Parentifizierung bei Kindern psychisch kranker Eltern

Lebenssituation und Auswirkungen


Dossier / Travail, 2017

18 Pages, Note: 1,0


Extrait


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Inhaltsverzeichnis
1.Vorwort ...3
2. Einführung in das Thema ...4
2.1 Psychische Störungsbilder ...4
2.2 Problematische Lebenssituation und Belastungen der Kinder ...7
3. Parentifizierung ...9
3.1 Definition und Symptome ...9
3.2 Folgen für die betroffenen Kinder ... 11
3.3 Mögliche Hilfen ... 14
3.3.1 Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern ... 15
4. Fazit und Ausblick ... 17
5. Literaturverzeichnis ... 18

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1.Vorwort
Im Rahmen eines Praktikums in einer integrativen Kindertagesstätte in der vorwiegend behinderte und
psychisch kranke Kinder betreut wurden, wurde bereits mein Interesse für die Situation und Behandlung
von psychisch kranken Kindern geweckt. Als ich erfuhr, dass die Kinder, die in die Psychiatrie oder
Tagesklinik eingewiesen und dort behandelt werden, teilweise sogenannte Indexpatienten sind, d.h. dass
das Kind Probleme hat, die Ursachen dafür aber in der Familie liegen, verstärkte sich mein Interesse an
dem Thema Kinder psychisch kranker Eltern. Ich habe mich gefragt, welche Auswirkungen die
psychische Erkrankung eines Elternteils auf das Kind haben kann und wie das Kind mit der Erkrankung
umgeht. Hierbei spielt der Rollentausch zwischen Eltern und Kind eine wichtige Rolle. Als ich in dem
Seminar Kinderschutz auf den Fachbegriff für diesen Rollentausch gestoßen bin, wollte ich schließlich
meine Hausarbeit darüber schreiben: Parentifizierung.
Die vorliegende Hausarbeit widmet sich den Fragen: Wie ist die allgemeine Situation von Kindern
psychisch kranker Eltern? Was bedeutet der Rollentausch für die betroffenen Kinder? Was sind die
Folgen der psychischen Erkrankung der Eltern im Allgemeinen und was sind die Folgen der
Parentifizierung? Die Schwerpunkte meiner Arbeit liegen daher auf der Beschreibung der
problematischen Lebenssituation der Kinder und der Parentifizierung.
Ich werde mich in dieser Arbeit im Rahmen des Seminares Kinderschutz stärker auf die Situation der
Kinder und die Folgen für die Kinder beziehen und meine Aufmerksamkeit auf das Wohl derer richten,
weniger auf die Eltern.
Die Hausarbeit baut hauptsächlich auf wissenschaftlicher Literatur zu den Themen auf. Ich habe mich
bemüht, einige Stellen durch Beispiele und Zitate von Betroffenen und von Fachleuten zu
veranschaulichen, um einen besseren Einblick in die Lebenswelt der Kinder und die Arbeit mit den
Kindern zu erhalten.
Die Arbeit bezieht sich, wie dem Titel zu entnehmen ist, vorwiegend auf die Parentifizierung als Folge
einer psychischen/psychiatrischen Erkrankung von entweder einem der beiden Elternteile oder auch
beiden Elternteilen. Für das Phänomen Parentifizierung gibt es aber durchaus auch andere Ursachen.

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2. Einführung in das Thema
Die Entwicklung von Kindern findet maßgeblich in der Familie statt. Dabei ist die Beziehung zu den
Eltern sehr wichtig für eine gesunde Entwicklung des Kindes. Diese Entwicklung kann durch die
Zuwendung und die Sicherheit, die von den Eltern vermittelt werden, die Angebote und Anregungen
maßgeblich gefördert, aber auch gehemmt werden (Fegert, 2014). Kinder von psychisch kranken Eltern
sind häufig mit einer Vielzahl an Belastungen und Beeinträchtigungen konfrontiert. Sie wachsen
meistens unter schwierigen Bedingungen auf und leiden unter Ängsten, Loyalitätskonflikten oder
Schuld- und Schamgefühlen. Sie übernehmen oft mehr Verantwortung für sich, für die Eltern, für den
Haushalt als es dem Alter angemessen wäre. Hieraus entwickelt sich unter Umständen die
Parentifizierung auf die ich näher eingehen werde. Das Zusammenleben mit den erkrankten Eltern/dem
erkrankten Elternteil stellt für Kinder ein hohes Risikopotenzial für einen ungünstigen
Entwicklungsverlauf dar. Die Kinder haben ein deutlich erhöhtes Risiko selbst eine psychische Störung
zu entwickeln. Die Auswirkungen auf die Kinder können je nach Art, Ausprägung und Verlauf der
elterlichen Störung unterschiedlich sein. ,,Studien zeigen, dass Kinder, die psychiatrisch und
psychotherapeutisch behandelt werden, häufig aus Familien stammen, in denen ein Elternteil oder beide
Elternteile psychisch erkrankt sind. Eine Datenerhebung (...) der Universität Marburg (...) ergab, dass
in etwa die Hälfte der psychisch kranken Kinder bzw. Jugendlichen bei einem psychisch kranken
Elternteil lebt." (Lenz, 2014, S. 17f). Die psychisch kranken Eltern haben meist eine eingeschränkte
Erziehungs-
und
Beziehungskompetenz.
Die
Grenzen
zwischen
angemessenem
und
entwicklungsgefährdendem Verhalten sind fließend. Hierunter fallen Schwierigkeiten das Kind zu
trösten, aggressives oder bestrafendes Verhalten dem Kind gegenüber und negativ übergriffiges
Verhalten, wie z.B. das Nachäffen der Kinder (Fegert, 2014). Psychische Erkrankungen stellen leider
heute noch teilweise ein Tabuthema dar. Während bei körperlichen Erkrankungen die Öffentlichkeit mit
Mitleid reagiert und Unterstützung anbietet, wird das Verhalten von psychisch Kranken als störend
empfunden und es wird die Meinung vertreten, dass der Betroffene sich nur zusammenreißen müsse.
Man begegnet ihnen mit Angst, Ausgrenzung und distanziertem Verhalten. Über die Erkrankung wird
nach außen hin nicht gesprochen oder sie wird gar nicht erst diagnostiziert, weil Betroffene sich weigern
zum Arzt oder in Behandlung zu gehen. Wenn das der Fall ist fehlt, den Kindern erst recht Unterstützung
von außen und sie leiden noch stärker unter der Situation als Kinder, die selbst in Behandlung oder
psychologischer Betreuung sind bzw. deren Eltern in Behandlung sind. Des Weiteren wenden sich
betroffene Familien meist erst an Fachkräfte, wenn es schon fast zu spät ist (Brunck, 2003).
2.1 Psychische Störungsbilder
Um nachvollziehen zu können, wie das Zusammenleben mit einem psychisch kranken Elternteil
aussehen kann, werde ich im Folgenden einen Überblick über die häufigsten psychischen Störungsbilder
geben.

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Schizophrene Störungen
Die Schizophrenie ist durch eine Störung des Denkens, des Fühlens und der Wahrnehmung
gekennzeichnet. Es gibt vielfältige Erscheinungsformen: sie kann leicht, schwer, akut, traumatisch oder
schleichend sein. Zum zentralen Syndrom gehört das Erlebnis der Eingebung von Gedanken und
Stimmen. Die Betroffenen suchen nach rationalen Erklärungen für ihre Empfindungen. Sie sind davon
überzeugt, dass sie real sind, für Außenstehende werden sie als Wahnvorstellungen angesehen (Brunk,
2003). In dem Psychologiebuch von Zimbardo und Gerrig wird die Erkrankung wie folgt dargestellt:
,,Für viele der Betroffenen ist diese Krankheit eine lebenslange Strafe ohne
Hoffnung auf Bewährung. Sie harren aus in einem einsamen Gefängnis, geschaffen
durch einen Geist (...). Obwohl Schizophrenie relativ selten vorkommt ­ etwa 0,7
Prozent der US-amerikanischen Erwachsenen litten im Verlauf ihres Lebens an
Schizophrenie (...) ­, bezieht sich diese Prozentzahl auf etwa zwei Millionen
Menschen, die an dieser rätselhaften und tragischen psychischen Störung leiden.
(Gerrig, 2008, S.580)."
Die Kinder von schizophrenen Eltern erkranken als Erwachsene mit höherer Wahrscheinlichkeit selbst
an einer Schizophrenie. Die Erkrankung beeinträchtigt die Fähigkeit, eine enge und reziproke Beziehung
aufrechtzuerhalten. Sie stellt somit eine ungünstige Voraussetzung für die Entwicklung einer guten
Eltern-Kind-Beziehung dar. Für die betroffenen Kinder ist es besonders belastend, wenn sie in die
Wahnvorstellungen der Eltern mit einbezogen werden (Fegert, 2014). ,,Ältere Kinder müssen ihren
Eltern in manchen Fällen z.B. auch bestätigen, dass sie nicht von einem Auto verfolgt werden oder
Ähnliches. Sie korrigieren die gestörte Wahrnehmung ihrer Eltern, obwohl diese eigentlich die
Wahrnehmungen und Empfindungen ihrer Kinder berichtigen müssten" (Brunk, 2003, S. 25).
Depression
,,Die Depression wurde einmal als die ,gewöhnliche Erkältung der Psychopathologie` bezeichnet, weil
sie einerseits sehr häufig auftritt und andererseits beinahe jeder im Verlauf seines Lebens einmal an
einzelnen Symptomen der Störung leidet" (Gerrig, 2008, S. 565). Eine Depression verläuft meist in
Phasen die wenige Tage, mehrere Monate oder auch Jahre dauern können. Kennzeichen können
Verstimmung, Trauer, Niedergeschlagenheit, Antriebsschwäche und Konzentrationsstörungen sein. Die
Erkrankten fühlen sich mit alltäglichen Aufgaben und Anforderungen überfordert (Brunk, 2003). Für
die Kinder depressiv Erkrankter besteht ein hohes Erkrankungsrisiko für psychische Erkrankungen und
für Entwicklungsstörungen. Erste Anzeichen für abweichende Entwicklungen können bereits in der
frühen Kindheit beobachtet werden. Kleinkinder zeigen z. B. einen eingeschränkten Affektausdruck mit
erhöhter Irritabilität und weniger Engagement in sozialen Beziehungen, als Kinder von nicht
depressiven Eltern. Außerdem treten bei den Kindern im Vergleich zu Kontrollgruppen häufiger
mehrere Störungen gleichzeitig auf. Zu den Störungen zählen neben den depressiven Störungen z. B.
Angststörungen, Störungen im Sozialverhalten und Suchtstörungen. Diese bleiben oftmals bestehen,
auch wenn sich die Erkrankung der Eltern und die familiäre Situation bereits gebessert haben (Lenz,

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2014). Das folgende Zitat eines betroffenen Kindes verdeutlicht die emotionale Situation und Belastung
der Kinder depressiver Eltern:
,,Ich war der stille Beobachter, sah meine Mutter, wie es ihr schlecht ging. (...)
Meine Mutter schien in sich gekehrt, ihr Gesicht war traurig (...) sie wirkte (...)
gefangen und kraftlos. (...) In solchen ,schlechten` Zeiten, wie ich sie damals nannte,
schien ich für meine Mutter Luft geworden zu sein. Sie gab mir das Gefühl, mich nur
begrenzt wahrzunehmen und unwichtig zu sein." (Bathe, 2011, S. 39)
Die Kinder versuchen sich mit der Situation abzufinden und müssen die Verantwortung übernehmen zu
der der erkrankte Elternteil nicht mehr in der Lage ist. Sie erleben einen Mangel an Zuwendung, Liebe,
Betreuung, Schutz und Aufmerksamkeit und müssen sich meist allein um sich selbst und den Haushalt
kümmern. Eine besondere Belastung ist auch ein drohender Selbstmord oder die Ankündigung dessen
dem Kind gegenüber (Brunk, 2003).
Angststörungen
Angststörungen können in drei Arten eingeteilt werden. Die phobischen Störungen beziehen sich auf
Ängste vor konkreten Dingen oder Situationen. Panikstörungen sind durch wiederholt schwere Angst-
und Panikzustände ohne spezifischen Auslöser gekennzeichnet. Eine generalisierte Angststörung
dagegen wird diagnostiziert, wenn eine Person über mindestens sechs Monaten hinweg ein andauerndes
Gefühl der Ängstlichkeit und der Besorgtheit erlebt. Die Ängstlichkeit konzentriert sich meistens auf
bestimmte Lebensumstände, wie z. B. den Gesundheitszustand einer geliebten Person. Die Symptome
variieren stark zwischen den Erkrankten. Die generalisierte Angststörung führt zu einer
Beeinträchtigung im Alltag bzw. in der Alltagsbewältigung, da die Ängste nicht kontrolliert oder
beiseite geschoben werden können. Die Aufmerksamkeit des Erkrankten richtet sich auf die Quellen
ihrer Angst, daher ist man meist nicht mehr dazu in der Lage, sozialen oder beruflichen Verpflichtungen
nachzukommen. Des Weiteren können psychosomatische/ körperliche Symptome hinzukommen, die
zusätzlich belasten (Gerrig, 2008). Die Kinder von Eltern mit Angststörungen erfahren häufig ein
überkontrollierendes und überbehütendes Elternverhalten. Sie zeigen ein hohes Maß an ängstlichem und
gehemmtem Verhalten (Fegert, 2014).
Persönlichkeitsstörungen
Die Kinder von Eltern die an einer Persönlichkeitsstörung leiden, zeigen im Vergleich zu Eltern mit
anderen psychischen Erkrankungen die ungünstigsten Entwicklungsmerkmale. Die höchste klinische
Relevanz hat hierbei die Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die Mutter-Kind-Interaktion ist
gekennzeichnet durch stark wechselnde Emotionen und einem zwiespältigen Umgang mit Nähe. Die
Kinder reagieren irritiert, beunruhigt und wachsam (Fegert, 2014). ,,Menschen mit Borderline-
Persönlichkeitsstörung erleben in (...) Beziehungen große Instabilität und Intensität. Diese
Schwierigkeiten entstehen teilweise aus Problemen mit der Kontrolle von Wut. (...) Außerdem zeigen
Fin de l'extrait de 18 pages

Résumé des informations

Titre
Parentifizierung bei Kindern psychisch kranker Eltern
Sous-titre
Lebenssituation und Auswirkungen
Université
University of Applied Sciences Magdeburg
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
18
N° de catalogue
V388055
ISBN (ebook)
9783668619715
ISBN (Livre)
9783668619722
Taille d'un fichier
823 KB
Langue
allemand
Mots clés
Psychische Störungen, Kindliche EntwicklungRollenübernahme
Citation du texte
Lara Ehrlichmann (Auteur), 2017, Parentifizierung bei Kindern psychisch kranker Eltern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388055

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