Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Historische Entwicklung des Merchandising Vier Phasen
3. Aktueller Trend: Internationalisierung des Marktes
4. Ein Beispiel aus dem deutschen Fernsehen: RTL
5. Fazit
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Merchandising findet mittlerweile in so vielen kulturellen Bereichen statt, dass man vielfach bereits vom Produktverbund sprechen kann: Fiktive Figuren oder Embleme erscheinen in unterschiedlichen Medien (z.B. Pumuckl: im Fernsehen, im Buch, als Held eines Comic-Hefts, auf der Hörspiel-Cassette, auf Video oder DVD), aber auch auf medienfremden Artikeln wie Tassen, Radiergummies oder Bettwäsche[1]. Private Radiosender machen ein Zusatzgeschäft durch den Verkauf von CDs (mit Musik, aber auch mit beliebten Blödel-Moderatoren), Maskottchen und ähnlichem. Und auch in staatlichen Museen wurden die Zeichen der Zeit erkannt, so dass der interessierte Besucher in den zugehörigen Museumsshops "Kunst-Souvenirs" erwerben kann.[2] Der Ursprung und das Vorbild für die Lizenzgeschäfte aller Sparten (auch die nicht kulturellen, z.B. Fan-Artikel im Sportsektor) liegen in den USA, und zwar im Fernsehgeschäft.
Während auch andere kulturelle Sparten interessante Untersuchungsfelder zum Thema Merchandising liefern[3], widmet sich diese Arbeit aufgrund des gesteckten Rahmens einem Teilbereich der Alltagskultur, hier: des Fernsehens, und aufgrund der Sonderrolle innerhalb des Themenkomplexes "Fernsehen und Merchandising" dem Aspekt "Kinderfernsehen und Merchandising".
Der erste bekannte Merchandising-Fall hat sich 1904 in Amerika ereignet, als die Brown Shoe Company das Recht an der Comic-Figur Buster Brown erwarb, um damit für eine internationale Messe für Kinderschuhe zu werben. Der Fall ist in mehrfacher Hinsicht klassisch:
1. Zwischen der Figur selbst und dem Artikel, mit dem sie in Verbindung gebracht wird, besteht kein unmittelbarer Zusammenhang.
2. Die Figur stammt aus einem Comic, es ist eine fiktive Figur mit positiven Eigenschaften.
3. Die Zielgruppe ist international.
4. Die Zielgruppe sind (indirekt) Kinder.
Die einzelnen Thesen werden im Verlauf der folgenden Darstellung verdeutlicht.
Zunächst soll zum besseren Verständnis die historische Entwicklung der Verflechtung von Merchandising und Kinderfernsehen skizziert werden.
2. Historische Entwicklung - Vier Phasen
Der Untersuchungsgegenstand "Merchandising und Kinderfernsehen" lässt sich grob in vier Entwicklungsstadien unterteilen:
- Phase 1: Die Frühphase von der Entstehung des Mediums bis zu den 1960er Jahren: Eine Vorreiter-Rolle nimmt der Disney-Konzern ein, der bereits in den 1930er Jahren große Merchandising-Erfolge erzielt hat.
- Phase 2: 1960er Jahre bis 1980: Phase der Kommerzialisierung: Proteste gegen Kommerzialisierung des Kinderfernsehens führen zu Problembewusstsein und regulierenden Einschränkungen.
- Phase 3: 1980er Jahre: Deregulierung, freie Entfaltung des Marktes
- Phase 4: 1990er Jahre: Grenzen des Merchandising
Während in der Frühzeit des Merchandising die Merchandising-Ware oft erst nach erfolgreicher Etablierung von künstlerischen Produkten als zusätzliche Einnahmequelle kreiert wurde, wird heute vor allem im Bereich des kommerziellen Privat-Fernsehens, aber auch im Bereich Kinder-Fernsehen allgemein von Beginn der Programm-Konzeption an über mögliche Merchandise-Artikel nachgedacht.[4] Erste strategische Verbindungen zwischen der Medien- und der Spielwarenindustrie schuf der Walt-Disney-Konzern bereits in den 1930er Jahren. Die Attraktivität der Disney Figuren wurde früh erkannt und nicht nur zur Vermarktung gegenständlicher Varianten der Figuren genutzt. Man erkannte auch, dass sich das Image der Figuren an fast beliebige Produkte binden lässt.[5]
Die erste Phase von der Einführung des Fernsehens bis zur Mitte der 1960er Jahre kann man als Phase des nachträglichen Merchandising bezeichnen.[6]
[...]
[1] Zu diesem speziellen Fall vgl. Gerke-Reinicke, Judith: Geklonte Medienhelden: Merchandising am Beispiel Pumuckl
[2] Sehr große (finanzkräftige) Museums-Shops betreiben bereits einen eigenen Versandhandel, so z.B. das New Yorker Museum of Modern Art (MOMA).
[3] Bezeichnend ist z.B. auch die Tatsache, dass große amerikanische Rockgruppen wie die Rolling Stones mittlerweile auf ihren Tourneen mit Merchandise-Artikeln mehr Umsätze einspielen als durch die verkauften Eintrittskarten, was dazu geführt hat, dass mittlerweile die Tourneen z.T. von Merchandising-Firmen, nicht mehr von Konzert-Agenturen organisiert werden.
[4] Eine Ausnahme hierzu bildete in der Frühgeschichte des Merchandising die Pelzmütze zu dem Walt Disney-Dreiteiler "Davy Crockett": Die Kopfbedeckung wurde schon vor Ausstrahlung der ersten Sendefolge vermarktet. Wie erfolgreich dieses Konzept war, belegt die Verkaufsziffer von über zehn Millionen Mützen. Vgl. Thomas, Bob: Walt Disney, Stuttgart 1986, S. 265f.
[5] Vgl. Mattusch: Vermarktung im Kinderprogramm. Zwischen pädagogischen Skrupeln und ökonomischem Gewinnstreben. In: DJI (Hrsg.): Handbuch der Medienerziehung im Kindergarten: Pädagogische Grundlagen, Leverkusen 1993.
[6] Tatsächlich wurden bereits in der Stummfilmzeit Verwertungsrechte verkauft, z.B. durch Laurel und Hardy oder auch Charlie Chaplin, der die "Tramp"-Figur urheberrechtlich schützen ließ und durch den Verkauf von Puppen, Spielzeugen und auch eines Comics profitierte.