Erfolgsfaktoren für die Rolle des Personalbereichs im Change Management

Eine qualitativ-explorative Studie


Bachelorarbeit, 2017

89 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Anlagenverzeichnis (Anhang)

1. Personaler im Wandel – bleibt alles anders?
1.1. Problemstellung und Relevanz des Themas
1.2. Zielsetzung
1.3. Persönlicher und unternehmerischer Hintergrund der Untersuchung
1.4. Aufbau und Struktur

2. Change Management und dessen Erfolgsfaktoren im Spiegel der Literatur
2.1. Inhaltliche und begriffliche Grundlagen
2.1.1. Ursachen organisationaler Veränderung und deren Auswirkungen
2.1.2. Definition Change Management (CM)
2.1.3. Erfolgsfaktoren im CM nach Kotter
2.1.4. Erfolgsfaktoren im CM nach Capgemini
2.1.5. HR-Rolle des Change Agent nach Ulrich
2.1.6. HR-Rollenoptionen in Change-Prozessen bzw. -Phasen nach DGFP
2.1.7. HR-Rolle im CM aus der Sicht namhafter Beratungshäuser
2.2. Zusammenfassung und kritische Reflexion der theoretischen Erkenntnisse für die Untersuchung
2.3. Entwicklung von Hypothesen auf Basis der Literatur

3. Forschungsdesign und Methodik
3.1. Wahl des Forschungsdesigns
3.2. Datengewinnung
3.2.1. Auswahl, Begründung und Zustandekommen der Stichprobe
3.2.2. Entwicklung des Interviewleitfadens
3.2.3. Zeit und Ort der Durchführung
3.2.4. Transkription und Inhaltsanalyse
3.3. Operationalisierung, Auswahl und Begründung der Kategorien

4. Ergebnisse
4.1. Ergebnisse bzgl. des Kontextes der befragten Unternehmen
4.1.1. Externe Auslöser für Veränderung und organisationale Auswirkungen
4.1.2. Häufigkeit und Intensität von Veränderungen, Relevanz von CM
4.2. Ergebnisse zu den Hypothesen auf Basis der Literatur (deduktiv)
4.2.1. Hypothese H1: HR-Erfolgsfaktor Strategisches Denken und Agieren?
4.2.2. Hypothese H2: HR-Erfolgsfaktor Fokus auf ‘People Side of Change’?
4.2.3. Hypothese H3: HR-Erfolgsfaktor hohe Handlungskompetenz?
4.3. Relevante Erkenntnisse auf Basis der empirischen Untersuchung (induktiv)
4.3.1. Hypothese H4: HR-Erfolgsfaktor hohes Vertrauen und Akzeptanz?
4.3.2. Hypothese H5: HR-Erfolgsfaktor gutes Geschäftsverständnis?
4.3.3. Hypothese H6: HR-Erfolgsfaktor Präsenz und aktive Mitgestaltung?

5. Diskussion
5.1. Kritische Reflexion des Vorgehens
5.2. Wissenschaftliche Gütekriterien
5.3. Interpretation der Ergebnisse vor dem Hintergrund der Fragestellung
5.4. Verzahnung der Ergebnisse mit der Literatur
5.5. Relevanz der Erkenntnisse bezüglich der Forschungsfrage
5.6. Empfehlungen für die weitere wissenschaftliche Forschung
5.7. Handlungsempfehlungen für Personalbereiche und Unternehmen

6. Fazit

Anhang

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 Acht-Stufen-Prozess für die Umsetzung tief greifenden Wandels (Kotter)

Abb. 2 Sieben CM-Erfolgshebel (Capgemini)

Abb. 3 HR-Rollenmodell (Ulrich)

Abb. 4 Bedeutungsverschiebung der vier HR-Rollen von Ulrich

Anlagenverzeichnis (Anhang)

Anh. 1 Kurzdarstellung der Studie, zur Suche geeigneter Interviewpartner

Anh. 2 Details zu Experten, Unternehmen und Interviews

Anh. 3 Vollständiger Interviewleitfaden für die Expertenbefragung

Anh. 4 Finales Codesystem (MAXQDA)

Anh. 5 Überblick der identifizierten Erfolgsfaktoren (Ergebnisse Kap. 4)

Anh. 6 Change-Kurve (nach Virginia Satir) .

Vorwort

Eines der bekanntesten wissenschaftlichen Modelle im Change Management ist die sogenannte Change-Kurve[1], die die emotionalen Phasen Betroffener in Veränderungs­prozessen und die dabei wahrgenommene eigene Kompetenz anschaulich darstellt: nach Schock, Verneinung, rationaler Einsicht (‚Tal der Tränen‘) und danach auch emotionaler Akzeptanz folgen Lernen/Ausprobieren, Erkenntnis und schließlich die Integration des neuen Zustands oder Verhaltens (s. Anh. 6).

Im Laufe der viereinhalb Jahre meines Fernstudiums sowie während der Anfertigung dieser Arbeit durchlief ich diese Phasen allesamt, und wiederholt.

Besondere Unterstützer waren mir in dieser Zeit:

- Mein Lebensgefährte Patrick, der mich tatkräftig unterstützte, durch ‚Täler‘ hindurch motivierte, sich oft ohne mich beschäftigte und nicht ein einziges Mal (!) beklagte.
- Mein Sohn Lukas, der zeitgleich sein Ing.-Studium durchzog und, gerade im Fernstudium, ein erfrischend naher und lebendiger Mitstudent war (und IT-Experte!).
- Meine Eltern, die, ebenso wie die weitere Familie und enge Freunde, mein spätes Studium mit viel Interesse und Verständnis für zeitliche Einschränkungen verfolgten.
- Mein Arbeitgeber, der mich finanziell und zeitlich unterstützte.
- Die Kollegen, die Verständnis für Prüfungsstress und freie Tage hatten.
- Meine Nichte Natalie, die den finalen Anstoß für das Studium gab und – ebenso wie meine Kollegin Hanna – interessiert-kritischer Korrekturleser dieser Arbeit war.
- Das Professoren- und Betreuerteam der SRH FernHochschule, und hier insbesondere Prof. Dr. J. Merk als Studiengangsleiter und Berater beim für mich erfolgskritischen Wechsel des Studienmodells, sowie Prof. Dr. T. Mettig als sachkundiger, ideen- und lehrreicher Betreuer dieser Abschlussarbeit.
- Und nicht zuletzt meine neun Interviewpartner, durch deren lebendige Schilderung die Interviews und deren Auswertung zur spannenden Forschungsreise wurden.

Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank.

Abstract

Ziel – In einer zunehmend volatilen, unsicheren und komplexen Welt ist die Fähigkeit zur Veränderung Erfolgsmerkmal für Unternehmen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Faktoren für die Rolle von Human Resources (HR) im Change Management (CM), d.h. in der Begleitung des permanenten Wandels, erfolgswirksam sein und damit Mehrwert für das Unternehmen schaffen können.

Methode – Anhand bedeutender theoretischer Konzepte zu generellen Erfolgsfaktoren (z.B. Kotter, Capgemini) sowie zur Rolle von HR im CM (z.B. Ulrichs Change Agent, HR-Rollenoptionen der DGFP) wurden theoriebezogene Hypothesen entwickelt. Diese wurden mithilfe einer qualitativen Expertenbefragung mit neun HR-Fach- und Führungskräften aus verschiedenen Unternehmen empirisch überprüft. Daraus ergaben sich weitere praxisbezogene Hypothesen, die ebenfalls überprüft wurden.

Ergebnisse – Durch die besondere Nähe zum sog. ‚Faktor Mensch‘ ist HR ein Erfolgsfaktor für CM in sich. Es deutet sich an, dass dies HR selbst noch nicht ausreichend bewusst ist. Strategiebezug und hohe hierarchische Einordnung der CM-Verant­wortung, verbunden mit entsprechenden Befugnissen und Ressourcen sind weitere Erfolgsfaktoren. Es zeigt sich, dass HR-Akteure im CM hohes Vertrauen und Akzeptanz sowie ein breites Spektrum an personalen, fachlich-methodischen und sozial-kommunikativen Kompetenzen benötigen. Zudem müssen sie das Unternehmensgeschäft hinreichend verstehen, um die Auswirkungen von Change einschätzen und für die Belegschaft übersetzen zu können. Ob HR-Akteure selbst ‚Change managen‘ oder eher beratend tätig werden, ist nicht erfolgsentscheidend, vielmehr ist eine realistische Rollenklärung bestimmend für das erfolgreiche Zusammenspiel mit den Beteiligten. Aus der ‚Einzigartigkeit‘ der HR-Kompetenz bzgl. der menschlichen Seite des Wandels entsteht auch eine Verpflichtung – unterschätzt der Personalbereich sie, läuft er Gefahr, den eigenen Beitrag zum Unternehmenserfolg selbst zu entwerten. HR muss sich angesichts zunehmender Veränderungsdynamik auch selbst verändern.

Theorie- und praxisbezogene Implikationen – Neben Erfolgsfaktoren für die Rolle von HR im CM sowie Forschungsansätzen für die Wissenschaft liefert die Arbeit konkrete Handlungsempfehlungen für CM-/ Personalverantwortliche.

Schlagworte

- Wissenschaftlich: Veränderung, Change, Change Management, Erfolgsfaktoren, Human Resources, Personalbereich, Rolle, Expertenbefragung

- Praxisbezogen: Lufthansa AirPlus, (Finanz-) Dienstleistungsbranche

1. Personaler im Wandel – bleibt alles anders?

[4]

Ob Marktveränderungen, Innovationssprünge in Technologien oder die Verknappung der Ressourcen Zeit und Geld – Unternehmen müssen sich weltweit immer häufiger und schneller Veränderungen anpassen, um erfolgreich zu sein und zu bleiben. Wir leben in der sog. VUCA-Welt[5], die zunehmend volatil, unsicher, komplex und voller Ambiguitäten (Mehrdeutigkeiten) ist.[6] Erfolgreiche Unternehmensführung stellt sich zukünftig nicht mehr in einem Zustand der Stabilität dar, sondern externe wie interne Veränderungstreiber erzeugen unablässig neuen Bedarf für organisatorischen Wandel.[7] Die Fähigkeit zur Veränderung ist daher ein wichtiges Erfolgsmerkmal moderner Unternehmen.[8]

1.1. Problemstellung und Relevanz des Themas

Die Relevanz eines professionell gestalteten Change Managements (CM), d.h. dem aktiven Begleiten und Managen von Veränderung, nimmt für Unternehmen demgemäß ebenfalls zu. 2010 waren gemäß einer Studie von Capgemini Consulting[9] 95% der befragten 116 Großunternehmen im deutschsprachigen Raum überzeugt, dass CM zukünftig eine bedeutsame Rolle spielt. 80% maßen dem Thema eine sehr starke bzw. stark positive Bedeutung für die Gesamtproduktivität im Unternehmen bei. Ähnliches ergab auch eine Befragung von mehr als 200 Personalexperten durch mehrere Universitäten und Hochschulen: Die Begleitung von Change-Prozessen belegte Platz 1 im Ranking der wichtigsten Personalmanagement-Instrumente der Zukunft.[10]

Warum jedoch ist CM für organisationale Veränderung von so hoher Bedeutung? Wird CM vernachlässig oder ganz darauf verzichtet, zeigen sich zwei dominante Effekte. Zum einen verzeichnen ca. 80% der Unternehmen ineffizientes Arbeiten aufgrund fehlender bzw. unzureichender Informationen über den Veränderungsprozess. Zweitens findet in ca. 75% bewusstes Agieren gegen die Veränderung statt (z.B. durch Blockieren, Verzögern, Vermeiden). Dies führt zu dramatisch negativen Auswirkungen auf die Produktivität und somit zu gravierenden ökonomischen Nachteilen: im Durchschnitt erwarten Experten einen Produktivitätsrückgang von 23%. Jeder vierte Mitarbeiter (MA) ist somit in einem unbegleiteten Veränderungsprozess ein ‚Komplettausfall‘.[11]

Die Wissenschaft beschäftigt sich aufgrund der zahlreichen Negativeffekte seit Jahrzehnten intensiv mit CM. Zahlreiche Publikationen erklären die häufigsten Ursachen von Veränderung oder das Überwinden von Widerständen. Viele Modelle nennen Erfolgsfaktoren[12], wie bspw. die beiden Klassiker der ‚8 Stufen von Kotter‘ oder der ‚8 Phasen von Doppler & Lauterburg‘[13], auf die in dieser Arbeit noch näher eingegangen wird. Andere Publikationen stellen Methoden und Tools[14] vor, die erfolgversprechend eingesetzt werden können.[15] Weitere stellen Fallbeispiele oder Geschichten des Erfolges wie des Scheiterns vor.[16]

Äußerst wenige Arbeiten beschäftigen sich jedoch bislang mit der Frage nach einer mehrwertstiftenden Rolle der Personalfunktion (Human Resources, HR[17] ) in diesem Kontext. Dabei liegt nahe, dass HR im CM eine Schlüsselrolle zukommt: dort hat man häufig den engsten Kontakt zu allen MA, so dass emotionale Stimmungen, die meist Auslöser für Widerstand sind, am ehesten erfasst und beurteilt werden können.[18] Das Leitthema des diesjährigen Personalmanagementkongresses „HR-Evolution. Wie können wir uns in einem disruptiven Marktumfeld erfolgreich entwickeln? Welche Rolle müssen wir einnehmen?“[19] offenbart, dass HR-Verantwortliche innerhalb einer Welt des zunehmenden Wandels noch auf der Suche nach der richtigen Positionierung sind.

Um einen Beitrag zum zuvor erläuterten Forschungsbedarf zu leisten, lautet daher die primäre übergeordnete Fragestellung der Arbeit:

Was sind Erfolgsfaktoren für den Personalbereich, um in organisationalen Veränderungsprojekten oder -prozessen mehrwertstiftend zu agieren, negative Effekte für Unternehmen und MA gering zu halten und positive Effekte zu generieren?

1.2. Zielsetzung

Die Arbeit hilft diese Erkenntnislücke zu schließen, indem sie der Erforschung der Rolle des Personalbereichs im CM und hier insbesondere möglichen Erfolgsfaktoren besonderes Interesse widmet. Als qualitative Untersuchung[20] in Form einer Expertenbefragung werden Faktoren identifiziert und bislang wenig untersuchte Ursache-Wirkungs-Zusammen­hänge überprüft, mit denen HR im Begleiten von Veränderungsprozessen positive Wirkung erzielen kann. Die Studie liefert einen Erkenntnisgewinn für die wissenschaftliche Diskussion und zeigt realitätsnahe und relevante Denkanstöße und Handlungsempfehlungen sowohl für Personalverantwortliche als auch Unternehmensentscheider auf.

1.3. Persönlicher und unternehmerischer Hintergrund der Untersuchung

Die persönliche Motivation und der praktische Bezug für die Arbeit sind in der beruflichen Tätigkeit der Autorin im Personalbereich der mittelständischen Luft­hansa-Tochter Lufthansa AirPlus Servicekarten GmbH (AirPlus) begründet. Das Unternehmen ist seit 1989 am Markt und mit HQ im Rhein-Main-Gebiet angesiedelt. Es beschäftigt aktuell ca. 1.300 MA und bietet als Finanzdienstleister knapp 50.000 Firmenkunden in 60 Ländern Zahlungs- und Abrechnungslösungen für Geschäftsreisekosten an.[21] Auch AirPlus sieht sich mit immer häufigeren und komplexeren Veränderungsbedarfen konfrontiert, die immer kürzere Reaktionszeiten erfordern. Geschäftsführung (GF) und Personalentscheider setzten sich deshalb zum Ziel, eine strukturiertere Herangehensweise in Bezug auf CM zu konzipieren, die über die bisher eher punktuellen Aktivitäten hinausgeht. Die Autorin wurde mit der Konzeptentwicklung beauftragt. Die Ergebnisse dieser Arbeit fließen in das Konzept ein und ermöglichen auf Basis von Erfahrungswerten anderer Unternehmen, Handlungsempfehlungen für die CM-Aktivitäten von AirPlus abzuleiten. Das Thema stammt aus dem direkten betrieblichen Umfeld und hat somit neben dem wissenschaftlichen Interesse auch aktuelle betriebliche Relevanz.

1.4. Aufbau und Struktur

Nach der einleitenden Beschreibung der Problemstellung und der Zielsetzung (Kap. 1) befasst sich die Arbeit mit der Definition relevanter Begriffe sowie der Darstellung relevanter Theorien und Modelle des CM und der Rolle des Personalbereichs in der wissenschaftlichen Literatur (Kap. 2). Im Anschluss wird die wissenschaftliche Methodik erläutert (Kap. 3), daran schließt sich die Darstellung der Ergebnisse an, einschließlich einer ersten Bewertung (Kap. 4). Es folgt die kritische Diskussion der Vorgehensweise sowie eine übergeordnete Reflektion zur Beantwortung der Fragestellung. Darüber hinaus wird ein Ausblick für die Zukunft entwickelt, ergänzt durch mögliche Ansätze für die weitere wissenschaftliche Forschung und Handlungsempfehlungen für die unternehmerische Praxis (Kap. 5). Das Fazit rundet die Arbeit mit einer kurzen Schlussbetrachtung ab (Kap. 6). Die Sichtweise der Autorin fließt an geeigneten Stellen der Arbeit ein.

2. Change Management und dessen Erfolgsfaktoren
im Spiegel der Literatur

Dieses Kapitel beschreibt zunächst die Faktoren, die zu permanentem Veränderungsbedarf führen. Es folgt die Definition zentraler Begriffe sowie die Darstellung relevanter wissenschaftlicher Theorien und Modelle für diese Arbeit, auf deren Basis anschließend erste Hypothesen entwickelt werden.

2.1. Inhaltliche und begriffliche Grundlagen

Ständige Veränderung ist zum Normalzustand geworden, sowohl bezüglich der äußeren Rahmenbedingungen einer Organisation als auch für deren Innenleben.[22] Aber woraus entsteht überhaupt Veränderungsbedarf in Unternehmen?

2.1.1. Ursachen organisationaler Veränderung und deren Auswirkungen

Die Ursachen finden sich meist in externen Anlässen, wie neuen Gesetzen, technologischen Innovationen, Trends wie z.B. Internationalisierung oder veränderten Managementkonzepten.[23] Eine Metaanalyse mehrerer Zukunftsstudien zeigte 2008 knapp 20 Megatrends auf, die im kommenden Jahrzehnt Ursache für fundamentale Transformationsprozesse in Unternehmen sein würden.[24] Die wichtigsten zehn sind (nach Zahl der Nennungen, in absteigender Bedeutung): Demografie (z.B. Veränderung der Alterspyramide), Komplexität (z.B. Ende der Eindeutigkeit), Umwelt (z.B. Klimawandel, Auflagen, Kosten), Arbeits­markt (z.B. War for Talents[25] ), Beschleunigung, Asien (Wachstumsmärkte wie z.B. China), IT-Entwicklung/-Flexibilisierung, Ressourcenengpässe/-preise (z.B. Rohstoffe), Corporate Governance[26] und Internet.

Insbesondere die technologischen Veränderungen im IT-Bereich bündeln sich in den letzten Jahren im Megatrend der Digitalisierung, der zu massiven Veränderungen ganzer Branchen führt und weiterhin führen wird: das größte Taxiunternehmen der Welt besitzt bspw. keine Taxis (Uber), der weltgrößte Händler keine lokalen Geschäfte (Alibaba) und die größten Telefongesellschaften besitzen keine eigenen Netze mehr (Skype, WeChat).[27]

Claßen konstatierte 2008 sechs interne Veränderungsbestrebungen, mit denen Unternehmen diesem Umfeld begegnen:[28] Restrukturierung/Reorganisation, Wachstumsinitiativen, veränderte Unternehmensstrategie, Kostensenkungsprogramme, veränderte Marktstrategien sowie Mergers & Acquisitions (M&A[29] ).

Aus den vorherigen Erläuterungen wird deutlich: unternehmerischer Wandel kann nicht mehr als gelegentliche ‚Störung‘ gelten, sondern ist zur Normalität geworden. Er wird starken Einfluss auf das Arbeitsleben nehmen. Unternehmen und deren MA werden sich ihm immer schneller anpassen müssen.[30] CM wird insofern zukünftig eine noch wichtigere Rolle einnehmen (müssen).

2.1.2. Definition Change Management (CM)

CM ist seit geraumer Zeit sowohl in der Management- als auch Personalliteratur ein viel diskutierter Begriff, der sich – dank der zuvor erläuterten Dynamiken im Unternehmensumfeld – wohl auch auf absehbare Zeit ungebrochener Aktualität und Relevanz erfreuen wird.[31] Nach einer allgemein akzeptierten wissenschaftlichen Definition sucht man jedoch immer noch vergeblich, CM werden die unterschiedlichsten Theorien und Ansätze, Prozesse und Methoden zugeordnet.[32] Die Google-Suche nach einer Definition erzielt innerhalb eines Sekundenbruchteils über 10 Millionen Treffer.[33] Der folgende Abschnitt schildert deshalb eine Auswahl von Definitionsansätzen im zeitlichen Verlauf und erläutert dabei auch mögliche Gründe der Definitionsvielfalt.

1995 liefert Thom eine Definition, nach der CM alle geplanten, gesteuerten und kontrollierten Veränderungen in den Strukturen, Prozessen und Kulturen sozio-ökonomischer Systeme umfasst. Ein differenziertes Veränderungsmanagement beschäftigt sich mit Fragen der Organisation, des Personalmanagements, der Unternehmensführung sowie der Kommunikation und Information.[34]

Was hier zunächst griffig klingt, fächert sich bei genauerer Betrachtung jedoch in zahlreiche Facetten auf, die eine einheitliche Definition erschweren:

2003 bat Claßen die Befragten einer Studie, CM in einem Satz zu definieren.[35] Die vorgegebenen Definitionen wiesen Ähnlichkeiten auf, unterschieden sich jedoch in ihrem Fokus (Einfachauswahl; Zustimmung in %):

- Die planungsorientierte Definition, in der CM als geplanter Prozess zur Veränderung von Kultur, Systemen und Verhalten verstanden wird (31%).
- Die stakeholder­orientierte[36] Definition, als organisierter und systematischer Ansatz zum Umgang mit Veränderungen (24%).
- Die ergebnisorientierte Definition, als aktive und gesteuerte Begleitung mit dem Ziel, Geschäftsziele und ‑ergebnisse zu erreichen (20%).
- Die prozessorientierte Definition, als kontinuierlicher Prozess zur Sicherstellung von Veränderungsergebnissen (10%).
- Die systemorientierte Definition, als Zusammenfassung von Prozessen, Instrumenten und Techniken (7%).
- Die ursachenorientierte Definition, in der CM die Ursachen von Widerständen beseitigt (7%).

2010 ergab eine Mitgliederbefragung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), dass Ziele als besonders wichtige Dimension wahrgenommen werden: 75% verstehen CM als zielorientierten Prozess.[37]

2014 beschreiben Doppler & Lauterburg[38] eine geschichtliche Entwicklung der Begriffe, ausgehend vom Begriff der Organisationsentwicklung (OE) seit Mitte der 70er Jahre: die damals gegründete Gesellschaft für Organisationsentwicklung e.V. entwickelte als Leitgedanken einen längerfristig angelegten, organisationsumfassenden Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen, der auf dem Lernen aller Betroffenen beruht. Er hat zum Ziel, die Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und gleichzeitig die Qualität des Arbeitslebens (Humanität) zu verbessern. Über den Zeitverlauf beschleunigten schärfer werdender Wettbewerb und permanenter Innovationsdruck jedoch die wirtschaftliche Lage vieler Unternehmen. Der Begriff CM hat im Zuge dessen die Bezeichnung OE weitgehend verdrängt. Zum einen wird im Begriff CM Veränderung (im Vergleich zu Entwicklung) stärker betont, zweitens wird darin der Anspruch erhoben, den Wandel aktiv voranzutreiben (zu managen), zum dritten ist der Begriff offen für unterschiedliche Bezüge, er ist nicht auf die Organisation fokussiert und damit begrenzt. Als Managementaufgabe impliziert CM auch Ergebnisorientierung, Umsetzungscontrolling und damit Nachhaltigkeit. An die Stelle langfristiger Entwicklungsprozesse tritt somit die direkte Steuerung von Veränderung.

Was Doppler & Lauterburg zuvor als nachvollziehbare geschichtliche Entwicklung der Begriffe darstellen, lösen sie jedoch nur kurz darauf wieder auf, in folgender Abgrenzung dreier Hauptbegriffe:[39]

- Organisationsentwicklung: als Begriff für geplanten Wandel, meist mittel- bis längerfristig angelegt, mit einem ganzheitlichen Organisationsverständnis der harten Faktoren (Strukturen, Finanzen, Führung) und der weichen (Kommunikation, Führung, Zusammenarbeit).
- Change Management: als umgangssprachlicher, moderner Sammelbegriff für alles, was an Veränderungen in Organisationen praktiziert wird, mit Schwerpunkt auf M&A, Restrukturierung, Kostensenkung, Prozessoptimierung, meist unter hohem Zeitdruck und in Begleitung großer Beratungsfirmen.
- Unternehmens-Transformation: als längerfristig angelegte fundamentale und ganzheitliche Neuausrichtung, die z.B. Geschäftsfelder und -modelle, Unternehmensstruktur und ‑kultur betrifft.

Der zuvor genannte ganzheitliche Managementgedanke findet sich 2016 auch bei Kostka: CM dient dem ganzheitlichen und systematischen Planen, Initiieren, Realisieren, Reflektieren und Stabilisieren von Veränderungsprozessen in Organisationen. Sie betont jedoch: für die erfolgreiche Gestaltung von Veränderungsprozessen stehen heute zahlreiche Werkzeuge und Methoden zur Verfügung, diese sind aber immer nur so gut wie die Menschen, die sie einsetzen und anwenden.[40] Oder wie es der angelsächsische Sprachraum sprichwörtlich benennt: ‚A fool with a tool is still a fool‘.[41]

Wie Claßen zu Recht feststellte, wird aus der Fülle von Definitionsansätzen deutlich, dass es eine allseits anerkannte Definition von CM – wie bei derartigen Konzepten gar nicht ungewöhnlich – wohl niemals geben wird. Was unter CM verstanden wird, ist von situativen, personellen und theoretischen Aspekten abhängig und muss bei jedem Veränderungsprojekt neu definiert werden.[42]

Die beiden folgenden Abschnitte gehen anhand zweier klassischer Modelle auf allgemeine Erfolgsfaktoren im CM ein, ohne direkten Bezug zu einem Funktionsbereich wie HR.

2.1.3. Erfolgsfaktoren im CM nach Kotter

Eines der bedeutendsten und am häufigsten zitierten CM-Modelle ist der Acht-Stufen-Prozess für die erfolgreiche Umsetzung von Veränderungen nach Kotter (Abb. 1).[43] 1995 erstmals im Harvard Business Review publiziert, gilt er heute noch als Initialzündung für das erfolgreiche Gestalten von CM-Projekten.[44]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Acht-Stufen-Prozess für die Umsetzung tief greifenden Wandels

(Quelle: eigene Darstellung, in Anl. an Kotter, J. (2011), S. 18)

Die acht Erfolgsfaktoren stellen eine Abfolge von Schritten innerhalb von Veränderungsprozessen dar.[45] Kotter betont, dass alle Stufen vollständig und in dieser Reihenfolge durchlaufen werden müssen: Überspringen schafft lediglich die Illusion raschen Fortschritts und führt nicht zu befriedigenden Resultaten.[46]

2.1.4. Erfolgsfaktoren im CM nach Capgemini

Das Change-Modell von Capgemini Consulting benennt 2012 sieben Hebel für erfolgreiches CM (Abb. 2). Je nach Situation sind die Hebel von unterschiedlicher Bedeutung, zu Beginn jeder Veränderung liegt jedoch der Schwerpunkt auf Vision und Zielsetzung, die insgesamt als erfolgsentscheidend gelten.[47]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Sieben CM-Erfolgshebel nach Capgemini

(Quelle: eigene Darstellung, in Anl. an Ott, S. (2015), S. 19)

Die Gegenüberstellung lässt erkennen, dass es eine erhebliche Schnittmenge von Erfolgsfaktoren innerhalb zweier der bedeutendsten Theorien und Modelle im CM gibt: die Bedeutung von Vision und Strategie, engagierter Führung, der Einbindung von MA, Nachhaltigkeit und Kulturbezug. Zudem scheinen sich diese Erfolgsfaktoren über zwei Dekaden (Kotter 1995 vs. Capgemini 2012) kaum verändert zu haben.

Nach diesen allgemeinen, von bestimmten Unternehmensfunktionen eher unabhängigen Erfolgsfaktoren des CM, konzentrieren sich die beiden nächsten Abschnitte auf mögliche HR-Rollen im Veränderungsmanagement.

2.1.5. HR-Rolle des Change Agent nach Ulrich

Bereits 1996 gab Dave Ulrich, Professor der Universität Michigan und seit mehr als zwei Jahrzehnten internationaler HR-Vordenker,[48] Personalverantwortlichen weltweit die anspruchsvolle ‚Hausaufgabe‘, den zunehmenden, sich beschleunigenden Wandel in Unternehmen effizienter zu unterstützen. Aufgabe war, ein organisationales Modell für Veränderung zu definieren, dieses zu implementieren und zu verbreiten und dessen Einsatz und Anwendung dauerhaft zu unterstützen. Da viele Unternehmenslenker zwar kontinuierlich die Notwendigkeit für erfolgreiche Veränderung propagieren, selbst jedoch häufig nicht konsequent an deren Umsetzung arbeiten, hat HR aus seiner Sicht die ‚einzigartige Verpflichtung‘, Führungskräfte (FK) dazu aufzufordern, ihren Worten Taten folgen zu lassen, sich dabei jedoch auch selbst immer wieder mit zu verändern.[49] Die besondere Aufgabe für HR beschrieb er in diesem Kontext anschaulich wie folgt: ‚Zu lernen, wie man auf etwas besteht, ohne unverschämt zu sein, etwas einzufordern, ohne unhöflich zu sein, an etwas dran zu bleiben, ohne aufdringlich zu sein, wird Teil der Herausforderung des HR-Change-Profils sein.‘[50]

1997 etablierte Ulrich innerhalb eines seitdem vielzitierten HR-Rollenmodells eine Rolle, die sich direkt auf Veränderungsmanagement bezieht: die des Change Agent.[51] Abbildung 3 zeigt die vier Rollen und deren Aufgabenschwerpunkte. Während der Administrative Experte und der Employee[52] Champion eher operativ angelegt sind, konzentrieren sich der Strategische Partner und der Change Agent eher auf strategische Themen.[53]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: HR-Rollenmodell (Ulrich)

(Quelle: eigene Darstellung, in Anl. an HRweb (2014)[54] )

Die Rolle des Change Agent verankert Ulrich in dem Quadranten, der den Fokus auf die Strategie, gleichzeitig aber auch auf die Menschen im Unternehmen legt – hier findet sich die häufig zitierte ‚People side of Change‘[55] wieder, d.h. die menschenbezogene Seite des Wandels. Die klassischen Aufgaben von Ulrichs Change Agent umfassen dabei nach Claßen:[56]

- Adressieren und Managen der sog. ‚Human Side of Change‘[57]
- Mitsteuern beim Aufbau neuer bzw. Verändern bestehender Organisationen
- Harte (z.B. Organisationsdesign) und weiche Organisationsentwicklung
- Markante Verminderung von Widerständen in Transformationsprozessen

Anders als bei den allgemeinen CM-Erfolgsfaktoren ( Kotter und Capgemini), die sich im Zeitverlauf wenig verändert zu haben scheinen, formuliert eine DACH[58] -Studie[59] 2014 im Hinblick auf Ulrichs vier Rollen eine drastische Verschiebung deren jeweiliger Bedeutung über nur eine einzige Dekade, wie Abbildung 4 zeigt: von der 2009 als vorrangig eingestuften operativen Rolle des Administrative Expert zu einem fast ausgeglichenen Verhältnis der vier Rollen 2014 zu den beiden strategischen Rollen hin, als Prognose für 2019.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Bedeutungsverschiebung der vier HR-Rollen von Ulrich

(Quelle: HRweb (2014)[60] )

2.1.6. HR-Rollenoptionen in Change-Prozessen bzw. -Phasen nach DGFP

CM ist immer auch Projektmanagement, Change ohne professionelles Projektmanagement kann nicht funktionieren.[61] Abgeleitet von zentralen Rollen im Projektmanagement benennt die DGFP daher fünf HR-Rollenoptionen im CM. [62]

- Promotor (Treiber, Sponsor): Fällt die Grundsatzentscheidung für ein Change-Projekt, repräsentiert es nach innen und außen, begleitet es politisch, wählt Projektmanager aus, schafft Akzeptanz in Führungsebenen, ist Mitglied des Lenkungsausschusses und unterstützt Anschlussmaßnahmen.
- Manager: Erstellt einen (Change-)Projektplan, beschafft Ressourcen, entscheidet ggf. über Einbeziehen externer Beratungskompetenz, ist der Kommunikationsstratege, präsentiert das (Change-)Projekt im Kick-off-Meeting[63], steuert die Prozesse, kommuniziert die Ergebnisse an den Auftraggeber, reflektiert das Projekt, schlägt Anschlussmaßnahmen vor.
- Moderator: Klärt seine Rolle mit dem Team, berät das Gesamtteam, leitet Feedbackschleifen, z.B. am Ende ‚Lessons learned‘.[64]
- Personalexperte: Berät bei der Zusammensetzung des Projektteams, insbesondere der Sozialpartner (Arbeitgebervertreter ggü. Betriebsrat (BR)), ermittelt Qualifizierungsbedarf und erstellt Entwicklungspläne; ist Ansprechpartner für betroffene MA; setzt Personalentwicklungs-Maßnahmen (PE) um und begleitet weiterführende Maßnahmen.
- Administrator: Organisiert das Backoffice[65], erledigt administrative Arbeiten.

All diese Aufgaben bilden sich laut DGFP in den üblichen Phasen eines Veränderungsprozesses ab: Planungsphase, Umsetzungsphase und Erfolgskontrolle. Sie können stark variieren, je nachdem in welcher Phase sich das Change-Projekt befindet. Dabei wird auch deutlich, dass alle zuvor genannten HR-Rollen in jeder Phase wichtige Aufgaben erfüllen. Es gibt folglich keine Phase, in der der Personalbereich nicht mehrwertstiftend agieren kann.[66]

Weiterhin nennt die DGFP wichtige Sozial- und Methodenkompetenzen, die Personalverantwortliche haben müssen, damit sie ihre CM-Aufgaben erfolgreich wahrnehmen können.[67] Nachstehend die fünf am häufigsten gewählten Kompetenzen (Mehrfachantworten waren möglich):

1. Kommunikationsfähigkeit (87%)
2. Vertrauenswürdigkeit (80%)
3. Strategisches Denken (67%)
4. Konfliktfähigkeit (66%)
5. Erfahrung im CM (64%)

2.1.7. HR-Rolle im CM aus der Sicht namhafter Beratungshäuser

Das HR-Magazin ‚Personalwirtschaft‘ befragte Anfang 2017 fünf erfahrene CM-Experten namhafter Beratungsunternehmen.[68] Sie beschrieben die Rolle des Personalbereichs im CM wie folgt: sie sehen eine Zeitenwende gekommen, in der HR vor einem Scheideweg steht. Starke Personaler sind gefragt, die nicht nur ‚Enabler‘[69] sind, sondern auch ‚Gestalter‘. Sie brauchen Business-Know-how, damit sie auf Augenhöhe mit jenen agieren können, die sie begleiten. Sie müssen mit dem Top-Manage­ment am Tisch sitzen, Ressourcen einfordern, eine wirksame Change-Architektur konzipieren und am Ende auch liefern können.[70] HR bietet sich aus Sicht dieser Expertenrunde gegenwärtig eine historische Chance, den Wandel zu gestalten und sich entsprechend zu positionieren. Irgendwann schließt sich aus Sicht der Experten jedoch dieses Zeitfenster, und dann übernehmen FK die Aufgabe selbst.[71]

2.2. Zusammenfassung und kritische Reflexion der theoretischen Erkenntnisse für die Untersuchung

Die vorgenannten Theorien und Modelle aus der wissenschaftlichen Literatur erscheinen besonders geeignet, um sich einer mehrwertstiftenden Rolle bzw. den Erfolgsfaktoren des Personalbereichs im CM zu nähern.

Aus den Definitionsansätzen lassen sich klassische Personalaufgaben und damit zahlreiche Ansatzpunkte identifizieren, in denen der Personalbereich erfolgreich in Veränderungsprozessen agieren kann, wie z.B. Verändern der Kultur und des Verhaltens, Abbau von Widerständen, Zusammen­führen der Unternehmens- und MA-Sicht, Richtung der Aktivitäten nach innen auf die Mitglieder der Organisation, Befähigung von FK, Lernen aller Organisationsmitglieder.

Das Fehlen einheitlich definierter und verwendeter Begriffe erschwert jedoch vermutlich die Rollenklärung des Personalbereichs bei der Begleitung von Veränderung oder Etablierung einer CM-Struktur.

Wie bei den Definitionsansätzen finden sich auch in den generellen Erfolgsfaktoren des CM (Kotter, Capgemini) zahlreiche Schlagworte, die eine enge Verknüpfung zu Personalaufgaben nahelegen: Führungskoalitionen können bspw. über von HR initiierte Plattformen gebildet werden, Visionen und Strategien können in Workshops unter Beteiligung und/oder durch Moderation von HR entwickelt werden. In der CM-Kommunikation kann HR eine Schlüsselrolle übernehmen, um diese zielgruppengerecht zu gestalten. Die Ausrichtung von Organisation und Prozessen findet sich in der OE wieder. MA auf breiter Basis zu befähigen deutet klar in Richtung PE. Kultur zu verankern ist ohne eine Beteiligung des Personalbereichs nur schwer denkbar.

Trotz aller Plausibilität finden diese Modelle allgemeiner Erfolgsfaktoren in der realen Anwendung durch HR auch ihre Grenzen: in Krisensituationen entsteht eine Dringlichkeit und Führungskoalition ohne jede Verzögerung, eine aufwändige Entwicklung von Vision und Strategie sowie Befähigung der MA muss zugunsten schnellen Handelns und dem Verhindern von Panik weichen. Kotters Modell ist auch nicht ausführlich genug, um z.B. eine dauerhafte Kulturveränderung zu verankern. Für andere Change-Projekte dagegen kann das detaillierte Durchlaufen aller Phasen übertrieben wirken und zu langsam sein.[72]

Die Rolle des Change Agent nach Ulrich, mit Fokus auf Strategie und Menschen, stützt stark den Gedanken des strategisch steuernden und managenden Change-Begleiters aus dem Personalbereich, der den Blick auf die menschliche Seite des Wandels behält, gegenüber einer rein operativen Rolle, die eher auf Sachaspekte und Prozesse ausgelegt ist. Die DACH-Studie unterstützt ebenfalls die Verschiebung der HR-Rolle hin zu einer strategischen Ausrichtung.

Die fünf genannten HR-Rollenoptionen der DGFP bieten einen Ansatz für die differenzierte Klärung und Ausgestaltung der Aufgaben des Personalbereichs innerhalb von Change-Projekten.

Es wird deutlich, dass – ebenso wie die Definitionsvielfalt im CM – auch die Rolle des Personalbereichs unterschiedlichste Aspekte einschließt, und demzufolge auch zahlreiche Erfolgsfaktoren vermuten lässt.

2.3. Entwicklung von Hypothesen auf Basis der Literatur

Ausgehend von der übergeordneten Forschungsfrage nach HR-Erfolgsfaktoren im CM wurden durch die Autorin auf Basis der zuvor erläuterten wissenschaftlichen Literatur drei gerichtete[73] Hypothesen entwickelt.

1. Die Modelle von Kotter und Capgemini legen nahe, dass es auch für den Personalbereich ein Erfolgsfaktor sein kann, in Change-Prozessen mit klaren Strategien, Visionen und Zielen zu arbeiten, d.h. strategisch zu denken und zu agieren. Auch Ulrich verankert seinen Change Agent auf der strategischen Seite, ferner verschiebt sich laut der DACH-Studie die Bedeutung innerhalb seiner vier Rollen vom operativen hin zum strategischen Fokus. Auch die DGFP formuliert als eine von fünf möglichen HR-Rollen die des stark strategisch agierenden Promotors (Treibers/Sponsors). Zusätzlich nennt die DGFP-Studie als wichtige CM-Kompetenz die des strategischen Denkens.

Daraus leitet sich die erste Hypothese für diese Arbeit ab:

H1: Je strategischer der Personalbereich im CM denkt und agiert, desto höher sind die Erfolgschancen und der Mehrwert des Personalbereichs innerhalb von Change-Prozessen.

2. Ulrich setzt bei der Rolle des Change Agent neben dem strategischen auch einen starken Fokus auf die menschliche Seite und verweist damit auf die ‚ People Side of Change ‘. Dies wird zuvor auch bei Claßen betont.

Daraus leitet sich die zweite Hypothese dieser Arbeit ab:

H2: Je stärker sich das Augenmerk des Personalbereichs auf die ‚People side of Change‘, die menschenbezogene Seite des Wandels, richtet, desto höher sind die Erfolgschancen und der Mehrwert des Personalbereichs innerhalb von Change-Prozessen.

3. Der zuvor von Ulrich benannte Fokus auf die menschliche Seite des Wandels (H2) erfordert hohe personale und sozial-kommunikative Kompetenz. Die DGFP bescheinigt den sozialen Kompetenzen (z.B. Kommunikationsfähigkeit, Vertrauenswürdigkeit) hohe Relevanz und nennt zusätzlich fachlich-methodische Kompetenzen (z.B. Erfahrung und Wissen im CM) als wichtig für den Erfolg von HR-Akteuren in Veränderungsprozessen.

Daraus leitet sich die dritte Hypothese dieser Arbeit ab:

H3: Je stärker ausgeprägt die personale, sozial-kommunikative und fachlich-methodische Handlungskompetenz der CM-Akteure aus dem Personalbereich ist, desto höher sind die Erfolgschancen und der Mehrwert des Personalbereichs innerhalb von Change-Prozessen.

Diese Arbeit untersucht die genannten Hypothesen, beschränkt sich jedoch nicht auf sie, denn im Sinne einer explorativen Forschung wird – wie das folgende Kapitel näher erläutert – angestrebt, dass sich aus der Inhaltsanalyse weitere Hypothesen bezüglich möglicher relevanter Zusammenhänge ergeben.

3. Forschungsdesign und Methodik

Dieses Kapitel erläutert die Überlegungen, auf deren Basis die Untersuchung geplant und durchgeführt wurde, um sich der Beantwortung der übergeordneten Fragestellung anzunähern, wie z.B. Begründung des Forschungsdesigns, Vorgehensweise zur Datengewinnung und deren Auswertung.

3.1. Wahl des Forschungsdesigns

Aufgrund des rudimentären Standes der wissenschaftlichen Forschung im Themenbereich wurde von der Autorin ein exploratives Forschungsdesign gewählt.[74] Grundgedanke explorativer Untersuchungen ist, dem Forschungs­gegenstand möglichst nahe zu kommen, um zu neuen, differenzierten Fragestellungen und Hypothesen zu kommen.[75] Exploration bedeutet das umfassende, ‚detektivische‘ Erkunden eines Forschungsfeldes, das Sammeln möglichst vielfältiger Sichtweisen. Es geht darum, einen noch relativ unbekannten empirischen[76] Sachverhalt durch möglichst breit angelegte Beschreibung zu erkunden. Der Geltungsbereich bleibt dabei auf die untersuchten Fälle beschränkt.[77]

Die angewandte Methode der Expertenbefragung gehört zu den Methoden der qualitativen Sozialforschung.[78] Konkret wurde eine nicht-experimentelle Untersuchung durchgeführt, als Querschnittstudie verschiedener Unternehmen,[79] um auf Basis unterschiedlicher Perspektiven Vergleiche zu ermöglichen. Wesentliches Merkmal qualitativer Experteninterviews ist, dass sie zur induktiven[80] Hypothesenbildung und Theorieentwicklung beitragen.[81] Sie haben die besondere Stärke, dem Forscher das Wissen der in die Situationen und Prozesse involvierten Personen zugänglich zu machen. Die Experten sind dabei nicht das Objekt der Untersuchung, sondern das Medium, durch das eine ganzheitliche Sichtweise zu einem bestimmten Sachverhalt erlangt wird. Sie haben oft eine spezielle, teils exklusive Stellung in dem Kontext, der untersucht werden soll.[82] Qualitative Interviews liefern nicht nur Antworten darauf, was der Interviewte sagt, sondern auch warum er bestimmte Themen so und nicht anders bewertet. Bedeutungskonstruktionen und Sinnzusammenhänge werden nachvollziehbar und analysierbar. Dadurch lassen sich Rückschlüsse generieren und im besten Fall zu einem theoretischen Konzept bündeln.[83]

Dieses Forschungsdesign empfiehlt sich zudem angesichts der Vielschichtigkeit des Konzepts CM und seiner Definitionen (Kap. 2.1.2), um sicherzustellen, dass nicht einige wenige, reduzierte Schlagworte vorschnell interpretiert, sondern die individuellen Begriffsverständnisse im Kontext der Befragten erfasst werden.

[...]


[1] Vgl. Dr.-Ing. Claudia Kostka, Change Management (Abruf 01.07.2017), www.claudia-kostka.de

[2] Alle engl. Übersetzungen erfolgten mit www.dict.leo.org, Leo GmbH, begründet von TU München

[3] Zur besseren Lesbarkeit wird bei allgemeinen Personenbezeichnungen bewusst auf das Gendern, d.h. geschlechtsspezifische Anpassen, verzichtet und lediglich männliche Begriffe verwendet, die jedoch in keiner Weise diskriminierend zu verstehen sind – es sind ebenso stets weibliche Personen gemeint.

[4] Grönemeyer, H. (1998), Titel seines 10. Studioalbums; hier als Anspielung auf die Unsicherheit vieler Personaler bzgl. ihrer angemessenen Rolle im permanenten organisatorischen Wandel

[5] VUCA für (engl.) volatile, uncertain, complex, ambiguous

[6] Vgl. Hehn, S. v./Cornelissen, N./Braun, C. (2016), S. 172

[7] Vgl. Krüger, W. (2009), S. 22

[8] Vgl. Brandau, I. (keine Jahresangabe, ca. 2016), S. 4

[9] Vgl. Wirtschaftspsychologie aktuell (Abruf 11.03.2017), www.wirtschaftspsychologie-aktuell.de

[10] Vgl. Lauer, T. (2014), S. 5

[11] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 59-60

[12] Vgl. Lauer, T. (2014), Change M.: Grundlagen und Erfolgsfaktoren

[13] Vgl. Ott, S., (2015), S. 16-17

[14] Vgl. Roehl, H./Winkler, B./Eppler, M./Fröhlich, C. (2012): Werkzeuge des Wandels

[15] Vgl. Stolzenberg, K./Heberle, K. (2013), Change M.: Veränderungsprozesse erfolgreich gestalten

[16] Vgl. Keuper, F./Groten, H. (2007), Nachhaltiges Change Management: Fallbeispiele und Perspektiven

[17] HR, Human Resources (engl.): Personalfunktion, -bereich

[18] Vgl. Strikker, F., (2010), S. 20

[19] Vgl. Personalmanagementkongress 2017 (Abruf 10.03.2017), www.personalmanagementkongress.de

[20] Merkmale qualitativer Forschung: empirisches, systematisches und flexibles Vorgehen, befasst sich mit der Rekonstruktion von Bedeutungen; vgl. Hussy, W./Schreier, M./Echterhoff, G. (2013), S. 186

[21] Vgl. AirPlus-Webauftritt (Abruf 15.03.2017), www.airplus.com

[22] Vgl. Hehn, S. v./Cornelissen, N./Braun, C. (2016), S. VII

[23] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 25

[24] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 29-31

[25] War for Talents (engl.): Krieg um Talente; steht für die zunehmende Verknappung der Ressource sog. High Potentials (engl.), d.h. MA mit hohem Potenzial), erstmalig 1997 von McKinsey verwendet; Business Wissen (Abruf 01.05.2017) www.business-wissen.de

[26] Corporate Governance (engl.): Unternehmens-Kodex

[27] Vgl. Groth, A. (2016), S. 16-17

[28] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 25

[29] etablierte Abkürzung für das Fusionieren (merge) und Zukaufen (acquire) von Unternehmen

[30] Vgl. Groth, A. (2016), S. 17

[31] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 38

[32] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 38

[33] Google (deutschsprachig), ‚Change Management Definition‘ (Abruf 01.05.2017), www.google.de

[34] Vgl. Thom, N. (1995), S. 870-879

[35] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 39

[36] Stakeholder (engl.): Anspruchsgruppen, Interessenvertreter, Beteiligte

[37] Vgl. DGFP (2011), S. 23

[38] Vgl. Doppler, K./Lauterburg, C. (2014), S. 93-94

[39] Vgl. Doppler, K./Lauterburg, C. (2014), S. 99-100

[40] Vgl. Kostka, C. (2016), S. 7-8

[41] Engl. für: Ein Narr mit einem Werkzeug ist immer noch ein Narr.

[42] Vgl. Claßen, M. (2008), S. 39

[43] John P. Kotter, Professor an der Harvard Business School, gilt als führende Persönlichkeit des CM

[44] Vgl. Ott, S. (2015), S. 16

[45] Vgl. Ott, S. (2015), S. 16

[46] Vgl. Kotter, J. (2011), S. 18

[47] Vgl. Ott, S. (2015), S. 19

[48] Vgl. Ulrich, Dave (Webseite) (Abruf 30.04.2017), www.daveulrich.com

[49] Vgl. Ulrich, D. (1996), S. 11

[50] Ulrich, D. (1996), S. 12

[51] Change Agent (engl.): Veränderungs-Beauftragter

[52] Employee (engl.): Mitarbeiter

[53] Vgl. Reinhardt, R. (2009), S. 27-29

[54] HRweb (Abruf 17.04.2017), www.hrweb.at

[55] Vgl. Hiatt, J./Creasey, T.J. (2003), S. 1 (exemplarisch)

[56] Vgl. Claßen, M. (2008), in Anl. an Ulrich, D. (1997), S. 218

[57] Human Side of Change (engl.): Humane, d.h. menschliche Seite des Wandels

[58] DACH: Deutschland, Österreich, Schweiz; deutschsprachiger Wirtschaftsraum

[59] HRweb (Abruf 17.04.2017), www.hrweb.at

[60] HRweb (Abruf 17.04.2017), www.hrweb.at

[61] Vgl. Czichos, R. (2014), S. 215

[62] Vgl. DGFP (2011), S. 53-62

[63] Kick-of-Meeting (engl.): Auftakt-, Startbesprechung

[64] Lessons learned (engl.): gelernte Lektionen, im Sinne gewonnener Erkenntnisse

[65] Backoffice (engl.): unterstützende Funktion/Bereich

[66] Vgl. DGFP (2011), S. 59-60

[67] Vgl. DGFP (2011), S. 61

[68] Capgemini Consulting, ComTeam, Mutaree, flow consulting und Promerit

[69] Enable (engl.): befähigen, möglich machen

[70] Vgl. Schahinian, D. in: Personalwirtschaft (2017), S. 33

[71] Vgl. Schahinian, D. in: Personalwirtschaft (2017), S. 34

[72] Vgl. Umsetzungsberatung, Phasenmodelle (Abruf 13.05.2017), www.umsetzungsberatung.de

[73] beschreiben die Richtung eines vermuteten Zusammenhangs

[74] Vgl. Mayring, P. (2010), S. 232

[75] Vgl. Mayring, P. (2010), S. 231

[76] Methodisch-systematische Gewinnung von Erkenntnissen; vgl. Wirtschaftslexikon24, Empirische Sozialforschung (Abruf 05.06.2017), www.wirtschaftslexikon24.com

[77] Vgl. Kromrey, H. (1998), S. 67

[78] Vgl. Gläser, J./Laudel, G. (2010), S. 111

[79] Vgl. Knoke, M./Merk, J./Schüppel, R./Wassmann, H. (2016), S. 109-110

[80] Vom Konkreten auf das Abstrakte schlussfolgernd; vgl. Lamnek, S. (2005), S. 250

[81] Vgl. Dresing. T./Pehl, T. (2015), S. 6

[82] Vgl. Gläser, J./Laudel, G. (2010), S. 12-13

[83] Vgl. Dresing, T./Pehl, T. (2015), S. 6-7

Ende der Leseprobe aus 89 Seiten

Details

Titel
Erfolgsfaktoren für die Rolle des Personalbereichs im Change Management
Untertitel
Eine qualitativ-explorative Studie
Hochschule
SRH Hochschule Riedlingen
Veranstaltung
Change Management
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
89
Katalognummer
V379811
ISBN (eBook)
9783668640405
ISBN (Buch)
9783668640412
Dateigröße
1089 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Experteninterviews im Rahmen einer aktuellen qualitativ-explorativen Studie aus verschiedenen Branchen, inklusive konkreter Handlungsempfehlungen für die Praxis von Human Resources (HR) bzw. den Personalbereich innerhalb moderner Organisationen (66 Seiten netto, 90 Seiten gesamt)
Schlagworte
Change Management, Change, Transformation, Erfolgsfaktoren, Human Resources, Personal, Personalbereich, Rolle, Experteninterviews, erfolgskritisch, Erfolg, Wandel, People side of change, success factors, business transformation, Experten, Organisational Change, Business Psychology, Wirtschaftspsychologie, Mittelstand, mittelgroße Unternehmen, VUCA, HR, digitale Transformation, digital transformation, Dienstleistungsbranche, Finanzdienstleistung
Arbeit zitieren
Doris Eckert (Autor:in), 2017, Erfolgsfaktoren für die Rolle des Personalbereichs im Change Management, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/379811

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