Erwachsen werden. Darstellung und Umgang mit dem Thema "Liebe und Partnerschaft" im Fach Praktische Philosophie der Jahrgangsstufen 7/8

Eine Schulbuchanalyse


Forschungsarbeit, 2017

33 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
l.l Erarbeitung der Forschungsfrage
1.2 Praktische Philosophie im Wandel
1.3 Kompetenzorientierte Aufgaben des Fachs

2. Vorgehen bei der Schulbuchanalyse
2.1 Absicht der Analyse
2.2 Auswahl der Schulbücher
2.3 Vorgehensweise bei der Analyse

3 . Inhaltsanalyse
3.1 Gegenüberstellung der Inhalte
3.2 Zusammenfassung und Zwischenreflexion

4. Bildanalyse

5. Untersuchung der Aufgabenstellungen

6. Zusammenfassung der Ergebnisse

7. Fazit und Endreflexion

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1 Erarbeitung der Forschungsfrage

Obgleich Deutschland gemeinhin als das „Land der Dichter und Denker“ gilt, als Geburtsstätte der berühmtesten modernen Philosophen, hat es die heutige Philosophie hierzulande nicht leicht. Wie der französische Philosoph Raphaël Enthoven[1] richtig feststellt, ist, im Gegenteil zu seinen europäischen Nachbarsländern, gerade Deutschland die Nation, in der sich die Fächer Philosophie oder Ethik bis heute nicht als vollständig eigenständige Schulfächer etablieren konnten, sondern weitestgehend als „Ersatzfach“ für die evangelische oder katholische Religion angesehen und als solches auch behandelt werden. Dadurch vollzieht ein Großteil der deutschen Schülerinnen und Schüler[2] seine gesamte Schulzeit, ohne auch nur einen philosophischen Text gelesen zu haben.

Eingeführt als ein solches „Ersatzfach“ in den frühen 1970ern wollte sich der Ethikunterricht in den Folgejahren als autonomes Schulfach durchsetzen, doch wurde in einer Studie aller Bundesländer zur Überprüfung dieses Wandels (2013) klar, dass seitdem kaum ein praktischer Fortschritt des Fachs, nach seiner flächendeckenden Einführung, beobachtet werden konnte. Vielerorts ist es Gang und Gäbe Lehrerinnen und Lehrer[3] fachfremd im Ethikunterricht einzusetzen, da der noch recht junge Studiengang nur in wenigen Bundesländern überhaupt angeboten wird und die Anzahl studierter Fachlehrkräfte dadurch sehr gering ist. Ein kurzes Weiter- bzw. Fortbildungsprogramm soll hier ausreichen, um die Qualifikationen zu vermitteln, die gebraucht werden, um die im Kernlehrplan geforderten Fähigkeiten und Kompetenzen lehren zu können. So ist es z.B. in Bayern[4] auch üblich geworden fachfremde Lehrpersonen ohne irgendwelche Weiterbildungsmaßnahmen im Ethikunterricht einzusetzen. Ähnlich wie Begleitpersonen beim Klassenausflug. Die Kernaussage dieser Überprüfung des Ethikunterrichts sagt demnach aus, dass die Entwicklung und Bedeutung eben des Fachs vielerorts stagniert. Dennoch verlangt die stetige Überarbeitung der Kernlehrpläne in Deutschland und die seit dem PISA-Schock an immer mehr Bedeutung gewinnende Kompetenzorientierung der Schulen, nach immer neuen Inhalten und Vorgehensweisen im Unterricht.

Vom Schulwesen allgemein wird also ein Wandel verlangt, doch stellt sich die Frage, ob dieser Wandel auch wirklich vollzogen wird. Die Entwicklung des Ethikunterrichts steht nun schon so lange still, dass diese Frage berechtigt erscheint.

Diese Arbeit will genau diesen Wandel untersuchen, aber nicht durch die Überprüfung des Unterrichts oder der Lehrkräfte, sondern durch die Analyse ihres vielleicht wichtigsten Handwerkszeugs: den Schulbüchern.

Um zu überprüfen, ob Lehrbücher den Anforderungen und erwarteten Zielen der Lehrpläne ihrer Zeit gerecht werden, soll ein konkretes Beispiel herangezogen werden. Als Beispiel dient hier der Themenschwerpunkt „Liebe und Partnerschaft“, der als solcher seit Inkrafttreten des Fachs Praktische Philosophie im Unterrichts der Jahrgangsstufen 7 und 8 behandelt werden muss. Zunächst wird dieser Forschungsbericht die Geschichte des Ethikunterrichts durchleuchten und die Anforderungen seiner kompetenzorientierten Lehrpläne aufzeigen, gerade in Bezug auf das Thema „Liebe und Partnerschaft“, welches in unserer Gesellschaft ohnehin als problematisches Thema von LuL, SuS und Eltern in der Schule empfunden wird. Neben diesen Anforderungen soll ein kurzer Überblick über die fächerübergreifenden Richtlinien zur Sexualerziehung in Deutschland gegeben werden, um feststellen zu können, inwieweit der Ethikunterricht einen Anteil dieses Vorhabens übernehmen kann. Anschließend werden drei mehr oder weniger aktuelle Schulbücher (1998, 2005, 2014) herangezogen und ihr Inhalt, ihre Aufgabenstellung und ihr Bildmaterial im jeweiligen Kapitel zum oben genannten Thema miteinander verglichen. Damit will auf der einen Seite untersucht werden, ob die Inhalte der Schulbücher den Anforderungen der Lehrpläne entsprechen, ganz allgemein soll aber herausgefunden werden, wie sich der Umgang mit bzw. die Darstellung von „Liebe und Partnerschaft“ als Themenschwerpunkt der Jahrgangsstufen 7/8 in den Schulbüchern des Fachs Praktische Philosophie/Ethik im Wandel der Zeit, genauer der letzten 20 Jahre, verändert hat.

1.2 Praktische Philosophie im Wandel

Der Ethikunterricht[5] in Deutschland besitzt eine alltägliche Relevanz. Er dient der Vermittlung von Werten und dem Aufzeigen verschiedenster Weltanschauungen, philosophischer Ideen bzw. Fragestellungen und Religionen. Im Vergleich zum konventionellen Religionsunterricht schreibt er sich deshalb eine gewisse Neutralität zu.

Bis in die 1970er Jahre gab es in allen Bundesländern Deutschlands bloß den evangelischen bzw. katholischen Religionsunterricht als Pflichtfach, von dem sich nur eine kleine Minderheit der SuS freisprechen ließ. Mitte der 70er dann aber nahm dieser bis dato geringe Anteil durch die Säkularisierung und zunehmenden Vielfalt an anderen Religionen drastisch zu. Ab 14 Jahren gilt ein Jugendlicher als religionsmündig, wodurch eine Freistellung dieses Unterrichts, der religiösen Praktiken nachgeht, möglich ist. Die Schulen gerieten dadurch allerdings in organisatorische Schwierigkeiten, da ein offizieller Weg für die SuS bestand dem Unterricht fern bleiben zu können, sie aber trotz dessen unter der Aufsichtspflicht der Schule standen. Aus diesem Grund mussten erste Beschlüsse für einen Ersatzunterricht in der Sekundarstufe I geschaffen werden. Der Ethikunterricht. In den später 80er Jahren trat deshalb eine Kommission ein und erwirkte die Umsetzung erster Curricula in den alten Bundesländern. Erst nach der Wiedervereinigung in den 90ern galt die Umsetzung landesweit. Die jeweilige Bezeichnung des Fachs und sein allgemeiner Status sind hierbei seit Beginn seiner Existenz abhängig vom jeweiligen Bundesland. Allen gemein ist, dass der Ethikunterricht nur in der Sekundarstufe I als solcher gehalten wird. In der gymnasialen Oberstufe wird es durch das Fach Philosophie als Wahlpflichtfach ersetzt.

Seitdem versucht sich der Ethikunterricht kontinuierlich zu entwickeln und als eigenständiges Fach zu etablieren. Sein Status variiert dabei stark zwischen den Ländern. Das Fach Ethik wird in den meisten Bundesländern nach wie vor nur als Ersatzfach für die SuS, die nicht an dem Fach Religion teilnehmen wollen, angeboten. In manchen anderen Bundesländern besitzt es den Status eines Wahlpflichtfachs, das heißt, dass Religion und Ethik als gleichberechtigte Fächer betrachtet werden, zwischen denen die Jugendlichen wählen können. In nur einem Bundesland, Berlin, gilt der Ethikunterricht seit 2006 als „ordentliches Lehrfach“. Dort ist er also Pflichtfach und Religion daneben ein zusätzliches, freiwilliges Wahlfach. In Nordrhein-Westfalen, was hier eine gesonderte Rolle spielen soll, wird der Ethikunterricht heute als Wahlpflichtfach und seit Beginn der frühen 2000er unter dem Namen „Praktische Philosophie“ angeboten.

Wie für alle anderen Fächer gibt es auch für das Fach Praktische Philosophie ein Curriculum, einen Lehrplan, der auf der Theorie der Didaktik aufbaut, aber sich nicht bloß an den Unterrichtsinhalten des Fachs orientiert, sondern in erster Linie an seinen Lernzielen und dem Ablauf des Lernprozesses. 2004[6] wurde erstmals in Nordrhein-Westfalen ein solcher Kernlehrplan der Praktischen Philosophie eingeführt. Davor war es in erster Linie Sache der Schule, welche Inhalte in welchem Fach tatsächlich unterrichtet werden. Für das Fach Praktische Philosophie gilt, anders als in anderen Fächern, der Inhalt des Curriculums für alle Schulformen der Sekundarstufe I (Klassenstufen 5-10 der Real-, Haupt- und Gesamtschulen, bzw. 5-9 des neuen Gymnasiums). Die Inhalte sind hierbei beinahe immer identisch, nur für etwa Förderschulen wurden einige Besonderheiten und Regelungen aufgestellt. Ansonsten wird der fachliche Inhalt des Fachs Praktische Philosophie im Curriculum in sieben Fragenkreisen[7] aufgezählt:

1. Die Frage nach dem Selbst
2. Die Frage nach dem Anderen
3. Die Frage nach dem guten Handeln
4. Die Frage nach Recht, Staat und Wirtschaft
5. Die Frage nach Natur, Kultur und Technik
6. Die Frage nach Wahrheit, Wirklichkeit und Medien
7. Die Frage nach Ursprung, Zukunft und Sinn

An diesen Fragenkreisen orientieren sich die Inhalte aller Jahrgangsstufen. So wiederholen sie sich stetig, leiten den Unterricht, allerdings besitzt jede Stufe andere Kompetenzerwartungen und damit verschiedene zentrale Inhalte. Als Beispiel lässt sich das Thema, mit dem sich diese Arbeit weiter beschäftigen möchte, dem Fragenkreis 2. „Die Frage nach dem Anderen“ zuordnen, jedoch nur im Anforderungsbereich der Jahrgangsstufen 7 und 8 und zwar als einer von zwei zentralen Schwerpunktthemen („Freundschaft, Liebe und Partnerschaft“ und „Begegnungen mit Fremden“[8] ). In den Jahrgangsstufen 5 und 6 z.B. sind die Schwerpunktthemen des gleichen Fragenkreises zwei völlig andere („Der Mensch in der Gemeinschaft“ und „Umgang mit Konflikten“[9] ).

1.3 Kompetenzorientierte Aufgaben des Fachs

Als eine der Konsequenzen der PISA-Studie[10] von 2001, die die deutsche Öffentlichkeit und Politik schockte indem sie die Leistungen in Deutsch, Mathematik und den Naturwissenschaften der deutschen SuS im internationalen Vergleich als deutlich unterdurchschnittlich kennzeichnete, wurden die Kernlehrpläne des Landes überarbeitet. Als neue Unterrichtsvorgabe wurde auch für das Fach Praktische Philosophie ein sogenannter kompetenzorientierter Lehrplan[11] vorgestellt. Hiernach sollen den SuS im Schulalltag nicht nur Wissen und spezielle Fertigkeiten vermittelt werden, sondern Kompetenzen - allgemeinere Befähigungen zur Bewältigung vielseitiger Fragen und Problemen. Diese Kompetenzen seien hierbei ein wichtiges Element „eines zeitgemäßen und umfassenden Gesamtkonzepts für die Entwicklung und Sicherung der Qualität schulischer Arbeit“.[12] Am Ende der Sekundarstufe I soll jeder Schüler/jede Schülerin ein Abschlussprofil erreicht haben, was an bestimmte Kompetenzerwartungen gekoppelt ist, die quasi als Zwischenstufe am Ende jeder Jahrgangsstufe erreicht worden sein sollen. Dabei wird in erster Linie das Lernergebnis fokussiert und der schrittweise Weg des Kompetenzzuwachses überprüft. Diese Kompetenzorientierung bietet hierbei den Schulen Freiräume zur Vertiefung und Erweiterung durch den Einsatz selbstgewählter Themen, die bloß vorgeschriebenen Schwerpunkten als Rahmen folgen sollen. Durch diese Kompetenzorientierung werden also Aufgaben und Ziele der Fächer und so auch des Praktische Philosophie-Unterrichts formuliert. „Das Fach fordert die Entwicklung der Gesamtpersönlichkeit zu sozialer Verantwortung, zur Gestaltung einer demokratischen Gesellschaft, zur Orientierung an Grundwerten, zur kulturellen Mitgestaltung sowie zu verantwortlicher Tätigkeit in der Berufs- und Arbeitswelt. (...) Zentrales Anliegen des Faches ist es, zur Entwicklung von Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern beizutragen, die sie befähigen, die Wirklichkeit differenziert wahrzunehmen und sich systematisch mit Sinn- und Wertefragen auseinanderzusetzen, sie bei der Suche nach Antworten auf die Frage nach dem Sinn menschlicher Existenz anzuwenden und in einer demokratischen Gesellschaft selbstbestimmt, verantwortungsbewusst und tolerant zu leben.“[13] Die Kompetenzen, die zu diesem Ziel führen sollen, werden dabei im Lehrplan kategorisiert. So sollen die personale und soziale Kompetenz, die Sach- und die Methodenkompetenz der SuS gestärkt werden.[14] Die personale Kompetenz soll die SuS dazu befähigen, ihre eigene Rolle in bestimmten Lebenssituationen zu erkennen und eine eigene Persönlichkeit mit reflektierter Wertbildung zu entwickeln. Dazu gehört die Ausbildung von Selbstvertrauen und das Reflektieren der eigenen Gefühle, die Entwicklung von Urteilsfähigkeit und das Erkennen der eigenen sozialen Rolle. Die soziale Kompetenz soll die SuS darin bestärken, respektvoll und gleichzeitig kritisch mit ihren Mitmenschen umzugehen. Beispiel hierfür ist das Achten und Anerkennen des Anderen als eigenständige Person und das Ausbilden der Empathiefähigkeit. Die Sachkompetenz soll die SuS dazu befähigen, verschiedene Inhaltsbereiche und Problemfelder des Fachs Praktische Philosophie zu erfassen und diese nicht bloß zu verstehen, sondern auch zu begründen und zu beurteilen. Die Methodenkompetenz letztlich befähigt die Jugendlichen dazu, fachspezifische Methoden und überfachliche Arbeitsweisen anzuwenden.

Wichtig für die Betrachtung des Schwerpunktthemas „Freundschaft, Liebe und Partnerschaft“ des 2. Fragenkreises „Die Frage nach dem Anderen“ erscheinen hier in erster Linie der Ausbau der personalen und der sozialen Kompetenz. Die extra für die 7 und 8 Jahrgangsstufe formulierten personalen und sozialen Kompetenzerwartungen sind vielfältig und beziehen sich nicht explizit auf nur einen Fragenkreis bzw. ein Schwerpunktthema. Die folgenden Listen der personalen und sozialen Kompetenzen der Jahrgangsstufen 7 und 8 zeigen alle Kompetenzerwartungen dieser zwei Perspektiven, wobei jene, die meiner Meinung nach durch die Behandlung des Themas „Freundschaft, Liebe und Partnerschaft“ verfolgt werden können, an dieser Stelle schwarz hervorgehoben sind:

„Personale Kompetenz“[15] Die Schülerinnen und Schüler...

- untersuchen und reflektieren den Wert der eigenen Persönlichkeit in Beziehung zu anderen
- setzen sich in Rollenspielen und Texten mit der Wertigkeit von Gefühlen auseinander
- erproben in fiktiven Situationen vernunftgemäße Aktionen und Reaktionen
- beschreiben Geschehnisse sowie Verhaltensweisen differenziert und beurteilen sie
- erörtern Beispiele autonomen Handelns in Problemsituationen und treffen eine begründete Entscheidung
- stellen verschiedene soziale Rollen dar und reflektieren diese
- untersuchen Konsequenzen von Handlungen für sich selbst
- erörtern Beispiele sinnerfüllten Lebens unter schwierigen äußeren Bedingungen

„Soziale Kompetenz“[16]

Die Schülerinnen und Schüler...

- erfassen und reflektieren den Wert der Meinung anderer
- nehmen Gefühle und Stimmungen anderer wahr und benennen sie
- lassen sich auf andere ein und nehmen die Perspektive anderer ein
- prüfen individuelle Werthaltungen und Lebensorientierungen, respektieren und tolerieren sie
- planen gemeinsam Projekte, führen sie durch und erörtern Vor- und Nachteile von Projekten als Arbeitsform
- erarbeiten sachbezogene Kompromisse
- entwickeln ein konstruktives Konfliktverhältnis und Kompromissbereitschaft und setzen diese bei der Lösung von Konflikten ein
- lernen Bereiche sozialer Verantwortung kennen und erproben gemeinsam mit anderen Möglichkeiten der Übernahme eigener Verantwortung.

2. Vorgehen bei der Schulbuchanalyse

2.1 Absicht der Analyse

Die nun folgende Untersuchung dreier Schulbücher, die in den letzten 20 Jahren veröffentlicht und eingesetzt wurden, will feststellen, welche Unterschiede in Bezug auf die Wahl der Inhalte, Bilder und Aufgaben rund um den Schwerpunkt „Liebe und Partnerschaft“ vorliegen. Wie im vorherigen Kapitel festgestellt, ist das Fach Praktische Philosophie in Nordrhein-Westfalen, sowie der Ethikun­terricht in Deutschland allgemein noch sehr jung und ein richtiges Kerncurriculum existiert erst seit gut zehn Jahren. Dementsprechend ist es schwer zu sagen, welche Inhalte im Ethikunterricht früher hätten behandelt werden sollen, wenn keine Regelung darüber vorlag. Bezogen auf die Themen der Sexualerziehung lässt sich aber zumindest feststellen, dass einige Inhalte, die Aspekte rund um die Sexualität behandeln, in dem derzeit existierenden Lehrplan vorhanden sind. Doch werden sie diesen Vorgaben wirklich gerecht?

Wie die Richtlinien der Sexualerziehung in Deutschland vorschreiben (Schulordnungsgesetz § 1 Ab­satz 5), gehört die Sexualerziehung „zum Erziehungsauftrag der Schule. Sie erfolgt fächerübergrei­fend und ergänzt die Sexualerziehung durch die Eltern. Ihr Ziel ist es, die Schüler altersgemäß mit den biologischen, ethischen, sozialen und kulturellen Fragen der Sexualität vertraut zu machen. Sie soll die Schüler zu verantwortungsbewussten, eigenverantwortlichen und sittlich begründeten Ent­scheidungen, insbesondere in Ehe und Familie, und zur Toleranz gegenüber anderen Lebensweisen befähigen. Die Erziehungsberechtigten sind über Ziel, Inhalt und Methoden der Sexualerziehung rechtzeitig zu unterrichten.“[17] Für den Praktische Philosophie-/Ethikunterricht erscheint der biologi­sche Aspekt eher sekundär, während ethische, soziale und kulturelle Fragen in den Vordergrund ge­rückt werden sollten. An sich ähneln sich die Fachbeschreibung des Kernlehrplans und die Richtlinien der Sexualerziehung in den Punkten sehr, z.B. dass Verantwortungsbewusstsein der eigenen und To­leranz gegenüber der anderen Lebensformen/-weisen entwickelt werden soll. Nun soll überprüft wer­den, inwiefern die Schulbücher im Fach Praktische Philosophie diesem Vorhaben gerecht werden und ob der Aspekt der Sexualerziehung im Ethikunterricht ein neues Phänomen ist oder schon immer fester Bestanteil war.

2.2 Auswahl der Schulbücher

Bei dieser Schulbuchanalyse sollen in erster Linie die Veränderungen von Inhalt und Darstellung zu dem Schwerpunktthema „Liebe und Partnerschaft“ im zeitlichen Wandel der letzten 20 Jahre untersucht werden. Dazu wurden drei Schulbücher ausgewählt, die jeweils eine zeitliche Periode dieses Zeitraums repräsentieren. So soll zunächst der Inhalt des Buchs „Ich bin gefragt - Ethikunterricht 7/8“, herausgegeben von Ursula Wilke, das im Jahr 1998 Einsatz fand, vorgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt existierte noch kein allgemeingültiger Lehrplan für den Ethikunterricht in den einzelnen Bundesländern, sodass die Auswahl und Reihenfolge der Kapitel bzw. seine Inhalte[18] sich auf keine geregelten Normvorgaben stützen. Für diese Arbeit von Bedeutung ist das Kapitel 1.

„Erwachsen werden“[19], genauer das Schwerpunktthema „Was ich schon immer wissen wollte...“[20], das sich mit eben den Themen Liebe, Partnerschaft, Sexualität usw. auseinandersetzt. Der Klappentext des Schulbuchs wirbt mit „interessanten Geschichten und Informationen, aber auch zahlreichen Bildern“. Die zehn Kapitel sollen den SuS zeigen, welche Fragen der Ethik, der Philosophie oder Religion direkten Einfluss auf ihre Lebenswelt haben. In Doppelseiten werden die einzelnen Themen abgehalten. Ein Kapitel startet mit einer farbigen Doppelseite und endet mit einer „Ideen-Doppelseite“. Diese sollen zum selbstständigen Weiterarbeiten animieren und bieten z.B. Spiel- oder Trainingsvorschläge, die sich auf die Inhalte des jeweiligen Kapitels beziehen.

Das zweite Schulbuch, das hier untersucht werden soll, ist das im Jahr 2005 erstmals im Unterricht eingesetzten „Praktische Philosophie 2“ von Dr. Roland Wolfgang Henke und Dr. Eva-Maria Sewing. Als eines der ersten Schulbücher des Fachs Praktische Philosophie, das nach dem Inkrafttreten des Kernlehrplans 2004 erschienen ist, orientiert sich sein Aufbau in elf Kapitel[21] bereits an den im Kerncurriculum formulierten sieben Fragenkreisen. Aus diesem Grund findet sich hier auch das Thema „Freundschaft, Liebe und Partnerschaft“ im zweiten Kapitel[22] wieder, welches den zweiten Fragenkreis „Die Frage nach dem Anderen“ vertritt. Das Thema „Von Freundschaft und Liebe“[23] nimmt hier bloß drei Doppelseiten ein. Die Beschreibung des Klappentexts ist mit dem des vorangegangenen Schulbuchs fast identisch. Von der Doppelseite zu Beginn und zum Ende eines jeweiligen Kapitels, über die Vielfalt an Bildern. Neu bei der Struktur dieses Buchs sind die farblich hinterlegten Kästen auf einigen der Seiten. Rot steht für die Anregung zum fächerübergreifendem Arbeiten, grün soll in die Methoden des Philosophieunterrichts einführen, beige beinhaltet Anregungen für weiterführende Projektideen und blau enthält Zusammenfassungen des Themas.

Das dritte Schulbuch, das hier näher betrachtet werden soll, ist eines der aktuell am häufigsten eingesetzten Werke mit dem Titel „philopraktisch 2A“ für die Jahrgänge der 7/8. Vertrieben wurde es 2014, herausgegeben von Jörg Peters und Bernd Rolf. Auch der Aufbau dieses Buchs orientiert sich stark an den Vorgaben des Kernlehrplans des Fachs Praktische Philosophie, allerdings noch enger und genauer, als das hier untersuchte Vorgängermodell von 2005. Hier ist jeder der sieben Fragenkreise noch einmal in zwei Kapitel aufgetrennt, wobei sich jedes Kapitel den ebenfalls im Kemlehrplan für den Jahrgang 7/8 formulierten Schwerpunktthemen verschreibt. Von den 14 Kapiteln[24] wird nun genauer Kapitel 3. „Freundschaft, Liebe und Partnerschaft“[25] untersucht. Dieses Schulbuch beschreibt sich selbst als Unterrichtsbegleiter und bloßen Impulsgeber, da die Auswahl der Themen und Übungsteile sich nach den Schwerpunkten der schulinternen Curricula richten soll, da die Inhalte so massig seien, dass sie nicht alle in zwei Schuljahren behandelt werden können.

2.3 Vorgehensweise bei der Analyse

Nach dieser kurzen Vorstellung der drei Bücher und der Kapitel, um die es nun gehen soll, kann als nächstes der Inhalt dieser Kapitel bzw. der jeweilige Anteil der Kapitel, der sich mit der Thematik rund um Liebe, Partnerschaft und Sexualität beschäftigt, gesammelt und verglichen werden. Dies geschieht, indem zunächst das älteste Schulbuch „Ich bin gefragt - Ethik 7/8“ durchleuchtet wird, im Anschluss daran jenes von 2005 „Praktische Philosophie 2“ und am Ende das aktuellste Werk „philopraktisch 2A“. Dabei werden nicht nur die Inhalte untereinander verglichen, sondern auch der Umgang mit ihnen. Aus diesem Grund erfolgt im nächsten Schritt, nach einer kurzen Zwischenreflexion, eine Analyse der Aufgabenstellungen mit dem vorhandenen angebotenen Material. Anschließend wollen noch die Abbildungen, Comics oder weiteren grafischen Darstellungen der Bücher untersucht werden. Hier nicht nur auf den Inhalt, den sie vermitteln bezogen, sondern auch ihre Funktion, also ob sie als bloßes „Beiwerk“, optische Hilfestellung bzw. Unterstützung dienen oder, ob sie für sich selbst als Informationsträger stehen. Gleichzeitig wird die Darstellungsweise an sich berücksichtigt, so wird überprüft, ob sich abgebildete Personen auch auf alle SuS beziehen oder nur eine bestimmte Personengruppe ansprechen. Dies soll eine Aussage darüber treffen können, wie ansprechend die Darstellungen auf die Jugendlichen und ihre Motivation wirkt. Im Anschluss daran sollen alle Ergebnisse noch einmal gesammelt und geordnet dargelegt werden, um letztlich im Fazit Aussagen über die im Einleitungsteil aufgeworfenen Fragestellungen treffen zu können.

3. Inhaltsanalyse

3.1 Gegenüberstellung der Inhalte

Das 1. Kapitel „Erwachsen werden“ des ersten hier vorgestellten Buchs „Ich bin gefragt - Ethik 7/8“ beinhaltet ein Unterkapitel mit dem Titel „Was ich schon immer wissen wollte...“ (S. 32-37), das auf seiner ersten Seite mit einem Text über Fragen rund um die Pubertät und aufkeimende Sexualität startet. In „Und wie ist das bei dir?“[26] wird einleitend erklärt, dass Liebe und Sexualität schwierige Themen sind, über die Jugendliche mit den Erwachsenen und vor der Klasse nicht gerne sprechen und sich deshalb vorzugsweise an Jugendzeitschriften wenden. Im Anschluss daran werden einige Ausschnitte solcher Zeitschriften in kurzen Textabschnitten abgebildet, die sich mit Aspekten beschäftigen, wie:

- Die Sorgen und Erfahrungen eines jungen Mädchens über ihre Periode
- Den Kummer eines Mädchens, das von den Klassenkameraden aufgrund ihrer unterschiedlich großen Brüste gehänselt wird
- Ein Junge, der Fragen zum ersten nächtlichen Samenerguss hat, aber mit niemandem in seinem Umfeld darüber sprechen möchte
- Die Angst eines Jungen, der befürchtet aufgrund seiner kleinen Statur keine Freundin zu finden, so wie die meisten seiner Klassenkameraden
- Die Angst eines Mädchens vor Zurückweisung und ihre Erfahrung des Verliebtseins
- Den Frust eines Jungen über dessen schlechte Haut

[...]


[1] Vgl. Artikel der Frankfurter Allgemeine von Maximilian Krämer: Sehr bedenklich; zu finden auf: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/forschung-und-lehre/philosophieunterricht-sehr-bedenklich-12134327.html

[2] Fortan abgekürzt durch „SuS“

[3] Fortan abgekürzt durch „LuL“

[4] Vgl. Artikel der Süddeutschen Zeitung von Martina Scherf: Ethik - das bayrische Desasterfach; zu finden auf: http://www.sueddeutsche.de/bavern/mangelhafte-leherausbildung-ethik-das-baverische-desasterfach-1.1543783

[5] Vgl. Informationsseite des EU-Projekts ETHIKA; zu finden auf: https://bv-ethik.de/proj ekte/ethika? gclid=CIrSiYvWn9MCFVdAGwodGdwBvw

[6] Vgl. Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen: Kernlehrplan Sekundarstufe I in Nordrhein-Westfalen - Praktische Philosophie, 1. Auflage (2008); Ritterbach Verlag, Düsseldorf, S. 7

[7] Ebd., S. 12

[8] Vgl. Ebd., S. 23

[9] Vgl. Ebd., S. 20

[10] Vgl. Artikel der Zeit von Thomas Kerstan: Der heilsame Schock; zu finden auf: http://www.zeit.de/2011/49/C-Pisa- Rueckblick

[11] Vgl. Ebd., S. 7

[12] Ebd., S. 7

[13] Ebd., S. 9

[14] Vgl. Ebd., S. 14

[15] Ebd., S. 21

[16] Ebd., S. 21f

[17] Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen: Richtlinien für die Sexualerziehung in Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage (1999); Ritterbach Verlag, Düsseldorf, S. 6

[18] Eine Auflistung der Kapitel und die Schwerpunktthemen des 1. Kapitels hierzu befindet sich im Anhang (siehe Anhang 1.)

[19] Ursula Wilke: Ich bin gefragt - Ethikunterricht 7/8 (1998); Cornelsen Verlag, Berlin, S. 6-41

[20] Ebd., S. 32-37

[21] Eine Auflistung der Kapitel und die Schwerpunktthemen des 2. Kapitels hierzu befindet sich im Anhang (siehe Anhang 2.)

[22] Dr. Roland Wolfgang Henke, Dr. Eva-Maria Sewing: Praktische Philosophie 2 (2005); Cornelsen Verlag, Berlin, S. 32-55

[23] Ebd., S. 44-49

[24] Eine Auflistung der Kapitel und die Schwerpunktthemen des 3. Kapitels hierzu befindet sich im Anhang (siehe Anhang 3.)

[25] Jörg Peters, Bernd Rolf: philopraktisch 2A (2014); C.C. Buchner, Bamberg, S. 34-47

[26] Ursula Wilke: Ich bin gefragt - Ethikunterricht 7/8 (1998); Cornelsen Verlag, Berlin, S. 32f

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Erwachsen werden. Darstellung und Umgang mit dem Thema "Liebe und Partnerschaft" im Fach Praktische Philosophie der Jahrgangsstufen 7/8
Untertitel
Eine Schulbuchanalyse
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
1,0
Autor
Jahr
2017
Seiten
33
Katalognummer
V383813
ISBN (eBook)
9783668596030
ISBN (Buch)
9783668596047
Dateigröße
907 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erwachsen, darstellung, umgang, thema, liebe, partnerschaft, fach, praktische, philosophie, jahrgangsstufen, eine, schulbuchanalyse
Arbeit zitieren
Laura Wirths (Autor:in), 2017, Erwachsen werden. Darstellung und Umgang mit dem Thema "Liebe und Partnerschaft" im Fach Praktische Philosophie der Jahrgangsstufen 7/8, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/383813

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