Fotografie und Fortschritt. Ein Bogen um die Geschichte


Dossier / Travail, 2013

23 Pages, Note: 1,0

Claudia Schulze (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Begründung der Themenwahl

2 Die Geschichte der Fotografie bis 1839
2.1 Die frühen Anfänge
2.2 Silhouette und Physionotrace
2.3 Chemische Versuche Bilder zu fixieren
2.4 Kalotypie, Heliographie und Daguerreotypie
2.5 Verbreitung der Fotografie
2.6 Auf dem Weg zur modernen Fotografie

3 Das Neue Medium - ab 1839

4 Auf dem Weg zur modernen Fotografie
4.1 Die Kodak-Kamera
4.2 Festhalten von Bewegungsabläufen
4.3 Entstehung der Farbfotografie

5 Neuste Technik im Fokus

6 Zurück zu den Anfängen

7 Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

1 Begründung der Themenwahl

»In einem schwarzen Fotoalbum mit nem silbernen Knopf, bewahr ich alle diese Bilder im Kopf […]« rappt Sido in seinem Lied »Bilder im Kopf«. Doch die vielen Fotos, die wir mit unse ­ re Kamera zu jeder Festlichkeit, jedem Urlaub oder in anderen Momenten schießen, können gar nicht alle einen Platz im Fotoalbum erhalten. Stattdessen lungern sie in irgend einer Ecke im Computer oder werden ins Internet hochgeladen, um sie mit Bilder zu teilen und werden dann nie wieder angeschaut, weil man das Passwort seines Accounts oder das Sichern der Da ­ ten vor einer PC-Panne vergessen hat. So schnell wie Fotos geschossen werden, können sie in der heutigen Zeit auch wieder gelöscht werden. Manche entwickeln den Drang, sobald sie mit der Kamera unterwegs sind, alles zu knipsen, was ihnen vor die Linse kommt. Im Parisurlaub wird der Eiffelturm lieber 15mal fotografiert, damit auch wenigstens ein schönes Bild dabei ist, um der Familie zu Hause zu demonstrieren auch wirklich dort gewesen zu sein. Dadurch vergisst man vielleicht auch manchmal, statt wie verrückt Fotos zu machen, das Fotoziel genau anzuschauen und es erst einmal auf sich wirken zu lassen. Im Gegensatz zu den Jahren des 19. Jahrhunderts, ist das digitale Fotografieren eine Verschwendung von Bildern. Verschwendung im dem Sinne, weil man oft sehr viele Bilder macht, um ein gutes dabei zu haben und nicht eins macht und mit diesem zufrieden ist. Dadurch verlieren die Bilder einfach ihren Wert, wenn von ihnen viele vorhanden sind. Der Aufwand ein digital Foto entstehen zu lassen ist ziemlich einfach. Nicht zu vergleichen mit der Zeit vor der Digitalisierung, als Talbot, Niépce, Daguerre und Bayard chemische Experimente durchführten, um heraus zu finden, wie sich die Bilder einer Lochkamera fixieren lassen.

Um die Geschichte der Fotografie möchte ich gerne einen Bogen spannen. Es soll zu­ nächst aufgezeigt werden, wie alles begann und wie man Schritt für Schritt näher an das Ziel des Fotografierens heran kam. Die oben genannten Forscher haben viel zu der Geschichte der Fotografie beigetragen, doch es gibt noch mehr Wissenschaftler, die uns zum heutigen Stand der Technik geführt haben. Im Laufe der Zeit gibt es immer wieder neue Erkenntnisse, neue Wege einen Fotoapparat zu entwickeln, der Momente einfangen konnte und sie ewig macht. Die Zeit nach der Erfindung der Farbfotografie und den Heutigen Erkenntnissen habe ich stark gerafft, denn die technischen Systeme und Funktionsweisen eine Digitalkamera zu erklären, würde in diesem Format den Rahmen sprengen. Außerdem kann ich davon ausgehen, dass die Meisten, die in Europa oder die in technisch weit entwickelten Ländern leben, einen Zugang zu Kameras finden und über ihre Bedienung bestens Bescheid weiß. Zum Ende hin gebe ich eine kurzen Einblick beeindruckende Arten von Fotografie und wie damit die Aufnahmen gelingen. In einem weiteren Kapitel soll angedeutet werden, dass auch die alten Verfahren wieder im Trend liegen. Die Ondu Lochkamera von dem jungen Unternehmer Elvis Halilović, aus Slowe­ nien stammend, wird gut verkauft, denn interessierte Fotografen haben gemerkt, dass diese Einzigartigkeit und das einfache Verfahren auch ihren Reiz hat. Zudem nicht so teuer ist und nicht in den nächsten Jahren von irgendeiner neu entwickelten Lochkamera abgelöst werden kann. Der Bogen um die Geschichte meint, dass nach all den technischen Neuerungen auch der alternative und ältere Weg genutzt wird, mit dem man auch zum Ziel eines Fotos kommt und dieses dabei noch etwas Besonderes bleibt. Denn oft fragt man sich, ob die technischen Verfei ­ nerungen denn wirklich notwendig sind. Braucht man beispielsweise einen Touchscreen zum Bedienen der Kamera oder würden Tasten nicht einfach genügen, da der Touchscreen erfah ­ rungsgemäß sowie so schneller kaputt geht als normale Knöpfe. Ist das nötig ?

2 Die Geschichte der Fotografie bis 1839

2.1 Die frühen Anfänge

»Lichtstrahlen fallen durch ein Loch und erzeugen auf einer dahinter liegenden Fläche das Ab­ bild der angestrahlten oder leuchtenden Objekte, die sich vor dem Loch befinden. Beschrieben hatte diese[s] [!] Prinzip der Camera obscura (›dunkler Raum‹) bereits ARISTOTELES [400 Jahre vor Christus], der es für die Beobachtung einer Sonnenfinsternis empfahl.«1 Der bekann­ teste Philosoph der Antike beschäftigte sich zu seiner Lebenszeit nicht nur mit Staatstheorien, Ethik und Dichtungen, sondern seine Blicke wurden auch von den Sternen im Himmel angezo­ gen. Und so sollten seine Erkenntnisse den Vorgeschmack unserer heutigen Kamera bilden. Die Methode der Camera obscura ruhte erst einmal, denn die Menschen hatten andere Sorgen im Kopf. Die Antike endete und die zum Teil grausame Zeit des Mittelalters begann. Krankhei­ ten, Schlachten sogar Seuchen waren Thema des Alltags. So wurden erst 1000 nach Christus von Ibn Al Haitham Aufzeichnungen einer Lochkamera überliefert. Der muslimische Araber beschäftigte sich neben Mathematik und Astronomie auch mit der Physik. Mit seinen Experi­ menten konnte er die Sehstrahlen-Theorie widerlegen, an die die meisten Wissenschaftler der Antike bis dahin festhielten. Auch Aristoteles erkannte, dass wir nicht durch Sehstrahlen, die vom Auge ausgehen und unser Umfeld erblicken, sehen können, sondern das Licht unabhängig vom menschlichen Auge auf einen Körper fällt und sich den Weg durch ein Medium in unser Auge bahnt, sodass wir sehen können. Die Lochkamera die Al Haitham beschrieb, konnten zur Widerlegung der Theorie genutzt werden. So, wie das Bild verkehrt herum auf die Wand hin ­ ter dem Loch geworfen wird, so entsteht auch das Bild auf unserer Netzhaut. Das Loch ist mit unserem Auge zu vergleichen, von dem auch keine Strahlen ausgehen, damit wir die Umge­ bung wahrnehmen können.

»Die ersten Versionen [der Camera obscura] bestanden aus einem mannshohen Raum, der bis auf ein winziges Loch in einer Wand völlig dunkel war.«2 Durch Experimente stellte man schnell fest, dass sich die Objekte noch schärfer abbilden lassen, je kleiner das Loch ist. Es ist keine Überraschung, dass die Kamera in die Zeit der Renaissance aufkommt, denn sie war ein Inbegriff der Neuzeit. Stehend in einem dunklen Raum wird man zum stillen Betrach­ ter der Natur. Die Außenwelt wird dadurch mit einer völlig neuen Perspektive erblickt, weil man selber sonst immer ein Teil dieser Welt war. Außerdem wird man gezwungen sich mit Bild und Abbild der Realität auseinander zu setzen und Stellung zu nehmen. Der italienische Maler Leonardo Da Vinvi nutzte das Prinzip der »dunklen Kammer« und knüpfte an die Pro­ blematik des Sehens an. Nach Gerhard Plumpe heißt es, dass er den Lichteinfall in die Kamera und den in das Menschenauge verglich und somit bemerkte, dass sich mit der Menge des ein ­ fallenden Lichts durch eine Linse bzw. die Iris bestimmen lassen kann.3 »[…] Leonardo da Vin­ ci schuf die Voraussetzungen dafür, daß dieses Phänomen praktisch anwendbar wurde. Daß aber seine wichtigen Entdeckungen von 1490-1492 noch mehrere Jahrhunderte folgenlos blieben, lag daran, daß er seine Aufzeichnungen in einer Art Spiegelschrift verfaßte, die erst 1797 entschlüsselt werden konnte.«4 Leonardo Da Vinci starb 1519. »Im Jahre 1544 folgte der niederländische Physiker Reiner Gremma-Frisius den Empfehlungen Aristoteles´ und hielt sei­ ne Beobachtung einer Sonnenfinsternis mit Hilfe der Camera obscura in einer ersten Zeich­ nung fest.«5 Der venezianische Wissenschaftler Daniello Barbaro beschrieb in seinem Buch » La pratica della persepttiva «, wie er 1569 die Lochkamera mit einer geschliffenen Linse und einer Blende versah und es diese somit zu einem optischen Instrument erweiterte. Die Verfah ­ rensweise wurde unter den Künstlern beliebter, denn die Bilder, die durch das Loch an die ge ­ genüberliegende Wand geworfen wurden, konnten sie und Wissenschaftler als Zeichenhilfe nutzen, Gegenstände oder Landschaften getreu abzuzeichnen und räumliche Verhältnisse bes­ ser zu erkennen. Ein gewisser Grad an künstlerischen Fähigkeiten war aber trotzdem erfor­ derlich. Diese »dunkel Kammer« wurde im Laufe des 17. Jahrhunderts immer kleiner, bis man die Größe auf einen Holzkasten reduziert hatte. Zusätzlich wurde ein Spiegel einbaut, der das umgedrehte und seitenverkehrte Bild korrigierte.

2.2 Silhouette und Physionotrace

»Johann Zahn veröffentlichte bereits 1685 Zeichnungen von handlichen Geräten mit verschie­ denen Brennweiten und Spiegelreflex-Konstruktion.«6 Er färbte außerdem den Innenraum des Apparats schwarz, um mögliche Reflexionen von störenden Lichtquellen, die das Bild schwä­ cher wirken ließ, auszuschließen. »Auch die Entwicklung konkaver und konvexer optischer Linsen war zu Beginn des 19. Jahrhunderts so weit vorangeschritten, daß der Münchner J. v. Frauenhofer mit der erstmaligen Berechnung achromatischer Linsen und einer Methode zur Bestimmung der Brechungszahlen von Gläsern den vorläufigen bahnbrechenden Höhepunkt, die Feinoptik setzte.« Joachim von Frauenhofer war ein deutscher Optiker, dessen Leistungen wir den Anfängen des Fernrohrbau verdanken können und der der Namensgeber der heutigen Frauenhofer-Gesellschaft ist. Weiter heißt es bei Baatz: »Die Optik hatte zu dieser Zeit alle we­ sentlichen Voraussetzungen geschaffen, so daß nun das Herstellen geeigneter Glassorten, das Bearbeiten der Linsen und das Fassen der verschiedenen Linsenkombinationen in den Vorder­ grund rückten.«7

Am Ende des 18. Jahrhunderts erfand der französische Finanzminister ETIENNE DE SILHOUETTE das nach ihm benannte Silhouetten-Portrait mithilfe des Pantographen. Diese 1743 erfundene Vorrichtung nutzt Sonnenlicht oder eine künstliche Lichtquelle, um den Schatten beispielsweise eines Kopfes mechanisch verkleinert an eine zweite Vorrichtung zu werfen, an der man den entstandenen Umriss abzeichnete. Da dieses Verfahren einfach und gleichzeitig preisgünstig war, fand es viele Abnehmer in intellektuellen Kreisen der Gesell­ schaft. Der Silhouettierstuhl, erfunden von dem Gießener Rechtsgelehrten LUDWIG JULIUS FRIEDRICH HOEPFNER, machte diese Art de Portraitierens noch einfacher, da Kopf und Ober­ körper besser an der Abzeichnungsvorrichtung fixiert werden konnten. Das Bild wurde dann aus schwarzen Papier aus geschnitten und auf weißen Hintergrund geklebt. Die Zeichenma­ schine und gleichzeitig Gravurgerät von GILLES-LOUIS CHÉRITIEN, genannt Physionotrace, benutzte hingegen den Kupferstich als Medium, den man als Druckvorlage beliebig oft verviel­ fältigen konnte. Ein weiterer Vorteil ist, das man dafür keine bestimmten Fähigkeiten brauch­ te, man musste nur gut abzeichnen können.

Ein weiteres Instrument war die Camera lucida, die von dem englischen Wissenschaftler W. H. Wollaston 1806 entwickelt wurde. Die Funktionsweise ähnelt der der Camera obscura, außer, dass sie aus einem viereckigen Prisma besteht, der auf einem Standfuß befestigt und auf das Zeichenpapier gerichtet ist. Man blickt durch ein Loch über die Kante des Prismas und sieht die Umrisse auf dem Papier, welche nun maßstäblich abgezeichnet werden können. Solche Hilfsmittel nahmen zu der damaligen Zeit viele Künstler in Anspruch, um die in 3D gesehenen Objekte und Landschaften optimal in der 2-Dimensionalität umsetzten zu können, unter ihnen der Maler Caspar D. Friedrich. Somit waren die Weichen für weitere Erfindungen und Verbes­ serungen gestellt, die bis zum heutigen stand der Technik führten.

2.3 Chemische Versuche Bilder zu fixieren

»Kunst und Wissenschaft suchen auf verschiedenen Wegen, dasselbe Ziel zu erreichen: die ob­ jektive Registrierung der sichtbaren Erscheinung« So beschrieb Heinrich Schwarz den Drang der Wissenschaft und Kunst, Bilder festhalten zu können. In der Zeit der Romantik war das bloße objektive Abzeichnen der Natur immer mehr abgelehnt worden. Eine frühimpressionis­ tische Gesinnung war in den Köpfen mancher Maler, die verlangte, sich von den gestochenen Konturen zu lösen und die Linien allmählich verschwimmen zu lassen. Diese aufkommende Seite der Kunst stand im Gegensatz zur Kamera, die die Natur ohne Veränderungen detailreich wiedergab. Die Camera obscura verlor zu der Zeit immer mehr an Präsenz. »Johann Wolfgang Goethe ließ das Instrument zum Sammeln von Reiseeindrücken - die besonders zur Unterhal­ tung der Damenwelt geeignet schienen«8 - durchaus gelten. »Von deutschen Literaten wird die Fotografie als Ausdruck inhumaner Industrialisierung der Kultur empfunden. Als Phantasie tötende Mechanik wird sie weitgehend ignoriert, und nur ganz en passant finden sich über­ haupt ablehnende und geringschätzende Bemerkungen bei den Autoren wie Theodor Storm, Friedrich Hebbe, Gustav Freytag, Theodor Fontane oder Karl Gutzkow.«9

Proteste, mit den Worten: »Fotografie könne die gute Kunst nicht ersetzen«, folgten, denn die Maler fürchteten um ihre Existenz. Wenn man mit einem einzigen Auslösen von einer Kamera ein Portrait schießen kann, wozu braucht man dann noch Maler? Wissenschaftler phantasierten oft über die Errungenschaft Bilder zu Konservieren und so kamen sie auch manchmal zu ungewollten Ergebnissen. Der Chemiker Christoph Adolph Balduin bemerkte schon 1674 bei dem Herstellen von Kalziumnitrat, indem er Salpetersäure und Kreide mitein­ ander vermengte, dass es im Dunkeln anfängt zu leuchten, wenn es getrocknet war. Die Licht­ empfindlichkeit von Silbersalzen war schon lange bekannt, dennoch schaffte es Johann H. Schulze erst 50 Jahre später, bei einer Wiederholung des Versuchs Kalziumnitrat herzustellen, eine auf Licht empfindliche Substanz herzustellen, die dunkel wurde, sobald Licht einfällt. Es befanden sich unabsichtlich Silberrückstände in der Salpetersäure. »Die bedeutendsten, aber folgenlosen Experimente der Zeit vor der Erfindung der Fotografie machte THOMAS WEDG­ WOOD, der 1802 zusammen mit Humphrey Davy An Account of a Method [ … ] 10 veröffentlichte. Er kopierte Zeichnungen oder Silhouetten auf Glas, indem er sie bei Tageslicht auf eine mit Sil ­ bernitrat getränkte Unterlage […] platzierte.«11 Die Zeichnung brannte sich in das als Unterla­ ge verwendete Papier buchstäblich ein, doch das Ergebnis konnte nur im Finsteren aufgeho­ ben werden, da mit jedem Lichtstrahl der auf die Fläche einfiel, das Bild weiter schwarz wur­ de. Es musste eine Möglichkeit gefunden werden das Bild auf der Unterlage zu fixieren. »Hätteer sich die Entdeckung Carl W. Scheeles zunutze gemacht und zum Fixieren Ammoniak oder auch nur eine gewöhnliche Kochsalzlösung verwendet, wäre das viel versprechend gewesen«12

2.4 Kalotypie, Heliographie und Daguerreotypie

Gut 30 Jahre später machte Naturwissenschaftler William Henry Fox Talbot ähnliche Versu­ che. Er begann Kochsalz- und Silbernitratlösung auf Papier zu präparieren und stellte mit die­ sem Verfahren vergleichbare Fotogramme von Federn, Spitzen und Blättern her.13 1840 senkte er die Belichtungszeit der Bilder auf 60 Sekunden herab, denn er fand eine recht gute Sub­ stanz um das Fotopapier zu sensibilisieren. Dies gelang ihm, durch das transparente Papier, welches er mit einer Gallussäure-Silbernitrat-Lösung und Bienenwachs herstellte. Er legt es auf Salzpapier und erzielte somit eine positive Kontaktkopie oder auch Salzprint. So konnte er vermerken, wenn er für die Lichtzeichnung durchsichtiges Papier wählte und daraus eine zweite Zeichnung entstehen lässt, dann sind die Licht- und Schattenflächen genau entgegen gesetzt. Mit der Erkenntnis des Negativ-Positiv-Verfahren, mit dem man das entstandene Bild vervielfältigen konnte, ebnete er den Weg für die weiteren Errungenschaften der Fotografie, denn es bildet die Basis des Fotografierens, die bis heute gebräuchlich ist. Seine Kalotypie ließ er sich patentieren, war aber von ihm für wissenschaftliche Versuche freigestellt worden. Sei­ ne Versuche ließ er zunächst erst einmal ruhen. So reiste er viel durch Europa, um sein Verfah­ ren bekannt zu machen. Seine besten Jahre waren zwischen 1839 und 1845. Inzwischen hatte der Franzose Louis J. M. Daguerre, der parallel zu Talbot arbeitete, »[a]m 19. August 1839 im Institut de France sein neues Verfahren der Daguerreotypie der Öffentlichkeit vorgestellt. Seit­ dem gilt dieser Augenblick als die Geburtsstunde der Fotografie.«14 Doch dazu später mehr. Die Neuigkeiten ereilten nun auch England und Talbot, der nun seine Forschungspause been ­ dete. Er nahm seine Experimente wieder auf, um seine Methode zu verbessern. Am 31. Januar stellte Talbot der Royal Institution in London, deren Mitglied er war, seine Errungenschaft vor und wendete die Entdeckung der »Kunst der photogenischen Zeichnung« für sich ein. Dabei zeigte er auch seine ersten eigenen Bilder. »Und dies ist, wie ich glaube, der erste überlieferte Fall eines Hauses, das sein eigenes Portrait gemalt hat.«15 Er pflegte bei seinem Werk ›The Pen­ cil of Nature‹, 1844-1846 erschienen, erstmals Fotografien ein und hatte damit ein erste Foto­ album erstellt. Der Unterschied zur Daguerreotypie war, dass die Kalotypien nicht so einen äs­ thetischen wert hatten, weil sie nicht so silbern glänzten.

»Wohl schon während seines Militärdienstes 1793 auf Sardinien und dann wieder seit etwa 1813 experimentierte auch Joseph Nocephore Niepce aus Saint-Loup-de-Varenne bei Chalon-sur-Saone mit dem Ziel, die flüchtigen Bilder festzuhalten. Er hatte eine Mischung aus Asphalt und Lavendelöl auf Silberplatten aufgebracht, die so beschichteten Platten dem Licht ausgesetzt und anschließend mit Lösungsmittel übergossen,das die unbelichteten Partien der Beschichtung entfernte und so ein bleibendes Bild sichtbar werden ließ«16

Seine Verfahrensweise nannte er »Heliographie« und damit ist er der Fotografie ein ganzes Stück näher gerückt, obwohl die Belichtungszeit noch zu lang war. 1827 fand er leider wenig Anklang bei der Royal Society in London, als er seine Heliographie vorstellte und beschloss sich somit einen Partner für weitere Versuche an ihn zu binden. L. J. M. Daguerre unterschrieb den Vertrag von Niépce für eine Zusammenarbeit an dem Thema des Fixierens von Bildern. Davon profitierte Niépce, denn Daguerre war nicht nur finanziell besser gestellt, er besaß auch bessere Technik und weitreichende Kontakte. Schon nach 4 Jahren Zusammenarbeit verstarb der 68-Jährige Wissenschaftler, doch Daguerre war dennoch an den Vertrag gebun­ den. Er teilte Ihn nun mit Niécephores Erben, Isidore Niépce. Daguerre widmete sich die zu­ nächst den Panoramen mit denen er sich 1822 Ruhm einhandelte und dadurch den Bau seines Dioramas sowohl in Paris als auch in London finanzierte, »eine Bühne für Schaustellungen, bei denen sich gemalte großformatike Dekore unter diversen Lichteffekten verwandeln.«17

»Daguerre experimentierte über zehn Jahre mit Niépce und dessen Sohn Isidore, und im Januar 1839 gab die französische Académie des Sciences die Erfindung des Daguerreoty­ pieverfahrens bekannt«18 Obwohl die ersten Portrait-Daguerreotypien über 15 bis 20 Minuten Belichtung brauchten, konnten wenige Zeit später durch neue chemische Kenntnisse bis auf wenige Sekunden heruntergesetzt werden. Im Jahr 1831 verfolgt Daguerre nun seine eigenen Ziele. Er erwähnte »einige Experimente mit Jod«, das »eine hohe Empfindlichkeit besitzt, wenn es mit poliertem Silber in Verbindung gebracht wird«19 Er experimentierte mit Jodsilber und Kupferplatten, die mit den Joddämpfen lichtempfindlich gemacht wurden und erzeugte neue Ergebnisse. Brauchitsch schreibt, dass Dageurre mit Quecksilberdämpfen das Bild an­ schließend sichtbar mit einer Salzlösung fixierte, die die Silbersalze der unbelichteten Partien löste.20 Mit den Daguerreotypien erlangte er einen hohen Grad der Bekanntheit in der damali­ gen Gesellschaft, die fasziniert war von den entstandenen Unikaten. »Bereits im Februar mel­ dete sich die Malerin Friederike Wilhelmine von Wunsche beim preußischen König zu Wort, um ihm zu versichern, Deutschland stehe keinesfalls hinter den Ankündigungen Frankreichs (Daguerre) und England (Talbot) zurück denn sie selbst habe längst ein besseres Verfahren entwickelt, das selbst Menschen in Bewegung und in Farbe abbilden könne. Leider ist von ih­ ren Forschungen nichts überliefert, sei es, dass sie nicht hielten, was von Wunsch versprach , sei es, dass sie nicht ernst genommen wurden oder durch bürokratischen Hindernisläufe auf der Strecke blieben.«21

Ein weiterer Erfinder der Fotografie war Hippolyte Bayard, der sich selbst als Leichnam foto­ grafierte und sie auf einer ersten Fotoaustellung zeigte. Es heißt er habe schon 1820 und in den fortlaufenden Jahren Fotos aus dem Fenster seines Büros aufgenommen. Er war der Erfin­ der des Direktpositivverfahrens, welches so heißt, da ohne ein Negatives direkt ein Positives Bild entsteht. Lichtstrahlen machen bei diesen Verfahren das Fotomedium heller wohin gegen bei einem Negativ-Verfahren Lichtstrahlen zur Schwärzung des Fotomaterials führen. Alles entstehenden Bilder sind Unikate. Michel Frizot schrieb in seinem Buch ›Die Neue Geschichte der Fotografie‹:

»Drei Gestalten sind es, die in den Jahren 1839-1840 mit unterschied­ lichem Erfolg die Entwicklung der fotografischen Techniken maßgeb­ lich bestimmten: Louis-Jacques-Mandé Daguerrre, William Henry Fox Talbot, und Hippolyte Bayard. Gleichwohl können noch andere eine wichtige Rolle gespielt haben, allen voran der 1833 verstorbene Nicé­ phore Niépce, dem vor allem Daguerre viel verdankte. Die drei Perso­ nen haben jedoch weder zur gleichen Zeit noch mit der gleichen Hart näckigkeit die Fotografie erfunden, denn es ist sicher, daß diese Män­ ner, deren wissenschaftliches Niveau sehr verschieden war, nicht ge­ nau wußten, was sie eigentlich suchten. Gleichwohl war ihr Interes­ sengebiet gemeinsam: die chemische Fixierung der durch bloßen Lichteinfall in der Camera obscura erzeugten Bilder.«22

»Die ruhmvolle Aussicht, als Erfinder der Fotografie in die Geschichte einzugehen, beflügelt die Forscher zu fieberhaftem Schaffen. Sie zogen alle Register ihres Wissens, ihrer Beziehun ­ gen, Intriganz und juristischen Kleinlichkeit, um selbstlos im Dienste der Wissenschaft der Menschheit das Präsent eines neuen Verfahrens zu übergeben.«23 Im Jahr 1839 sollte es sich nun entscheiden, wer als Erfinder der Fotografie in die Geschichte eingehen sollte. In der Ga­ zette de France wird in der Ausgabe vom 6. Januar davon gesprochen, dass die Entdeckungen des Diorama-Malers M. Daguerre an ein Wunder grenzen. Alles bestehenden Theorien über das Licht und die Optik würden dadurch ins Wanken geraten und würde die Zeichenkunst re­ volutionieren. Weiterhin heißt es, dass Daguerre einen Weg gefunden hat, wie man die Bilder, die sich selber malen, festhalten könne. »Frankreich hat die Entdeckung für die seinige erklärt, hat vom ersten Moment an seinen Stolz darein gesetzt, der ganzen Welt damit ein freigiebiges Geschenk zu machen«24 teilte Argo mit. Auch wenn diese Aussage nicht ganz stimmte, da Tal­ bot vier Tage früher Patent auf sein Verfahren anmeldete. Daguerre veröffentlichte eine Schrift die » Das Daguerreotyp und das Diorma, oder genaue und authentische Beschreibung meines Verfahrens und meiner Apparate zu Fixierung der Bilder der Camera obscura und der von mir bei dem Diorama angewendeten Art und Weise der Malerei und der Beleuchtung « 25 Schnell wird klar, dass er gerne als der alleinige Erfinder gelten will, so fügte er nur notgedrungen einen Bericht über die Heliographie an. Doch als Fußnote vermerkte er, das dieses Verfahren unzu­ reichend genau ist und daher in der Relevanz zu reduzieren ist. Damit handelte er sich den Är­ ger von Isidore Niépce, der zwar dank Daguerres Erfindungen eine staatliche Rente bekam, aber sich nicht unterbuttern ließ und selber eine Schrift verfasste, die über die Daguerreoty­ pie erzählt und seinen wahren Erfinder.

2.5 Verbreitung der Fotografie

Deutschland profitierte von dem deutschen Naturforscher Alexander Humpoldt, der zu der Verbreitung der Fotografie beitrug. Er war Mitglied der französischen Akademie der Wissen­ schaften und durfte die Verfahren, die von Daguerre vorgelegt wurden, begutachten und be­ werten. So brachte er mit Begeisterung das Verfahren unter die deutschen höfischen Kreise. Seine Hochachtung galt uneingeschränkt Daguerre. »Der Chemniker Franz von Kobell und der Physiker und Astronom Carl August von Steinheil begannen sofort mit eigenen Experimenten und konstruierten eine handliche, nur 12,7 x 7,6 cm große und weitaus lichtempfindlichere Kamera mit achromatischer Linse und einem Bildformat von 3,8 x 5,1 cm, die Ähnlichkeit mit der ein Jahr später vorgestellten Voigtländer-Kamera aufwies. Außerdem stellten sie auf Chlorsilberpapier, das feucht belichtet wurde, Negativbilder her, die sie noch im Herbst 1839 öffentlich austellten.«26

[...]


1 Aristoteles, Problemata physica, vgl. Urs Tillmanns, Geschichte der Photographie, Stuttgart 1981, S. 16

2 Hoy, Anne H., Enzyklop ä die der Fotografie - Die Geschichte, die Technik, die Kunst, die Zukunft, National Geographic Deutschland, Hamburg 2006, S. 25/26

3 Vgl. Gerhard Plumpe, Der tote Blick, München 1990, S. 160

4 Willfried Baatz, Geschichte der Fotografie - Schnellkurs, DuMont, Köln 2004, S. 11

5 Brauchitsch, Boris von, Kleine Geschichte der Fotografie, Reclam, Stuttgart 2002 S. 19

6 Brauchitsch, Anm. 5, S.20

7 Willfried Baatz, Anm. 4, S. 12

8

9 Brauchitsch, Anm. 5, S.23

10 T. Wedgewood u. H. Davy, An Account od a Method of Copying Paintings upon Glas and of Making Profiles bye Agency of Light upon Nitrate of Silver. In: Journal of the Royal Institution, London 1802, Bd. I, S.170

11 Frizot, Michel, Neue Geschichte der Fotografie, Könemann, Köln 1998, S.19

12 Brauchitsch, Anm. 5, S.25

13 Vgl. Brauchitsch, Anm. 5, S.25

14 Zit. nach: Frizot, Anm. 11, S. 23

15 Zit. nach: Newhall, Anm. 8, S. 21

16 Brauchitsch, Anm. 5, S.26

17 Zit. Nach Frizot, Anm. 4, S.24

18 House, George Eastman, Geschichte der Photogrphie - 1839 bis heute, Taschen, Hohenzollernring 2000, S. 40

19 Daguerres Briefe an Niépce vom 10. April 1831 veröffentlicht in: Dokumentii po istorii izobretenia fotografii, Moskau, Leningrad 1949, vgl Frizot, Anm. 4, S. 24

20 Vgl. Brauchitsch, Anm. 5, S.27

21 Brauchitsch, Anm. 5, S.30

22 Zit. nach: Frizot, Anm. 11, S. 24

23 Brauchitsch, Anm. 5, S.30

24 Argo, Francois, Sämtliche Werke, hrsg. Von W.G Hankel, Bd. 7, Leipzig 1860, S.381

25 Daguerre, Louis Jacques Mandé, Historique et description des procédés du daguerréotype et du diorama, Paris 1839

26 Brauchitsch, Anm. 5, S.33

Fin de l'extrait de 23 pages

Résumé des informations

Titre
Fotografie und Fortschritt. Ein Bogen um die Geschichte
Université
University of Leipzig
Note
1,0
Auteur
Année
2013
Pages
23
N° de catalogue
V385835
ISBN (ebook)
9783668606661
ISBN (Livre)
9783668606678
Taille d'un fichier
699 KB
Langue
allemand
Mots clés
Fotografie Geschichte, Kalotypie Heliographie Daguerreotypie, Verbreitung der Fotografie
Citation du texte
Claudia Schulze (Auteur), 2013, Fotografie und Fortschritt. Ein Bogen um die Geschichte, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385835

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