Teilprivatisierung in der deutschen Trinkwasserversorgung: Analyse der Beteiligung von privaten Energie- und Wasserkonzernen


Diploma Thesis, 2004

122 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einführung
1.1. Einordnung des Themas
1.2. Zielsetzung und Fragestellung
1.3. Inhalt und Aufbau

2. DIE Ordnungspolitische Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland
2.1. Definition: Trinkwasserversorgung und klassische Wasserversorgungsunternehmen
2.2. Die Geschichte der kommunalen Wasserversorgung
2.3. Exkurs: Der kommunale Querverbund
2.4. Das dezentrale Organisationsprinzip und die Rolle der Kommunen in der Trinkwasserversorgung
2.4.1. Das dezentrale Organisationsprinzip
2.4.2. Kommunale Entscheidungshoheit und die zentrale Stellung der Kommunen in der Trinkwasserversorgung
2.5. Die Theorie natürlicher Monopole und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
2.6. Räumliche und sektorale Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland
2.6.1. Räumliche Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland
2.6.2. Sektorale Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland

3. Veränderungen der Rahmenbedingungen: Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik
3.1. Neoliberale Konzepte der Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung
3.1.1. Diskreditierung öffentlicher Unternehmen
3.2. Finanzkrise und kommunale Kostenorientierung
3.3. Privatisierungsformen und Modelle
3.3.1. Privatisierungsformen
3.3.2. Teilprivatisierung in der Trinkwasserversorgung
3.3.3. Privatisierungsmodelle: Das Betriebsführungs-, Betreiber- und Kooperationsmodell
3.4. Wettbewerb in der Trinkwasserversorgung
3.4.1. Wettbewerbsformen
3.5. Modernisierungsoffensive in der deutschen Trinkwasserversorgung

4. Veränderung in der Betriebsstruktur: Energie- und Wasserkonzerne in der Trinkwasserversorgung
4.1. Entwicklung privater Energie- und Wasserkonzerne
4.2. Strategien und Unternehmensziele
4.2.1. Strategien der Energiekonzerne
4.2.2. Strategien der Wasserkonzerne

5. Die Methodik der empirischen Auswertung
5.1. Die Problematik der Datengewinnung
5.2. Der Prozess der Datengewinnung
5.3. Die Methodik der Auswertung
5.3.1. Auswertung der Konzernaktivitäten: Konzernstrategien
5.3.2. Raumbezogene Auswertung: Verbreitungsgrad
5.3.3. Einflussmöglichkeiten der Kommune: Einflussgrad

6. Analyse der Beteiligungen von Energie- und Wasserkonzernen ankommunalenVersorgungsunternehmen
6.1. Analyse der Konzernaktivitäten und Konzentrationsprozesse im Trinkwassersektor
6.1.1. Konzernanteile an der Grundgesamtheit der Versorgungsunternehmen
6.1.2. Beteiligungen nach Unternehmenstypen
6.1.3. Größenvorteile durch strategische Beteiligungspartner
6.1.4. Exkurs: Die Unternehmensnetzwerke THÜGA und RHENAG
6.1.5. (Wasser-) Dienstleistungsunternehmen in der Konzernstruktur
6.1.6. Konzentration von Konzernbeteiligungen im Trinkwassersektor
6.2. Raumbezogene Analyse der Beteiligungen
6.2.1. Beteiligungen nach Bundesländern
6.2.2. Räumliche Schwerpunkte von Konzernbeteiligungen
6.2.3. Konzernbeteiligungen nach Gemeindegrößenklassen
6.3. Analyse der Einflussmöglichkeiten der Konzerne
6.3.1. Rechtsformen der WVU
6.3.2. Beteiligungsanteile der Konzerne an WVU

7. Bewertung der Beteiligungen von Energie- und Wasserkonzernen an kommunalen Versorgungsunternehmen
7.1. Bewertung der Konzernaktivitäten und –Strategien in der Trinkwasserversorgung
7.1.1. Zusammenfassung und Bewertung der Konzernstrategien
7.1.2. Bewertung von Beteiligungs- und Dienstleistungswettbewerb in der Trinkwasserversorgung
7.1.3. Wettbewerb und Effizienz
7.2. Bewertung der räumlichen und strukturellen Verteilung von Konzernbeteiligungen (Verbreitungsgrad)
7.3. Auswirkungen der Konzernbeteiligungen auf Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen (Einflussgrad)
7.3.1. Einfluss von Organisationsprivatisierungen auf die Steuerungsmöglichkeiten der Kommunen
7.3.2. Bewertung der Anteilsverkäufe an kommunalen WVU
7.3.3. Demokratische Kontrolle in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen
7.3.4. Auswirkungen der Aufgabenausgliederungen

8. Zusammenfassung
8.1. Zusammenfassende Bewertung von Teilprivatisierungen
8.2. Bewertung der Modernisierungsstrategie

Abkürzungsverzeichnis:

Literatur und Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb.1: Übersicht über Fernwassersysteme in Deutschland

Abb.2: Wertschöpfungskette in der Trinkwasserversorgung

Abb.3: Rechtsformen kommunaler Unternehmen

Abb.4: Zahl der Wasserversorgungsunternehmen im internationalen Vergleich

Abb.5: Wasserversorgungsunternehmen nach Bundesländern

Abb.6: Mechanismen von Liberalisierung und Privatisierung

Abb.7: Entwicklung der städtischen Verwaltungshaushalte

Abb.8: Mögliche Organisationsformen in der Trinkwasserversorgung

Abb.9: Teilprivatisierung eines kommunalen Wasserversorgungsunternehmens

Abb.10: Privatisierungsoptionen und Privatisierungsmodelle

Abb.11: Konzentrationsprozess auf dem deutschen Energiemarkt

Abb.12: Methodik der Datengewinnung

Abb.13: Struktur der Datenauswertung

Abb.14: Anzahl der Beteiligungen nach Konzernen

Abb.15: Wasserversorgungsunternehmen nach Versorgungssparten

Abb.16: Beteiligungen an WVU nach Konzerntochterunternehmen

Abb.17: Das THÜGA-Netzwerk

Abb.18: Die Versorgungsgebiete der RHENAG-Gruppe

Abb.19: Mitgliedsunternehmen des BGW nach Unternehmensformen in %

Abb. 20: Konzernbeteiligungen nach Bundesländern

Abb.21: Beteiligungen von E.on und RWE an Versorgungsunternehmen

Abb.22: Regelzonen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber

Abb.23: Beteiligungen von EnBW, Gelsenwasser, Suez und Veolia an Versorgungsunternehmen

Abb.24: Firmenlogo RWE

Abb.25: Entwicklung der Gesamtzahl von Wasserversorgungsunternehmen in Deutschland

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Klassische Unternehmenstypologie in der Trinkwasserversorgung

Tab.2: Privatisierungsformen aus rechtssystematischer Perspektive

Tab.3: Die international führenden Wasserkonzerne

Tab.4: Struktur des Datensatzes

Tab.5: Ergänzung der klassischen Unternehmenstypologie in der Trinkwasserversorgung

Tab.6: Dienstleistungsunternehmen in der Trinkwasserversorgung nach Konzernen

Tab.7: Strukturdaten der E.on Dienstleister

Tab.8: Versorgte Bevölkerung nach Konzernen

Tab.9: Auswertung der Beteiligungen an WVU nach Gemeindegrößenklassen

Tab. 10: Unternehmensformen teilprivatisierter WVU

Tab.11: Verkaufte Anteile nach Schwellwerten

Tab.12: Zusammenfassung nach Bundesländern

1. Einführung

1.1. Einordnung des Themas

In nur wenigen Generationen haben Städte und Gemeinden seit Mitte des 19. Jahrhunderts das System einer öffentlichen Trinkwasserversorgung in Deutschland aufgebaut. Die Bürger finanzierten über die Gebühren sowohl den Aufbau der Infrastruktursysteme als auch den Ausbau einer gemeinwohlorientierten Kommunalwirtschaft. Knapp 150 Jahre nach der Errichtung sind einige Kommunen jedoch finanziell nicht mehr in der Lage, die Leitungssysteme zu sanieren. Die fragmentierte Struktur in der Trinkwasserversorgung und die wirtschaftliche Tätigkeit von Kommunen sind in die Kritik geraten. Bürger, die einst die Infrastrukturinvestitionen vorfinanziert haben, sind heutzutage zu Kunden avanciert, die ihre Ansprüche an die öffentlichen Versorgungsleistungen erhöhen.

Wie auch in anderen Bereichen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens wird die öffentliche Trinkwasserversorgung einem Kosten-Nutzen-Denken unterworfen und nach ökonomischen Kriterien optimiert. Die von außen in den Sektor getragene Effizienz- und Wettbewerbsdiskussion ist nicht branchenspezifisch, sondern von ihrem Ansatz her wirtschaftspolitisch. In der wirtschaftlichen Krise der 70er Jahre hat sich ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik der Industrienationen vollzogen. Seitdem haben sich neoliberale Ansätze etabliert. Die Staatsquote und die Verschuldung öffentlicher Haushalte sollen durch massive Privatisierungs- und Liberalisierungsprogramme gesenkt werden. Mit der Vollprivatisierung der Wasserversorgung in England/Wales wurde die „Enttabuisierung“ der Privatisierung natürlicher Monopole erreicht.

In Folge einer Weltbankstudie und des so genannten Ewers-Gutachten des Bundeswirtschaftsministeriums[1] ist die deutsche Trinkwasserversorgung durch eine Kosten- und Effizienzdiskussion in den Sog einer allgemeinen Privatisierungs- und Liberalisierungsdebatte geraten. Die Thematik wurde von den beteiligten Akteuren in der deutschen Wasserwirtschaft aufgegriffen und kontrovers diskutiert.[2] Aufgrund der technischen und hygienischen Randbedingungen zeigten sich jedoch schnell die Grenzen einer möglichen Marktöffnung.[3] Die Gebietsmonopole werden daher auch weiterhin Bestand haben. Die Befürworter einer weitgehenden Marktöffnung haben den politischen Widerstand unterschätzt. Negative Erfahrungen aus England und Frankreich sowie die inzwischen wieder steigenden Strompreise und die Versorgungskrise in Kalifornien haben Bedenken hervorgerufen. Der Fokus der Diskussion hat sich daraufhin auf eine Modernisierungsoffensive verschoben. In dieser wird auf der einen Seite die kommunale Entscheidungshoheit anerkannt, auf der anderen Seite sich aber gleichzeitig nicht gegen eine fortschreitende die Privatisierung der Trinkwasserversorgung ausgesprochen.

Ungeachtet der Diskussion über die zukünftigen Rahmenbedingungen und Ordnungsstrukturen in der deutschen Wasserversorgung hat der Wettbewerb um den Markt, der Verkauf von Anteilen an kommunalen Versorgungsunternehmen und die Privatisierung der Versorgungsaufgaben schon längst begonnen. Unabhängig von der politischen „Standortfindung“ sowie der Entwicklung von nachhaltigen Zielen innerhalb der Modernisierungsstrategie ist ein Trend zu verstärkter Privatisierung und Unternehmenskonzentration zu beobachten. Ob Mühlheim, Düsseldorf oder Berlin – immer mehr Städte und Gemeinden verkaufen Anteile an ihrer Wasserver- und Abwasserentsorgung an multinationale Konzerne, ohne dass eine breite Diskussion über den Verkauf öffentlicher Einrichtungen in der Gesellschaft stattfindet. Die derzeitige Strukturveränderung in der Trinkwasserversorgung ist primär kein notwendiger marktkonformer Anpassungsprozess. Vielmehr hat sich mit der Konzernbildung im Energie- und Wassersektor ein Käufermarkt gebildet, dessen Expansion mit der öffentlichen Verschuldungskrise und dem Ausverkauf kommunalen Eigentums einhergeht. Neben den etablierten französischen Wasserkonzernen drängen im Zuge der Liberalisierung des Stromsektors Energiekonzerne wie RWE und E.on auf den deutschen Wassermarkt. Die Tatsache, dass im Bereich der Wasserversorgung natürliche Monopole bestehen bleiben werden, macht die Wasserversorgung für die großen Energieversorger im Rahmen ihrer Umgestaltung zu Multi-Utility[4] -Unternehmen besonders attraktiv.

Kennzeichen dieser Entwicklung sind finanzielle Unternehmensverflechtungen (Teilprivatisierungen) zwischen kommunalen Unternehmen und privaten Konzernen, die bis zur Aufgabenübertragung an konzerneigene Dienstleistungsunternehmen reichen. Ab einem bestimmten Grad der Einbeziehung privater Akteure muss ein neuer Interessenstrang in der Aufgabenerfüllung kommunaler Unternehmen berücksichtigt werden. Gerade große finanzielle Beteiligungen Privater im öffentlichen Versorgungssektor führen zu einer verstärkten Bedeutung der Gewinnerzielung, während der mit dem Verkauf von kommunalen Anteilen einhergehende Verlust an Steuerungsmöglichkeiten Auswirkungen auf die Gemeinwohlorientierung kommunaler Unternehmen hat.

1.2. Zielsetzung und Fragestellung

Im Kontext der Privatisierungs- und Liberalisierungsdiskussion hat der Deutsche Bundestag am 21.03.2002 den Antrag „Nachhaltige Wasserwirtschaft in Deutschland“ verabschiedet und sich gegen eine Liberalisierung und für eine Modernisierung der deutschen Wasserwirtschaft ausgesprochen. Das Parlament hat sich damit eindeutig für den Erhalt der Wasserversorgung als kommunale Aufgabe entschieden und die kommunale Entscheidungshoheit und demokratische Kontrolle anerkannt. Gleichzeitig wird vor dem Hintergrund der kleinteiligen Organisationsstruktur, durch die Förderung kooperativer, bzw. öffentlich-privater Lösungen die Schaffung effizienter und wettbewerbsgerechter Dienstleistungsunternehmen angestrebt. Neben Elementen der Bestands- und Struktursicherung weist die Modernisierungsstrategie damit Optionen auf, privatwirtschaftliches Engagement und Wettbewerb in der Wasserwirtschaft zu implementieren.

Ob sich ein fortschreitender Ausverkauf der kommunalen Trinkwasserversorgung mit den Interessen in Einklang bringen lässt, die sich am Gemeinwohl und der demokratischen Kontrolle ausrichten, ist zu bezweifeln. Eine Modernisierungsstrategie unter Förderung öffentlich-privater Lösungen ist mit dem Ziel der Bewahrung der Trinkwasserversorgung als kommunale Aufgabe unter Umständen nicht zu vereinbaren. Die Arbeit verfolgt daher nicht nur die Intention, die Entwicklung der Beteiligung von Konzernen an kommunalen Versorgungsunternehmen darzulegen und die Aktivitäten der Konzerne E.on, RWE, EnBW, Veolia, Suez/Ondeo und Gelsenwasser zusammenzufassen. Vielmehr sind die Hypothese zu überprüfen, ob Konzernbeteiligungen nur selektiv nach Regionen und bestimmten Gemeindegrößenklassen erfolgen, und ob durch die Teilprivatisierung von kommunalem Eigentum langfristig der kommunale Einfluss und das Gemeinwohl aus der kommunalen Trinkwasserversorgung verdrängt werden kann. Folgende Forschungsfragen dienen in der Arbeit als Orientierung:

1. Welche Konzernstrategien und -interessen lassen sich aus dem Prozess der Teilprivatisierung kommunaler Versorgungsunternehmen herleiten?
2. Welchen Einfluss haben Beteiligungen von Energie- und Wasserkonzernen auf die Wettbewerbsintensität und Effizienz im Trinkwassersektor?
3. In welchen Bundesländern und in welchen Gemeindegrößenklassen sind Teilprivatisierungen in der deutschen Trinkwasserversorgung besonders vertreten? Worin liegen die Gründe für diese Entwicklung?
4. Inwieweit beeinflussen Teilprivatisierungen die kommunale Entscheidungshoheit und die demokratische Kontrolle in kommunalen Versorgungsunternehmen?

1.3. Inhalt und Aufbau

Die Arbeit setzt sich aus drei Hauptteilen zusammen: einer Bestandsaufnahme von Rahmenbedingungen in den Kapiteln 2-5, der empirischen Auswertung der Konzernbeteiligungen in Kapitel 6 und einer abschließenden Bewertung im letzten Kapitel. In der Bestandsaufnahme geht es vor allem darum, die klassische Struktur in der Trinkwasserversorgung und den Prozess der Teilprivatisierung vorzustellen und seine Entstehung im Kontext der neoliberalen Umgestaltung der Versorgungswirtschaft darzulegen. Das 2.Kapitel beginnt aus diesem Grund mit der Entwicklungsgeschichte der kommunalen Versorgungswirtschaft . Neben rechtlichen Grundlagen werden auch ordnungstheoretische Gründe für die zentrale Rolle der Kommunen herausgearbeitet und die klassische Betriebs- und Versorgungsstruktur in Deutschland sowohl in ihrer sektoralen als auch räumlichen Ausprägung vorgestellt. Nach der Darlegung der klassischen Struktur in der Trinkwasserversorgung werden im 3.Kapitel die wirtschaftspolitischen Veränderungen behandelt, welche den Fortbestand der klassischen Versorgungsstruktur in Frage stellen. Der Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik wird in seiner Entstehungsgeschichte und seinen Zielsetzungen eingeführt. Die aus dieser Entwicklung für die kommunale Trinkwasserversorgung abzuleitenden Implikationen, z.B. die aus dem Wettbewerbskontext entstandene Verschuldungskrise der kommunalen Haushalte und die sich hieraus entwickelnde Akzeptanz und Verbreitung von Privatisierungsansätzen, führen in die Logik der neoliberalen Ideologie ein. Neben Definitionen von Privatisierungsformen und -modellen bietet dieses Kapitel zudem einen Einblick in die Wettbewerbsformen, die in der Trinkwasserwirtschaft zum Tragen kommen sollen, und stellt abschließend mit der Modernisierungsstrategie die ordnungspolitischen Zielsetzungen für den Entwicklungsprozess in der deutschen Trinkwasserwirtschaft vor. Abgerundet wird die Bestandsaufnahme mit der Einführung der privaten Akteure in 4. Kapitel. Neben der Entstehungsgeschichte der privaten Energie- und Wasserkonzerne, welche wiederum Bezugspunkte zur neoliberalen Theorie aufweist, werden wesentliche Konzernstrategien im Trinkwassersektor aufgezeigt und damit zum empirischen Teil der Arbeit übergeleitet. Das 5.Kapitel stellt die Methodik der empirischen Auswertung vor. Abgesehen von der Datenerhebung wird in diesem Kapitel vor allem die Methodik der Auswertung veranschaulicht und im Kontext der Zielsetzungen aus der Modernisierungsstrategie nach drei Auswertungssträngen strukturiert. In der Analyse im 6. Kapitel wird diese Dreiteilung beibehalten. Es besteht zum einen aus der Analyse der Konzernaktivitäten und Konzentrationsprozesse im Trinkwassersektor (6.1.), zum anderen aus der raumbezogenen Untersuchung nach Bundesländern und Gemeindegrößenklassen (6.2.) sowie zu letzt aus der Analyse der Einflussmöglichkeiten der Konzerne in teilprivatisierten Versorgungsunternehmen (6.3.). Nach der Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse erfolgt im 7. Kapitel die Bewertung der Teilprivatisierungen in der deutschen Trinkwasserversorgung. Konzernstrategien und Aktivitäten werden gesondert nach Unternehmen dargestellt und sowohl auf ihre räumlichen Implikationen als auch in ihren Wirkungen auf die Unternehmensstruktur und die kommunale Entscheidungshoheit bewertet. In der Zusammenfassung erfolgt ein Rückbezug und eine Einordnung von Teilprivatisierungen in den größeren Rahmen von Modernisierung und Privatisierung und eine abschließende Bewertung der Modernisierungsstrategie.

2. DIE Ordnungspolitische Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland

2.1. Definition: Trinkwasserversorgung und klassische Wasserversorgungsunternehmen

Wasser ist in erster Linie eine Naturressource, die auf den ersten Blick keine Charakteristika eines wirtschaftlichen Gutes zeigt. Indem Wasser aufbereitet und über Leitungen an Haushalte verteilt wird, erlangt es – proportional zum Aufwand der Aufbereitung – Eigenschaften einer produzierten Wahre. Da das Wasser jedoch nach seiner Nutzung wieder an die natürliche Umwelt abgegeben wird, kann es daher als eine Naturressource angesehen werden, die der Umwelt entliehen wird, um vorübergehend als Wirtschaftsgut genutzt zu werden (Kraemer 1997:276).

Der Bereich menschlichen Wirtschaftens, welcher sich in erster Linie um diesen Kreislauf befasst, wird unter dem Begriff Wasserwirtschaft subsumiert. Der Begriff umfasst die wesentlichen Elemente die Wasserver- und Abwasserentsorgung. Unter der Wasserversorgung selbst werden alle Maßnahmen und Einrichtungen subsummiert, die den Endverbraucher in die Lage versetzen, Trinkwasser aus der Wasserleitung zu entnehmen (Fischer/Zwetkow 2003:285).

Gegenstand dieser Arbeit ist die öffentliche Trinkwasserversorgung als Teil der Ressourcenwirtschaft städtischer und ländlicher Siedlungen. Die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser ist die Grundaufgabe der öffentlichen Versorgung und beinhaltet die Gewinnung, Aufbereitung und Verteilung des Wassers (Endlicher 1991:112). Im Folgenden werden wesentliche Elemente dieses Sektors dargestellt. Dabei wird auf die physischen Bestandteile eines Trinkwasserversorgungssystems, auf die Wertschöpfungskette sowie die unterschiedlichen Wasserversorgungsunternehmen (WVU) mit ihren wesentlichen Teilaufgaben eingegangen. Das System der öffentlichen Wasserversorgung besteht aus einem hierarchischen System von Transport- und Versorgungsnetzen. Dazu gehören zum einem die Nahversorgung durch dezentrale, verbrauchsnahe Vorkommen, zum anderen die Verknüpfung von Förder- und Empfängerregionen über ein Verbundnetz und zuletzt die Fernwasserversorgung verschiedener Versorgungsgebiete aus einem zentralen, verbrauchsfernen Vorkommen (Stuchtey 2002:45).

Die regionalen Versorgungsmuster von Trinkwasser sind durch die räumliche Verteilung, die Ergiebigkeit und Qualität der Wasservorkommen, aber auch durch die über die Siedlungsstruktur vorgegebenen Transportentfernungen vorgegeben.[5] Dabei spielen die Förder- und Aufbereitungskosten eine wesentliche Rolle. So sind Fernwasserversorgungssysteme vor allem für diejenigen Regionen entstanden, in denen eine ortsnahe Versorgung im Zuge hoher Förder- bzw. Aufbereitungskosten (Verschmutzung des Grundwassers) ökonomisch nicht sinnvoll erschien oder eine Unterversorgung einen überregionalen Wasserbezug notwendig machten.

Abb.1: Übersicht über Fernwassersysteme in Deutschland[6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Unterschied zur Energiewirtschaft existiert in Deutschland jedoch keine nationales Verbundnetz in der Trinkwasserversorgung. Mit der Fernwasserversorgung findet die Durchleitung von Wasser durch geschlossene Versorgungsgebiete nur in Ansätzen statt. Nahezu drei Viertel (siehe Abb. 2) der Wasserabgabe gehen direkt an die Endverbraucher.

Zu den wichtigsten Aufgaben in der Wertschöpfungskette gehören die Wassergewinnung, die Verteilung der Ressource an die Endverbraucher sowie Leistungen, die in den Bereich der Kundenbetreuung fallen. Diese Teilbereiche der Wertschöpfungskette können auf unterschiedliche Weise organisiert werden. Unterschiede zwischen WVU zeigen sich besonders im Verhältnis von Eigengewinnung und Wasserbezug sowie von Wasserabgabe an Endverbraucher und der Weiterverteilung an andere WVU aus.

Abb.2: Wertschöpfungskette in der Trinkwasserversorgung[7]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Bei WVU unterscheidet man zwischen Endverteiler auf der untersten kundennahen Ebene und Fernwasserversorger auf der „Großhandelsstufe“.[8] Es treten sowohl vertikal integrierte Unternehmen auf, die von der Gewinnung bis zur Verteilung des Wassers alle Aufgaben selbst ausführen, als auch solche, die nur spezielle Aufgabenfelder übernehmen. Daneben gibt es Unternehmen, die neben einer vertikalen auch eine horizontale Integration verschiedener Versorgungsbereiche im Verbund anstreben (Fischer/Zwetkow 2003:285). Diese so genannten Mehrspartenunternehmen nutzen dabei Synergieeffekte, die bei der parallelen Versorgung mit verschiedenen netzgebundenen Infrastrukturgütern, wie z.B. Strom, Gas und Telekommunikationsleistungen auftreten (siehe Kapitel 4). In der folgenden Abbildung werden klassische Unternehmenstypen, die als Versorgungsunternehmen mit der Aufgabe der Trinkwasserversorgung betraut werden, zusammengefasst.[9]

Tab. 1: Klassische Unternehmenstypologie in der Trinkwasserversorgung[10]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Oftmals wird in der Literatur der Begriff Stadtwerke als Sammelbegriff für kommunale (Mehrsparten-) Unternehmen verwendet. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass zum einen die Organisationsvielfalt und zum anderen die unterschiedlichen regionalen Bezeichnungen eine derartige Generalisierung nicht zulassen. Um Unternehmen wie die Berliner Wasserbetriebe, die Mainova in Frankfurt oder die Technischen Werke Delitzsch für die Analyse zu berücksichtigen, wird für diese Arbeit der Oberbegriff des „Versorgungsunternehmens“ verwendet. Ist der kommunale Betrieb, das Stadtwerk oder der Zweckverband auch oder ausschließlich mit der Wasserversorgung beauftragt, so kann von kommunalen Versorgungsunternehmen oder Wasserversorgungsunternehmen (WVU) gesprochen werden.

Großhändler sind in Deutschland bisher nur in der Fernwasserversorgung in Erscheinung getreten. In der Trinkwasserversorgung sind zumeist vertikal und horizontal integrierte Versorgungsmonopole vorherrschend, in denen ein Unternehmen die Dienstleistung der Wasserversorgung von der Gewinnung bis zur Verteilung an den Endkunden im Verbund mit anderen Versorgungsdienstleistungen ausführt. Das liegt vor allem daran, dass die Aufgabe der Wasserversorgung in weiten Teilen Deutschlands als Pflichtaufgabe der Kommunen in den Landeswassergesetzen festgeschrieben ist. Die Aufgabe selbst wird entweder von den Kommunen in Regie oder Eigenbetrieben durchgeführt oder auf kommunale Unternehmen (z.B. Zweckverbände oder Stadtwerke) übertragen.

2.2. Die Geschichte der kommunalen Wasserversorgung

Der „Startschuss“ für eine moderne, zentrale Wasserversorgung im eigentlichen Sinne begann Mitte des 19. Jahrhunderts. Der große Brand von Hamburg (1842) sowie Cholera- und Typhusepidemien gaben einen wesentlichen Anstoß für den Aufbau der ersten zentralen Wasserversorgungsanlagen in deutschen Großstädten. Bis zur zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lag die Pionierarbeit in der Wasserversorgung vielerorts noch in privaten Händen. Die Kapitalschwäche, der Know-how-Vorsprung sowie die mangelnde Investitionsbereitschaft der Städte und Gemeinden führten dazu, Verträge mit privaten Gesellschaften abzuschließen (Gockel 1983:19).[12]

Der Aufbau der Trinkwasserversorgung wurde nicht nur durch private Unternehmen, sondern auch durch staatliche und genossenschaftliche Institutionen vorangetrieben – und erst später in kommunale Regie überführt. Die Veränderungen der Siedlungsstruktur sorgten in den Kommunen für enorme Ver- und Entsorgungsprobleme, denen eine private Organisation der Trinkwasserversorgung nicht gewachsen war.[13] Die Umstände zwangen die Gemeinden, über ihre klassischen Ordnungsaufgaben hinauszuwachsen. Mitte des 19. Jahrhunderts liegt der Ausgangspunkt für eine Entwicklung, die heute unter den Begriffen Daseinsvorsorge[14] oder Versorgungswirtschaft subsumiert wird. Mit der Wasser-, Gas- und Stromversorgung bildete sich in verschiedenen Entwicklungsphasen der Kern der modernen Kommunalwirtschaft.

Diese Entwicklung erfolgte etappenweise. Sie spiegelte zum einen die technische Entwicklung in der Versorgungswirtschaft wider, zum anderen liefen während der Kommunalisierungswelle seit den 1880er Jahren eine ganze Reihe langfristiger Konzessionsverträge mit privaten Unternehmen aus, die nicht wieder verlängert wurden (Ambrosius 1995:21). „Dieser Trend lag mehrheitlich in der mangelnden Leistungsfähigkeit der privaten Unternehmen begründet (hohe Preise, schlechte Qualität...) sowie deren Weigerung, eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen und über entsprechende Vorleistungen die städtebauliche Entwicklung zu unterstützen“ (Scheele 1994:2). Bereits im Jahre 1909 besaßen von 1291 Kommunen 96% eigene Wasserwerke (Münch 1986:102). Die Übernahme der Trinkwasserversorgung in kommunale Regie bzw. die Neugründung kommunaler Versorgungseinrichtungen lief erst mit dem Ersten Weltkrieg aus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten sich die Kommunen in der Versorgungswirtschaft etabliert. Mit der Zusammenlegung der Sparten Gas und Wasser wurde ein Konzentrationsprozess eingeleitet, der durch die Einbeziehung weiterer Sektoren zu kommunalen Querverbundsunternehmen führte. Die Entfaltung der Kommunalwirtschaft findet aus politischen, aber auch aus wirtschaftlichen Erwägungen – die städtischen Unternehmen arbeiten in der Regel mit Gewinn – ihre Legitimation. Deutsche Städte und Gemeinden sind im internationalen Vergleich wirtschaftlich unabhängiger. In den 20er und 30er Jahren wurde jedoch die Expansion der Kommunalwirtschaft durch die Deutsche Gemeindeordnung von 1935[15], aber auch durch die aufkommende ordnungspolitische Kritik auf Dauer eingeschränkt.

2.3. Exkurs: Der kommunale Querverbund

Unmittelbar verknüpft mit der Entwicklung der Kommunalwirtschaft ist die Entstehungsgeschichte der kommunalen Querverbünde. Unter einem kommunalen Querverbund wird die Zusammenfassung mehrer Versorgungssparten unter einheitlicher Leitung verstanden (Ambrosius 1995:19). Ein wesentlicher Vorteil dieser Organisationsform liegt im Sinne der Neuen Institutionen Ökonomik in der Reduktion der betrieblichen und außerbetrieblichen Transaktionskosten. Das wichtigste Steuerungselement ist dabei die Quersubventionierung. Unrentable Sektoren wie der öffentliche Personen-Nahverkehr und der öffentliche Bäderbetrieb lassen sich durch die profitablen Sektoren Strom und Wasser finanzieren. Zusätzlich werden durch die Saldierung der Gewinne und Verluste finanzielle Vorteile bei Körperschaftssteuer und Gewerbebetrags- und Gewerbekapitalsteuer bei den Kommunen erzielt.

In einer historischen Perspektive sind mehre Entwicklungsphasen zu unterscheiden: eine Aufbauphase, in der die Initialsparten Gas- und Wasserversorgung zusammengelegt wurden, eine Ergänzungsphase, die zusätzlich die Elektrizitätsversorgung integrierte und eine Erweiterungsphase, die zu einem erweiterten Querverbund „Versorgung und Verkehr“ führte. Der Querverbund wird als konstitutives Element zur Koordinierung der kommunalen Betriebe durch die gesetzliche Kodifizierung in der Eigenbetriebsverordnung von 1938 letztlich bestätigt. Die Versorgungsbetriebe der Gemeinden sind mit dieser Verordnung zu einem Eigenbetrieb zusammenzufassen und erhalten durch die Betriebssatzung den Namen Gemeindewerke (Stadtwerke) (Ambrosius 1995:33). Die Eigenbetriebsverordnung wurde in kaum veränderter Form in die Landesgesetze der Bundesrepublik übernommen. Regiebetriebe müssen damit verbindlich in Eigenbetriebe überführt werden. Mit der Gebietsreform der 60er und 70er Jahre setzte sich das Verbundsystem auch über die kommunalen Grenzen hinaus durch. Städte, Randgemeinden und Landkreise schlossen sich mit dem Ziel einer kostengünstigen Versorgung zu Zweckverbänden zusammen.

2.4. Das dezentrale Organisationsprinzip und die Rolle der Kommunen in der Trinkwasserversorgung

2.4.1. Das dezentrale Organisationsprinzip

Im Gegensatz zu anderen westeuropäischen Staaten wurde in Deutschland der moderne Nationalstaat mit zentralstaatlichen Einrichtungen von den Territorialfürsten ausgebildet und nicht zentralstaatlich geplant wie in Frankreich oder England. Deutschland besitzt aus dieser Tradition eine föderale Struktur, in der staatliche Aufgaben auf Bund und Länder übertragen werden. Dem Bund steht die Rahmengesetzgebungskompetenz zu, d.h., dass bundesgesetzliche Regelungen auf eine Ausfüllung durch die Landesgesetzgeber hin angelegt sein müssen.

In der Trinkwasserversorgung stellt das 1957 auf Bundesebene eingeführte Wasserhaushaltsgesetz (WHG) den wasserrechtlichen Rahmen dar, innerhalb dessen alle Länder ihre eigenen Landeswassergesetze gestalten können (Schäfers 1999:8). Besonders deutlich wird staatlicher Handlungsbedarf aufgrund der Ressourceneigenschaften von Trinkwasser. Hierbei handelt es sich um ein lebensnotwendiges Grundnahrungsmittel, welches sich nicht durch andere Grundnahrungsmittel substituieren lässt. Über die zunehmende Gewässer- und Umweltverschmutzung wird die Eignung von Wasser für den menschlichen Gebrauch herabgesetzt und eine Aufbereitung der Ressource in der Zukunft sowohl bedeutender als auch kostspieliger. Damit hat die flächendeckende Bereitstellung von sauberem Trinkwasser wesentliche hygienische und gesundheitliche Implikationen und macht eine staatliche, gesetzliche Kontrolle der Versorgung erforderlich.

Mit der Rahmengesetzgebung stellt der Staat (Bund und Länder) die gesetzlichen Vorgaben, die Festlegung von Standards und rechtsstaatliche Zwangsmittel zur Verfügung (siehe Kapitel 2.3.). Während Kommunen und von ihnen bestellte Gemeindeverbände als eigentliche Betreiber der Versorgungsleistungen in Erscheinung treten. Den Bundesländern bleibt aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Wasserrechts und des Kommunalrechts ein wesentlicher Gestaltungsraum für die kommunale Wasserversorgung. Nach Art. 28 Abs. 2 GG haben Kommunen jedoch das Recht, „alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln“ Die Leistungen der Trinkwasserversorgung und Abwasserentsorgung fallen unter die traditionellen Pflichtaufgaben der Kommunen, welche die gemeinwohlorientierte[16] Versorgung der Bürger mit Gütern und Dienstleistungen umfassen. Städte und Gemeinden sind unter den Maßgaben übergeordneter Gesetze für die Erfüllung dieser Aufgabe verantwortlich. D.h. jedoch nicht, dass die Leistungserstellung ausdrücklich in der Hand der jeweiligen kommunalen Verwaltung liegen muss. Aus dem Selbstverwaltungsrecht der Kommunen ergibt sich ihre Organisationshoheit, das Recht, eigenständig die Verwaltung nach ihren Anforderungen zu organisieren.

Die Gemeindeordnungen der meisten Länder überlassen es den Kommunen, in eigener Verantwortung über die Rechtsform ihrer Unternehmen zu entscheiden.[17] Ausschlaggebend für den organisatorischen Gestaltungsspielraum ist das jeweilige Landeswassergesetz. Zahlreiche Landeswassergesetze wurden in den letzten Jahren novelliert. Einige Bundesländer normieren bereits Voraussetzungen für eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung. Dennoch fehlen oftmals eindeutige Regelungen zur Aufgabenverantwortung und zu den Möglichkeiten, Private in die Aufgabenerfüllung der Trinkwasserversorgung einzubeziehen. Auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 2 GG kann der Landesgesetzgeber die Wasserversorgung als freie oder als pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe in dem entsprechenden Landeswassergesetz normieren. Je nach Aufgabengestaltung sind in den einzelnen Ländern unterschiedliche Grade von Privatisierung möglich. Nur in einem Teil der Bundesländer, in Hessen, Bayern, Rheinland-Pfalz sowie den neuen Bundesländern, ist die Wasserversorgung als eine gesetzliche Pflichtaufgabe mit Selbstverwaltungscharakter in den Landeswassergesetzen festgeschrieben.

Kommunen dieser Länder können über die praktische Umsetzung ihrer gesetzlich zugewiesenen Aufgabe frei entscheiden. Bei der Frage, ob die Trinkwasserversorgung durch die Kommunen durchgeführt werden muss, wird die Wahlfreiheit durch den Status einer Pflichtaufgabe eingeschränkt und die Kommunen zur Erledigung der Aufgabe gesetzlich verpflichtet.[18] Eine vollständige materielle Privatisierung, d.h. die Ausgliederung der Versorgungsaufgabe durch einen vollständigen Verkauf ist beispielsweise nicht möglich. Kommunen können die Verantwortung für Pflichtaufgaben nur auf Körperschaften des öffentlichen Rechts übertragen, die Leistungserstellung kann an Private delegiert werden (Kraemer1997:38).

In anderen Bundesländern wie Baden-Württemberg oder dem Saarland hat man dagegen auf eine Ausgestaltung der Wasserversorgung als Pflichtaufgabe verzichtet. In diesen Ländern ist die Trinkwasserversorgung dem Bereich der freiwilligen Selbstverwaltung zugeordnet. Damit liegt es grundsätzlich im Ermessen der Kommune, ob und wie sie ihre Aufgabe erfüllt. Eine vollständige und damit auch grundsätzlich unwiderrufliche Aufgabenübertragung (Leistungserstellung und Verantwortung) auf Private ist in diesen Fällen rechtlich möglich. Falls die Gemeinden die Versorgungsverhältnisse nicht mehr inhaltlich mitgestalten, wird das Selbstverwaltungsrecht aufgegeben und das Versorgungsunternehmen unterliegt dem gesetzgeberischen Zugriff des Bundes (BMWi 2001:17).

2.4.2. Kommunale Entscheidungshoheit und die zentrale Stellung der Kommunen in der Trinkwasserversorgung

Städte und Gemeinden schaffen und beaufsichtigen die für die infrastrukturelle Versorgung ihrer Einwohner erforderlichen Einrichtungen und Aufgaben. Im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts und zur eigenverantwortlichen Durchführung dieser Versorgungsleistungen stehen den Kommunen verschiedene Organisationsformen zur Verfügung. Ihnen steht dabei die kommunale Entscheidungshoheit in diesem Bereich zu. Jede Kommune ist dafür verantwortlich, die für ihren individuellen Fall bestgeeignete Lösung zu finden. Der kommunale Entscheidungsprozess dreht sich dabei um das Kriterium, inwieweit sich die Aufgabenerfüllung im Bereich der hoheitlichen Betätigung zu bewegen hat oder sie nach wirtschaftlichen Kriterien ausgerichtet sein soll.[19] Damit ist die Entscheidung verbunden, bis zu welchem Grad die Kommune über die Wahl der Organisationsform Einfluss auf die Art der Aufgabenerfüllung nehmen muss. Ob Eigenbetrieb, ob GmbH oder AG in alleiniger kommunaler Eignerschaft, ob öffentlich-private Partnerschaft, ob Querverbund oder Spartenorganisation, den Kommunen steht ein Auswahl von Organisationsformen zur Verfügung.

Die vielfältigen Organisationsmöglichkeiten können unter dem Begriff der öffentlichen Einrichtungen subsumiert und nach Betrieben der unmittelbaren Kommunalverwaltung und Unternehmen der mittelbaren Kommunalverwaltung unterschieden werden. Kommunale Unternehmen sind aus der unmittelbaren Kommunalverwaltung ausgegliederte, verselbstständigte Verwaltungseinheiten, die einen eigenständigen Verwaltungszweck innerhalb der Gesamtverwaltung des kommunalen Trägers erfüllen (Cronauge 1997:34). Mögliche Unternehmensformen von kommunalen Unternehmen lassen sich in zwei große Gruppen unterteilen, nämlich in Organisationsformen des öffentlichen und des privaten Rechts. Mit öffentlich-rechtlich bezeichnet man Organisationsformen, die ausschließlich einem Träger der öffentlichen Verwaltung zur Verfügung stehen, während privatrechtliche Organisationsformen von Privatpersonen und Trägern der öffentlichen Verwaltung in Anspruch genommen werden können. Neben der Unterscheidung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Organisationsformen ist der nachstehenden Abbildung zu entnehmen, dass eine weitgehende Differenzierung nach der Rechtsfähigkeit[20] der Organisation und nach dem Grad der Verselbstständigung gegenüber der Kommunalverwaltung vorgenommen wird.

Abb.3: Rechtsformen kommunaler Unternehmen[21]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Eigenbetriebe und Zweckverbände gehören zu den klassischen öffentlich-rechtlichen Unternehmensformen von WVU. Der Eigenbetrieb ist rechtlicher Bestandteil der Kommune, jedoch in Bezug auf Rechnungsstellung und Organisation von der allgemeinen Verwaltung als Sondervermögen unabhängig. Anstalten des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit dürfen durch Kommunen nur auf der Grundlage eines speziellen Gesetzes gebildet werden.[22] Daneben haben sich Zweckverbände sowie Wasser- und Bodenverbände als Institutionen der interkommunalen Zusammenarbeit z.B. in der überregionalen Wasserversorgung etabliert.

Organisationsformen des Privatrechts lassen sich grundsätzlich in Personalgesellschaften und Körperschaften einteilen. Die GmbH&Co.KG ist eine Personalgesellschaft, an der eine GmbH als einziger persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist. Im Verhältnis zu den reinen Körperschaften GmbH und AG hat die GmbH&Co.KG jedoch im kommunalen Bereich kaum Bedeutung erlangt. Das Stammkapital kommunaler Unternehmen, die als Eigengesellschaften bezeichnet werden, befindet sich vielfach in einer Trägerkörperschaft der öffentlichen Hand. Neben der Verbandsstruktur als öffentlich-rechtliche Gestaltungsmöglichkeit interkommunaler Zusammenarbeit stehen den Kommunen auch die privatrechtlichen Optionen zur Bildung von kommunalen Kooperationen zur Verfügung. Für Gemeinschaftsunternehmen kommen in erster Linie die Kapitalgesellschaften GmbH und AG in Betracht, an denen mehrere Kommunen im Rahmen von gemischt-öffentlichen Beteiligungsgesellschaften zusammenwirken.[23]

Die zentrale Stellung der Kommunen in der Trinkwasserversorgung

Der Suche nach der geeigneten Unternehmensform des kommunalen Versorgungsbetriebes nachgelagert ist die Entscheidung über die Festlegung der Trinkwasserpreise. Die Ausgestaltung der Entgelte für Trinkwasser hängen im Wesentlichen von der gewählten Organisationsform des Versorgers ab. Handelt es sich um einen öffentlichen Versorger, kann die Kommune wählen, ob sie Gebühren und Beiträge nach dem Kommunalabgabengesetz der Länder (KAG) oder privatwirtschaftliche, zivilrechtliche Entgelte erhebt.[24] Die Wasserpreise werden von WVU nach den Grundsätzen des Gebührenrechts festgelegt (Kostendeckung, Gleichbehandlung und Äquivalenz) und von den Vertretern der Gemeinde genehmigt.

In Deutschland besetzen Kommunen über die Kontrolle der Gebühren- bzw. Preisfestsetzung, der Betriebsstrategie und vor allem durch die Aufgabenverantwortung eine intermediäre Position zwischen Staat und Bürgern. Die mit den Begriffen kommunale Selbstverwaltung und am gemeinwohlorientiertem Handel umschriebene Stellung der Kommunen äußert sich u.a. in einer kommunalen Infrastrukturpolitik und der demokratischen Legitimation kommunalen Handelns. Die demokratische Kontrolle von kommunalen Eigenbetrieben wird über den kommunalen Rat und den sogenannten Werksausschuss gewährleistet. Die Steuerzahler als eigentliche „Anteilseigner am kommunalen Unternehmen“ können durch die Stimmabgabe bei den Kommunalwahlen ihren Einfluss auf den Rat und damit indirekt auf den kommunalen Eigenbetrieb ausüben. Aufgrund ihrer Beiträge zur Stadtentwicklung, zur Wirtschaftsförderung sowie zum Umwelt- und Ressourcenschutz sind die Versorgungsunternehmen wichtige Instrumente der Städte und Gemeinden. Kommunale Unternehmen stützen u.a. die kommunalen Finanzen, indem sie die erwirtschafteten Gewinne zusammen mit den Konzessionsabgaben an ihre Eigentümer abführen.

Nicht private Versorgungsunternehmen wie in England[25] oder die für Frankreich typischen Betreibergesellschaften stellen damit das Beziehungsgefüge zwischen Staat und Verbraucher her, sondern die zentrale Rolle in der Trinkwasserversorgung nehmen selbstständige, handlungsfähige Kommunen ein. Anstelle einer Kontrolle privater Monopole von außen wie im Falle der englischen Wasserversorgung[26] und einem Wettbewerb um den Markt[27], wie er in Frankreich betrieben wird, kann im „deutschen Regulierungsmodell“ der Einfluss auf den Betrieb durch Eigentümerrechte ausgeübt werden (Kraemer 1997:289). Das Eigentum an klassischen Betrieben von Infrastruktursystemen liegt überwiegend bei den Kommunen. Im Großen und Ganzen liegt kein privates Gewinnmotiv vor; die kommunalen Betriebe der Wasserversorgung werden unter Gewinnverzicht geführt. Grundsätzlich lässt sich konstatieren, dass die Kommunen in Deutschland zum einen grundsätzlich über das Recht verfügen, die Wasserversorgung sowie ihre Verwaltungsorganisation Entsprechend der Maßgaben übergeordneter Gesetze frei zu regeln. Zum anderen obliegt ihnen die Regelung der Versorgungsbedingungen sowie der Erlass der Benutzungs- und Gebührenordnung.

2.5. Die Theorie natürlicher Monopole und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen

Nach traditioneller Auffassung unterliegt die Bereitstellung öffentlicher Güter und Dienstleistungen einem staatlichen Angebotsmonopol. In der Trinkwasserversorgung wird die staatliche Monopolstellung primär mit der güterspezifischen Besonderheit der Ressource Wasser begründet. Sekundär rechtfertigt die Existenz natürlicher Monopole staatliche Eingriffsmaßnahmen.

Ein natürliches Monopol bezeichnet eine Marktsituation, in der ein einzelnes Unternehmen zu deutlich niedrigeren kostendeckenden Preisen den Markt versorgen kann als zwei oder mehrere Unternehmen.[28] Nach der klassischen Definition werden „Economies of Scale“ d.h. Größenvorteile über den gesamten Marktbereich, sowie sinkende Durchschnittskosten mit natürlichen Monopolen in Zusammenhang gebracht. Mit wachsendem Output nehmen die Produktionskosten nur unterproportional zu. Über die produktionstechnischen Eigenschaften der Trinkwasserversorgung entstehen Marktformen, die automatisch – dies wird mit dem Begriff natürlich impliziert – zur monopolistischen Wettbewerbsform tendieren (Spelthan 1994:42).

Zu den natürlichen Monopolen werden alle netzgebundenen Infrastruktureinrichtungen gezählt. Kennzeichnend für diese Sektoren sind die hohen Investitionskosten (Sunk cost), die beim Errichten und Betreiben leitungsgebundener Unternehmen auftreten. Die Leitungsgebundenheit und die sich daraus ergebende Kostencharakteristik sind bestimmend für die Unternehmensstruktur. Im Gegensatz zu anderen Lebensmitteln, wie z.B. Brot, können die Konsumenten nicht zwischen verschiedenen Anbietern wählen. In der Trinkwasserversorgung existiert weltweit kein einziger Fall, wo sich die Verbraucher den Wasserversorger auswählen können.

Nach Auffassung der klassischen Theorie natürlicher Monopole muss der Staat deshalb in das Marktgeschehen eingreifen, um zum einen den Marktzutritt und zum anderen den Monopolisten in seiner Preis- und Mengenfestsetzung zu regulieren.[29] Aus diesem Grund wird der Trinkwasserversorgung eine wettbewerbsrechtliche Sonderstellung eingeräumt, in der Verbote wettbewerbswidrigen Verhaltens keine Anwendung finden. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB)[30] eröffnet durch die §§ 103, 103a und 105 die Möglichkeit, die Monopolstellungen der Versorgungsberechtigten in der öffentlichen Trinkwasserversorgung rechtlich abzusichern. Diese Regelungen haben zur Folge, dass Konzessions-[31] und Demarkationsverträge[32] von den kartellrechtlichen Vorschriften der §§ 1, 15, 18 GWB freigestellt und kommunale Versorgungssysteme maßgeblich in ihrer Monopolstellung gestärkt werden.[33]

Mit der Errichtung gesetzlich geschützter Gebietsmonopole soll die Versorgung mit Trinkwasser und Löschwasser zum Brandschutz[34] für alle Bürger flächendeckend sichergestellt werden. Gerade wenn sich das Infrastruktursystem im Aufbau befindet, kann im Gegensatz zu einer reinen Marktlösung durch eine öffentliche und damit gemeinschaftliche Finanzierung sichergestellt werden, dass auch entlegene Gebiete an das Trinkwassernetz angeschlossen werden (Kluge et all 2003:10). Aufgrund der gemeinwirtschaftlich organisierten Wasserversorgung wird es notwendig, in den jeweiligen kommunalen Satzungen einen Anschluss- und Benutzungszwang festzuschreiben. Darunter versteht man die Verpflichtung des einzelnen Bürgers und von Wirtschaftsunternehmen, sich an die öffentliche Trinkwasserversorgung der Kommune anzuschließen. Der Hintergrund dieser in den gemeindlichen Satzungen geregelten Pflicht ist ordnungs- und polizeirechtlicher Natur. So können zum einen hygienische Standards eingehalten und zum anderen über die gemeinwirtschaftliche Finanzierung die Gewährleistung der Trinkwasserversorgung sichergestellt werden. Die technisch-wirtschaftlichen Besonderheiten der Versorgung über Leitungssysteme und die außerordentliche Bedeutung der Wasserversorgung für Menschen und Wirtschaft haben dazu geführt, dass dieser Sektor als öffentliche Aufgabe durch Staat und Gemeinden sichergestellt wird.[35]

2.6. Räumliche und sektorale Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland

2.6.1. Räumliche Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland

Aus der Kombination des dezentralen kommunalen Organisationsprinzips und der Möglichkeit, über das GWB Gebietsmonopole abzusichern, hat sich eine kleinteilige Versorgungsstruktur in Deutschland herausgebildet. Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamtes versorgen etwa 6560 Wasserversorgungsunternehmen 81,6 Millionen Einwohner in 13.364 Kommunen (Statistisches Bundesamt 2003:13). Fast jede zweite deutsche Gemeinde besitzt damit – rein rechnerisch gesehen – einen Wasserversorger mit jeweils eigenem Verwaltungsapparat. Diese Kleinteiligkeit in der deutschen Trinkwasserversorgung wird bei einem Vergleich mit Versorgungsstrukturen in europäischen Nachbarländern besonders deutlich. Während in Deutschland 1998 statistisch auf 1 Million Einwohner mehr als 88 (2001 80,3) WVU kamen, versorgt in Frankreich oder in England durchschnittlich weniger als einem WVU die gleiche Anzahl von Menschen.

Abb.4: Zahl der Wasserversorgungsunternehmen im internationalen Vergleich[36]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Neben den Gegensätzen auf internationaler Ebene zeichnen sich die Versorgungsstrukturen auf Bundebene ebenfalls durch ein sehr heterogenes Bild aus. Die große Anzahl von Unternehmen bedeutet nicht, dass nur kleine und mittlere Unternehmen am Markt präsent sind. In den Stadtstaaten Hamburg, Bremen und Berlin mit je einem, höchstens zwei großen WVU als auch im bevölkerungsreichen Nordrhein-Westfalen konnten im Gegensatz zu anderen Bundesländern relativ große WVU entstehen. Sowohl die Hamburger Wasserwerke und die Berliner Wasserbetriebe als auch die einzigen beiden privaten Wasserbetriebe in der „klassischen Struktur,“ die Gelsenwasser AG und die Rheinisch Westfälischen Wasserwerke in Nordrhein- Westfalen, versorgen jeweils eine bis mehrere Millionen Menschen.

Besonders zersplittert ist dagegen die Versorgungslage in den Flächenstaaten Bayern und Baden-Württemberg, wo statistisch 200 bzw. 140 WVU auf je 1 Million Einwohner kommen (siehe Abb. 5). Im dünn besiedelten ländlichen Raum versorgen nach wie vor viele Klein- und Kleinstunternehmen die nur wenigen Haushalte mit größtenteils verbrauchsnahen Ressourcen. Die Versorgungsstrukturen in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein sind kleinteilig und werden von öffentlich-rechtlichen Unternehmensformen dominiert, während sich die Strukturen in den ostdeutschen Bundesländern davon unterscheiden und sich aus den Entwicklungen in der Systemtransformation herleiten lassen.[37]

Abb.5: Wasserversorgungsunternehmen nach Bundesländern[38]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.6.2. Sektorale Struktur der Trinkwasserversorgung in Deutschland

Wie in den letzten Abschnitten deutlich wurde, haben Siedlungsstruktur und Verwaltungsgebietsgrenzen eine Versorgungsstruktur herausgebildet, in der viele Kleinstversorger einen geringen prozentualen Anteil der Bevölkerung in den ländlichen Räumen und wenige große Versorger einen großen Anteil der Bevölkerung in den Agglomerationen versorgen. „Etwa zwei Drittel der Unternehmen versorgen zwischen 50 und 3.000 Einwohner und liefern ca. 4 % der Gesamtwassermenge. Mehr als 90 % der Wassermenge werden dagegen von einem Drittel der Unternehmen geliefert. Der Konzentrationsgrad bei den großen Wasserversorgern ist nicht sehr hoch. Die zehn größten Wasserversorgungsunternehmen liefern an die Haushalte ein Fünftel des Gesamtaufkommens“ (Grobosch 2003:116). Im Bezug auf die Rechtsform der Unternehmen stehen einer großen Anzahl sehr kleiner, meist öffentlich-rechtlich geführter Unternehmen, wenige größere, meist privatrechtliche Wasserversorger gegenüber. Zweckverbände und vor allem Eigenbetriebe haben sich als klassische Organisationsform der Trinkwasserversorgung durchgesetzt. Noch 1995 machten Eigenbetriebe einen Anteil von 51,5% an der Gesamtzahl der Mitgliedsunternehmen des Bundesverbandes der Deutschen Gas- u. Wasserwirtschaft (BGW) aus.[39]

Die polypolistische Marktstruktur wird von vielen Klein- und Kleinstanbietern geprägt und ist eine Folge der genannten rechtlichen Rahmenbedingungen. Der Konzentrationsgrad ist gering. 12,5% der Unternehmen mit einem Umsatz von jeweils mehr als 5 Millionen DM erwirtschaften 76% des Branchenumsatzes (Opitz 2001:516). Eng verbunden mit der fragmentierten Anbieterstruktur ist die lokale Orientierung der WVU. Über 70% der Umsätze der Unternehmen stammen aus einem Umkreis von 50 km, während der Auslandsanteil am Umsatz nur bei 2% liegt (Opitz 2001:519).

Die Wasserversorgung zählt damit eher zu den kleinen, aber überaus investitionsstarken Branchen der deutschen Industrie und ist u.a. aus diesem Grund für private Investoren sehr interessant (siehe Kapitel 4.2.). Während nur um die 0,4% der industriellen Arbeitnehmer in der Wasserversorgung beschäftigt sind, waren 1999 2% des industriellen Sachkapitals dort angelegt (ISW 2002:8). Mit einem Umsatz von 15,3 Milliarden DM hatte sie 1998 einen Anteil von 0,6% am gesamten verarbeitenden Gewerbe. Bei der zukünftigen Entwicklung der Branche ist der strukturell sinkende Wasserverbrauch ein Hemmnis im Bezug auf die Steigerung der Unternehmensumsätze. Das Wasseraufkommen ist von 6.653,6 Millionen m³ im Jahre 1991 kontinuierlich auf die Marke von 5458,8 Millionen m³ 2001 gefallen (Statistisches Bundesamt 2003). Technischer Fortschritt, nachhaltige Konsumgewohnheiten und ein negativer Bevölkerungssaldo führen zu einem sinkenden Wasserverbrauch, dem ein überdimensioniertes Versorgungsnetz gegenübersteht. Etwa 80% der bei der Trinkwasserversorgung entstehenden Kosten sind fixe und nur 20% variable Kosten. Daraus folgt, dass bei der heutigen Kostenstruktur von einem geringen Festpreis (Anschlusspreis) und einem hohen Arbeitspreis ein sinkender Verbrauch zu tendenziell steigenden Kubikmeterpreisen führt.

Ingesamt wird durch die Sonderregelungen im Kartellrecht und dem Selbstverwaltungsrecht die entscheidende Position der Kommunen in der Ausgestaltung der lokalen Wasserversorgung deutlich. Diese ordnungspolitischen Rahmenbedingungen finden sich in der fragmentierten Versorgungs- und Marktstruktur der deutschen Trinkwasserversorgung wieder. In der heutigen Situation mit einem Anschlussgrad von 99% stellt sich auf nationaler und internationaler Ebene die Frage, ob sich mit einer öffentlich-rechtlichen Leistungserstellung das optimale Modell für die Organisation der Wasserversorgung durchgesetzt hat. Letztlich steht das in Deutschland aus dem kommunalen Selbstverwaltungsrecht erwachsene Verständnis der Trinkwasserversorgung als Leistung der Daseinsvorsorge auch in einem gewissen Widerspruch zur aktuellen Wirtschaftspolitik in Deutschland und zum europäischen durch den Wettbewerbs- und Binnenmarktgedanken geprägten Verständnis[40] (UBA 2001:33).

3. Veränderungen der Rahmenbedingungen: Paradigmenwechsel in der Wirtschaftspolitik

Jahrzehntelang war die Deregulierung und die Privatisierung der Wasserwirtschaft kein Thema und die fragmentierte Betriebs- und Versorgungsstruktur in Deutschland durch ihren im internationalen Vergleich hohen Standard anerkannt. Seit einigen Jahren haben jedoch durch die Privatisierung effiziente Versorgungsstrukturen und Wettbewerb erheblich an Bedeutung gewonnen. Es stellt sich die Frage, woher diese Entwicklung der Beteiligung von Konzernen an kommunalen Versorgungsunternehmen eigentlich kommt. Im nächsten Abschnitt werden deshalb politisch-ökonomische Grundlagen dargestellt, vor deren Hintergrund die Privatisierungsbestrebungen ihre Akzeptanz und Dynamik entfaltet haben.

3.1. Neoliberale Konzepte der Privatisierung, Liberalisierung und Deregulierung

In den 1970er Jahren geriet die Gesellschaftsformation, die für die Nachkriegszeit bis in die 1970er Jahre prägend war und als Fordismus bezeichnet wurde, in eine strukturelle Krise. Umbrüche und Neubestimmungen des Verhältnisses von Arbeit und Kapital sowie von Politik und Ökonomie führten im Laufe der 1980er und 90er Jahre zu einer neuen Formation, die gemeinhin als Neoliberalismus[41] bezeichnet wird (Fette 2003:20). Kernforderungen neoliberaler Theorien und Programme sind die Durchsetzung eines sich selbst regulierenden Marktes und freien Wettbewerbs sowie die Rückgewinnung individueller Freiheit gegen den größer werdenden Einfluss des Staates. Dabei wird davon ausgegangen, dass Markt und Freiheit einander bedingen; Freiheit ist im Wesentlichen die ökonomische Freiheit des Unternehmers (Brand 2000:58). Während der Markt in der Klassik und der Neoklassik (Gleichgewichtstheorie) noch als ein Instrument angesehen wird, das eine optimale Allokation der Güter und Produktionsfaktoren ermöglicht, wird er in den neoliberalen Theorien vor allem als ein Instrument wahrgenommen, welches über Preise Informationen des komplexen Gesellschaftssystems erschließbar macht. Die freien Kräfte des Marktes ermöglichen erst den Selektionsprozess im Wettbewerb und legitimieren damit persönlichen Reichtum bzw. gesellschaftliche Ungleichheit.[42] Transferleistungen zur Verminderung der sozialen Ungleichheit, die Gemeinwohlorientierung der Kommunen haben in dieser Marktkonzeption keinen Platz und werden als ideologisch diffamiert.

Mit dem Durchbruch neoliberaler Politik durch die Wahl Margaret Thatchers 1979 in Großbritannien und Ronald Reagans 1981 in den USA wurden der Politik fertige Lösungsvorschläge präsentiert. Diese kann mit den Schlagwörtern Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung wiedergegeben werden: Während die Liberalisierung eine Öffnung der Aufgabenerledigung bedeutet und die Privaten neben die Hoheitsträger (Kommunen) treten, zieht sich bei der Privatisierung die öffentliche Hand in verschiedenen Abstufungen aus ihrer bisherigen Aufgabenwahrnehmung zurück (Fischer/ Zwetkow 2003:281). Deregulierung dient der Reduzierung von staatlichen Regeln und Normen, welche die wirtschaftliche Handlungsfreiheit sowie Marktmechanismen einschränken. Deregulierung und Privatisierung sind zwar formal völlig unterschiedliche Prozesse, sie verzahnen sich allerdings in der Zielsetzung, staatliche Aufgaben auf privatwirtschaftliche Initiativen zu übertragen.

Abb.6: Mechanismen von Liberalisierung und Privatisierung[43]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Wie die obenstehende Graphik verdeutlicht, erweitert jede Art von Liberalisierung und Deregulierung den Spielraum privater Akteure bei der Bereitstellung eines Angebotes. Dieser Prozess schränkt gleichzeitig die Regulierungsoptionen der öffentlichen Hand ein. Gleichzeitig verschärft eine Verschiebung auf der horizontalen Achse Zielkonflikte zwischen öffentlichem Versorgungsanspruch und Gewinnstreben.

[...]


[1] Vgl. BMWi 2001.

[2] Im deutschsprachigen Raum erschienen hierzu zwei zentrale Studien: UBA (2000) sowie BMWi (2001).

[3] Der Stand der derzeitigen Liberalisierungsdiskussion kann mit den folgenden zwei Grundaussagen wiedergegeben werden: Die Wasserversorgung ist nicht mit der Strom- und Gasversorgung oder Telekommunikation. vergleichbar. Eine Liberalisierung, ein Wettbewerb im Markt, wird unter den gegebenen naturwissenschaftlichen, technischen, hygienischen und strukturellen Randbedingungen der Wasserversorgung keine Bedeutung haben (Mehlhorn 2000:8).

[4] Multi-Utility bezeichnet die umfassende Versorgung mit leitungs- bzw. netzgebundenen Gütern, d.h. die Bereitstellung von Strom, Gas und Wasser aus einer Hand.

[5] Zusätzlich sind administrative Einheiten für den Zuschnitt der Versorgungsgebiete prägend – ein Kritikpunkt, der vor allem bei der Beurteilung der Versorgungsstruktur eine Rolle spielt.

[6] Quelle: Mehlhorn 2001:33.

[7] Quelle: Opitz 2001:517.

[8] In besonderen Fällen haben sich Städte und Gemeinden zur Gemeinsamen Wasserförderung zu Zweckverbänden zusammengeschlossen. In der Region Mittelhessen versorgt beispielsweise der Zweckverband Mittelhessische Wasserwerke knapp 80 Gemeinden im Kreis Marburg-Biedenkopf. Als „Großhändler“ für Wasser stellt der Verband die Infrastruktur für das Verbundsystem zur Verfügung und fördert und verteilt etwa 17 Millionen Kubikmeter Wasser innerhalb und außerhalb des Verbandsgebietes. Die örtlichen Stadtwerke und Wasserversorgungsunternehmen können somit ihre ortsnahen Vorkommen mit Wasser aus dem Verbundsystem ergänzen und an die Endnutzer weitergeben (OP 2003).

[9] In der Literatur ließ sich keine Klassifizierung von den in Deutschland bestehenden Wasserversorgern finden.

[10] Quelle: Eigene Zusammenstellung.

[11] Die beiden Wasserkonzerne Gelsenwasser und RWW in Mülheim bestehen schon seit mehr als hundert Jahren in der Funktion von Großhändlern und Dienstleistungsunternehmen. Sie gehören bisher aber zu den Ausnahmen.

[12] In Berlin wurde beispielsweise 1856 von einem privaten Unternehmen damit begonnen, die erste zentrale Wasserversorgung mit englischem Kapital aufzubauen. Die „Berlin Wasserwork Compagnie“ erhielt in einem Staatsvertrag für 25 Jahre das Monopol, die Stadt Berlin mit Wasser zu versorgen. Es erwies sich als schwierig, das private Monopol zu regulieren und vor allem gesellschaftliche Ziele durchzusetzen, so dass die Verträge Ende der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts aufgelöst wurden (Scheele 1994:1).

[13] Im Bereich der Wasserversorgung hatte die private Bewirtschaftung zu erheblichen Nachteilen und Klagen geführt (monopolistisch überhöhte Preise, Vernachlässigung ganzer Stadtteile). Neben der Stadthygiene waren die Versorgungssicherheit und die Preiswürdigkeit Hauptgesichtspunkte einer öffentlichen Wasserwirtschaft (Himmelmann, G. 1986:39).

[14] Der Begriff Daseinsvorsorge ist wesentlich jünger als sein Gegenstand: Er wurde geprägt von Ernst Forsthoff, der ihn erstmals 1938 benutzte. Vgl. Scheidemann, S. 6. Die Definition dessen, was für die „Daseinsermöglichung des modernen Menschen“ erforderlich ist, ist dabei Gegenstand geschichtlicher Veränderungen und sozial-politischer Aushandlungsprozesse (Forsthoff zitiert nach Fette 2003:8).

[15] Die deutsche Gemeindeordnung von 1935 band die kommunalwirtschaftliche Betätigung an einen öffentlichen Zweck und wurde in dieser Fassung auch in die Gemeindeordnungen der Bundesländer übernommen.

[16] Der Begriff des Gemeinwohls umreißt das politische Effizienzprinzip und bedarf der politischen Definition.

Für die lokale Ebene heißt es in § 1 der Gemeindeordnung NRW: „Die Gemeinden sind die Grundlage des demokratischen Staatsaufbaues. Sie fördern das Wohl der Einwohner in freier Selbstverwaltung durch ihre durch die Bürgerschaft gewählten Organe.“ Danach ist es die Aufgabe des von den Einwohnern gewählten Rates einer Gemeinde, in freier Selbstbestimmung das Gemeinwohl zu formulieren (Wohlfahrt & Zühlke 1999:10).

[17] Das Recht auf Organisationshoheit erstreckt sich auf die freie Wahl zwischen Eigen- und Fremdversorgung, die freie Wahl zwischen verschiedenen Rechtsformen und zwischen öffentlich-rechtlicher und bürgerlich-rechtlicher Benutzungsordnung, die Gestaltung der Versorgungsbedingungen und der Maßnahmen zur Gewährleistung von Versorgungssicherheit (BMWi 2001:16).

[18] D.h. wenn eine Kommune die Leistungserstellung an ein privates Unternehmen delegiert hat und dieses geht in Konkurs, so ist die Kommune in der Situation gesetzlich verpflichtet, die Trinkwasserversorgung bei seinen Bürgern weiterhin zu gewährleisten.

[19] Wirtschaftliche Unternehmen sind solche Einrichtungen und Anlagen der Gemeinde, die auch von einem Privatunternehmen mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können (Cronauge 1997:136). Bei der Abwasserentsorgung handelt es sich im Gegensatz zur Wasserversorgung (wirtschaftliches Unternehmen) um eine hoheitliche Aufgabe, die in Regiebetrieben durchgeführt wird.

[20] Rechtsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.

[21] Quelle: Cronauge1997:61.

[22] In Berlin sind beispielsweise die lokalen Wasserbetriebe durch das Eigenbetriebsreformgesetz von 1993 in eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts umgewandelt worden (Cronauge 1997:65).

[23] Im Falle der zusätzlichen Einbindung von privatem Kapital spricht man von einer gemischt-wirtschaftlichen Beteiligungsgesellschaft.

[24] Öffentlich-rechtliche Wasserpreise unterliegen der Kommunalaufsicht der Länder, privatrechtliche Entgelte der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht (vgl. Daiber 1996).

[25] In England/Wales wurden Kommunen durch private Unternehmen ausgetauscht und in Frankreich besetzen die für das französische Organisationsmodell typischen Betreibergesellschaften diese Stellung.

[26] In England/Wales wurde den Kommunen die kommunale Wasserwirtschaft von der Thatcher-Regierung entzogen, verstaatlicht und in einem zweiten Schritt auf dem Kapitalmarkt an Investoren verkauft. Heute sind 10 große private Unternehmen und einige kleine Unternehmen für die Trinkwasserversorgung verantwortlich.

Private Monopole werden bei diesem Ansatz auf Dauer akzeptiert, da ein staatlicher Regulierungsapparat die negativen Auswirkungen der Monopolmacht begrenzen soll.

[27] In Frankreich vergeben die Gemeinden die Betriebsführung ihrer Wasserversorger üblicherweise an die großen privaten Unternehmen in zeitlich befristeten Verträgen. 70% der französischen Wasserversorgung wird durch die drei Konzerne Veolia, Suez und Saur abgedeckt. Diese Marktstruktur verhindert eine effiziente Regulierung über einen Ausschreibungswettbewerb, wie er bei einer zeitlichen Vergabe von Monopolen im französischen Modell angedacht ist (ISW 2002:21).

[28] Diese so genannte Subadditivität der Kostenfunktion gilt als Bedingung für das Vorliegen eines natürlichen Monopols.

[29] Genau an diesem Punkt setzt die Theorie der angreifbaren Märkte an; und stellt die klassische Auffassung natürlicher Monopole in Frage (siehe Kapitel 3.6.).

[30] Vgl. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vom 26.8.1998, in Kraft getreten am 1.1.1999.

[31] Konzessionsverträge, in denen sich eine Gebietskörperschaft gegenüber einem Versorgungsunternehmen verpflichtet, diesem das ausschließliche Recht der Verlegung und des Betriebs von Leitungen auf oder unter öffentlichen Wegen zu überlassen.

[32] Demarkationsverträge, mit denen sich Versorgungsunternehmen untereinander und mit Gebietskörperschaften über die Versorgungsgebiete absprechen.

[33] Unabhängige Erzeuger und Versorger haben derzeit keine Möglichkeit, in die verschlossenen Versorgungsgebiete einzudringen (UBA 2000:22).

[34] Für diesen Punkt haben sich Brandversicherungsgesellschaften unter anderem auch finanziell eingesetzt.

[35] Der Staat regulierte Sektoren wie die Wasserversorgung schon früh mit dem Ziel einer Sozial- und Strukturpolitik, um die Lebensverhältnisse der Arbeiterklasse zu verbessern.

[36] Quelle: http://www.oowv.de.

[37] In der DDR gab es aufgrund einer zentralistisch geplanten Wasserversorgung 1990 nur 16 staatliche Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsbetriebe (WAB). Im Zuge der Rekommunalisierung entstanden circa 550 Versorger (BMWi 2001:11). Die Kommunen haben sich in dieser Phase vor allem aufgrund ihrer Kapitalarmut und der hohen Investitionskosten in Zweckverbänden zur gemeinsamen Wasserversorgung zusammengeschlossen, weswegen es in den ostdeutschen Bundesländern im Vergleich zu Bayern oder Baden-Württemberg eine geringere Anzahl von Versorgungsunternehmen gibt.

[38] Quelle: Eigene Darstellung nach Daten des Statistisches Bunedsamt 2003.

[39] vgl. BGW Wasserstatistik. Bände 1970-2001.

[40] Die Europäische Union verfolgt hinsichtlich der Leistungen der Daseinsvorsorge einen wettbewerbsorientierten Ansatz, der sich in der Formulierung „Leistungen von allgemeinen wirtschaftlichen Interessen“ im Art. 16, 86 Abs. 2 des EG-Vertrages äußert und im Gegensatz zum klassischen Verständnis die Daseinsvorsorge auf solche Dienste beschränkt, die überwiegend wirtschaftliche Interessen befriedigen. Die Mitgliedsstaaten können jedoch aufgrund des Grundsatzes der Neutralität (Art. 295 EGV) nicht verpflichtet werden, öffentliche Unternehmen zu privatisieren, vielmehr behalten sie Gestaltungsfreiheit hinsichtlich Abgrenzung und Organisation der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (BMWi 2002).

[41] Der Begriff Neoliberalismus wurde in den 1940er Jahren von einer Gruppe von Wirtschaftswissenschaftlern eingeführt und als Sammelbezeichnung ihrer Theorien verwendet, die sich gegen Eingriffe des Staates in den Markt wandten. Sie hatten damit eine positive Neubestimmung des (Wirtschafts-) Liberalismus zum Ziel. Als Anstoß dafür kann das Buch „The Good Society“ von Walter Lippmann von 1938 gelten (Fette 2003:20). Er ist seither zu einem Sammelbegriff geworden, der vor allem oppositionellen Bewegungen und Parteien dazu dient, gegnerische Positionen negativ zu etikettieren (Walpen 2000:67). Der Begriff ist also ideologisch geprägt und belastet und seine Verwendung daher problematisch. Er wird in dieser Arbeit trotzdem verwendet, weil es an begrifflichen Alternativen mangelt.

[42] “The central value of Thatcher's doctrine and of neo-liberalism itself is the notion of competition--competition between nations, regions, firms and of course between individuals. Competition is central because it separates the sheep from the goats, the men from the boys, the fit from the unfit. It is supposed to allocate all resources, whether physical, natural, human or financial with the greatest possible efficiency” (vgl. Georg 1999 http://ratical.org/corporations/wwwmesgs/318.html ).

[43] Quelle: Fette 2003:15.

Excerpt out of 122 pages

Details

Title
Teilprivatisierung in der deutschen Trinkwasserversorgung: Analyse der Beteiligung von privaten Energie- und Wasserkonzernen
College
University of Marburg  (Geographie Marburg)
Grade
1,3
Author
Year
2004
Pages
122
Catalog Number
V38385
ISBN (eBook)
9783638374644
File size
2170 KB
Language
German
Notes
Wirtschaftsgeographie, Kommunalwissenschaften, empirische Wirtscjaftsforschung, Deutscher Wassermarkt, Konzernstrategien
Keywords
Teilprivatisierung, Trinkwasserversorgung, Analyse, Beteiligung, Energie-, Wasserkonzernen
Quote paper
Joerg Musiolik (Author), 2004, Teilprivatisierung in der deutschen Trinkwasserversorgung: Analyse der Beteiligung von privaten Energie- und Wasserkonzernen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/38385

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