Die Arbeit setzt sich mit John Lockes Abhandlung „Two Treatises of Government“ auseinander. Es geht darum, ob das locksche Eigentumsverständnis sich auch auf sogenanntes ,geistiges Eigentum‘ bezieht und falls ja, ob es sogar eine Monopolstellung oder wenigsten eine Marktbeherrschung des Eigentümers beziehungsweise Autors rechtfertigt.
Ausgangspunkt der Überlegungen Luttenbergers ist der Dauerstreit zwischen der EU-Kommission und Microsoft über den Vertrieb des InternetExplorers beziehungsweise von Edge zusammen mit dem Windows-Betriebssystem. Dazu überlegt der Autor, ob sich das locksche Eigentumsverständnis auch auf sogenanntes ,geistiges Eigentum‘ bezieht und falls ja, ob es sogar eine Monopolstellung von Urhebern und Autoren rechtfertigt.
Im Ergebnis wird dafür argumentiert, dass sich das Recht auf Privateigentum nach Locke nicht auf jegliches geistiges Eigentum erstreckt. Soweit es das andererseits aber tut, legitimiert es selbst ein Marktmonopol.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. John Lockes Eigentumsverständnis
2.1. Ursprung des Eigentums
2.2. Erwerb von Privateigentum durch Arbeit
2.3. Grenzen des Erwerbs von Privateigentum
3. Moderne Ausdehnung possessorischer Rechte auf sogenanntes ,geistiges Eigentum‘ – die Rolle Microsofts als Marktbeherrscher
3.1. Geistiges Eigentum
3.2. Marktbeherrschung – Missbrauch
4. Sind ,geistiges Eigentum‘ und Marktbeherrschung mit John Lockes Eigentumstheorie legitimierbar?
4.1. Begründung ,geistigen Eigentums‘ – Ergebnis schöpferischer Arbeit
4.2. Schranken der Verwertung ,geistigen Eigentums‘
4.3. Eigentumsschranke Monopol?
5. Fazit
6. Literatur- und Medienverzeichnis
1. Einleitung
Freiheit, Eigentum, geistiges Eigentum, Marktbeherrschung
Die Europäische Kommission und Microsoft liefern sich immer wieder Scharmützel wegen des angeblichen „Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung (Artikel 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union)“[1]. Es geht dabei regelmäßig um die offenen oder versteckten Bemühungen Microsofts, seinen hauseigenen Webbrowser (also den „InternetExplorer“ beziehungsweise „Edge“) zusammen mit seinem Windows-Betriebssystem bei den Nutzern als Standardbrowser zu platzieren.
Anders als außereuropäische Kartellbehörden wertet die Europäische Kommission dieses Marktverhalten Microsofts als rechtswidrig und hat deshalb wiederholt Bußgelder in dreistelliger Millionenhöhe verhängt[2]. Nachdem die europäische Rechtsauffassung in diesem Punkt so sehr von anderen Anti-Trust-Gesetzen divergiert, stellt sich die Frage, ob die Geschäftspolitik Microsofts tatsächlich nicht zu legitimieren ist, so wie das die EU-Kommission meint. Das ist Gegenstand der nachfolgenden Untersuchung, die sich am Eigentumsverständnis von John Locke orientiert[3].
John Locke ist deshalb Ausgangspunkt für diese Überlegungen, weil er erstmals in der Ideengeschichte das Recht auf Privateigentum als unveräußerliches Menschenrecht erkannt hat, das bereits im Naturzustand einer Person zukommt. Er unterscheidet sich insofern von Thomas Hobbes, bei dem es im Naturzustand keinerlei Gesetze und daher auch keinen Eigentumsschutz gibt[4]. Weder im Mittelalter noch in der Antike war Privateigentum ein vorstaatliches Institut: Platon zum Beispiel verordnete den Wehrmännern in seinem ,Wächterstaat‘ Besitzlosigkeit[5]. Und bei Thomas von Aquin ist nach dem Naturrecht „Alles gemeinsam“[6]. Erst John Locke geht von einem natürlichen ‚Menschenrecht‘ auf individuelles, personenbezogenes Eigentum aus.
Wenn sich also die Marktbeherrschung eines Unternehmens überhaupt philosophisch legitimieren lässt, dann hat man die besten Chancen, bei Locke fündig zu werden. Ich werde deshalb diskutieren, ob sein Eigentumsverständnis sich auch auf sogenanntes, geistiges Eigentum‘ bezieht und falls ja, ob es sogar eine Monopolstellung oder wenigsten eine Marktbeherrschung des Eigentümers beziehungsweise Autors rechtfertigt.
Dazu erläutere ich in einem ersten Schritt den Eigentumsbegriff im Sinne John Lockes und stelle sodann die Eigentums- und Marktposition Microsofts im Hinblick auf sein Betriebssystem und den Webbrowser dar. Im Ergebnis argumentiere ich dafür, dass sich das Recht auf Privateigentum nach Locke nicht auf jegliches geistiges Eigentum erstreckt. Soweit es das andererseits aber tut, legitimiert das lockesche Eigentumsverständnis selbst ein Monopol, also eine Alleinstellung des Eigentümers oder Urhebers im Markt.
2. John Lockes Eigentumsverständnis
2.1. Ursprung des Eigentums
Lockes Eigentumsbegriff geht an mancher Stelle sehr viel weiter als das entsprechende deutsche Begriffsfeld. Laslett merkt zur engli-schen Übersetzung des ursprünglich lateinischen Texts an, dass „property“ ersetzt worden war durch:
„bona civilia, defined as 'life, liberty, health and indolency of body; and the possession of outward things, such as money, lands, houses, furniture and the like (vitam, libertatem, corporis integritatem, et indolentiam, et rerum externarum possessiones, ut sunt latifundia, pecunia, supellex etc“. [7]
Das Eigentum leitet sich danach bereits aus der Freiheit im Naturzustand ab, in dem der Mensch die naturrechtliche Pflicht hat, sich selbst zu erhalten[8]. Zusätzlich kennt Locke einen religiösen Ursprung des Eigentumsrechts, das wir von Gott über Adam und Noah als deren rechtmäßige Erben übernommen haben[9]. Schon in diesem Stadium der Entwicklung gibt es Eigentum nicht nur als Gemeinschaftseigentum, sondern es ist hier bereits der Erwerb von Privateigentum möglich und vorgesehen.
2.2. Erwerb von Privateigentum durch Arbeit
Leben und Freiheit, als Formen des Eigentums verstanden, findet der Menschen im Naturzustand vor. Nach Locke ist das tatsächlich der „Zustand vollkommener Freiheit“ des Menschen[10]. Eigentum im engeren Sinne ist einem von Gott jedoch zunächst nur als Gemeinschaftseigentum gegeben. Eine Ausnahme ist das „Eigentum an der eigenen Person“ samt „aller ihrer Handlungen und Arbeit“[11] ; daran hat nur die Person selbst ursprünglich ein Recht.
Anders verhält es sich mit den äußeren Dingen also dem ,Rest der Welt‘, seien es die Tiere oder die Früchte der Natur, Land, Wasser oder Bodenschätze. Sie alle kann der Mensch aus dem Stand des gemeinsamen Eigentums „entheben“. Die „Aneignung“ von Sachen geschieht allein schon durch Aussonderung individueller Exemplare aus der Gesamtheit des Gemeinschaftseigentums. Bereits das Aufsammeln von Waldfrüchten oder das Abstecken eines Claims in unberührtem Land gilt bei Locke als „Arbeit“[12], die den Menschen berechtigt, auf die so individualisierten Dinge sein Eigentum zu erstrecken, sie also zu seinem Privaten zu bestimmen[13]. Eine Zustimmung der anderen Mitglieder der Gemeinschaft ist nicht erforderlich, ja aus praktischen Gründen nicht einmal möglich[14]. Neben diesen originären Möglichkeiten des Eigentumserwerbs kann man Eigentum auch durch Vertrag erlangen (sekundärer Eigentumserwerb). Theoretische Erwägungen gibt es bei John Locke dazu nicht. Vielmehr setzt er Eigentumserwerb mittels Handel und Tausch wie selbstverständlich bereits im Naturzustand voraus[15].
2.3. Grenzen des Erwerbs von Privateigentum
Nach John Locke gibt es zwei natürliche Grenzen, die dem ungezähmten Anhäufen von Eigentum Einhalt gebieten.
- Man darf sich nicht mehr zu eigen machen, als man verwenden und genießen kann. Damit gibt es jedenfalls bei verderblichen Waren eine natürliche Grenze. Locke erweitert diese Grenze zunächst auf den Landbesitz, von dem ein Mensch nur so viel besitzen soll, wie er bewirtschaften kann[16].
Allerdings gibt es praktisch keine natürliche Grenze für die Größe möglicher Bewirtschaftung von Ackerland, weil man sich nach Locke bei dieser Arbeit der Hilfe Fremder bedienen darf.
- Er postuliert deshalb eine weitere Einschränkung des Erwerbsstrebens, die in dem Recht auf Selbsterhaltung der Anderen liegt. Einem bisher „Unversorgten“ würde Schaden zugefügt, wenn wegen der eigenen Okkupation für ihn nichts mehr übrig bliebe[17]. Dieser Grenze des Mangels kommt jedoch in der Zeit Lockes keine praktische Bedeutung zu, weil es genügend Brachland gibt, dessen Urbarmachung nicht nur dem Okkupator sondern auch der Gemeinschaft nützt[18].
Nur diese beiden naturrechtlichen Schranken gebieten dem Besitzstreben Einhalt. Allerdings läuft schon die ,Verderblichkeitsgrenze‘ bereits in dem Moment leer, wie der Tausch mit Gold und die Anhäufung von Geld schrankenlos erlaubt sind. Da niemand durch das Ansammeln von Wertgegenständen in die Rechte anderer eingreift, darf man davon nach Locke so viel horten, wie man will[19].
Unabhängig von diesen naturrechtlichen Grenzen verweist Locke auf die Gesetze im Staat. Nachdem sich Menschen zu politischen Gesellschaften vereinigt haben, regeln Satzungen die Eigentumsfragen[20]. In der staatlichen Gemeinschaft können daher auch bei Locke gänzlich andere possessorische Statuten gelten als im Naturzustand.
3. Moderne Ausdehnung possessorischer Rechte auf sogenanntes ,geistiges Eigentum‘ – die Rolle Microsofts als Marktbeherrscher
Die bisherigen Erörterungen haben sich mit der Begründung und der Begrenzung von Privatbesitz zu Beginn der Neuzeit befasst. Nunmehr geht es um den aktuellen Begriff des ,geistigen Eigentums‘ und seine rechtliche Behandlung analog den Regeln des materiellen Besitzes.
3.1. Geistiges Eigentum
Geistiges Eigentum‘ zählt zu den sogenannten immateriellen Gütern, die in Deutschland unter anderem nach dem Urheberrecht[21] geschützt werden. Das Urheberrechtsgesetz erfasst in § 2 Absatz 1 Nummer 1 auch Computerprogramme. Für solche immateriellen Güter gelten in mancher Hinsicht die gleichen Grundsätze wie für materielle. So ist der Urheber genauso berechtigt, mit seinem Werk nach Belieben zu verfahren, wie es der Eigentümer einer Sache ist. Beide können andere insbesondere von einer unbefugten Nutzung ausschließen. Hier wie dort steht dem Inhaber ein Verwertungsrecht zu, er kann sein Werk beziehungsweise seine Sache verkaufen, versteigern, vererben oder verschenken. Allerdings ist der Urheberrechtsschutz zeitlich befristet – 70 Jahre nach dem Tod des Schöpfers ist Schluss.
Für Microsoft bedeutet das den Schutz seines Betriebssystems Windows einschließlich seines Webbrowsers. Dabei ist es gleichgültig, wie eng er programmiertechnisch in das Betriebssystem eingebettet ist. Allerdings stößt die urheberrechtliche Verwertungsfreiheit nach Auffassung der Europäischen Kommission an kartellrechtliche Grenzen.
3.2. Marktbeherrschung – Missbrauch
Microsoft hat auf dem Markt der sogenannten Desktop-Betriebs-systeme einen Marktanteil um die 90 %[22]. Eine solche Quote gilt überall auf der Welt als marktbeherrschend[23]. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass Monopol und Marktbeherrschung per se noch nicht verboten sind. Nicht erlaubt ist lediglich der Missbrauch einer solchen Markstellung. Und hier scheiden sich die Geister: Während in der EU die Verknüpfung von Webbrowser und Betriebssystem als Missbrauch zählt, sieht man das außerhalb Europas nicht so.
[...]
[1] Vergleiche zum Beispiel Europäische Kommission: Pressemitteilung IP/13/196. Brüssel, 6. März 2013.
[2] Europäische Kommission: ibidem.
[3] Locke, John: Zwei Abhandlungen über die Regierung. Aus dem Englischen von Hans Jörn Hoffmann. Berlin 1977.
[4] Hobbes, Thomas: Elementa Philosophica de Cive. Amsterdam 1762. Kapitel I, Seite 20.
[5] Platon: Der Staat. Herausgegeben von Friedrich Schleiermacher. Berlin 1985. Seite 123.
[6] Aquin, Thomas: Summa Theologica. In Bibliothek der Kirchenväter lateinisch-deutsch; Secunda Pars Secundae Partis quaestio 66, Artikel 2, Argument 1. Aufgerufen am 4. September 2017 unter www unifr.ch/bkv/summa/kapitel582-2.htm.
[7] Laslett Peter in Locke, John: Two Treatises of Government. Herausgegeben von Peter Laslett. Cambridge 1964. Seite 286.
[8] Locke, John: ibidem. Seite 203.
[9] Locke, John: ibidem. Seiten 215f.
[10] Locke, John: ibidem. Seite 201.
[11] Locke, John: ibidem. Seite 227.
[12] Locke, John: ibidem. Seite 218.
[13] Eigentumserwerb durch prima occupatio bereits bei Cicero, Marcus Tullius: De Officiis. London und New York 1913. Buch I Randnummer 21.
[14] Locke, John: ibidem. Seite 217.Locke stellt sich insofern gegen Grotius und Pufendorf, die zumindest einen stillschweigenden Konsens aller Menschen voraussetzen. Vergleiche Peters, Jörg Thomas: Der Arbeitsbegriff bei John Locke. Münster 1997. Seite 71.
[15] Locke, John: ibidem. Seite 208.
[16] Locke, John: ibidem. Seite 219.
[17] Locke, John: ibidem. Seiten 221f.
[18] Locke, John: ibidem. Seite 223.
[19] Locke, John: ibidem. Seite 229.
[20] Locke, John: ibidem. Seite 231.
[21] Vergleiche Urheberrechtsgesetz vom 9. September 1965 (Bundesgesetzblatt I Seite 1273).
[22] Aschermann, Tim: Betriebssysteme: Marktanteile im Überblick. In Chip vom 24.03.2017. Aufgerufen am 7. September 2017 unterhttp://praxistipps.chip.de/betriebssysteme-marktanteile-im-ueberblick_91717
[23] Vergleiche zum Beispiel § 18 Absatz 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen vom 26. Juni 2013 (Bundesgesetzblatt I Seiten 1750, 3245).
- Quote paper
- Götz-Ulrich Luttenberger (Author), 2017, John Locke und Bill Gates im Vergleich. Eigentumsverständnis und Marktbeherrschung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/385984
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