Authentizitätskonstruktionen bei YouTube-Celebrities


Thèse de Master, 2017

107 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Stars, Celebrities und Prominente
2.1 Begriffsabgrenzungen und Definitionen
2.2 Das (Star)Image und neue Entwicklungen
2.3 Das Phänomen YouTube-Celebrity

3 Authentizität
3.1 Authentizität im Medienumfeld
3.1.1 Medienvermittelte Authentizität
3.1.2 Parasozialität
3.2 Dokumentarische Authentizität

4 Medien, Konvergenz und Medialitätskonzepte
4.1 Medien, soziale Medien, (soziales) Internet und Konvergenz
4.2 Medialitätskonzepte und das Konzept des vernetzten Erzählens

5 Analyse: Authentizitätskonstruktionen von YouTube-Celebrities
5.1 Die Erfolgsgeschichte YouTube
5.2 Abgrenzung und Vorstellung des Untersuchungsgegenstands: Das YouTuber ABC
5.3 Primärmedium YouTube
5.3.1 Videoästhetik
5.3.2 Berechenbarkeit
5.3.3 Unmittelbarkeit und Einbezug des Zuschauers
5.3.4 Motivation und Entwicklung
5.3.5 Zwischen Gewöhnlichkeit und Außergewöhnlichkeit
5.3.6 Zwischen Natürlichkeit und Konstruktion
5.3.7 Zwischen Nähe und Distanz
5.3.8 Vernetzung
5.4 Sekundärmedien Instagram, Snapchat, Twitter und Blogs
5.4.1 Instagram
5.4.2 Snapchat
5.4.3 Twitter
5.4.4 Blogs
5.4.5 Authentizitätspyramide
5.5 Zusammenwirken der Medien - vernetztes Erzählen
5.5.1 Vernetzung auf formaler Ebene
5.5.2 Vernetzung auf inhaltlicher Ebene

6 Fazit

7 Ausblick

8 Abbildungsverzeichnis

9 Videoverzeichnis

10 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Thanks to YouTube, you know me, so who the fuck do you want to get your news from?![1]

Abbildung 1: Screenshots des YouTube-Videos Leave Britney Alone

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=ElXi7yDHyWo [10.08.2016]

Der Zusammenschnitt aus dem oben dargestellten YouTube-Video dürfte wohl fast jedem bekannt sein. Der bekennende Britney Spears Fan Chris Crocker veröffentlichte das Medi- enprodukt als Reaktion auf die Diskreditierung der amerikanischen Sängerin bei den MTV Video Music Awards im Jahr 2007 mit dem Titel Leave Britney Alone. Im Video verteidigt er sein Vorbild und erlebt dabei einen emotionalen Gefühlsausbruch, der von Wut, über Verzweiflung bis hin zu Trauer reicht. Crocker, der bereits vor der Veröffentlichung eine große Fangemeinde besaß, landete mit diesem Video einen viralen Erfolg. Das Medienpro- dukt wurde auf diversen sozialen Netzwerken geteilt, diskutiert und parodiert. Andere In- ternetmedien aber auch Zeitungen und das Fernsehen berichteten über Crocker, was wiede- rum noch mehr Aufmerksamkeit induzierte, so dass der Videoinhalt sogar Einzug in eine Folge der Fernsehserie South Park hielt. Crocker selbst wurde in namhafte amerikanische

Fernsehshows wie etwa Jimmy Kimmel Live! oder The Tonight Show with Jay Leno eingeladen, erhielt eine Myriade an Interviewanfragen und erlangte somit internationale Berühmtheit - und das in kürzester Zeit.

Dies demonstriert, dass bereits zu den Anfangszeiten von YouTube vielen Videos, darunter auch dem allseits bekannten The Sneezing Baby Panda[2] , ermöglichte zu viralen Phänome- nen zu arrivieren. Beide erwähnten Medienprodukte werden oft im Zusammenhang mit den erfolgreichsten viralen Videos genannt. Viralität ist dabei, wie gezeigt, nicht nur einzelnen Videos vorbehalten, sondern kann gleichermaßen auf ganze Kanäle bzw. Personen zutref- fen. Ab einem bestimmten Punkt steigt die Aufmerksamkeit exponentiell an und eine Art Schneeballeffekt wird ausgelöst, was manchen YouTube-Produzenten quasi über Nacht zu Ruhm verhalf. Ein weiteres, noch früheres Beispiel dafür ist der amerikanische Anwalt Ste- phen Voltz, der zusammen mit seinem Partner Fritz Grobe ein simples Experiment mit den Kaudragees Mentos und dem Softgetränk Cola Light durchführte und auf Video festhielt, welches sie 2006 auf YouTube veröffentlichten.[3] Nachdem das Video um die Welt ging und ebenfalls Einzug in Schulklassenzimmer fand, wurden die beiden Partner, genau wie Cro- cker, in Fernsehshows wie etwa der Late Night with David Letterman oder der The Today Show interviewt. Daraufhin gründeten Voltz und Grobe ihre Firma „EepyBird's“ mit dem Motto: "Taking ordinary objects and doing extraordinary things with them.“[4] und produ- zierten weitere Videos, die diesem Prinzip folgten.[5] Beide konnten ihre ursprünglichen Er- werbstätigkeiten niederlegen und machten YouTube bzw. ihr Unternehmen, welches sie nur mit Hilfe ihres Erfolgs auf der Medienplattform gründen konnten, zu ihrem neuen Beruf. Es zeichnen sich deutliche Tendenzen ab, dass YouTube die Fähigkeit besitzt Berühmthei- ten hervorzubringen bzw. zu generieren und Viralität zu erzeugen. Dieser Trend hat sich mit Fortschreiten der Digitalisierung und dem Web 2.0 freilich noch intensiviert sowie aus- differenziert, so dass sich solche und ähnliche Phänomene bis heute nicht nur wiederholen, sondern deutlich zunehmen, immer weiter ausbreiten und populärer werden. Das gerade beschriebene Phänomen soll als das Ph ä nomen YouTube-Celebrity gefasst werden.

Das alltäglichen Leben und die Populärkultur scheinen sich immer mehr in das Internet zu verlagern, das somit einen immensen Bedeutungszuwachs erfährt, so dass dieses neue Phä- nomen überhaupt erst beobachtbar ist. Die YouTube-Celebrities scheinen, wie der Name bereits anzeigt, durch die Videoplattform YouTube erschaffen und wirken näher und au- thentischer als je zuvor, indem die Suggestion etabliert wird, die YouTuber würden ihr ge- samtes Leben mit ihren Fans teilen und sich als Freunde anbieten. Sie interagieren nicht nur auf YouTube mit ihrem Publikum, sondern nutzen auch verschiedene andere Medienplatt- formen, allen voran Instagram, Twitter und Snapchat, um mit ihren Fans eine Art freund- schaftliche Beziehung aufzubauen. Das Internet bietet zudem die Möglichkeit jederzeit und überall die Hervorbringnisse zu konsumieren und damit quasi selbstbestimmt mit den Y- ouTubern in Kontakt zu treten. Es soll die These aufgestellt werden, dass durch das gleich- zeitige Bedienen mehrerer Kanäle bzw. das Konzept des vernetzten Erz ä hlens über mehrere Medien(-plattformen) hinweg, möglichst viel Nähe zwischen YouTube-Celebrity und dem Rezipienten aufgebaut wird und damit schlussendlich eine nahezu lückenlose Verfügbar- machung des Celebrities gewährleistet wird. Diese absolute Nähe resultiert in einer beson- deren Form von Glaubwürdigkeit bzw. Authentizität.

Die Frage, die sich hier stellt ist, welche Strategien dabei angewandt werden, um einen möglichst hohen Grad an Authentizität zu generieren und um diese freundschaftlichen Beziehungsverhältnisse entstehen zu lassen.

Da es sich hierbei um ein noch sehr junges Phänomen handelt, das sich erst in den letzten Jahren zu etablieren begann, existiert folglich noch sehr wenig wissenschaftliche Literatur, die sich mit dieser Thematik eingehend beschäftig und detailreiche Studien oder Untersu- chungen hervorgebracht hat. Es gibt erste medien- und kulturwissenschaftliche Ansätze wie etwa von der Medienwissenschaftlerin Martina Schuegraf. Diese nähern sich dem Gegen- stand aber vielmehr auf einer sehr allgemeinen Ebene an und können das Phänomen in sei- ner Komplexität nicht gänzlich umreißen. Vorliegende Arbeit wird diese ersten Untersu- chungen zu YouTube bzw. Internet-Celebrities einbeziehen und unter anderem mit Hilfe derer auf einen konkreten Untersuchungsgegenstand anwenden. Analysiert wird eine Gruppe britischer YouTuber aus den Bereichen „Beauty and Lifestyle“ und „Comedy and Entertainment“, welche aber an späterer Stelle näher vorgestellt bzw. erläutert wird.

Damit ist Ziel dieser Arbeit, sich in dieses Bemühen einzureihen und einen weiteren Beitrag zu leisten, um so die noch sehr große Lücke des Forschungsstands zu dieser sehr komplexen Thematik zu schließen.

Um den aufgeworfenen Fragen auf den Grund zu gehen, soll eine qualitativ inhaltsanalyti- sche Perspektive eingenommen und untersucht werden, was diese neue Art der Celebrities so glaubwürdig macht. Dafür wurde ein zweiteiliger Aufbau gewählt. Der erste Teil soll dem Leser eine Übersicht über die in der Arbeit angewendeten Begriffe und Theorien bieten (Kap. 2), welche gleichermaßen als theoretische Einbettung für den darauffolgenden zwei- ten Teil, die Analyse (Kap. 5), dient. Beide Teile sind als ex aequo zu bewerten. Mit Hilfe von klassischen Theorien zu Stars und Celebrities soll sich zunächst an den Ge- genstand angenähert und eine neue Perspektive auf die Theorien geworfen werden (Kap. 2). Aber auch andere Konzepte wie Authentizität (Kap. 3) sowie der neue Trend der Inter- netnutzung mit den sozialen Medien (Kap. 4) sollen dabei helfen das Phänomen zu erklären und greifbar zu machen. In einem nächsten Schritt soll dann ein konkreter exemplarisch ausgewählter Untersuchungsstand vorgestellt werden, mit dessen Hilfe anhand eines fest- gelegten Kriterienkatalogs der Frage nachgegangen wird, wie YouTube-Celebrities diese besondere Authentizität hervorbringen bzw. konstruieren und damit den Anschein erwecken näher als jeder andere Celebrity zuvor zu sein. Die Analyse ist zwei- bzw. dreigeteilt. Es wird eine Differenzierung zwischen Primär- (YouTube) und Sekundärmedien (u.a. Insta- gram, Twitter, Snapchat, Blog) vorgenommen. Im Anschluss wird das Zusammenwirken der einzelnen Medien untersucht und es soll sich näher mit der aufgestellten These, dass vernetztes Erz ä hlen eine besondere Rolle bei der Authentizitätskonstruktion zukommt, aus- einandergesetzt werden. So werden die einzelnen davor analysierten Aspekte bzw. Unter- suchungsergebnisse noch einmal im Zusammenhang bzw. -spiel betrachtet. (Kap. 5)

Ein Fazit diskutiert und fasst die Ergebnisse zusammen (Kap. 6) und ein darauffolgender Ausblick soll zum Abschluss auf eine mögliche zukünftige Entwicklung des Phänomens hinweisen (Kap. 7).

2 Stars, Celebrities und Prominente

To be natural is such a very difficult pose to keep up.[6]

Stars, Superstars, Popstars, Prominente und Celebrities sind Begriffe der Klatschpresse und des allgemeinen popkulturellen Bereiches. Der Gebrauch dieser Ausdrücke ist oft synonym bzw. permutabel. Darüber hinaus findet zumeist keine richtige Ausdifferenzierung bzw. überhaupt eine Auseinandersetzung mit den Terminologien statt. Gerade für wissenschaft- liche Arbeiten ist es unerlässlich mit einem konsistenten und systematisch aufbereiteten Be- griffsinstrumentarium zu operieren, um valide Forschungsergebnisse gewährleisten zu kön- nen. Deswegen soll sich anschließendes Kapitel mit genau dieser Thematik beschäftigen und eine Übersicht über die Taxonomie von personalisierten Berühmtheiten geben, wie sie in einschlägiger Fachliteratur zur Star- bzw. Celebrityforschung anzutreffen ist.

Wichtige Beiträge dazu leisteten unter anderem Richard Dyer, Daniel Boorstin und Graeme Turner. Aber auch im deutschsprachigen Raum finden sich viele wertvolle Beiträge, wie etwa von den Medienwissenschaftlern Jens Ruchatz, Alrun Seifert oder Martina Schuegraf. Letztere hat sich insbesondere auch mit neuen Formen und Entwicklungen in der Celebrity- Forschung auseinandergesetzt. Die Entwicklung des Starbegriffes muss in Verbindung mit der Entwicklung der (Massen-) Medien betrachtet werden, da diese in einer engen Wech- selbeziehung bzw. einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, sich gegenseitig bedingen und verstärken.[7]

2.1 Begriffsabgrenzungen und Definitionen

Bei der Begriffsdifferenzierung soll der Fokus vor allem auf der Unterscheidung von Stars, Celebrities und Prominenten liegen. Verschiedene Konzepte werden gegenübergestellt, um eine Einteilung, wie sie in der Arbeit Anwendung findet, zu entwickeln. Alle drei Formen personalisierter Berühmtheiten - Prominente, Stars und Celebrities - be- sitzen sehr ähnliche Charakteristika und scheinen so eng miteinander verwoben zu sein, dass eine klare terminologische Abgrenzung fast unmöglich scheint: „Im Ergebnis handelt es sich um changierende Begriffe, die einen derart amorphen Charakter aufweisen, so dass sie als amöbenartige Schablonen alles und somit nichts zugleich ausdrücken können.“[8] Und auch die Medienwissenschaftler Redmond und Holmes folgen dieser Erkenntnis und kön- nen keine kohärenten Charakteristika ausmachen, mit denen sich zuverlässig und auf einer objektiven Ebene arbeiten ließe.[9] Problem ist, dass „ jeder zu wissen meint, was sie [Stars] sind […] und ein alltägliches, intuitives Verständnis“[10] von den personalisierten Berühmt- heiten besitzt. Kategorien wie Talent, Leistung, Charisma, Präsenz, Wirkung etc., können nicht generalisiert und als allgemeingültig erklärt werden, sondern sind allenfalls mögliche (Erfolgs-)Kriterien.[11] Bei (personalisierter) Berühmtheit handelt es sich um einen durch massenmediale Vermittlung zugeschriebenen Status, konzipiert für ein Massenpublikum, das diesen Status wiederholt legitimiert und anerkennt, um dessen Aufrechterhaltung zu gewährleisten, was damit auf alle drei Ausprägungsformen zutrifft.

Aber auch durch die Dynamik in der Entstehung sowie Ausprägung dieser komplexen kulturellen Phänomene, werden jeglichen trennscharfen Definitionsversuchen große Schwierigkeiten bereitet. Des Weiteren besitzen die Konzepte sehr viele Überschneidungen, die es zusätzlich erschweren, die Grundessenz der jeweiligen Begriffe herauszufiltern und festzuschreiben. Daher muss man hier von relationale Begriffen mit spezifischen Bezugsrahmen und einer damit verbundenen Vielfalt an Ausprägungsformen sprechen[12], denn „die scharfe Trennung von Star und Celebrity, von der sich die Forschung so viel zu versprechen scheint, lässt sich kaum forschungspraktisch umsetzen.“[13]

Wichtig ist damit vielleicht am Ende gar nicht eine trennscharfe Definition hervorzubringen, wie es etwa Seiferts Ambition ist, sondern sich vielmehr diskursiv dem Gegenstand anzu- nähern und perspektivische Grundelemente herauszuarbeiten. Ruchatz folgert daraus: „Als vorübergehende, instabile Bilanzierung fortdauernder diskursiver Aushandlung findet sie [die Stardefinition][14], sich im Fluss.“[15] Daraus wird deutlich, dass die Übergänge fließend und oft auch subjektiv sind.

„Anstatt eine Erklärung für das Starphänomen anzubieten, bedarf das Alltagswissen über Stars selbst einer Erläuterung. Versucht man z.B., die konkreten Merkmale und Eigenschaften der Stars zu erfassen, um dadurch zu erklären, was den Star zum Star macht, verheddert man sich sehr schnell in Widersprüchen. Für jedes Beispiel scheint es ein Gegenbeispiel zu geben.“ ( Lowry 1997, S. 10)

Ruchatz, stellt fest, dass es sich bei Prominenz schlicht um den „Status breiter Bekanntheit“ handelt, „der ein massenmedial präsentiertes Individuum über einen kürzeren oder längeren Zeitraum aus der Menge der anderen herausragen lässt.“[16] Für Wippersberg und Seifert ist „prominent“ ein Attribut, eine Eigenschaft, die zu anderen wie etwa Leistung hinzutreten kann. So wird die inhaltliche Ebene, genau wie bei Ruchatz letztendlich entkoppelt.[17] Durch seine Wertneutralität bedeutet Prominenz etymologisch hergeleitet schlicht „herausragen, hervortreten.“ [18] „Prominenz sollte neutral, ohne jede Wertung und unabhängig von Leistung, Anerkennung, Herkunft, Werdegang, Einflusspotenzial, Zustimmung, Sympathie, Erscheinungsform oder Ausprägung verwendet werden.“[19]

Seifert schlägt vor, anders als beispielsweise Wippersberg[20], Prominenz nicht als Überset- zung zu dem englischen Celebrity zu verstehen, sondern den Begriff vielmehr über diesem anzusiedeln, nicht zuletzt deshalb, da der Terminus Celebrity indes auch im deutschspra- chigem Raum simultan zum Prominenten rege Verwendung findet. Aus diesen Erkenntnis- sen sowie anhand von Modellen anderer Medienwissenschaftler[21], entwickelt Seifert fol- gende schematische Darstellung, wie sie auch für vorliegende Arbeit gelten soll.[22]

Prominente

Stars

Celebrities

Abbildung 2: Relationen von Prominenten, Celebrities und Stars

Damit stellt die Medienwissenschaftlerin heraus, dass Prominenz das Fundament für alle Formen personalisierter Berühmtheit bildet, welche „viele Erscheinungsformen, unterschiedliche Gesellschaftsgruppen, Werdegänge“ etc. miteinschließt, denn „Politiker können genauso prominent sein wie Schauspieler oder Society-Größen, Sportler ebenso wie geistliche Würdenträger oder ungewöhnliche Gesetzesbrecher. Gründe für Prominenz reichen vom Innehaben eines Amts über berufliche Qualifika- tion und herausragende berufliche Leistung bis hin zu Geburt, Heirat, Tod - und einer guten Inszenierung.“[23]

Der Celebrity ist demnach eine Unterkategorie der Prominenz, weshalb gilt: Celebrities sind immer auch prominent, Prominente jedoch nicht zwangsläufig Celebrities - gleiches gilt für den Starbegriff. Prominenz ist ein diskursiv erzeugter zugeschriebener Status. Die Medien schlagen lediglich einen Anwärter vor, sogenannte synthetische Stars[24] oder analog synthe- tische Celebrities und Prominente, verhelfen diesen zu öffentlicher Wahrnehmung und die- nen damit als Kanalsystem.[25] Alle Faktoren bedingen sich gegenseitig: ohne die medial ver- mittelte Öffentlichkeit, die Star-Nutzer[26], gibt es keine Berühmtheiten und umgekehrt.[27] Selbiges gilt auch für die Medien: ohne Medien kann keine so große Aufmerksamkeit evo- ziert werden, aber ohne ein Publikum und ohne Inhalte, die etwa die Berühmtheiten liefern, kann auch dieses System nicht funktionieren.[28] Damit entsteht eine Art Synergieeffekt und „Prominenz verstärkt sich reflexiv, je mehr die Zuschreibung von Prominenz kollektiv be- obachtet wird.“[29] Wippersberg fasst diese Erkenntnis mit der prägnanten Formel P-P-P zu- sammen - Prominenz-Presse-Publikum. Dies ist ein sich verstärkender Kreislauf, in dem jedes Element versucht den größtmöglichen Eigennutzen für sich zu generieren.[30]

Liest man Texte zur Star- und Celebrityforschung, fällt eines auf - der Celebrity wird zu- meist als ein negativ behaftetes Konstrukt beschrieben, das dem Star unterlegen ist und da- mit eine geringgeschätzte, degradierte Form personalisierter Berühmtheit darstellt[31] - sozu- sagen als Star zweiter Klasse, weshalb der Kommunikationswissenschaftler Langer bei- spielsweise auch nicht von Stars, sondern vielmehr von Fernsehpersönlichkeiten spricht.[32] Analog müsste man dann ebenfalls von Internetpersönlichkeiten ausgehen. Einer der be- rühmtesten, aber ebenfalls sehr abstrakter Definitionsvorschlag stammt von Daniel Boorstin: „The celebrity is a person who is known for his well-knownness“[33]. Das künstlich erschaffene Konstrukt differenziert sich über sein Image, ist durch Medien erschaffen, befriedigt die Erwartungen der Masse und trägt dabei nur einen großen Namen, ohne große Leistungen erbracht zu haben oder außergewöhnliche Errungenschaften vorweisen zu können, weshalb Boorstin ihn als „human pseudo-event“[34] bezeichnet.

Der Gegenpart, der Star, misst sich schlussrichtig an besonderen und herausragenden Taten und Leistungen und schmückt sich mit Termini wie Außergewöhnlichkeit, Entrücktheit, Glamour und Unerreichbarkeit.[35] Der Star misst sich nicht nur an einer quantitativen Grö- ßen, sondern ebenfalls an qualitativen - „Startum ist mehr als Prominenz: mehr Erfolg, mehr Präsenz, mehr Bekanntheit, mehr Emotionen, mehr Liebe, mehr Aufregung, aber oft auch mehr Abscheu.“[36] Ist der Star aus dem Starsystem Hollywoods entstanden und demnach durch die Filmbranche hervorgebracht[37], so wurde der Celebrity durch das Aufkommen des Privatfernsehens etabliert. Der Kolumnist Harald Martenstein erklärt das sogenannte "Promi-Syndrom“, bzw. müsste es vielmehr „Celebriy-Syndrom“ heißen, als eine Folge der Einführung des Privatrundfunks. Um die Sendezeit möglichst effektiv und attraktiv zu fül- len, wurde auf Celebrities zurückgegriffen, die aus dem System Fernsehen heraus herge- stellt wurden. Als Beispiel können hier Formate wie etwa „Deutschland sucht den Super- star“ oder „Popstar“ angeführt werden. Als Grundlage für die Sendungen werden Celebrities benötigt, durch die Sendung aber ebenfalls Celebrities erschaffen, etabliert und der Status gefestigt. [38] Ein Unterschied ist, dass sich bei dem Celebrity der Ursprung für die anfängli- che Berühmtheit ablösen kann und seine Karriere darauf begründet ist, dass er berühmt ist, unabhängig vom ursprünglichen Grund. Deshalb ist bei dem Celebrity der private Aspekt im Vergleich zum öffentlichen überproportional von Bedeutung. [39] „>Celebrity< is a larger category than >star<, for it encompasses the huge range of people whose image circulates without being attached to their initial professional role”[40].

2.2 Das (Star)Image und neue Entwicklungen

Darüber hinaus folgen sowohl das Konstrukt Star als auch das Konstrukt Celebrity der gleichen Logik, insbesondere die Dichotomie von Privat und Öffentlich, obgleich die Gewichtung eine andere ist.[41] Diese Dichotomie lässt sich oft im Zusammenhang mit Berühmtheiten beobachten, was sich in der Analyse zeigen wird (Kap.5).

Wenn man sich mit Startheorien beschäftigt, kommt man nicht an dem Kulturwissenschaft- ler Richard Dyer vorbei, der sich in den 70er und 80er Jahren eingehend mit dem Starphä- nomen auseinandersetzte und maßgebliche Ergebnisse in seinen Büchern[42] veröffentlichte, die bis heute noch in zahlreichen Arbeiten weiterverfolgt und zitiert werden. Im Mittelpunkt steht bei Dyer das Starimage. Hier muss eingeschoben werden, dass sich Dyer zwar explizit auf den Star bezieht, die meisten seiner Ergebnisse lassen sich aber, wie bereits dargelegt (Kap. 2.1), problemlos auf den Celebrity übertragen, insbesondere die Aspekte, die nach- folgend ausgeführt werden

Viele Theorien basieren auf der Idee den Star als Persona mit bestimmten Image bzw. als Text zu betrachten. Dyer schlägt vor, Stars strukturell, aber auch funktional zu analysieren. Er begreift den Star als Text[43] bzw. vielmehr als ein Konglomerat aus visuellen, verbalen sowie auditiven Zeichen[44], welches er als das Image eines Stars bezeichnet: „stars do not exist outside of these texts“[45]. Damit sind Medientexte, wie Filme, Zeitungs- oder Zeit- schriftenartikel, Fernsehsendungen, Interviews Werbefilme, etc. gemeint, umfassen aber al- les, was über den Star in der Öffentlichkeit verfügbar ist.[46] Somit sind ebenfalls Kommen- tare auf Internetplattformen und Blogs, Fotografien usw. mit eingeschlossen und als Startext zu betrachten. Dyer versteht den Star folgerichtig nicht als reale Person, sondern vielmehr als ein Zeichenkonstrukt, das lediglich von einer realen Person verkörpert wird: „Stars sind Images, die für Ihre Rezipienten nur in medial-textueller Vermittlung existieren, selbst wenn es für ihre Funktion […] unerlässlich ist, dass sie auf die Realität referieren.“[47] Ein Star operiert auch immer nur mit einem Image, für das sehr divergente Lesearten existieren: „the images of stars are open to a range of differential readings.“[48] Damit wird das Publikum beim Prozess der Imagekonstruktion außen vorgelassen, das Image fungiert als Ausgangs- material. Ruchatz argumentiert hier mit Dyer gegen Lowry, der postuliert, es gebe mehrfa- che Varianten des Images. Eine Ausnahme liegt vor „[W]wenn das Publikum in Zeiten der sozialen Netzwerke des Internet öffentlich über den Star kommunizieren mehr noch als zu Zeiten der von Fans redigierten Zeitschriften oder Fanzines, so nimmt der Anteil der Nutzer auch an der Imagebildung des Stars zu und kann womöglich die Heterogenität noch einmal steigern.“[49] Die öffentlich zirkulierenden Zeichen, wie etwa YouTube-Kommentare, sind typische Charakteristika des Web 2.0, welches in Kapitel 4 näher beleuchtet wird. So ist den Fans eine aktive Partizipation möglich, die zusätzliche Nähe zum Star bzw. Celebrity gene- riert, was in der Analyse deutlich werden wird (Kap. 5).

Aufbauend auf den Theorien von Dyer, Gamson und Turner entwickelt die Medien- und Kulturwissenschaftlerin Elizabeth Ellcessor eine Theorie des „ star text of connection “, worunter sie Startexte fasst, die durch das Schaffen von Verbindungen von sozialen Medien zu anderen Menschen, Projekten und verschiedenen Empfängern entstehen: „a star text that is formed through the creation of social media connections to other people, projects, and audiences - offers a lever with which to pry open the overlapping media texts, aesthetics, audiences, and industries that have transformed the media landscape and enabled success.“[50]

Sie zielt damit sehr stark auf den Vernetzungscharakter, den das Internet inne hat ab und spricht indirekt die Medienkonvergenz an, welche eingehender in Kapitel 4 betrachtet wird. So entsteht eine transmediale oder wie es in dieser Arbeit bezeichnet werden soll - vernetzte Geschichte - des Zeichenkonstrukts Star oder Celebrity, konstituiert durch wiederholte Ver- bindungen zwischen den einzelnen (Netz-)Medien (Kap. 4, & 5.5). Deshalb begreift Ellces- sor Stars als konvergente und transmediale Texte, welche strukturelle und soziale Verbin- dungen zwischen verschiedenen Medien, aber auch dem Publikum herstellen.[51] Die genann- ten Elemente spielen ebenfalls eine zentrale Rolle bei YouTube-Celebrities, die auf ver- schiedenen Medienplattformen agieren, diese miteinander verknüpfen sowie in Beziehung zueinander setzen, aber ebenfalls miteinander kooperieren und so eine vernetzte Erz ä hlung hervorbringen. Es wird ein dichtes, eng verwobenes Netzwerk kreiert, das auf den ersten Blick unüberschaubar sowie undurchdringbar scheint, was eine Eingrenzung des Untersu- chungsgegenstandes unerlässlich macht.

Schuegraf merkt darüber hinaus an, dass durch die Mediatisierung, insbesondere durch di- gitale Online-Medien die Grenzen zwischen Celebrities und dem (klassischen) Starphäno- men zunehmend verwischen, weshalb sie eine enorme Ausweitung des Celebrities konsta- tiert. Zudem rückt das vermeintlich Persönliche und Private immer mehr ins Zentrum des Interesses[52], was wiederum nicht nur ein Näherrücken von Stars/Celebrities und Rezipien- ten zur Folge hat, sondern ebenfalls eine Assimilation der beiden analytischen Kategorien.[53]

„Mit den technologischen Entwicklungen wie dem Internet und den digitalen Medien scheint sich auch der Star zu wandeln. Er ist nicht mehr allein an ein ihn erschaffendes System wie bspw. die Film- oder Musikindustrie gekoppelt, sondern er ist zu einer gesellschaftlich und kulturell verhandelbaren Celebrity geworden, auf die ebenso Fans sowie Publikum großen Einfluss ausüben. Celebrities sind an ein System von Kommentierungen, Inszenierungen und Präsentierungen mittels der unterschiedlichen medialen Möglichkeiten gebunden.“[54]

Hier sind folgerichtig die sozialen Medien und Netzwerke wie unter anderem Twitter, Y- ouTube, Instagram etc. von großer Bedeutung, da sie den Celebritysierungsprozess, wie in der Analyse gezeigt wird, erheblich beeinflussen.

Es findet eine Verschiebung von leistungsorientiertem Ruhm hin zu medienbasierten Ruhm statt[55] und Stars werden immer nahbarer und verlieren die ursprüngliche auratische Aus- strahlung und Distanz. Folgt man Schuegrafs Ausführungen, kommt man zu dem Schluss, dass sie quasi den Tod des Stars bzw. die Annektierung des Stars durch den Celebrity diag- nostiziert. Hier sei noch einmal auf die in der Einleitung aufgestellte These verwiesen, dass YouTube-Celebrities durch bestimmte Strategien absolute Nähe zum Zuschauer generieren und sich allzeit verfügbar machen und die auratische Distanz damit gegen null geht. Gleich- zeitig beschreibt Schuegraf die Dynamik und Variabilität des Star/Celebrity-Begriffs und stellt neue Formen von Celebrities fest, wie etwa den hier untersuchten YouTube-Celebrity: „Für sie ist das Internet die mediale Plattform, wodurch sie bzw. ihre Videos Bekanntheit erlangen und Klickraten auf den Bekanntheitsstatus verweisen.“[56]

2.3 Das Phänomen YouTube-Celebrity

„YouTube kann somit als eine mediale Plattform gefasst werden, die technologische Möglichkeiten zur Celebrityproduktion bereitstellt und auf diese Weise Berühmthei- ten hervorbringt. YouTube fungiert in diesem Sinne jedoch nicht als reine Technik, sondern durch die Sichtbarmachung sind Medium und Celebrity-Selbst im Herstellungsprozess verschränkt und miteinander verwoben.“[57]

Wie bereits beschrieben, erfuhr der Celebritysierungsprozess durch den Einzug des Internets und der digitalen Medien in die Populärkultur eine enorme Ausweitung, was zu einem exponentiell ansteigenden Medienangebot führte, welches nicht mehr so stark vorselektiert wurde bzw. werden konnte, da die klassischen Massenmedien nicht mehr als Gatekeeper existierten. Die Folge daraus ist, dass mittlerweile tausende von YouTubern existieren, die sich als Celebrity-Anwärter anbieten, der Unterschied ist nur, dass sie es mit Hilfe der Medienplattform selbst tun können und zunächst einmal keine anderen Medien dafür benötigen. Nur die wenigsten YouTuber besitzen allerding Celebrity-Status.[58] Kennzeichnend für den sogenannten YouTube-Celebrity ist, dass dessen Entstehung und Etablierung gerade erst durch die Technologisierung bzw. Digitalisierung, dem medialen Fortschritt sowie dem Aufkommen des Web 2.0 möglich gemacht wurde (Kap. 4):

„Digitale Medien bzw. das virtuelle Netz ermöglichen Selbstinszenierungen als Pro- dukt von Communitys sowie über Hypertext und somit als interaktive, kommunikative und partizipative Prozesse, in denen Bezugnahmen quasi Voraussetzungen der Selbst- Kreation sind. Das heißt zugleich, dass Bewertungen, Rankings und Kommentierun- gen den Prozess der Celebritywerdung auf YouTube regulieren und mit Erfolg oder Misserfolg quittieren. “[59]

Diese sogenannten YouTuber agieren auf verschiedenen Gebieten bzw. Genres. Immer wie- der taucht in ihren Videos der Vermerk auf, dass es sich hier um kein professionelles Tuto- rial, Anleitung o.ä. handelt, womit sie sich selbst von professionellen Leistungen und der Außergewöhnlichkeit, die den Star kennzeichnet, distanzieren. Sie stellen sich bewusst als normale und gewöhnliche Menschen dar, um möglichst viel Nähe zu ihren Zuschauern zu generieren und zu gewährleisten. Sie bieten ihren Zuschauern „die Möglichkeit der Partizi- pation, Kommunikation und Interaktion“[60] Des Weiteren agieren sie nicht nur auf einem Gebiet, sondern decken höchst heterogene Sektoren ab. Hierunter fallen Musik, Kunst, Li- teratur/Belletristik, Filme in Genres wie Comedy/Entertainment, Beauty, Lifestyle, uvm. Sie scheinen in allen Themengebieten bewandert, aber in keinem spezialisiert und professi- onalisiert. Sie sind fähig zu jedem Themenfeld Videoinhalte produzieren, so dass es oft schwer fällt die YouTuber einer bestimmten Kategorie fest zuzuordnen, was teilweise auch in ihren Videos aufgegriffen wird bzw. in deren Selbstbeschreibung auf ihren YouTube Ka- nälen. So schreibt beispielsweise Caspar Lee in der Sparte, in der sein Kanal näher charak- terisiert wird: „I have no idea how to describe my channel.“[61] Weitere unspezfische Beschreibungen stammen von Joe Sugg (Kanal ThatcherJoe) „My name is Joe, a 24 year old who likes to make a fool out of himself on camera for your entertainment.“[62] Manchmal fehlen solche Selbstbeschreibungen auch völlig, wie es etwa bei den Kanälen PointlessBlog, Jim Chapman oder Marcus Butler der Fall ist. Dennoch sieht man vereinzelt das Bestreben sich in eine Kategorie einzuordnen und damit eine feste Zielgruppe anzusprechen. So grenzt sich Niomi Smart nach ihren anfänglich überwiegenden Beautyvideos und zumeist recht unspezifischen Inhalten mittlerweile als „Lifestyle-Kanal“ mit Fitness, Gesundheits- und Ernährungstipps ab und versucht so einen roten Faden in ihren Videos zu kreieren. Um einen Star kann es sich bei diesem Phänomen insofern nicht handeln. So soll dieses Phäno- men, wie auch schon im Titel dargelegt, als Phänomen YouTube-Celebrity gefasst werden. Da es sich bei YouTube um das Hauptaktionsfeld handelt, soll sich hier vor allem auf die Termini YouTube-Celebrity bzw. YouTuber geeinigt werden.[63]

Nach Ellcessor ist deren Erfolg primär von Intimität und Authentizität abhängig:

“In fact, Internet celebrity is founded even more firmly on illusions of intimacy, ex- pressed […] through perceived access to private, backstage behavior. Internet-based fame depends on the authenticity of a star´s self-representation and on the notion of intimacy, experienced through the possibility of interaction rather than through sim- ple familiarity.”[64]

Authentizität kann also als grundlegendes Konzept bei der Celebritygenese gesehen werden, was die Harmonie zwischen öffentlichem Image und authentischem Selbst bedingt.[65] Authentizität „is ultimately unknowable, yet persistently desirable“[66], weshalb diesem Konzept nachfolgend auf den Grund gegangen werden soll.

3 Authentizität

Sincerity - if you can fake that, you ´ ve got it made.[67]

Wenn man sich mit dem Konstrukt Star/Celebrity auseinandersetzt, stößt man unweigerlich auf den Begriff Authentizität, der seit jeher ein Faszinationspotential in sich trug. Ziel eines jeden Stars und Celebrities ist es, möglichst glaubwürdig zu erscheinen und ein konsistentes Image aufzubauen. Deshalb werden nachfolgend Fragen beantwortet, wie etwa was Authen- tizität ausmacht, aber auch wie sie entsteht und mit welchen Problemen sie behaftet ist.

Authentizität ist ein beliebter Terminus in einer Vielzahl von Diskursen und wartet mit einer langjährigen geschichtlichen Tradition auf, was es schwierig macht eine allgemeingültige Definition festzulegen.[68] Wissenschaftler diverser Disziplinen interessieren sich für den Gegenstand, für „das Reale“, „das Echte“ und „das Wahre“.[69] Deshalb ist es von essentieller Bedeutung den jeweiligen Kontext zu betrachten.

Im Sinne des Philosophen und Soziologen Adorno kann Authentizität beispielsweise beschrieben werden als „Gradmesser für Glaubwürdigkeit eines äußeren Ereignisses oder eines inneren Erlebnisses. Diese Glaubwürdigkeit entfaltet ihre Überzeugungskraft in der künstlerischen Vermittlung, die sich an der eigenen Wahrnehmung der Rezipienten messen lassen muß [sic!].“[70]

Letztendlich ist Authentizität damit eine relative sowie normative und subjektiv bewertende Kategorie[71]: Etwas gilt also als authentisch, weil es als authentisch erklärt wird und diesen Status von einer Autorität zugeschrieben bekommt. Authentizität ist demnach, genau wie Prominenz, sozial konstruiert und zumeist, so auch bei YouTube-Celebrities, medienver- mittelt.[72]

3.1 Authentizität im Medienumfeld

3.1.1 Medienvermittelte Authentizität

Im Zusammenhang mit medienvermittelter Authentizität muss natürlich auch auf das Para- dox, welches dieses Phänomen innehat, hingewiesen werden. Medien sind per se konstru- iert. Um also Authentizität hervorzubringen, müssen bestimmte Inszenierungstechniken an- gewandt werden.[73] Die Massenmedien genießen einen großen Stellenwert in der heutigen Gesellschaft und greifen in nahezu jeden Lebensbereich ein, weshalb Hickethier von einer Medialisierung der Kultur spricht.[74] Der Medienwissenschaftler Roger Silverstone geht so- gar noch weiter und etikettiert dieses Phänomen mit „Mediapolis“[75]. In dieser Medienge- sellschaft wird der Großteil des Wissens folgerichtig über Medien verbreitet, die Realität wird also von Medien repräsentiert. Dabei ist aber gleichzeitig jedem bewusst, dass Medien manipulierbar, per se konstruiert sowie inszeniert und oft sogar fingiert und gefälscht sind. Dennoch wird ihnen großes Vertrauen entgegengebracht und sie werden allgemein als neut- rale sowie vertrauenswürdige Informationsvermittler betrachtet.[76] Natürlich ist dem nicht immer so, dennoch muss ein gewisses Grundvertrauen vorherrschen, dass Medien verläss- liche Informationen anbieten und transportieren, da die gegenwärtige digitale Medienge- sellschaft größtenteils von ihnen abhängig ist: „we live both through and in the media.“[77] Nach dem Medienwissenschaftler Mark Deuze leben wir also ein sogenanntes „media life“, da unser normales Leben unweigerlich von Medien und deren Technologien dekretiert wird, es untrennbar miteinander verknüpft ist und Medien unsere Aktivitäten steuern, aber auch unser Sozialleben und unsere Entscheidungsfindungen immens beeinflussen.[78]

(Medienvermittelte) Authentizität wird durch bestimmte Produktionstechniken erzielt - die Medienwissenschaftlerin Gunn Enli bezeichnet diese als Authentizitätsillusionen, der Film- philologe Manfred Hattendorf als Authentizitätsmarker. Medienvermittelte Kommunika- tion ist die Repräsentation der Realität und basiert damit auf der Illusion von Authentizität.

„Mediated authenticity is constructed by authenticity illusions, such as the enhancement of raw material through adjustments that make it seem more realistic, genuine, and trustworthy.“[79]

Die Welt wird mittels Bildern, Texten und Tönen dargestellt.[80] Dabei wird sich bestimmten, in einem Bereich bzw. Genre vorherrschenden Repräsentationsmodi, die eine gewisse Erwartungshaltung des Publikums generieren, bedient. Enli geht von Illusionen aus, da ja gerade Eingriffe und künstlich hergestellte Momente bewusst herbeigeführt werden, die aber natürlich und authentisch für die Rezipienten wirken (sollen). Hierbei kann es sich etwa um leichtere Anpassungen wie Beleuchtung, Toneffekte, aber auch um größere Eingriffe wie post-produktionäre Schnitttechniken oder um das Bearbeiten mit Bildbearbeitungsprogrammen handeln. Abhängig ist dies, wie bereits erwähnt, von den allgemein vorherrschenden Kriterien für bestimmte Medienformate.[81] Auch bei den YouTube-Videos der YouTubeCelebrities haben sich gewisse Konventionen herausgebildet, die an späterer Stelle in der Analyse (Kap. 5.3.1 & 5.3.2)) herausgearbeitet werden sollen.

Zwischen den Kommunikationspartnern, im Falle der YouTube-Celebrities also zwischen diesen selbst bzw. ihrem Video und dem Zuschauer, wird eine stillschweigende Vereinba- rung getroffen, aus der ein Authentizitätsvertrag hervorgeht. Der Grad der Authentizität ist abhängig von den symbolischen Verhandlungen, die die Kommunikationspartner führen. Anders als Hattendorf geht Enli von einem dritten beteiligten Akteur als regulierende Au- torität beim Vertragsschluss aus. Dies sind rückversichernde Instanzen wie zum Beispiel Personen aus dem sozialen Umfeld oder aber auch das Bürgen für Authentizität einer ange- sehenen Institution, wie etwa durch die Verifikationsfunktion einer angesehenen Medien- plattform wie Twitter oder Instagram (Kap. 5.4.1 & 5.4.3). Diese dritte Partei ist vor allem dann wichtig, wenn die Authentizität angezweifelt und hinterfragt wird.

Das Zustandekommen des Kontrakts ist damit ebenso genreabhängig, wie auch auf einer gewissen Irrationalität beruhend. Menschen verspüren das Bedürfnis den Illusionen, die ihnen vorgeführt werden, zumindest bis zu einem bestimmten Grad, Glauben schenken zu wollen, da sie durch diesen Glauben Freude und Zufriedenheit erfahren. Der Produzent bzw. YouTuber kodiert das Medienprodukt zwar und intendiert damit eine bestimmte präferierte Lesart, allerdings liegt es an den Rezipienten dieses zu dechiffrieren und mit Hilfe von per- sönlichen Filtern zu interpretieren, was wiederrum sehr subjektabhängig ist.[82]

Im Medienumfeld gelten unbearbeitete und improvisierte Momente als Augenblicke beson- derer Authentizität, da sie als Ausdruck einer tieferen Wahrheit scheinen. Das Handeln der Akteure des Medienprodukts wird als natürlich erachtet als würde der Performende in dem Moment den Kern seiner selbst preisgeben und genau er/sie selbst sein. Allerdings muss dies ebenfalls konform gehen mit den Kriterien des Formats, also zum Beispiel mit Konventionen in Dokumentationen oder Vlogs, was abermals die Paradoxität vor Augen führt.[83] So werden vorgeplante spontane Ereignisse oft als authentischer wahrgenommen als wirkliche sich spontan ereignenden Geschehnisse.

Bei Fehlkommunikation sind Folgen zu erwarten, die Enli als Authentizitätsskandal (au- thenticity scandal) bzw. Authentizitätsrätsel (authenticity puzzle) bezeichnet. Ein Skandal beruht meist auf bewusstem Betrug zum Zwecke übergeordneter Ziele wie etwa die Profit- steigerung eines Unternehmens oder die Erhöhung der Abonnentenzahl eines YouTubers, kann aber ebenfalls durch Anwendung ungewöhnlicher Produktionstechniken, die die Zu- schauer nicht lesen können, hervorgerufen werden. Authentizitätsrätsel sind die spielerische Kombination von glaubwürdigem mit nicht glaubwürdigen Material, was es sehr komplex und schwer durchschaubar macht, zudem oft geplant spontan wirkende Momente eingebaut werden. Die Zuschauer sind dazu eingeladen aktiv zu partizipieren um das Rätsel aufzulö- sen, die authentischen von den nicht-authentischen Elementen zu trennen, zu spekulieren und an der Bedeutungsproduktion teilzuhaben.

Im Zeitalter des Internets und der Digitalisierung wird oft von einer Online/Offline Dicho- tomie gesprochen. Onlinemedien verfügen über keine physische Evidenz, die zweifelsfrei als authentisch festgestellt werden kann. Kompensiert wird das durch Referenzen auf reale Artefakte wie beispielsweise durch das Einbinden von Fotografien von realen Objekten. Bilder werden oft mit dem eigenen Selbst assoziiert und kreieren eine gewisse Intimität zwischen den Usern.[84] Dies leitet zu einem weiteren sehr wichtigen Punkt in der medien- vermittelten Authentizität über - der Parasozialiät bzw. den parasozialen Interaktionen und Beziehungen.

3.1.2 Parasozialität

Parasoziale Interaktion ist ein Schlüsselelement bei der Authentizitätskonstruktion von Y- ouTube-Celebrities und stellt eines der Hauptziele dar, die es zu erreichen gilt, da parasoziale Beziehungen gleichsam als Loyalität zu betrachten sind.

Hierzu gibt es viele verschiedene Ansätze wie etwa den Uses-and-Gratification-Ansatz nach den Kommunikationswissenschaftlern Rosengren und Windahl oder Nordlund sowie den symbolischen Interaktionismus nach Rubin [85] Der wohl bekannteste Ansatz, an den sehr viele Wissenschaftler anknüpfen, stammt allerdings von Horton und Wohls und bezog sich vor allem auf das Fernsehen, insbesondere auf Talkshows und deren Moderatoren. Diese („neue“) Art von Medienperformern bezeichnen sie als Personae. Der Ansatz kann prob- lemlos auf das Internet und die YouTube-Celebrities transferiert werden, da die Situation im Kern identisch ist. Eine Medienperson agiert vor einer Kamera, ein Zuschauer rezipiert die Kameraaufnahme mittels eines Mediums (Fernsehen, Computer, Laptop, Mobiltelefon, Tablet, etc.) und tritt mit der Persona in Kontakt bzw. kommuniziert mit dieser, ohne dass diese Person tatsächlich physisch anwesend wäre. Es besteht lediglich eine Illusion eines face-to-face Kontakts.[86] Natürlich gibt es hier dispositivabhängige Rezeptions- und Wahr- nehmungsunterschiede, die jedoch für vorliegende Arbeit nicht von Relevanz sind.

Authentizität und parasoziale Interaktion bzw. parasoziale Beziehungen bedingen sich ge- wissermaßen gegenseitig und gründen in einer Wechselseitigkeit. Erst durch das Wahrneh- men eines Celebrities als authentisch, kann eine parasoziale Beziehung zu ihm aufgebaut werden. Je intensiver sich die parasoziale Beziehung allerdings manifestiert, desto einfacher ist es Authentizität zu konstruieren bzw. aufrechtzuerhalten und desto leichter gelingen Au- thentizitätskonstruktion, da bereits ein Grundvertrauen vorhanden ist. Der weiter oben an- geführte Authentizitätsvertrag wurde also erfolgreich geschlossen und beglaubigt.

Zunächst einmal muss aber zwischen parasozialer Interaktion (PSI) und parasozialer Bezie- hung (PSB) unterschieden werden. Als parasoziale Interkation wird die „Illusion eines ge- sprächshaften Austausches zwischen Medienfigur und Rezipient“[87] bezeichnet. Es handelt sich um eine besondere Form der Interaktion, die medienvermittelt ist, aber dennoch sehr große Ähnlichkeit zu gewöhnlichen Formen kommunikativen Verhaltens aufweist. Der Zu- schauer erlebt den Moment der Rezeption als persönliche Adressierung durch die Medien- figur, im Extremfall sogar als eine Konversation zwischen ihm und der Persona als ob sie sich in einer privaten Gesprächssituation befänden.[88] Durch eine Häufung an parasozialen Interkationen kann eine Bindung aufgebaut werden, man spricht dann von einer parasozia- len Beziehung.[89] Parasoziale Interaktionen und Beziehungen sind alltäglich und entwickeln sich ganz natürlich als Folge von erhöhtem Medienkonsum. Dieser Umstand akzentuiert die vorher getroffene Aussage, dass Medien das Leben der Menschen maßgeblich beeinflussen und wir in Mediapolis leben.[90] Hier ist ebenfalls die Besonderheit zu nennen, dass die Per- sonae durch ihre Medienerzeugnisse wie YouTube-Videos, Instagram-Bilder, Tweets, etc. simultan eine Beziehung bzw. Intimität mit einer Masse von für sie fremden Personen auf- bauen. Da der Mensch den natürlichen Drang nach sozialen Kontakten und zwischen- menschliche Beziehung verspürt, können Medienpersönlichkeiten zu Freunden, Bekannten oder gar Vorbildern avancieren. Die Zuschauer scheinen die YouTube-Celebrities durch eine Anhäufung von Beobachtungen zu kennen, können ihre Gesten, ihre Mimik und ihr Verhalten deuten und einschätzen. Dieses Wissen entsteht über eine Akkumulation von In- formationen durch regelmäßigen Videokonsum bzw. Konsum der hervorgebrachten Inhalte der YouTuber. Der User „versteht den Charakter und schätzt ihre Werte und Motive“[91], so dass Loyalität gegenüber der Medienpersönlichkeit evoziert wird. Demnach ist Ziel jedes YouTube-Celebrities solch eine unterstellte Intimität mit seinen Zuschauern aufzubauen, so dass diese zu Abonnenten seines Kanals werden, regelmäßig die Videos und analog auch die Inhalte auf den anderen Plattformen wie Instagram, Twitter, Snapchat und Co. konsu- mieren.

Im Zusammenhang mit Prominenz bzw. mit Celebrities sieht Wippersberg „im Sinne der Populärkultur […] eine Menge an Lesarten […],

jeder Zuschauer holt sich von der Rezeption von Prominenten das, was er in seinem sozialen Kontext braucht oder wünscht. […] Dennoch sind Prominente mögliches Identifikationsmodell, Vorbild oder bergen Abgrenzungspotenzial. Sie befriedigen Urinstinkte wie Voyeurismus, Ekel, Schadenfreude und Mitleid und spenden Trost, wenn erkennbar wird, dass Prominente mit denselben Problemen zu kämpfen haben wie "normale" Menschen. Sie stellen gesellschaftsübergreifende gemeinsame Ge- sprächsthemen dar und können die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definieren.“[92]

Eine weitere Besonderheit bei parasozialen Interkationen stellt die Einseitigkeit der Kom- munikation dar bzw. viel mehr die Nicht-Reziprozität: „Da die Beziehung zwischen Persona und Publikum einseitig ist und nicht gegenseitig entwickelt werden kann, liegt die volle Bürde, eine plausible Imitation der Vertrautheit herzustellen, auf der Persona […]“[93]. Des Weiteren befinden sich die zwei Kommunikationspartner nicht zur gleichen Zeit am gleichen Ort. Es kann also nicht wie bei einer normalen Kommunikationssituation zu Aktion und Reaktion führen. Der YouTuber ist also gezwungen Mutmaßungen über das zu erwar- tende Verhalten der Zuschauer anzustellen, denkt sich das Publikum während des Drehens mit und passt seine Handlungen an die vermuteten Erwartungshaltungen an.[94] Diese Um- stände werden mit den technischen Möglichkeiten, die YouTube bietet, teilweise kompen- siert. Hier sei die Kommentarfunktion genannt, die den Austausch zwischen den Rezipien- ten und dem YouTuber, aber auch zwischen den Zuschauern untereinander, wenngleich im Nachhinein, also genau genommen auch außerhalb der parasozialen Interaktion, ermöglicht. Die Zuschauer können Fragen stellen, Kritik, Lob etc. äußern, auf die der YouTube-Ce- lebrity reagieren kann. Ebenso können im Videoprodukt selbst Fragen an das mediatiserte Publikum gestellt werden, das die Beantwortung dann in den Kommentaren vornimmt und somit dennoch eine Illusion einer Interaktion etabliert wird. Allerdings fehlt ein Rückkanal, was eine direkte gegenseitige Beeinflussung unmöglich macht. Dies drängt den YouTuber in die Rolle des Handelnden und den Rezipienten in die Rolle des Beobachters.[95] Durch Anwenden bereits angeführter Strategien wird diese Tatsache allerdings so gut wie möglich verschleiert und ebenfalls versucht die „inhärente Unpersönlichkeit der Medien wettzuma- chen.“[96] Vielmehr sollen die Zuschauer Zustimmung zeigen und zu dem YouTube-Ce- lebrity stehen, ihm Fehler verzeihen und auf deren Empfehlungen vertrauen.

Medien bieten die Chance eine Rolle zu übernehmen, die er in seinem normalen sozialen Umfeld nicht einnehmen kann. Hier hat die parasoziale Interaktion/Beziehung eine kompensatorische Funktion, da sie „sozial und psychologisch Isolierten die Chance gibt, das Elixier der Geselligkeit zu genießen.“[97]

Da YouTube als das Primärmedium angesehen wird, ist die parasoziale Interaktion und der parasoziale Beziehungsaufbau vor allem dort von Relevanz - besonders da es sich bei YouTube um ein audiovisuelles Netzmedium handelt. Bewegtbilder schaffen eine viel größere Nähe und erleichtern das direkte in Kontakt treten mit den Zuschauern. In diesem Zusammenhang sind audiovisuelle Medien, Bild- oder Schriftmedien überlegen. Das Vertrauen gründet eher auf einer persönlichen Ebene als auf einem Vertrauen in das System, wie es der Systemtheoretiker Niklas Luhmann propagiert.[98] Der Authentizitätsvertrag besteht also vielmehr zwischen einem einzelnen YouTuber und dem Rezipienten und ist auf emotionale Bindung beruhend, also einer parasozialen Beziehung.

3.2 Dokumentarische Authentizität

Auch Dokumentationen operieren mit bestimmten Codes und Konventionen, die als Authentizitätsmarker dienen. Die YouTube Videos der Internetpersönlichkeiten sind zwar im engeren Sinn keine Dokumentarfilme und werden in der Gesellschaft auch keineswegs als solche erachtet, sie könnten aber im weiteren Sinn durchaus als solche bzw. ähnliche Medienprodukte, vor allem die Vlogs, bezeichnet werden.

Hattendorf schlägt im Zusammenhang mit dem Dokumentarfilm folgende Definition vor:

„Die Authentizität ist ein Ergebnis der filmischen Bearbeitung. Die <Glaubwürdigkeit> eines dargestellten Ereignisses ist damit abhängig von der Wirkung filmischer Strategien im Augenblick der Rezeption. Die Authentizität liegt gleichermaßen in der Gestaltung wie der Rezeption begründet.“[99]

Was sich hier herauskristallisiert ist, dass es zwei Determinanten sind, die von Bedeutung zu sein scheinen, was sich ebenfalls bereits bei Adornos erwähntem Verständnis herausge- stellt hat - nämlich gekennzeichnet als „künstlerische Vermittlung“ und „Wahrnehmung des Rezipienten“.

Eine Dokumentation kann als ein nicht-fiktionales audiovisuelles Medienprodukt, das das Ziel verfolgt die echte, reale Welt wahrheitsgetreu abzubilden und zu porträtieren, gefasst werden. Der Fokus liegt auf Fakten, Beweisen und Objektivität. Es wird postuliert, Doku- mentarfilme seien die beste Darstellungsform zur Wirklichkeitsabbildung, da eine direkte Verbindung zwischen dokumentierter und realer Wirklichkeit besteht, welche idealiter als kongruent wahrgenommen wird.[100] Dokumentarische Medienformate genießen eine privi- legierte Stellung in der Gesellschaft und gelten als authentisch, obgleich diese, ebenso wie fiktionale Medienprodukte, einem kreativen Prozess unterliegen und künstlich, einer be- stimmten Dramaturgie folgend, zu einer Geschichte konstruiert wurden. Von Bedeutung ist in besonderem Maße - analog zu dem Postulat im vorangegangen Kapitel, dass Medien ver- trauenswürdige Informationstransmitter sind - die kulturelle Akzeptanz, das Vertrauen und der Glaube, dass Dokumentationen einen bestimmten Wahrheitsgehalt beinhalten und pro- fessionellen Praktiken folgen.[101] Damit liegt „Authentizität [ist] immer im Auge des Betrachters ‚etwas‘ ist immer für jemanden ‚wahr‘. Wenn uns ‚Natürliches‘ als ‚echt‘ erscheint, dann geht es nicht um die Frage, ob etwas, was dem Betrachter als ‚natürlich‘ erscheint, auch ‚wirklich‘ natürlich ist, sondern es geht um die Frage, warum dem Betrachter gerade ‚Natürliches‘ als ‚echt‘,

[...]


[1] Tufnell 2013

[2] https://www.youtube.com/watch?v=baqebCZe9Xg [10.08.2016]

[3] https://www.youtube.com/watch?v=h_2osOb2SMU [29.08.2016]

[4] Meyers 2009

[5] Ein Beispiel hierfür ist das Video The Coke Zero & Mentos Rocket Car: https://www.y- outube.com/watch?v=i-hXcRtbj1Y&t=10s [29.08.2016]

[6] Zitat von Oscar Wilde; zitiert nach Enli 2015, S. 87

[7] Vgl. Becker 1993, S. 60, vgl. Wippersberg 2014, S. 44

[8] Schneider 2004, S. 80

[9] Vgl. Holmes und Redmond 2010b, S. 9f.

[10] Lowry 1997, S. 10; vgl. Lowry und Korte 2000, S. 6; vgl. Keller 2008, S. 110ff.

[11] Vgl. Lowry 1997, S. 10ff., vgl. Keller 2013, S. 134

[12] Seifert 2013, S. 38f.

[13] Ruchatz 2014, S. 389; Der Medien- und Kommunikationswissenschaftler Stephen Lowry schlägt vor:

[14] Dies trifft aber ebenso auf alle anderen Formen personalisierter Berühmtheit zu und ist keineswegs nur der Ordnungsgröße Star vorbehalten.

[15] Ruchatz 2014, S. 366

[16] Ruchatz 2014, S. 381

[17] Vgl. Wippersberg 2007, S. 282; vgl. Seifert 2010, S. 49

[18] Kluge und Seebold 2015, 2015, S. 585

[19] Wippersberg 2014, S. 44

[20] Wippersberg macht dazu zwar keine explizite Aussage, in ihrem Text ist allerdings klar ersichtlich, dass sie davon ausgeht, dass es sich bei Celebrities und Prominenten um dasselbe Phänomen handelt.

[21] Vergleiche hierzu: Peters 1996, Schneider 2004, Wippersberg 2007

[22] Nach Vorlage von Seifert 2010, S. 51 erstellt

[23] Wippersberg 2014, S. 44; anders sieht dies der österreichische Schriftsteller und Journalist Karl Kraus, der bereits 1927 in seinem Aufsatz vorführt, dass Prominenz durchaus ein sehr negativ belasteter Begriff ist und keineswegs als Adiaphoron gefasst werden kann: „Die Prominenten - das grausliche Substantiv […] Das Ekel- wort wuchert hauptsächlich in den Spalten der Presse […] Komödianten, Filmfritzen, Kabarettfatzken, Boxer, Fußballer, Parlamentarier, Eintänzer, Damenfriseure, Literarhistoriker, Persönlichkeiten schlechtweg - alle können prominent sein.“( Kraus 1927, 117f.) Damit spielt Kraus auf die negative Konnotation, die dem Ce- lebrity anhaftet an, was zeigt, dass Prominenter und Celebrity oft als das gleiche Phänomen gefasst wird.

[24] Vgl. Schuegraf 2013a, S. 119

[25] Vgl.Seifert 2013, 38f.

[26] Keller 2008

[27] Vgl. Wippersberg 2014, S. 44ff.

[28] Vgl. Franck 2013, S. 13f.

[29] Ruchatz 2014, S. 382

[30] Vgl. Franck 2013, S. 13ff.

[31] Vgl, Ruchatz 2014, S. 382f.; vgl. Keller 2008, S. 118f.; vgl. Jacke 2004, S. 273f.

[32] Vgl. Langer 2010, S. 181ff.; Vgl. Langer 1981, S. 351ff.

[33] Boorstin 1964, S. 57

[34] Ebd., S.47

[35] Vgl. Ruchatz 2014, S. 384, vgl. Schuegraf 2013b, S. 24, vgl. Schuegraf 2015, S. 238

[36] Keller 2013, S. 134

[37] Vgl. Faulstich und Korte 1997, vgl. Lowry und Korte 2000

[38] Vgl. Wippersberg 2014, S. 46, vgl. Schuegraf 2015, S. 238

[39] Vgl. Turner 2014, S. 8, vgl. Holmes und Redmond 2010a, S. 4

[40] Evans 2005, S. 4

[41] Vgl. Ruchatz 2014, S. 385

[42] Unter anderem: Stars (1979), Heavenly bodies: film stars and society (1986), The matter of images: essays on representation. (1993)

[43] Auch wenn viele Starforscher davon ausgehen, ist diese Aussage kritisch zu betrachten, denn wie Ruchatz in seiner Monografie beschreibt: „Auch, wenn der Star nur in Texten wohnt, so bildet er doch selbst keinen durchorganisierten Text, sondern lediglich ein Zeichen-Konglomerat.“ (Ruchatz 2014, S. 369)

[44] Dyer und McDonald 2009, S. 34

[45] Ebd., S. 1

[46] Vgl. ebd., S. 1, vgl. Dyer 2004, S. 2f.

[47] Ruchatz 2014, S. 371

[48] McDonald 2000, S. 7

[49] Ruchatz 2014, S. 370f., Fußnote 1018

[50] Ellcessor 2012, S. 47

[51] Vgl. ebd., S. 48ff.

[52] Interessant ist also nicht mehr die öffentlich-professionelle Seite, sondern die private Persönlichkeit, der Mensch. ( Zweiteilung des Images: Relation ändert sich)

[53] Vgl. Schuegraf 2013b, S. 25, vgl. Schuegraf 2015, S. 239f.

[54] Schuegraf 2015, S. 237

[55] Vgl. Cashmore 2006, S. 7

[56] Schuegraf 2015, S. 241

[57] Schuegraf 2013a, S. 125

[58] Hier könnte herausgearbeitet werden, ab wann ein YouTuber als Celebrity gilt und welche Determinanten dafür als geeignete Gütekriterien angelegt werden können. Dies würde allerdings den Rahmen dieser Arbeit sprengen, weshalb sich das Kapitel eher allgemein mit Celebrity-Theorien beschäftigt und den CelebrityStatus der untersuchten YouTuber als gegeben voraussetzt.

[59] Schuegraf 2013a, S. 127

[60] Ebd., S. 122

[61] https://www.youtube.com/user/dicasp/about

[62] https://www.youtube.com/user/ThatcherJoe/about

[63] Zudem wird an manchen Stellen synonym auch die Rede von Medien- oder Internetpersönlichkeiten sowie Internetcelebrites sein.

[64] Ellcessor 2012, S. 51

[65] Vgl. Gamson 1994

[66] Ellcessor 2012, S. 51

[67] Zitiert nach: Enli 2015, S. 1

[68] Vgl. Hattendorf 1999, S. 60ff.; weiterführende Literatur: Sabrow, Martin; Saupe, Achim (2016): Histori- sche Authentizität. 1. Aufl. Göttingen: Wallstein Verlag oder Rohrbacher, Imelda (2016): Authentizität als Diskursfigur. Etappen der Begriffsgeschichte. In: Ansgar Kreutzer und Christoph Niemand (Hg.): Authenti- zität - Modewort, Leitbild, Konzept. Theologische und humanwissenschaftliche Erkundungen zu einer schil- lernden Kategorie. Regensburg: Verlag Friedrich Pustet (Schriften der Katholischen Privat-Universität Linz, 1), S. 29-42

[69] Vgl. Enli 2015, S.2

[70] Hattendorf 1999, S. 67; Hervorhebungen vom Verfasser hinzugefügt, nicht im Original vorhanden.

[71] Vgl. Lindholm 2008, S. 2, vgl. Schicha 2013a, S. 28ff.

[72] Vgl. Enli 2015, S. 1f.

[73] Vgl. Keller 2013, S. 133

[74] Vgl. Hickethier 2011, S. 222

[75] Vgl. Deuze 2011, S. 137; Mediapolis: a comprehensively mediated public space where media underpin and overarch the experiences and expressions of everyday life. (Deuze 2011, S. 137)

[76] Vgl. Enli 2015, S. 3f.

[77] Ebd., S. 4

[78] Vgl. Deuze 2011, S. 137f.

[79] Ebd., S. 132

[80] Vgl. ebd., S. 14

[81] Vgl. ebd., S. 1ff.

[82] Vgl. ebd., S. 17

[83] Vgl. ebd., S. 10

[84] Vgl. ebd., S. 89f.

[85] Hartmann bietet hierzu in seiner Monographie eine sehr schöne Übersicht: Hartmann, Tilo (2010): Parasoziale Interaktion und Beziehungen. 1. Aufl. Baden-Baden: Nomos (Konzepte, 3)

[86] Vgl. Horton und Wohl 2002, S. 74ff.

[87] Hartmann 2010, S. 9

[88] Vgl. Horton und Wohl 2002, S.75

[89] Vgl. Hartmann 2010, S. 9f.

[90] Vgl. Krotz 2007, S. 200ff.

[91] Horton und Wohl 2002, S. 77

[92] Wippersberg 2014, S. 49; Julia Wippersberg beschäftigt sich, wie bereits weiter oben gezeigt, mit Promi- nenten. Dennoch sind ihre Untersuchungen gleichwohl auf YouTube-Celebrities übertrag- sowie anwendbar.

[93] Horton und Wohl 2002, S. 81

[94] Vgl. Hartmann 2010, S. 15

[95] Vgl. ebd., S. 25f., Hier gibt es eine Ausnahme, die kurz in Kapitel 5.3.2 erwähnt wird. Mittlerweile besitzen viele Medien Liveschaltfunktionen per Video. Über Chats können sie direkt mit ihren Fans kommunizieren. Dennoch stellt dies eher die Ausnahme dar.

[96] Horton und Wohl 2002, S. 85

[97] Ebd., S. 91

[98] Vgl. Enli 2015, S. 106

[99] Hattendorf 1999, S. 67; Hervorhebungen vom Verfasser hinzugefügt, nicht im Original vorhanden. [100] Vgl. Hoffmann 2012, S. 21f.

[101] Vgl. Roscoe und Hight 2001, S. 6ff.

Fin de l'extrait de 107 pages

Résumé des informations

Titre
Authentizitätskonstruktionen bei YouTube-Celebrities
Université
Friedrich-Alexander University Erlangen-Nuremberg  (Theater- und Medienwissenschaft)
Note
1,0
Auteur
Année
2017
Pages
107
N° de catalogue
V388769
ISBN (ebook)
9783668635418
ISBN (Livre)
9783668635425
Taille d'un fichier
2476 KB
Langue
allemand
Mots clés
YouTube, YouTube Celebrity Instagram Internetpersönlichkeiten Authentitzität
Citation du texte
Katja Spangler (Auteur), 2017, Authentizitätskonstruktionen bei YouTube-Celebrities, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388769

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Titre: Authentizitätskonstruktionen bei YouTube-Celebrities



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