

2 Mobbing

Wie bereits in der Einleitung benannt, soll in diesem Kapitel ein grundlegendes Verständnis des Mobbingbegriffs vermittelt werden, um eine Grundlage für die folgenden Kapitel zu bilden. Dabei soll auf die Definition von Mobbing und die Kennzeichen einer Mobbingsituation, auf verschiedene Rollenzugehörigkeiten im Mobbingprozess, die Ursachen beziehungsweise Folgen von Mobbing, sowie auf Präventions- und Interventionsmöglichkeiten eingegangen werden. Die Rollenzugehörigkeiten und Ursachen von Mobbing sollen aufgrund ihrer Bedeutung für die Ansätze von Präventionsmöglichkeiten betrachtet werden. Die Folgen von Mobbing sollen beleuchtet werden, um die Dringlichkeit und Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen zu verdeutlichen. Die einzelnen Phasen der Mobbing-Handlungen sollen in dieser Arbeit jedoch nicht betrachtet werden, da diese zwar einen großen Einfluss auf die Intervention bei Mobbingfällen haben, jedoch bei der Prävention, um die es in dieser Arbeit verstärkt gehen soll, nur geringfügig wichtig sind.

2.1 Definition und Merkmale

Der Begriff „Mobbing“ und das synonym verwendete „Bullying“ stammen aus dem Englischen: Hier bedeuten „to bully someone“ beziehungsweise „to mob someone“ frei übersetzt jemanden schikanieren, jemanden anpöbeln oder jemanden drangsalieren. Laut Schubarth sei von Mobbing dann die Rede, wenn es ausgehend von ein oder mehreren Schülern über eine längere Zeit zu nachteiligem Verhalten gegenüber einem Schüler komme (vgl. Schubarth, 2013: 79). Diese Handlungen sind geplant und absichtlich und auch das Opfer wird vorsätzlich ausgewählt und anschließend erniedrigt (vgl. Braun/Braselmann, 2013: 20f.). Wichtig ist dabei, dass sich das Verhalten immer nur gegen eine Einzelperson und nicht gegen mehrere Personen gleichzeitig richtet (vgl. Teuschel, 2010: 12). Schubarth benennt drei zentrale Kriterien für eine Mobbingsituation: „das Vorliegen einer zielgerichteten Schädigungshandlung, eine bestimmte Intensität und Zeitdauer (wiederholte, länger anhaltende Schädigung) sowie ein Ungleichgewicht der Kräfte“ (Schubarth, 2013: 79). Außerdem beschreibt er mögliche Formen der Mobbinghandlungen: Unter physischen Formen sind beispielsweise Schlagen, Treten oder Kneifen, unter verbalen Formen z.B. Hänseln, Auslachen, Beschimpfen oder Drohen, unter nonverbalen Formen beispielsweise bestimmte Gesten und unter indirekten Mobbinghandlungen z.B. das Verbreiten von Gerüchten oder Ausgrenzen (vgl. ebd.: 80) zu verstehen. In tatsächlichen Mobbingsituationen im Schulkontext träten jedoch meist Mischformen auf (vgl. ebd.: 80).

Im Kontext von aggressivem Verhalten beschreiben Scheithauer und andere Mobbing als „ein spezielles Muster aggressiven Verhaltens“ (Scheithauer et al., 2003: 17). Insgesamt würden der Mobbingbegriff und der Begriff „Aggression“ bzw. „Gewalt“ über erhebliche Überlappungen z.B. im Zufügen von Schäden, Übergriffe körperlicher Art oder dem Kräfteungleichgewicht verfügen (vgl. ebd.: 19). Doch Mobbing beinhalte weitergehende Faktoren wie den Aspekt der Wiederholung in Kombination mit einer breiteren Vielfalt an Handlungsformen sowie einer längeren Dauer (vgl. ebd.: 19).

Eine weitere wichtige Komponente einer Mobbingsituation ist die Komponente der Gruppendynamik (vgl. Schubarth, 2013: 79), da meist nicht nur das Opfer und ein oder mehrere Personen als Täter, sondern häufig auch zusätzliche Personen in die Vorgänge involviert sind (vgl. ebd.: 83). Die verschiedenen Rollen und ihre Ausprägungen sollen daher im folgenden Teilkapitel kurz aufgezeigt und beschrieben werden.

2.2 Rollen im Mobbingprozess

Laut Gebauer seien die Vorgänge innerhalb einer Klasse meist allen der Klasse angehörigen Schülern bekannt, jedoch würden alle aus verschiedenen Positionen handeln (vgl. Gebauer, 2009: 29). Neben Täter und Opfer von Mobbinghandlungen sind, laut Scheithauer und anderen, weitere Schüler mit unterschiedlichen Rängen und unterstützenden oder verhindernden Tätigkeiten an diesem Prozess beteiligt (vgl. Scheithauer et al., 2003: 34). Weitergehend verdeutlichen sie in ihrer Arbeit durch folgende Abbildung die einzelnen Beteiligten einer Mobbingsituation und ihre Beziehungen zueinander.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Beteiligte einer Mobbingsituation und ihre Beziehungen zueinander (Scheithauer et al., 2003: 35)

Hier wird zunächst einmal die direkte und wichtigste Beziehung dieses Gefüges deutlich: das Einwirken (Bullying/Mobbing) des Täters beziehungsweise mehrerer Täter (Bully) auf das Opfer oder auch mehrere Opfer innerhalb einer Gruppe (Victim). Hier ist jedoch, wie schon in Kapitel 2.1 beschrieben, zu beachten, dass sich eine Handlung zu einem bestimmten Zeitpunkt immer nur gegen eine Person richten kann. In dieser Abbildung wird die Gruppe der Opfer dennoch in der Mehrzahl beschrieben, da sich erstens Handlungen und Verhaltensweisen des Täters zu einem anderen Zeitpunkt nicht mehr nur gegen das erste Opfer, sondern womöglich auch noch gegen ein weiteres Opfer richten können. Zweitens können Handlungen auch von einem weiteren Täter innerhalb einer sozialen Gruppe ausgehen und dabei auch andere Personen und nicht zwingend das schon genannte Opfer schädigen. In der Literatur wird zwischen zwei Opfertypen unterschieden: Auf der einen Seite steht das passive Opfer, welches oft zurückgezogen, verängstigt und scheu/schüchtern ist (vgl. Schubarth, 2013: 83), auf der anderen Seite steht das provozierende Opfer, welches sich durch mangelhafte Sozialkompetenz und einem kombinierten Verhalten aus angreifenden und eingeschüchterten Handlungsweisen auszeichnet (vgl. ebd.: 83). Der Täter möchte „als Leitfigur andere Kinder an sich binden“ (Braun/Braselmann, 2013: 26f.) oder durch Beeinflussung ein Entgegenwirken dieser Personen auf seine Handlungen verhindern (vgl. ebd.: 26f.). Strategisch motiviert ist sein Verhalten gegenüber den Lehrkräften häufig aufmerksam und freundlich, um durch seine Beliebtheit bei der Lehrkraft seine Macht in den Augen der Mitschüler zu stärken (vgl. Gebauer, 2009: 34f.). So schwächen die Täter Prestige und Geltung der Lehrkraft, sodass außenstehende Schüler und Opfer diese nicht aufsuchen, um sie über die vorliegenden Probleme aufzuklären und eine Lösung zu finden (vgl. ebd.: 34f.). Die vorliegende Abbildung zeigt auch verschiedene Positionen beziehungsweise Rollen, in die sich die restlichen Personen der sozialen Gruppe einordnen lassen. Assistenten wirken, beispielsweise durch das Festhalten des Opfers (vgl. Scheithauer et al., 2003: 34), direkt auf Mobbinghandlungen ein, da sie den Täter so unterstützen und selbst in gewisser Weise zum Täter werden. Häufig werden sie vom ihm durch Androhung von Gewalt oder Freundschaftsauflösung zu ihren Taten verpflichtet (vgl. Gebauer, 2009: 34). Außerdem beschreibt Werner, dass sich die Assistenten aufgrund ihres Nachmachens „auf der sicheren Seite“ (Werner, 2013: 23) fühlen, jedoch die Täter so in ihren Handlungen weiter anspornen würden (vgl. ebd.: 23). Auch Verstärker wirken, zum Beispiel durch das Zuschauen oder Anfeuern des Täters/der Täter (vgl. Scheithauer et al., 2003: 34), direkt auf die Situation ein. Oft empfinden diese Personen und die Assistenten Bewunderung für den Täter, bieten ihm Deckung und fühlen sich durch diese Verbundenheit von ihm anerkannt (vgl. Braun/Braselmann, 2013: 27f.). Eine zweite Möglichkeit der Motivation für dieses Verhalten der Assistenten und Verstärker ist die Furcht vor der eigenen Opferposition (vgl. Werner, 2013: 23). Ein Einfluss der Verteidiger auf die Handlungen ist zwar vorhanden, jedoch meist schwächer als der der Assistenten und Verstärker. Einen indirekten Einfluss auf die Situation hat die Gruppe der Outsider, die sich wissentlich von den Geschehnissen distanziert und fernbleibt (vgl. Scheithauer et al., 2003: 34) und somit nicht verwendete Kraft zum Unterbinden der Situation darstellt (vgl. Schubarth, 2013: 85). Die Motivation für ein solches Verhalten ist oft die Furcht vor der eigenen Opferposition (vgl. Werner, 2013: 23). Weiterhin verweisen Scheithauer und andere auf eine Studie, die die Anteile der Schüler in den verschiedenen Rollen ermittelte und dabei zu folgendem Ergebnis kam: Täter 8,2%, Opfer 11,7%, assistierende Personen 6,8%, verstärkende Personen 19,5%, verteidigende Personen 17,3%, Außenseiter 23,7% (vgl. Scheithauer et al., 2003: 34). Bei den restlichen 12,7% war eine klare und exakte Funktionszuordnung innerhalb der Gruppe und Situation nicht möglich (vgl. ebd.: 34). Eine Aussage ist im Zusammenhang der Rollenverteilung und besonders auch der Prävention besonders wichtig: „Durch mitmachende und duldende Kinder kann sich die gesamte Mobbingdynamik in der Gruppe erst entwickeln und zuspitzen“ (Braun/Braselmann, 2013: 27).

Die hier zusammengefassten Erkenntnisse der Literatur sollen im Verlauf dieser Arbeit im Kapitel über Präventions- und Interventionsmöglichkeiten und in der Analyse der Kinderbücher ihren Einfluss finden.

2.3 Ursachen und Folgen

Wie bereits in der Einleitung zitiert, vermutet Schubarth den Ursprung von Mobbinghandlungen, insbesondere in der Grundschule, in den mangelnden sozialen Kompetenzen und im Hinblick auf die Opfer zusätzlich in der mangelnden Kompetenz, die gegen sie gerichteten Handlungen abzuwehren (vgl. Schubarth, 2013: 81). Gebauer zeigt auf, dass in einem Mobbingprozess auf der Seite des Täters ein Gefühl von Machtlosigkeit, welches von einer von Zweifeln begleiteten innerlichen Lücke ausgeht, in ein Gefühl der uneingeschränkten Macht verwandelt werden soll (vgl. Gebauer, 2009: 32). Hierfür setze dieser oft auch eine Androhung von aggressiven Handlungen oder tatsächliche gewalttätige Handlungen ein (vgl. ebd.: 32). Baumgartner und Alsaker stellen heraus, dass das Defizit von sozialen Kompetenzen bei Tätern als „ein Defizit in der moralischen Motivation verstanden werden kann, welches sich in einer reduzierten Empathiefähigkeit, in einer stärkeren Befürwortung von moralischen Regelübertretungen sowie in weniger prosozialem und konstruktivem Sozialverhalten äußert“ (Baumgartner/Alsaker, 2008: 83). Als risikoerhöhende Ausgangspunkte für einen Täterstatus nennen Scheithauer und andere eine gewalttätige Handlungsweise kombiniert mit physischer Kraft (vgl. Scheithauer et al., 2003: 74). Eine geringe Sozialkompetenz, eine bejahende Haltung gegenüber aggressivem Verhalten als Instrument und seiner Wirksamkeit, eine begrenzte Bereitschaft zu Kooperation (vgl. ebd.: 75) seien charakteristisch. Ferner sei ein „starkes Bedürfnis nach Macht und Kontrolle“ (ebd.: 75) festzustellen. Oft stammen Täter aus einem familiären Umfeld, welches durch eine autoritäre und bestrafende Erziehung oder auch Gewalt geprägt ist (vgl. Schubarth, 2013: 84). Doch nicht nur im Hinblick auf die Täter, sondern auch im Hinblick auf die aggressiven Opfer nennen Baumgartner und Alsaker mangelhaftes soziales Verhalten als Ursache für ihre Rolle, da dieses meist sehr herausfordernd und fehlreguliert sei (vgl. Baumgartner/Alsaker, 2008: 83). Zusätzlich dazu sind, auch hier, defizitäre Empathiefähigkeit, defizitäres moralisches Denken, ein mangelhaftes Verstehen von verschiedenen, gleichzeitig auftretenden Gefühlen, sowie einer defizitären emotionalen Situationsbewertung als Charakteristika zu nennen (vgl. ebd.: 83). Die mangelnden Kompetenzen bei passiven Opfern seien vielmehr „im sozialen Problemlösen“ (ebd.: 83) zu sehen. Ihr unterwürfiges und meidendes Verhalten in sozialen Situationen habe das Entwerfen von ausweichenden, aber dafür meist gewaltfreieren Lösungen zur Folge (vgl. ebd.: 83). Als risikoerhöhende Ausgangspunkte für den Opferstatus nennen Scheithauer und andere zum einen personenbezogene Faktoren wie körperliche Schwäche, Übergewicht, andere äußerlich wirkende Einschränkungen, mangelndes freundliches Verhalten oder fehlende humorvolle Art (vgl. Scheithauer et al., 2003: 72f.). Zum anderen nennen sie umgebungsbezogene Bedingungen wie sozioökonomische Bedingungen oder Probleme innerhalb der Familie (vgl. ebd.: 71). Oft stammen Opfer aus einem familiären Umfeld, welches durch eine sehr beschränkende und/oder beschützende Erziehung geprägt ist (vgl. Schubarth, 2013: 84).

Sowohl für Opfer als auch für Täter sind vielfältige und tiefgreifende Folgen von Mobbingsituationen festgestellt worden: Auf der Opferseite zeigen sich beispielsweise „Gefühle der […] Hilflosigkeit, negatives Selbstwertgefühl, […] Gefühle des Selbstmitleids sowie Selbstbeschuldigungen, persönliche Abwertungen, Isolation/Einsamkeitsgefühle, Angstsymptome, Gefühle der Traurigkeit, Depression, Beziehungsprobleme, Suizidgedanken- und versuche, psychosomatische Beschwerden (z.B. Schlafstörungen, Kopf-, Bauchschmerzen), Bettnässen, gestörtes Essverhalten, Leistungsabfall in der Schule, Meiden der Schule“ (Scheithauer et al., 2003: 69). Auf der Täterseite sind beispielsweise „negatives Selbstwertgefühl, Ablehnung durch Peers, Beziehungsprobleme, Depression, Suizidgedanken und –versuche, aggressiv-dissoziales Verhalten, Delinquenz, Störung des Sozialverhaltens, Hyperaktivität, vermindertes prosoziales Verhalten“ (ebd.: 69) festzustellen.

Die Ablehnung von Opfern und Tätern durch Gleichaltrige stellt, laut Petillon, besonders in der Grundschule eine hohe Gefährdung für weiterhin bestehende Außenseiterpositionen dar (vgl. Petillon, 1980: 115). Dies resultiere besonders aus der Akzeptanz und der Verinnerlichung ihrer Rolle als Außenseiter und dem damit einhergehenden Verhalten, welches sich an den wahrgenommenen Erwartungen früherer Erlebnisse orientiert (vgl. ebd.: 115).

2.4 Präventions- und Interventionsmöglichkeiten

Aufgrund der im vorherigen Kapitel aufgezeigten schwerwiegenden und auch langfristigen Folgen scheint es umso wichtiger Mobbinghandlungen möglichst durch eine umfassende Prävention zu verhindern (vgl. Scheithauer et al., 2003: 125) beziehungsweise bei ersten Anzeichen gezielte Interventionsmaßnahmen vorzunehmen.

Aufgrund der Ausrichtung dieser Arbeit soll in diesem Kapitel jedoch vermehrt der Blick auf die Möglichkeiten der Prävention gelenkt werden. Mittlerweile sind viele Programme entwickelt worden, die in der Prävention und Intervention von Mobbing eingesetzt werden können. Schubarth fasst zusammen, dass „[v]iele der Programme […] präventiven Charakter [haben] und […] wichtige soziale und kommunikative Kompetenzen [fördern]“ (Schubarth, 2013: 117). Laut Petermann und Koglin könne ein erfolgreicher Einsatz von präventiven Maßnahmen nur dann geschehen, wenn mehr als eine jährliche Projektwoche für diese Maßnahmen aufgewandt würde (vgl. Petermann/Koglin, 2013: 72). Braun und Braselmann sehen gerade im Hinblick auf den Ausbau emotionaler und sozialer Kompetenz die Grundschule in der Pflicht (vgl. Braun/Braselmann, 2013: 57), da diese „noch alle Kinder erreicht“ (ebd.: 57). Weiterhin macht auch Jannan, wie schon in der Einleitung aufgezeigt, deutlich, dass die Zahlen von Mobbingfällen in der Grundschule mit 13,3% am höchsten sind (vgl. Jannan, 2010: 23)[2] und „in dieser Schulform […] also der größte Handlungsbedarf “ (ebd.: 24) besteht. Zudem zeigt er eine kurzzeitige Zunahme der Mobbinghandlungen nach dem Schulübergang in den fünften und sechsten Klassen auf (vgl. ebd.: 25), welches weiterhin die Notwendigkeit von Präventionsmaßnahmen in der Grundschulzeit verdeutlicht.

Präventions- und Interventionsmaßnahmen können nach verschiedenen Kategorien klassifiziert werden. Die Klassifikation nach Makro-, Meso-, und Mikroebene, wie sie bei Scheithauer und anderen in Bezug auf verschiedene Autoren dargestellt wird, soll, da sie eine differenzierte und schulnahe Einteilung aufzeigt, im Folgenden kurz erläutert werden: Auf der Makroebene finden sich Maßnahmen, die auf der Schulebene angelegt sind, wie beispielsweise das Ausbilden und Fortbilden von Personal, Maßnahmen zur Verbesserung des Schulklimas, eine Optimierung der Aufsicht innerhalb der Pause oder die Ausbildung von Mediatoren (Streitschlichter) (vgl. Scheithauer et al., 2003: 128). Die Mesoebene enthält Maßnahmen, die auf der Klassenebene angesetzt sind, wie zum Beispiel der Festlegung von Regeln, Rollenspiele, Elternabende sowie thematisch passende Besprechungen von Literatur (vgl. ebd.: 128). Die Mikroebene beinhaltet Handlungen, die das Individuum betreffen, wie beispielsweise situationsangepasste Strafen bei Fehlverhalten, die Förderung verschiedener, im Miteinander benötigter Kompetenzen sowie individuelle Hilfe für Opfer und Täter (vgl. ebd.: 128).

Wie bereits in Kapitel 2.2 thematisiert, gibt es in einem Mobbingprozess immer verschiedene Rollenzugehörigkeiten, die auch bei der Prävention und Intervention berücksichtigt werden sollten. Nach Scheithauer und anderen sind in Bezug auf Schüler besonders das Verhindern von Schweigen auf der Opferseite und die Modifizierung des Verhaltens passiver Außenstehender als übergeordnete Ziele zu betrachten (vgl. ebd.: 120). Auch Braun und Braselmann schreiben den Mitläufern und passiven Außenstehenden eine große Bedeutung für die (Weiter-)Entwicklung einer Mobbingsituation zu (vgl. Braun/Braselmann, 2013: 27). Da nach Gebauer auf der Opferseite ein gut entwickelter Selbstwert die optimalste Grundlage für den Umgang mit Mobbing ist (vgl. Gebauer, 2009: 63) und dieser auch die Bereitschaft über Geschehnisse zu sprechen und sich Hilfe zu holen stärkt (vgl. ebd.: 64), sollte zunächst für (potenzielle) Opfer die Förderung zur Entwicklung eines positiven Selbstwertgefühls erfolgen. Im Folgenden sollte, laut Petillon, auch eine entsprechende Unterstützung der Opfer zur zufriedenstellenden, selbstständigen Bewältigung von Konfliktsituationen geschehen (vgl. Petillon, 1980: 135). Auch das Trainieren von Selbstbehauptung, dem Setzen von Grenzen und der Abbau sozialer Ängste (vgl. Baumgartner/Alsaker, 2008: 84) kann in diesem Zusammenhang thematisiert werden. Auf der Seite der Täter sollten Präventions-/Interventionsprogramme, nach Baumgartner und Alsaker, bei einem Training der sozialen Kompetenz, speziell bei der Förderung von Empathie, bei der Ausrichtung von Moral und dem Aufzeigen von anderen, angemessenen und statuserhaltenden Handlungsoptionen ansetzen (vgl. ebd.: 83f.). Zudem sollten den Tätern auch „Hilfen zur besseren Selbstkontrolle“ (Jannan, 2010: 34) aufgezeigt werden. Passive und außenstehende Kinder hätten, laut Baumgartner und Alsaker, „hohe soziale Kompetenzen, von denen die ganze Gruppe profitieren könnte“ (Baumgartner/Alsaker, 2008: 84). Sie vermuten, dass es diesen Kindern jedoch an Gewissheit und Kenntnissen über ein adäquates Verhalten in solchen Situationen mangele (vgl. ebd.: 84).

Zur Thematisierung sozialer Beziehungen im Unterricht schreibt Petillon außerdem, dass ein Erkenntnisgewinn der Schüler „auf einem allgemeinen Niveau“ (Petillon, 1980: 142) die Grundlage zur Analyse des eigenen Handelns und dem Erkennen der eigens verursachten Situationen bildet (vgl. ebd.: 142f.). Dadurch könnte den Kindern ein „emotionales Fundament“ (ebd.: 143) zur Bildung von Kontakten und Umgängen innerhalb der Gruppe gegeben werden, welche durch die Interessen und Erfordernisse aller bestimmt sind (vgl. ebd.: 143).

2.5 Zusammenfassung

Insgesamt lässt sich für den Verlauf dieser Arbeit festlegen, dass eine Mobbinghandlung dann vorliegt, wenn zielgerichtete Schädigungshandlungen mit einem Kräfteungleichgewicht wiederholt über einen längeren Zeitraum auftreten. Durch die Beteiligung vieler Personen in verschiedenen Rollen kann ein Mobbingprozess als ein Prozess mit Gruppendynamik beschrieben werden. Er entsteht zum Teil durch einen Mangel an sozialen und/oder emotionalen Kompetenzen oder wird zumindest durch diesen Mangel beeinflusst. Die Involviertheit in einen solchen Prozess kann, unabhängig von der Rollenzugehörigkeit, vielfältige und zum Teil schwerwiegende Folgen haben. Daher ist eine frühzeitige und umfassende Prävention durch entsprechende Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen von enormer Bedeutung. Dabei steht besonders, aber nicht nur, die Grundschule in der Pflicht, da hier das Vorkommen von Mobbinghandlungen besonders hoch ist und außerdem auch die Kompetenzgrundlagen für die weiterführenden Schulen gelegt werden.

Nachdem bereits deutlich wurde, dass soziale Kompetenzen eine gewisse Bedeutung innerhalb eines Mobbingprozesses haben, soll der Begriff der sozialen Kompetenz beziehungsweise der sozialen Kompetenzen und die dazugehörigen Teilbereiche näher betrachtet und anhand eines exemplarischen Modells konkretisiert werden.

3 Soziale Kompetenz(en) als Schlüsselkompetenz

Wie bereits im letzten Kapitel aufgezeigt, kommt der sozialen Kompetenz/den sozialen Kompetenzen bei der Entstehung, dem Fortschreiten und der Prävention von Mobbingsituationen eine elementare Bedeutung zu. Daher kann diese im Mobbingkontext als Schlüsselkompetenz bezeichnet werden. Aufgrund dessen sollen nun der Begriff definiert und Teilkompetenzen aufgezeigt werden. Im Anschluss daran werden diese Ausführungen anhand des Modells/Katalogs von Zieldimensionen sozialen Lernens nach Hanns Petillon aus dem Jahr 1993 konkretisiert.

3.1 Definition

Ein Blick in die Literatur zum Thema der sozialen Kompetenz macht deutlich, dass eine Definition dieses Begriffes durch einen großen inhaltlichen Umfang sehr schwierig ist. Dadurch kommt es zu einer gewissen Unschärfe der Begrifflichkeit und seiner Grenzen. Im Folgenden soll dennoch ein Versuch unternommen werden diese aufzuzeigen.

Baumgartner und Alsaker beschreiben soziale Kompetenz folgendermaßen:

„Soziale Kompetenz ist ein Metakonstrukt, welches anteilig aus behavioralen (z.B. positives Sozialverhalten), affektiven (z.B. Emotionsregulation) und sozio-kognitiven resp. sozio-moralischen Aspekten (z.B. Perspektivenübernahme, konstruktives Problemlösen, moralische Motivation) zusammengesetzt ist.“ (Baumgartner/Alsaker, 2008: 70)

Und auch de Boer und Kanning beschreiben diesen Begriff als eine Sammlung unterschiedlicher Faktoren (vgl. de Boer, 2014: 24) sowie als eine Bündelung von Teilkompetenzen (vgl. Kanning, 2005: 6). Laut de Boer ist die Begrifflichkeit der sozialen Kompetenz weiterhin in eine Konstellation von unterschiedlichen Bedingungen integriert (vgl. de Boer, 2014: 33). Dieses Bedingungsgefüge berücksichtige die Ausgangslage, das Können des Individuums sowie die Absichten verschiedener Beteiligter sozialer Situationen und sei somit durch die Interaktion, die die beteiligten Personen konstruieren, geprägt (vgl. ebd.: 33). In Bezug auf sozial kompetentes Verhalten ist somit immer eine Kontextvariable in die Bewertung mit einzubeziehen, da das Übertragen der Wissensbestände auf eine konkrete Situation immer das Einbeziehen dieses Bedingungsgefüges erfordert. Ein sozial kompetentes Verhalten berücksichtigt innerhalb dieses Gefüges sowohl die Durchsetzung eigener Interessen als auch parallel den Schutz der Interessen anderer Beteiligter (vgl. Baumgartner/Alsaker, 2008: 70) und erhält in diesem Sinne „die soziale Akzeptanz des Verhaltens“ (Kanning, 2005: 4). Dies bedeutet, dass die Sichtweise des sozialen Umfelds in die Handlungsplanung, welche das Ziel von sozial kompetentem Verhalten verfolgt, integriert werden muss (vgl. Kiper/Mischke, 2008: 152). Somit ist ein kompetentes Verhalten innerhalb einer sozialen Situation immer kontextabhängig zu definieren (vgl. Kanning, 2005: 5). Kanning verbindet die Begrifflichkeiten der sozialen Kompetenz und des sozial kompetenten Verhaltens, indem er die Kompetenz als benötigte Wissensbestände, Potenziale und Befähigungen eines Menschen beschreibt, die sein Sozialverhalten nach Maßstäben eines sozial kompetenten Verhaltens beeinflussen (vgl. ebd.: 4). Handlungsweisen, die eher Interessen anderer Beteiligter dienen, werden der fremdbezogenen Dimension sozialer Kompetenzen zugeordnet (vgl. Perren et al., 2008: 89). Im Gegensatz dazu wird Verhalten, welches auf die Verwirklichung und Durchsetzung eigener Wünsche und Interessen ausgelegt ist, der selbstbezogenen Dimension sozialer Kompetenzen zugeordnet (vgl. ebd.: 89).

In diesem thematischen Zusammenhang muss auch eine Begriffsklärung von sozialem Lernen erfolgen. Laut Kiper wird soziales Lernen „als Erwerb von Wissensbeständen im Rahmen bestimmter Fächer und ihrer Teilgebiete verstanden“ (Kiper, 2011: 34). Es erfolge zusammenhängend mit dem Interagieren und Kommunizieren (vgl. ebd.: 33f.) und könne nur durch eine Beobachtung und Bewertung des eigenen Handelns erfolgreich sein (vgl. ebd.: 34). Das Kind soll angestoßen und dazu befähigt werden, sein eigenes Handeln zu reflektieren (vgl. Velthaus, 2003: 54). So kann festgestellt werden, dass soziales Lernen den Lernprozess an sich benennt, bei dem soziale Kompetenz im Sinne von Wissensbeständen, Fähigkeiten und Fertigkeiten erworben wird.

Eng verbunden mit dem Begriff der sozialen Kompetenz und dem sozialen Lernen ist der Begriff der Sozialerziehung. Nach Kiper „zielt [Sozialerziehung] darauf, die Interaktion und Kommunikation von Heranwachsenden mit ihrer Umwelt und miteinander so zu gestalten, dass soziale Kompetenz erworben werden kann“ (Kiper, 2011: 41). Außerdem ist im Kontext von Sozialerziehung unbedingt auch die Komponente der pädagogischen Intention zu nennen (Preiser, 2011: 131). Sozialerziehung ist also die pädagogisch bewusste Gestaltung von Umwelt und gegenseitigem Umgang durch die jeweilige Erziehungsperson (z.B. Eltern, Lehrer, Erzieher etc.) mit dem Ziel des Erwerbs sozialer Kompetenz, die das Kind zu einem sozial kompetenten Verhalten befähigen soll.

Soziales Lernen mit dem Ziel des Erwerbs sozialer Kompetenzen im Kontext von Sozialerziehung kann dabei auf verschiedene Weisen erfolgen: Unter anderem kann es durch Beobachtungslernen, durch Regelerwerb, durch eine Analyse von Problemsituationen und dem anschließenden Entwerfen von Lösungsmöglichkeiten und viele weitere Möglichkeiten, die in diesem Zusammenhang aufgrund der Kürze der Arbeit nicht näher erläutert werden sollen, angeregt werden. Unbedingt hinzuzufügen ist allerdings die Unterscheidung zwischen beiläufigem Lernen, wie es beispielsweise beim Lesen von thematisch passenden Erzählungen oder dem Spielen der Fall ist, und dem intentionalen Lernen, wie unter anderem bei der Wissensvermittlung, Wertereflexion oder der Diskussion von Handlungsmöglichkeiten der Fall ist (vgl. Kiper, 2011: 34). Der Lehrer habe den Auftrag den Kindern beide Formen des sozialen Lernens bereitzustellen (vgl. ebd.: 42).

Nachdem die Zusammenhänge zwischen sozialer Kompetenz, sozialem Lernen und Sozialerziehung verdeutlicht wurden, sollen nun die Teilkompetenzen beziehungsweise Teilbereiche sozialer Kompetenz beleuchtet werden.

3.2 Faktoren/Teilkompetenzen

Die Frage nach den Teilkompetenzen sozialer Kompetenz wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich beantwortet.

Dehu und andere sehen folgende Kompetenzen als Teilkompetenzen der sozialen Kompetenz an: „Emotionale Sozialkompetenz […], Perspektivenübernahme & Empathie […], Kommunikationsfähigkeit […], Impulskontrolle […], Problemlöseverhalten […], Entspannung […], Prosoziales Handeln […], Selbstwertsteigerung […], Übernahme von Verantwortung […]“ (Dehu et al., 2015: 4).

Perren und Malti beschreiben die soziale Kompetenz in einem Modell mit drei Ebenen, bei dem auf der ersten Ebene verschiedene Vorgänge der Psyche wie beispielsweise „sozial-kognitive, sozial-emotionale und motivationale Fertigkeiten“ (Perren/Malti, 2008: 265) angeordnet sind (vgl. ebd.: 265). Hier stehen also die Voraussetzungen für das tatsächliche Handeln und die Handlungsplanung und –vorbereitung. Die zweite Ebene umfasst Fähigkeiten und Fertigkeiten, die das Sozialverhalten beeinflussen (vgl. ebd.: 265). Diese Fähig- und Fertigkeiten lassen sich, laut Perren und Malti, in selbst- und fremdbezogene Kompetenzen aufteilen (vgl. ebd.: 265). Die letzte Ebene beschreibt die Handlungsfolgen im Hinblick auf die „psychosoziale Anpassung“ (ebd.: 266), die durch die Kompetenzen der ersten und zweiten Ebene beeinflusst werden. Hier unterscheiden die Autoren zwischen Folgen für das körperliche und psychische Befinden der Person an sich und den Folgen für den Wert seiner zwischenmenschlichen Bindungen (vgl. ebd.: 266).

Kanning beschreibt fünf Bereiche der sozialen Kompetenz, die sich weiterhin in Teilkompetenzen aufgliedern (vgl. Kanning, 2005: 8). Der erste Bereich der sozialen Wahrnehmung umfasst zum einen das Befassen mit eigenen Handlungen und denen anderer Personen, zum anderen die Reaktionen auf verschiedene Verhaltensweisen und zum Dritten die Übernahme von Perspektiven (vgl. ebd.: 8). Der zweite Bereich der Kontrolle von Verhalten enthält die Emotionsstabilität sowie die innere und äußere Kontrollüberzeugung (vgl. ebd.: 8). Der Bereich der Durchsetzungsfähigkeit teilt sich in die Verwirklichung von eigenen Vorsätzen sowie dem Stellen von Konfliktsituationen auf (vgl. ebd.: 8). Der vierte Bereich der Sozialorientierung umfasst den Einsatz für die Wünsche anderer Personen und die Toleranz für unterschiedliche Wertvorstellungen (vgl. ebd.: 8). Der fünfte und letzte Bereich der Kommunikationsfähigkeit enthält die Fähigkeit zum Zuhören und das Beherrschen von verbaler Einflussnahme (vgl. ebd.: 8).

Ein sinnvoll gegliedertes aber dennoch gut differenziertes Modell beschreibt Wolfgang Roth, der sich auf Hanns Petillon (1993) bezieht und anhand der von ihm formulierten Zieldimensionen für soziales Lernen ein übersichtliches Modell entwickelte. Hierbei gruppiert er die von Petillon formulierten Ziele zu den Kategorien „Identität Alterität“ (Roth, 2006: 34), „Wahrnehmungsfähigkeit nach innen und außen“ (ebd.: 34), „Mitteilungsfähigkeit“ (ebd.: 34), „Soziale Handlungsfähigkeit“ (ebd.: 34) und situationsspezifische Einflüsse (vgl. ebd.: 34f.). Allerdings formuliert Roth selbst keinen vollständigen Ziel- bzw. Kompetenzkatalog, sondern bezieht sich hierbei nur auf Petillon. Daher soll der Zielkatalog dessen im Folgenden näher betrachtet und erläutert werden.

3.3 Zieldimensionen der sozialen Kompetenz nach Petillon (1993)

Der Zielkatalog Petillons wurde aufgrund seiner sinnvollen Strukturierung und des umfassenden und dennoch nicht ausschweifenden Inhalts für die nähere Betrachtung in dieser Arbeit ausgewählt. Er umfasst sowohl selbst- als auch fremdbezogene Kompetenzen sowie situative Einflüsse und interaktionsspezifisches Wissen und dazugehörige Fähig- und Fertigkeiten. Alle elf definierten Zieldefinitionen und ihre enthaltenen Fähigkeiten (Kompetenzen) und Handlungsorientierungen (Bereitschaft) sollen nun vorgestellt, teilweise weitergehend dargelegt und erläutert werden. Dabei stellen die Kompetenzen das bereits erworbene Wissen oder die bereits erworbenen Handlungsmuster dar und die Handlungsorientierungen die Bereitschaft zum Verhalten, um diese Kompetenzen zu erwerben. Die Ausführungen sollen sich dabei aufgrund der Kürze dieser Arbeit auf die Zieldefinition aller Bereiche und die Teilkompetenzen und Handlungsorientierungen weniger Bereiche beschränken.

[...]


[1] Er bezieht sich hierbei auf die Seite www.schulpsychologie.de (nicht mehr auffindbar)

[2] Er bezieht sich hierbei auf die Seite www.schulpsychologie.de (nicht mehr auffindbar)

Excerpt out of 75 pages

Details

Title
Können Kinderbücher bei der Mobbingprävention in der Grundschule helfen?
Subtitle
Die Förderung sozialer Kompetenzen
College
University of Osnabrück
Grade
1,3
Author
Year
2016
Pages
75
Catalog Number
V379459
ISBN (eBook)
9783668600669
ISBN (Book)
9783960951674
File size
1502 KB
Language
German
Keywords
Mobbing, Mobbingprävention, Soziale Kompetenz, Kinderliteratur, empathiefähigkeit, empathie, alternative verhaltensweisen, ich-identität
Quote paper
Jessica Maag (Author), 2016, Können Kinderbücher bei der Mobbingprävention in der Grundschule helfen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379459

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