Die gesellschaftliche Stellung der Frau im Hochmittelalter (1050 - 1250)


Trabajo Escrito, 2012

16 Páginas, Calificación: 1,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Welche Bilder hatte man von der Frau und wer bestimmte sie?

3. Welche Rolle(n) waren der Frau zugewiesen?

4. Heirat und Ehe, Liebe und Lust

5. Die rechtliche Stellung der Frau

6. Arbeit – Welchen Tätigkeiten gingen Frauen nach?

7. Fazit: Handlungsspielräume und Möglichkeiten individueller weiblicher Selbstbestimmung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit der Stellung der Frau in der hochmittelalterlichen Gesellschaft. Den zeitlichen Rahmen hierfür bildet das 10. bis 13. Jahrhundert. Trotzdem finden hier und da Anknüpfungen an vorhergegangene und nachfolgende Entwicklungen des Früh- und Spätmittelalters statt, die alleine dem Zweck dienen, Unterschiede zwischen den Epochen hervorzuheben und damit auf Besonderheiten aufmerksam zu machen. Das zentrale Ziel meiner Arbeit ist, zu untersuchen, ob die Frau in der Gesellschaft des Hochmittelalters von Männern dominiert und ihnen untergeordnet war, oder aber ob sie selbst aktiv ihre Umwelt mitgestaltete und auf diese Einfluss ausübte. Dabei werde ich zunächst allgemein zusammenfassen, welche unterschiedlichen, vielleicht auch paradoxen Bilder Kirche und Gesellschaft von 'der Frau' als solche hatten. Dieses Kapitel ist grundlegend für das Verständnis der späteren Kapitel, diese die soziale, materielle und rechtliche Lage der Frau beleuchten. Dieses ist hilfreich, um Rückschlüsse über ihre Position innerhalb der Bevölkerung zu bekommen. Darüber hinaus zeigen sie die tatsächlichen Handlungsspielräume und –möglichkeiten der Frau auf, um die es mir in meiner Arbeit geht. Nicht zu kurz kommen soll auch ein Bereich, in dem Mann und Frau aufeinander treffen: Der Bund der Ehe und das Zusammenleben der Partner. Hier zeigt sich im Privaten (im Gegensatz zum Öffentlichen, der Gesellschaft), welche Rolle die Frau verkörpert. Es sind also zwei Systeme (oder auch Bündnisse), in die ich hineinbli>betonen, dass das hier beschriebene Unternehmen keineswegs jedes Frauenleben im Hochmittelalter treffsicher erfasst. Dies würde den Arbeitsumfang und die zur Verfügung stehenden Seiten deutlich sprengen.

Ausnahme-Lebensläufe von Frauen gab und gibt es in jeder Zeit, so auch im Hochmittelalter. Im letzten Kapitel schließlich, werde ich meine Ergebnisse zur Lage der Frau kurz zusammenfassen und einen kurzen Ausblick ins Spätmittelalter geben.

2. Welche Bilder hatte man von der Frau und wer bestimmte sie?

In diesem Kapitel sollen die unterschiedlichen Bilder, die die Menschen des Hochmittelalters von der Frau hatten, betrachtet werden. Woher stammen sie und wie prägten sie das Miteinander der Menschen? Wie dachten die Menschen des Hochmittelalters über Frauen? Um dies zu klären, müssen wir zunächst zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung unterscheiden. Über die Selbstwahrnehmung der Frau im Hochmittelalter lässt sich rückblickend leider nur wenig in Erfahrung bringen, da nur wenige Quellen darüber Auskunft geben. Die Stimme der Hauptbetroffenen, der Frauen also, ist kaum vernehmbar.[1] Bei Berichten über Frauenleben in der damaligen Zeit handelt es sich in der Regel um die Schilderungen von Männern.[2] Ein Großteil der vorliegenden Quellen ist zudem von Angehörigen der höheren Schichten abgefasst worden, da nur sie aufgrund einer höheren Bildung des Lesens und Schreibens mächtig waren. Somit sind die vorliegenden Quellen nur sehr bedingt repräsentativ für den Rest der Gesellschaft, also der zahlenmäßig überlegenen Masse der einfachen Landbevölkerung. Unsere Beurteilung des damaligen Frauenbildes stützt sich deshalb vorwiegend auf die Fremdwahrnehmung und Beurteilung durch männliche Schreiber. Diese definierten die Frau zuerst einmal nur über ihren Körper, ihr Geschlecht und ihren Familienstand. Erst später führte die Betrachtung und Beschreibung von sozialen Unterschieden und berufliche Tätigkeiten von Frauen zu einem differenzierteren Bild.[3]

Geistliche prägten maßgeblich das Bild der Frau, in dem sie aus den zentralen weiblichen Persönlichkeiten der Bibel das Wesen der Frau ableiteten. Auf der einen Seite wird die Frau von ihnen in Anlehnung an Eva als Personifikation der Sünde begriffen.[4] In den Augen der Kleriker ist die Frau von Natur aus lüstern und verdorben.

Sie sind von der Schlechtigkeit der Frau überzeugt und warnen die Männer: „(…) die Frauen sind ungeheuer verlogen, leichtsinnig, trügerisch und alle großen Schandtaten, Sünden und Ausgaben werden einer Frau wegen begangen; ihretwegen zieht man sich Feindschaften zu und setzt Freundschaften aufs Spiel'.“ [5]. Desweiteren weisen die Geistlichen den Mann an, dass er sich ständig vor dem Verlangen der Frau in Acht nehmen müsse, denn ihr Körper sei den Launen einer unbeständigen Natur ausgesetzt. Die Frauen besäßen einen mangelhaften Verstand, welcher nur schwer beherrscht werden könne.[6]

Der Grund für dieses äußerst negative Bild, dass der Klerus hier von Frauen zeichnet, ist darin zu sehen, dass er sich selbst vor dem „verbotenen Geschlecht“ fürchtet, ja eine regelrechte „Angst vor dem Körper des Weibes“ entwickelt hat.[7] Auf der anderen Seite ist das Bild der Frau im Hochmittelalter aber auch von Maria, der Mutter Jesu geprägt, die als tugendhafte und fromme Jungfrau dargestellt wird. Wie lassen sich diese gegensätzlichen Bilder und Ansichten über Frauen miteinander in Einklang bringen? Die Geistlichen waren davon überzeugt, dass die schwankende und wankelmütige Natur der Frauen gezügelt werden müsse, damit sie ihrer natürlichen Bestimmung nachkommen könne.[8] Nur durch Schutz und Aufsicht könne der „flatterhafte Verstand“ der Frau in geordnete Bahnen gelenkt werden.[9] Der Mann wurde sogar angehalten, sie zu diesem Zwecke zu züchtigen. Der Mann als „zuerst geschaffenes und gottgleicheres Ebenbild, [als der] von Natur aus Vollkommenere und Stärkere“ müsse über die Frau herrschen[10]. Deshalb müssten Mädchen auch jung verheiratet werden, um sie davor zu bewahren, den Lastern zu verfallen.[11] Vor ihrer Hochzeit wurden die Mädchen streng überwacht. Mit der Heirat stelle sich die Frau dann den Aufgaben, die die Natur von ihr verlangt.[12]

Aber auch unter den nicht geistlichen männlichen Zeitgenossen war die Ansicht weit verbreitet, dass Frauen streitsüchtige Wesen seien, die den gefassten Männerverstand durcheinander bringen können. Männer misstrauten Frauen grundsätzlich und beschuldigten sie insgeheim Komplotte zum Verderben der Männer zu schmieden.[13]

Bei Le Goff heißt es dazu: „Diese unablässigen Vorhaltungen der Männer wurzeln in dem Gefühl, ständig von der Frau hinters Licht geführt zu werden“ (336).

Das oberste Ziel des Mannes bestand deshalb auch darin, die Frau zu kontrollieren. Psychologisch begründet ist dieses Verhalten in der Angst , gegenüber den Illusionen häuslicher Stabilität und Autorität zu versagen.[14] Die Männer hatten Angst, die Kontrolle über ihre Frauen zu verlieren . Das Ideal der Männer war demnach eine kluge, gehorsame, fromme (aber nicht zu fromme), sanfte und maßvolle Frau.[15]

Diese Beschreibungen spiegeln allesamt eine hierarchische aufgebaute und von Männern dominierte Gesellschaft. Die Frau wird darin als ein schwaches und minderwertiges Wesen begriffen. Sie muss sich der Autorität des Mannes oder einer Gruppe von Männern unterwerfen und ihm bzw. ihnen gegenüber gehorsam sein.

3. Welche Rolle(n) waren der Frau zugewiesen?

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den Rollen, die man im Hochmittelalter den Frauen zugestand. Die erstrebenswerteste und natürlichste Rolle einer Frau war nach Ansicht von Zeitgenossen die der Ehefrau und Mutter. In der Gesellschaft des Hochmittelalters hatte sie nach Meinung von Zeitgenossen von Natur in erster Linie die Aufgabe lebensfähige Nachkommen zur Welt zu bringen und damit den Fortbestand der eignen Familie zu sichern.[16] Ihre Rolle begründete sich also vornehmlich in der Reproduktion der. Der Schlüssel hierzu war die Heirat.[17] In ihrer neu gegründeten Familie nahm die Frau dann die Rolle der Ehe- und Hausfrau und Mutter wahr. Sie stand dem Haushalt vor und war zuständig für die Verwaltung, Verwendung und Zubereitung der täglichen Lebensmittel. Die Frau sollte „den Kreislauf der Güter regeln, die der Mann von außen ins Haus bringt“[18]. Die Frauen, die ihre Arbeit richtig erfüllen, gewährleisten so also die „angemessene Verteilung der Erzeugnisse männlichen Fleißes“[19].

Zusätzlich konnten sie von zu Hause aus durch die Herstellung von Handarbeitserzeugnisse ebenfalls etwas Geld dazu verdienen, jedoch sollten die Produkte ihrer Tätigkeiten vorrangig den häuslichen Bedarf decken.[20] Standen der Frau im Haushalt noch Mägde und Knechte zur Seite, dann kam ihr auch die Aufgabe zu, diese anzuleiten und zu überwachen und sie im Notfall, wenn das Haus Schaden zu nehmen drohte, zu züchtigen.[21] Ihrem Mann sollte sie ein warmes und gemütliches zu Hause schaffen, in dem er nach getaner Arbeit Ruhe und Entspannung findet.[22] In der Erziehung der Kinder, die ihr in erster Linie oblag, sollte sie insbesondere deren Frömmigkeit und Sanftheit fördern, während das Unterweisen im Lesen und Schreiben nicht von hoher Wichtigkeit war.[23]

Unverheiratete Frauen bewegten sich nach der damals herrschenden Ordnung außerhalb des natürlichen und gesellschaftlich angedachten Rahmens. Ihr Ruf war von vornherein mit einem Makel belegt. Sie gerieten schnell in den Verdacht, ein sündiges Leben zu führen, der Prostitution nachzugehen oder gar Hexerei zu betreiben.[24] Viele schlossen sich deshalb einer (anerkannten) religiösen Glaubensrichtung an und weihten ihr Leben Gott. Andere alleinlebende Frauen, wie z.B. Witwen oder Frauen, die ganz individuelle Lebensziele verfolgten oder einer Arbeit außerhalb des Hauses nachgingen, hatten es besonders schwer. Innerhalb der Gesellschaft wurden sie als entwurzelte Randfiguren angesehene.

4. Heirat und Ehe, Liebe und Lust

Der Klerus war der Meinung, dass die Triebe des Menschen beherrscht und in geordnete Bahnen gelenkt werden müsse. Sie unterstützen daher zwar den Wunsch der Menschen zu heiraten, sahen allerdings die Ehe nur als eine Notlösung an, um die fleischlichen Gelüste zu zügeln. „(…) Weil es unter den Lockmitteln Satans kein schlimmeres gibt als den unmäßigen Gebrauch der Geschlechtsorgane, ließ die Kirche die Ehe als kleineres Übel zu. (…) unter der Bedingung, daß sie dazu diente, die Sexualität zu disziplinieren und die Unzucht wirksam zu bekämpfen.“ [25] . Den sexuellen Trieb überhaupt auszuleben wurde von den Geistlichen immer als verderblich angesehen, egal ob im geschützten Rahmen der Ehe oder außerhalb. Leidenschaftliche Liebe hatte in den Augen der Geistlichen auch in der Ehe nichts zu suchen . Der einzige Grund für die geschlechtliche Vereinigung sollte ihrer Meinung nach nur in der Motivation der Zeugung von Nachkommen liegen, nur diesem dürfe der Geschlechtsverkehr dienen.[26]

Doch deckten sich die Vorgaben der Geistlichkeit dieser Zeit mit dem Leben der Menschen? Ließen sich die Menschen in ein lebensfremdes Korsett zwängen, dass sie drängte, ihre Triebe weitgehend zu unterdrücken und den ehelichen Akt nur zum Zwecke der Zeugung von Nachkommen zu ließ? Darüber lässt sich nur schwer urteilen. Es gibt kaum Quellen die Aufschluss über das private Zusammenleben der Menschen des Hochmittelalters geben. Es ist wahrscheinlich, dass sich die einen tatsächlich der kirchlichen Ideologie verschrieben während andere gegen sie verstießen.[27] Im tatsächlichen Leben der Menschen war der Einfluss der kirchlichen Doktrin nicht immer das herrschende Leitbild. Die Kleriker gingen sogar so weit, dass sie den Menschen vorzuschreiben versuchten, welche Sexualpraktiken erlaubt und welche verboten waren und an welchen Tagen des Monats sie sich vereinigen durften.[28] Doch wer konnte schon in jedes Haus schauen und kontrollieren, was sich dort im Privaten zutrug?

In der hochmittelalterlichen Gesellschaft war es zudem auch nicht jedem erlaubt zu heiraten. Nur der älteste Sohn und die Töchter einer Familie durften heiraten . Eine Ehe konnte auch erst ab einem gewissen Alter geschlossen werden. Das Heiratsalter variierte je nach sozialer Schicht. So wurden Mädchen aus einer reichen oder adeligen Familie im Durchschnitt zwischen 12 bis 13 Jahren (maximal jedoch mit 15 Jahre) von ihrer Familie verheiratet, während Mädchen, die aus der einfachen Landbevölkerung oder der städtischen Unterschicht stammten, erst mit 17 oder 18 Jahren in eine andere Familie überführt wurden.[29] Wie bereits in Kapitel zwei erwähnt, sollten Mädchen möglichst besonders früh verheiratet werden, um vorzubeugen, dass sie lasterhaft werden. Vor der Hochzeit musste ihr Körper möglichst unversehrt bzw. unberührt sein, weshalb Mädchen nicht selten streng überwacht wurden. Bei den Männern hingegen ergibt sich ein anderes Bild. Von ihnen wurde erwartet, dass sie ihre Hochzeit möglichst lange hinausschieben, so dass sie volle Manneskraft bzw. Reife erreicht haben, die für die Ausübung der Autorität im Hause wichtig war.[30]

Dies führte dazu, dass ein Bräutigam in der Regel 10 bis 15 Jahre älter war als die Braut. Es gab auch Fälle, in denen junge Mädchen mit Greisen vermählt wurden. Die Heirat war in erster Linie eine Entscheidung der Familie und nicht des Individuums.[31] Der große Altersunterschied der beiden Partner hatte zur Konsequenz, dass die körperliche und seelische Reife der jungen Mädchen häufig noch nicht voll ausgebildet war. Gerade erst der Kindheit entwachsen, wurden sie unreif aus ihren Familien gerissen und sahen sich nun mit der Aufgabe konfrontiert Ehefrau und Mutter zu sein. Le Goff fand jedoch anhand von Daten heraus, dass es oft einen zeitlich größeren Abstand zwischen der Hochzeit und der Geburt eines ersten Kindes gab. Dies sei seiner Meinung nach ein Beweis dafür, dass die Mädchen oftmals überhaupt noch gar nicht die körperliche Reife für eine Mutterschaft hatten (327). Für die meisten Männer stellte das jugendliche Alter ihrer Ehefrauen allerdings kein Hindernis dar, ihr im Bett beizuwohnen. Der Ehemann wurde allerdings von den Klerikern dazu angehalten, dies aber auf eine gemäßigte Art und Weise zu tun und sich dabei nicht gehen zu lassen. Missachtete ein Mann diese Vorgaben, büße er unter Umständen seine Autorität ein und musste damit rechnen in Zukunft von seiner Frau beherrscht zu werden. Ein Mann dürfe aber dem sexuellen Verlangen seiner Frau nicht nachgeben, er solle sie aber „zurückhaltend und regelmäßig“ befriedigen.[32] Gebe er ihrem Verlangen aufgrund eigener Schwäche doch nach und lebe seinen Sexualtrieb ungezügelt aus, drohe er sich „'die Nerven und das Kreuz zu ruinieren', nur Töchter oder Söhne zu bekommen, die 'schwindsüchtig' sind, und selbst ein 'langweiliges, schwermütiges und trübsinniges' Leben zu führen.“ [33] . Die kirchlichen Amtsträger waren davon überzeugt, dass der Mann Herr über den Körper der Frau sein müsse, da diese sich aufgrund ihres mangelnden Verstandes nur schlecht beherrschen könne.

Sobald die Mädchen die körperliche Reife erreicht hatten, brachten sie in der Regel ihr erstes Kind zur Welt. In kurzem Abstand folgten dann weitere Schwangerschaften. Dabei lag die durchschnittliche Fertilitätsrate in der Stadt zwischen zehn bis fünfzehn Kinder pro Frau. Bis zum 40. Lebensjahr bestimmten Schwangerschaften das Leben der verheirateten Frau.[34] Der Moment der Geburt war immer ein kritischer, denn nicht selten starben die Frauen bei der Entbindung oder verloren ihr Kind.[35]

Viele der geborenen Kinder erreichten aufgrund von Krankheit oder Hunger oftmals nicht das Erwachsenalter. Dadurch blieben den Eltern selbst bei einer Anzahl von zehn bis fünfzehn Lebendgeburten oft nur zwei Kinder, die heranwuchsen und erwachsen wurden.[36]

Die ehelichen Pflichten der verheirateten Frau bestanden darin, sich dem Mann unterzuordnen und ihm zu gehorchen.

Darüber hinaus war sie dazu angehalten, ihren Körper für ihren Gatten „bereitzuhalten“.[37] Die ideale Ehe, so wie man sie zu damaliger Zeit definierte, ist geleitet von der Vernunft und garantiert ein „inneres Gleichgewicht der Säfte“[38].

5. Die rechtliche Stellung der Frau

Die rechtliche Stellung der Frauen im Hochmittelalter variierte je nach Familienstand und sozialer Stellung. Doch gab es auch generelle rechtliche Einschränkungen, von denen Frauen aller Gesellschaftsschichten betroffen waren.[39] Die Gesetze im Hochmittelalter gestatteten der Frau unabhängig von ihrer Stellung nicht, öffentliche Ämter in Staat und Gesellschaft (zum Beispiel in der Stadtverwaltung) zu bekleiden.[40] Auch den Zünften durften Frauen nicht beitreten. Im Vordergrund stand dabei der Gedanke, dass die Frau keinerlei Herrschaft ausüben dürfe. Nur wenn sie ein Lehen vererbt bekommen hatte, durfte sie über ihr Land herrschen.[41] Kirche und Staat begründeten die Ausgrenzung der Frau wie folgt: „Das Kirchenrecht berief sich (…) auf die zweitrangige Stellung der Frau innerhalb der Schöpfung und ihren Anteil an der Erbsünde; innerhalb der weltliche Gesetzgebung wurde die Beschneidung der öffentlichen Rechte von Frauen mit ihrer Unwissenheit, ihrem Leichtsinn, ihrer List und Habsucht gerechtfertigt.“ [42]. Frauen durften auch den Beruf der Richterin nicht ausüben. Ebenso wenig war es ihnen erlaubt, als Bevollmächtigte andere vor Gericht zu vertreten. Eine Ausnahme hierbei bildeten, allerdings in beschränktem Rahmen verheiratete Frauen. Ihnen war es gestattet, ihren Ehemann vor Gericht zu vertreten.[43]

Als Zeuginnen in Prozessen waren Frauen jedoch allgemein nicht zugelassen, sie durften auch keinen Eid vor Gericht ablegen, sie wurden dafür schlichtweg als ungeeignet betrachtet.[44] Wurde über „weibliche Belange“ verhandelt, in denen „das Zeugnis eines Mannes nicht herangezogen werden konnte, waren die Gerichte in der Praxis bereit, weibliche Aussagen anzuerkennen.“[45]. Frauen war es zudem nur mit Einschränkungen erlaubt, eine Klage vor Gericht einzureichen. Nur unverheiratete, alleinstehende Frauen besaßen das Recht eigenständig Klagen zu erheben, Verträge einzugehen oder Kredite zu gewähren. Sie durften auch selbst vor Gericht erscheinen und sich in ihren Angelegenheiten vertreten.[46] Verheirateten Frauen hingegen war es nicht erlaubt selbstständig vor einem Gericht zu klagen, sie brauchten dafür jeweils die Zustimmung bzw. Erlaubnis ihres Ehemanns.[47]

In strafrechtlichen Angelegenheiten jedoch wurde nicht zwischen ledigen und verheirateten Frauen unterschieden. Jede Frau konnte sich bei dem Tatbestand der Körperverletzung, Vergewaltigung oder Beleidigung an das Gericht wenden.[48] In den meisten vorliegenden Gesetzessammlungen ist allerdings folgender Hinweis zu finden, nämlich „dass eine Frau einen Mann böswillig der Vergewaltigung bezichtigte, entweder, um ihn dadurch zur Eheschließung zu zwingen, oder um sich an ihm zu rächen und seine Hinrichtung oder Verstümmelung zu bewirken.“ [49] , eine pauschale Unterstellung, die den Frauen die Anklage erschwerte. Weit verbreitet war auch das Vorgehen der zuständigen Richter „Notzuchtsanklagen“ abzuweisen, auch wenn die Frau bei dem Akt der Vergewaltigung schwanger geworden war. Nach mittelalterlichen Vorstellungen, die auf medizinischer Unkenntnis basierten, war man überzeugt, dass „der einer Befruchtung dienende Samen einer Frau nur ausgeschieden [werden] würde, wenn sie zur vollen sexuellen Befriedigung gelange. (…) war sie bei einem Vergewaltigungsakt schwanger geworden, mußte sie [folglich]Lust empfunden haben (…).“ [50] . Diese angenommene Tatsache führte folglich dazu, dass die Anklage in der Regel fallengelassen wurde.

Obwohl ihre gesetzlichen Rechte eingeschränkt waren, wurden Frauen als Angeklagte in Prozessen in gleichem Maße wie Männer belangt.[51] Frauen erhielten bei identischem Tatbestand in der Regel die gleichen Strafen wie Männer.[52] Zu den weiblichen Delikten zählten vorwiegend Vergehen wie Vertragsbrüche, Missachtung oder Umgehen von Vorschriften, Beleidung und Verleumdung, Diebstahl, Ketzerei, „Hexerei“, Brandstiftung, Kindstötung und Mord. Frauen verübten jedoch weitaus weniger Straftaten als Männer.[53] Ein Unterschied in der Rechtsprechung wurde allerdings beim Tatbestand des Ehebruchs gemacht. Außereheliche Beziehungen von Männern würden vielerorts toleriert, während bei Frauen keine Ausnahme gemacht wurde.

Ehebruch und andere Sittlichkeitsdelikte wurden bei ihnen besonders hart bestraft.[54] Die untreue Ehefrau wurde mit dem Tode bestraft, während der Ehebruch des Mannes keine Sanktionen zur Folge hatten.[55] Der „Gesetzeskorpus orientiere sich zentral an den Verhaltensmustern und – vorschriften für Männer und war damit auf den männlichen Ehrencode ausgerichtet.“ [56] .

Obwohl die Frau nicht die vollen Bürgerrechte besaß und sie so gut wie von allen öffentlichen Rechten ausgeschlossen war, musste sie trotzdem ihrer Pflicht als Bürger nachkommen und Abgaben entrichten. Alleinstehende Frauen, das heißt Unverheiratete und Witwen, mussten die Steuern alleine aufbringen. Sie wurden gleichermaßen besteuert wie Männer desselben Standes bzw. derselben Verdienstklasse. Bei Ehepaaren hingegen kam jeweils der Mann für die Steuerzahlungen beider Personen auf. Ging die Gattin allerdings einer selbständigen Tätigkeit als Kauffrau oder Handwerkerin nach, musste sie ihre Steuern selbst begleichen.[57]

Abschließend lässt sich sagen, dass die Rechte der Frauen in den meisten Fällen an einen Mann bzw. an eine Gruppe von Männern gekoppelt blieben.[58]

Als junges Mädchen gilt sie rechtlich als Besitz ihres Vaters; er kann frei über sie verfügen und sie auch weitgehend nach eigenem Ermessen verheiraten.[59] Durch die Heirat wird sie dann in die Familie ihres Bräutigams überführt, wobei auch ihr Körper vom Gatten in Besitz genommen wird.

Nur in Ausnahmefällen (z.B. als Witwe) durften Frauen über Grundbesitz verfügen. Die materielle Lage der Frau war jedoch in der Regel bescheiden. Im Hochmittelalter durfte sie allerdings noch uneingeschränkt über das von ihr mit in die Ehe eingebrachte Gut verfügen, ein Recht, das Frauen im Laufe der weiteren gesellschaftlichen Entwicklung im Spätmittelalter auch noch einbüßten.[60] Insgesamt verschlechterte sich die finanzielle und juristische Situation der Frauen zum Ausgang des Mittelalters hin noch weiter.[61]

6. Arbeit – Welchen Tätigkeiten gingen Frauen nach?

In zeitgenössischen Schriften steht geschrieben: „Man soll sie von öffentlichen Ämtern fernhalten, damit sie nicht Richterinnen werden oder Herrschaftsbefugnisse in ihre Hände gelangen. Sie gehören nicht in öffentliche Räte und Versammlungen. Ihnen obliegt es, sich auf ihre häuslichen Aufgaben zu konzentrieren. Eine gute Frau ist die, die ihren Mann liebt und versorgt und ihre Kinder erzieht.“ [62] .

Nach Meinung von Zeitgenossen sollte die Frau innerhalb des Hauses beschäftigt werden. In den häuslichen Tätigkeiten könne sie ihre Begabungen besser entfalten.[63] Dem Mann hingegen komme die Rolle des Brotverdieners außer Haus zu. Diese Arbeitsteilung spielgelt das männliche Selbstverständnis des Hochmittelalters wider.

Aufgrund ihrer zarten Natur und ihres wankelmütigen Wesens stand die Frau unter dem Schutz des Hauses. Sie wurde von der Außenwelt „abgeschottet“.[64] Die Wege außerhalb ihres Hauses waren auf einige wenige beschränkt, auf speziell für Frauen ausgewiesene Orte des täglichen Lebens wie z.B. Kirche, Waschhaus, öffentlicher Backofen, Brunnen.[65] Die Männer des Hochmittelalters waren sich einig, dass die Tätigkeiten der Frauen überwacht werden müssen, um Schaden abzuwenden, damit nicht die Unehre auf ein Haus komme. Mögliche Gefahren drohten unter anderem durch Untreue, übersteigerte geistliche Aktivitäten oder Abschweifen in Wunschträume seitens der Frauen.

In vielen Texten von Zeitgenossen wird deutlich, wie wichtig es sei, die Frau mit endlos vielen Tätigkeiten zu beschäftigen, damit sie nicht auf „verkehrte“ Gedanken komme.[66]

Handarbeiten wie Stricken, Sticken und Nähen sollten die freie Zeit der Frau ausfüllen. Pädagogen sind der Meinung, den Zweck dieser Arbeiten aufgedeckt zu haben: „Sie [die Frauen] müssen stillsitzen und ihre Gedanken stumpfen ab (…).“[67].

Die Arbeit von Frauen außerhalb des geschützten häuslichen Rahmens begleitete von jeher ein schlechter Ruf. Trotzdem gab es Frauen, die nicht ausschließlich Tätigkeiten innerhalb der eigenen vier Wände nachgingen. Bäuerinnen gingen der Feldarbeit nach und Frauen von Handwerkern arbeiteten nicht selten in der Werkstatt ihres Mannes mit.

In Fällen, in denen die Familie von einem Schicksalsschlag heimgesucht wurde und in finanzielle Schwierigkeiten geriet, gingen auch Frauen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach.

Im Spätmittelalter verschlechterte sich die Situation der Frau. Weil Männer die Konkurrenz der tüchtigen Arbeiterinnen fürchteten (diese waren nicht selten erfolgreicher als ihre männlichen Kollegen) und ihre eigene Existenz bedroht sahen, wurden Frauen aus vielen Berufen herausgedrängt.[68] So kam es zu weiteren Beschränkungen und den Frauen blieben immer weniger Möglichkeiten der Berufsausübung.

[...]


[1] vgl. Le Goff, S. 314

[2] vgl. Opitz, S. 9

[3] vgl. Le Goff, S. 312

[4] vgl. Ennen, S. 44

[5] Le Goff, S. 336

[6] vgl. Le Goff, S. 334

[7] vgl. Le Goff, S. 319 und S. 323

[8] vgl. Le Goff, S. 338

[9] ebd.

[10] Le Goff, S. 334

[11] vgl. Le Goff, S. 326

[12] ebd.

[13] vgl. Le Goff, S. 336

[14] vgl. Le Goff, S. 337

[15] vgl. Le Goff, S. 335

[16] vgl. Le Goff, S. 324

[17] vgl. Le Goff, S. 325

[18] Le Goff, S. 335

[19] ebd.

[20] vgl. Le Goff, S. 338

[21] vgl. Le Goff, 336

[22] ebd.

[23] ebd.

[24] vgl. Le Goff, S. 339

[25] Duby, S. 17

[26] vgl. Ennen, S. 45

[27] vgl. Le Goff, S. 334

[28] „Während der Hälfte seines Ehelebens durfte ein Paar wegen der Befürchtung, das Ungeborene zu 'verderben', theoretisch keinen Verkehr haben (…).“ Le Goff, S. 328.

[29] vgl. Le Goff, S. 325

[30] vgl. Le Goff, S. 326

[31] vgl. Régine Pernoud, S. 138

[32] vgl. Le Goff, S. 334

[33] ebd.

[34] vgl. Le Goff, S. 327-328

[35] In einfachen Familien starb eine von drei Frauen bei der Niederkunft, in besser situierten Familien war es eine Frau von sieben (vgl. Le Goff, S. 331)

[36] vgl. Le Goff, S. 331

[37] Mit der Hochzeit wurde der Körper der Frau symbolisch an den Mann überführt.

[38] Le Goff, S. 334

[39] vgl. Shahar, S. 24

[40] ebd.

[41] vgl. Shahar, S. 25

[42] Shahar, S. 24

[43] vgl. Shahar, S. 26

[44] ebd.

[45] Shahar, S. 27

[46] vgl. Power, S. 44-45

[47] vgl. Shahar, S. 26

[48] vgl. Shahar, S. 27

[49] Shahar, S. 29

[50] Shahar, S. 30

[51] vgl. ebd.

[52] vgl. Shahar, S. 31

[53] vgl. Lundt, S. 49

[54] vgl. Shahar, S. 32

[55] vgl. Régine Pernoud, S. 136

[56] Lundt, S. 63

[57] vgl. Shahar, S. 25

[58] vgl. Le Goff, S. 312

[59] vgl. Opitz, S. 77

[60] vgl. Le Goff, S. 318

[61] vgl. Le Goff, S. 319

[62] Shahar, S. 15

[63] vgl. Le Goff, S. 335

[64] Le Goff, S. 335

[65] vgl. ebd.

[66] vgl. Le Goff, S. 338

[67] Le Goff, S. 338

[68] vgl. Power, S. 74

Final del extracto de 16 páginas

Detalles

Título
Die gesellschaftliche Stellung der Frau im Hochmittelalter (1050 - 1250)
Universidad
Technical University of Braunschweig  (Historisches Seminar)
Curso
Lebenswelten im Mittelalter
Calificación
1,3
Autor
Año
2012
Páginas
16
No. de catálogo
V383601
ISBN (Ebook)
9783668589995
ISBN (Libro)
9783668590007
Tamaño de fichero
524 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
stellung, frau, hochmittelalter
Citar trabajo
Anna Buchroth (Autor), 2012, Die gesellschaftliche Stellung der Frau im Hochmittelalter (1050 - 1250), Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383601

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