Autonomes Lernen im projektorientierten Unterricht

Im Rahmen des Seminars der Deutschen Sprache und Kultur an einer Deutschen Schule in Japan


Hausarbeit, 2016

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Lernstrategien im Kontext autonomen Lernens

3. Vorstellung des Mini-Projekts „Top-Tipp!“ im Rahmen des Seminars für Deutsche Sprache und Kultur

4. Forschungsmethoden und Ablauf

5. Analyse der Gruppenarbeit

6. Auswertung des Fragebogens zum Projekt

7. Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Anwendung von Lernstrategien in projektorientierten Gruppenarbeiten speziell im außeruniversitären Rahmen. Es sollen die Beobachtungen während einer Gruppenarbeit festgehalten und die daraus folgenden Schlussfolgerungen für die bewusste bzw. unbewusste Anwendung von Lernstrategien durch die Teilnehmer[1] vorgestellt werden.

2. Lernstrategien im Kontext autonomen Lernens

Der Begriff der Lernerautonomie, von Holec 1981 eingeführt (vgl. Holec 1981: 3), hat seit einigen Jahren in der Fremdsprachendidaktik besondere Bedeutung erlangt. Es kursieren zahlreiche Definitionen, die versuchen, den Begriff einheitlich zu fassen. (vgl. dazu auch Bimmel und Rampillon 2000: 177) Tönshoff beschreibt Lernerautonomie folgendermaßen: „Selbststeuerung und Eigenverantwortlichkeit des Lerners im Rahmen eines Fremdsprachenunterrichts, der dies bewusst zulässt und fördert“. (Tönshoff 2007: 333)

Im Rahmen der Lernerautonomie gewann die Vermittlung und Erforschung von Lernstrategien in der Forschung ebenso an Stellenwert. Der Begriff „Lernstrategie“ ist ebenfalls zahlreich definiert und umstritten (vgl. dazu Zimmermann 1997, Grenfell und Macaro 2007, Mandl und Friedrich 2007 oder Westhoff 2001). Ein Aspekt, bei dem Uneinigkeit unter den Forschern herrscht, ist, ob sich Lernstrategien als konkrete, durchgeführte Handlungen beobachten lassen, oder es sich bei Lernstrategien um mentale Prozesse handelt. (s. Bimmel 2010) Diese Studie nimmt die Definition von Westhoff 2001 als Grundlage, der behauptet eine Lernstrategie sei ein „Plan von (mentalen) Handlungen, um ein Lernziel zu erreichen“. (Westhoff 2001: 687)

Das stützt die These, die dieser Studie zugrunde liegt, dass sich Lernstrategien bis zu einem gewissen Grad beobachten lassen, bestreitet aber auch nicht, dass ein Teil der Lernstrategien in den Köpfen der Lerner entsteht, wenn diese ihren mentalen Plan zur Problemlösung und/oder Lernzielerreichung, sei es bewusst oder unterbewusst, erstellen.

Ein weiterer Punkt, bei dem es in der Forschung Unstimmigkeiten gibt, ist die Frage der Bewusstheit von Lernstrategien. (vgl. Bimmel 2012: 4) Benutzen die Lerner[2] die Lernstrategien bewusst oder geschieht dies unbewusst? Diesem Aspekt soll sich in dieser Studie genähert werden.

Um zu überprüfen, welche Lernstrategien ohne oder mit nur geringem Einwirken des Lehrers[3] von den Teilnehmern benutzt werden, um eine Aufgabenstellung zu bearbeiten, wurde für diese Studie eine kooperative Sozialform gewählt. Die Teilnehmer sollten eine ihnen gestellte Aufgabe in Kleingruppen bearbeiten, was in drei Unterrichtseinheiten zu einem Miniprojekt verbunden wurde. Diese Sozialform eignet sich laut Wolff besonders für autonomes Lernen. (vgl. u.a.Wolff 2002, ebd. 2007)

Neben sprachlichen und kognitiven Lernzielen wird mit Gruppenarbeit auch die Förderung von Methoden- und Sozialkompetenzen und somit von Lernerautonomie verfolgt. (Schramm 2010: 1183-84)

Für die vorliegende Studie war bei der Wahl der Sozialform von Relevanz, dass sich die gruppeninterne Dynamik, die Kooperation zwischen den Teilnehmern und die Mittel zum Erreichen des Ziels, also die Lernstrategien, gut beobachten lassen. Die Form des Unterrichts war frei, den Teilnehmern war sowohl Thema als auch Vorgehensweise selbst überlassen. Gegeben war nur das Ziel/Ergebnis, worauf die Teilnehmer hinarbeiten sollten. Der Einsatz des Lehrers beschränkte sich auf die eines Moderators, der die Aufgabenstellung vorgibt und gegebenenfalls mit Ratschlägen zur Seite steht. Im Folgenden soll das Projekt, welches als Grundlage der Studie dient, vorgestellt werden.

3. Vorstellung des Mini-Projekts „Top-Tipp!“ im Rahmen des Seminars für Deutsche Sprache und Kultur

Das Seminar für Deutsche Sprache und Kultur[4] an einer Deutschen Schule in Japan zeichnet sich durch die niedrige Kursteilnehmerzahl – pro Kurs vier bis zehn Teilnehmer, altersgemischte Lerngruppen, die hohe Motivation der Lerner sowie eine lockere, vertraute Unterrichtsatmosphäre aus.

Für die Durchführung des Projekts wurde ein A2-Kurs des Deutschen Seminars ausgesucht, der aus acht Teilnehmern bestand. Im Juni 2016 wurden drei Unterrichtseinheiten mit je 55 Minuten für das Projekt eingeplant.

Grundlage war das Lehrbuch Menschen A2, Seite 41 Aufgabe 2, in der die Teilnehmer aufgefordert sind ihren „Top-Tipp“, sprich ihre Empfehlung einer Sehenswürdigkeit in Wien, vorzustellen. Um die Situation für die Teilnehmer authentischer zu gestalten, wurde die Aufgabenstellung abgewandelt, ausgeweitet und in den japanischen Kontext eingebettet. Die Teilnehmer sollten nunmehr ihren „Top-Tipp“ für eine japanische Sehenswürdigkeit, Stadt oder Region erstellen und präsentieren.

Die Teilnehmer sollten eine Präsentation auf Deutsch erstellen, wobei die Präsentationsform frei wählbar war. Ebenso gab es zwar die klare Zeitvorgabe, dass die Präsentation nach drei Unterrichtseinheiten fertig sein sollte, jedoch konnten die Teilnehmer die weitere Zeitaufteilung innerhalb der drei Unterrichtseinheiten frei gestalten.

Vor Beginn der Gruppenarbeit wurde den Teilnehmern die Anweisung gegeben, das gesamte Projekt über möglichst selbstständig und ohne Eingriff des Lehrers zu arbeiten, und als Kommunikationssprache in der Gruppe ausschließlich Deutsch zu benutzen.

Zunächst mussten sich die Lerner in der ersten Unterrichtseinheit in einer Diskussion auf Deutsch auf zwei Sehenswürdigkeiten oder Städte in Japan einigen. Es sollten selbstständig zwei Gruppen gebildet werden, die jeweils eine Sehenswürdigkeit behandeln würden.

Im nächsten Schritt haben die Teilnehmer Informationen zu „ihren“ Sehenswürdigkeiten im Internet recherchiert. Hausaufgabe war es, weitere Informationen zur Sehenswürdigkeit zu sammeln und zur nächsten Unterrichtsstunde mitzubringen.

In der zweiten Unterrichtseinheit sollten die mitgebrachten Texte gemeinsam in der Gruppe gelesen und bearbeitet werden. Außerdem sollten die Teilnehmer sich auf eine Präsentationsform einigen.

In der letzten Unterrichtseinheit sollten die Präsentationen gemeinsam erarbeitet und fertiggestellt werden.

Eine Gruppe hatte sich als Präsentationsform für eine PowerPoint-Präsentation entschieden, die andere für ein selbstgemaltes Plakat.

Langfristiges Ziel der Gruppenarbeit ist es, den neuen Lehrern der Deutschen Schule in Japan im neuen Schuljahr 2016/17 diese Japan-Empfehlungen vorzustellen.

4. Forschungsmethoden und Ablauf

Während der gesamten Projektdurchführungsphase von insgesamt drei Unterrichtseinheiten, wurde eine Videoaufnahme mit einem i-Pad von den Teilnehmern gemacht.[5] Da die Teilnehmer in zwei Gruppen aufgeteilt waren, war es nur bedingt möglich, beide Gruppen gleichzeitig zu filmen. Die meiste Zeit wurde sich abwechselnd auf jeweils eine Gruppe konzentriert.

Im Anschluss an die Filmaufnahme wurde das Video auf die von den Teilnehmern verwendeten Lernstrategien untersucht. Dazu wurden zusätzlich zu den Tonaufnahmen die Gestik und Mimik sowie die Handlungen der Teilnehmer berücksichtigt. Zusätzlich zur Videoaufzeichnung wurde am Ende des Projekts eine Umfrage unter den Teilnehmern durchgeführt. In dieser Umfrage ging es vorwiegend darum, festzustellen, ob die Teilnehmer solche „freien“ Unterrichtsmethoden positiv aufnehmen bzw. für sinnvoll halten, wo sie ihre Stärken und Schwächen sehen, ob ihnen bestimmte Lernstrategien bereits aus dem Schulunterricht oder Studium bzw. anderen Sprachkursen bekannt sind, und ob der Einsatz von Lernstrategien bewusst oder unbewusst geschah.

Ziel der Studie ist es zunächst, zu beobachten, wie die Lerner die Gruppenarbeit, die vollständig auf Deutsch durchgeführt werden sollte, meistern, und welche Lernstrategien von ihnen zur Bewältigung dieser Aufgabe eingesetzt werden. Weiterhin sollen Vermutungen darüber aufgestellt werden, ob die Lernstrategien von den Lernern bewusst oder unbewusst benutzt werden und inwiefern die Motivation der Lerner durch diese Form des Unterrichts steigt bzw. sinkt.

Der erste Teil dieses Beitrags bezieht sich auf die Erkenntnisse aus den Videoaufnahmen. Im zweiten Teil wird dann auf die Auswertung der Umfrage eingegangen. Im Fazit soll eine Verbindung zwischen den Ergebnissen hergestellt werden sowie ein Vorschlag für eine Ausweitung der Studie aufgezeigt werden.

5. Analyse der Gruppenarbeit

5.1 Erste Unterrichtseinheit

In der ersten Phase sollten sich die Teilnehmer in einer Diskussion auf die zu bearbeitenden Themen einigen.

Die Teilnehmer mussten sich ausschließlich auf Deutsch verständigen, was die Fertigkeiten „Sprechen“ und „Hören“ beanspruchte. Weiterhin wurde die allgemeine Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit der Teilnehmer auf die Probe gestellt. Nachdem die Teilnehmer sich für zwei Themen entschieden hatten, sollten sie sich eigenständig in zwei Gruppen aufteilen.

Um diese Aufgabe zu bewältigen wurden die im Folgenden näher erläuterten „Techniken“ eingesetzt.

Häufig zu beobachten war, dass sich die Teilnehmer, nachdem sie einen Fehler gemacht hatten, selbst korrigierten wie z.B.:

Schönes Wetter.. ato nan dakke[6] … schönes Meer… Wir können viele schöne Fische gesehen… ah, Fische sehen! (Videotranskript: 1[7] )

Königs definiert Selbstkorrektur als die selbstständige Entdeckung und Korrektur der als fehlerhaft identifizierten Äußerung. (s. Königs 2007: 378) Sie ist eine effektive Lernstrategie, die jedoch voraussetzt, dass die Teilnehmer ihre Fehler selbst erkennen können und entsprechend ein bestimmtes Niveau erreicht haben. Zudem ist zu beachten, dass sich durch die Selbstkorrektur unbeabsichtigt die Mitteilungsabsicht verändern könnte, was jedoch für das obige Beispiel nicht zutrifft (vgl. Bohnensteffen 2010: 55). Die Selbstkorrektur wird wie in folgenden Fall in der Fremdsprache oder in der Muttersprache durchgeführt.

Vielleicht Nikko ist gut, weil es near… near janai[8] … – Vielleicht in der Nähe? (Videotranskript: 3)

Im oben genannten Beispiel ist neben der Selbstkorrektur ebenso eine andere Lernstrategie zu beobachten: die Teilnehmer helfen sich gegenseitig. Gerade im Bereich „Sprechen“ oder „Hören“ findet man solche „sozialen Strategien“, die den Sprachgebrauch optimieren sollen und dem Ziel dienen, sich verständlich zu machen (vgl. Bimmel & Rampillon 2000: 74). Es werden also alle Mittel ausgeschöpft, um die Kommunikation am Laufen zu halten. In vielen Fällen fragen die Betroffenen selbst um Hilfe, wie auch hier:

Wie heißt Fisch…Fisch? - Tropical Fisch, tropical Fisch. Ich mein so. (Videotranskript: 1)

Dem Teilnehmer fällt das Wort „tropisch“ nicht ein und er fragt gestikulierend die anderen Teilnehmer. Einer der Teilnehmer hilft und nennt ihm das Wort „tropical“, was er aus dem Englischen kennt. Zwar kann man hier nicht von Korrektur sprechen im Sinne einer sprachlichen Korrektur, jedoch unterstützen sich die Lerner gegenseitig, um ein flüssiges Gespräch herzustellen.[9]

Zusätzlich erkundigen sich die Lerner bei den anderen Gruppenteilnehmern nach der Richtigkeit ihrer Äußerungen. Dazu benutzen sie entweder Deutsch oder ihre eigene Muttersprache, wie im Beispiel unten:

Kann man…äh man kann schwimmen von Meer… chigau[10] ? Meer deshou[11] … März…jaa nakutte ke[12]. Am Meer. (Videotranskript: 5)

Nach der Diskussionsphase folgte eine erste Phase der Annäherung an die Themen und der Informationssammlung und Recherche. Die Teilnehmer sollten zunächst ohne Hilfe von Smartphones oder anderen digitalen Medien die Informationen austauschen, die ihnen bereits bekannt waren. Dabei ist aufgefallen, dass auf selbstgemalte Bilder und Bilder aus dem Internet[13] zurückgegriffen wurde. Diese Bilder wurden zur Unterstützung der eigenen Aussage sowie als visuelle Hilfe für das Hörverstehen verwendet. (vgl. Videotranskript: 11,12)

[...]


[1] Zur vereinfachenden Darstellung wurde in dieser Darstellung auf die feminine Form verzichtet. Es wird einheitlich „Teilnehmer“ für beide Geschlechter verwendet.

[2] Zur vereinfachenden Darstellung wurde in dieser Darstellung auf die feminine Form verzichtet. Es wird einheitlich „Lerner“ für beide Geschlechter verwendet.

[3] Zur vereinfachenden Darstellung wurde in dieser Darstellung auf die feminine Form verzichtet. Es wird einheitlich „Lehrer“ für beide Geschlechter verwendet.

[4] Im Folgenden nur „Deutsches Seminar“ genannt.

[5] Die Teilnehmer wurden frühzeitig darüber aufgeklärt und um ihr Einverständnis gebeten.

[6] Häufig gibt es Einschübe auf Japanisch, besonders in Denkpausen. Hier auf Deutsch etwa: „Und was noch?“

[7] Die Zitate aus dem Videotranskript werden alle wortgetreu wiedergegeben. Fehler werden nicht korrigiert.

[8] Hier auf Deutsch: „ near…nicht near“.

[9] In diesem Fall ist „tropical“ zwar nicht das richtige deutsche Wort, aber die Äußerungsabsicht wird von den Gruppenmitgliedern erfasst und das Gespräch kann fortgesetzt werden.

[10] Auf Deutsch etwa: „Oder?“

[11] Auf Deutsch etwa: „Oder?“

[12] Auf Deutsch etwa: „nicht…“

[13] Trotz der Anweisung des Lehrers wurde vermehrt auf das Smartphone zurückgegriffen.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Autonomes Lernen im projektorientierten Unterricht
Untertitel
Im Rahmen des Seminars der Deutschen Sprache und Kultur an einer Deutschen Schule in Japan
Autor
Jahr
2016
Seiten
22
Katalognummer
V379797
ISBN (eBook)
9783668563735
ISBN (Buch)
9783668563742
Dateigröße
530 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
autonomes, lernen, unterricht, rahmen, seminars, deutschen, sprache, kultur, schule, japan
Arbeit zitieren
Nina Kanematsu (Autor:in), 2016, Autonomes Lernen im projektorientierten Unterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379797

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