Die Zufriedenheit und der Lernerfolg von Waldorfschülerinnen

Eine empirische Studie


Thèse de Master, 2017

157 Pages, Note: 0,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

ABSTRACT

EINLEITUNG

1 DARSTELLUNG DER WALDORFPÄDAGOGIK
1.1 ANTHROPOSOPHISCHE MENSCHENKUNDE - DIE GEISTIGEN URSPRÜNGE DER WALDORFPÄDAGOGIK
1.1.1 Dreigliedrigkeit des menschlichen Organismus: Leib-Seele-Geist
1.1.2 Entwicklungslehre - Die Viergliedrigkeit des Menschen und die Jahrsiebte
1.1.3 Die Lehre der vier Temperamente
1.2 KONZEPTION DER WALDORFSCHULE
1.2.1 Schulgebäude
1.2.2 Schulform und Schulabschlüsse
1.2.3 Organisationsstrukturen
1.2.4 Elternarbeit
1.2.5 Zeugnis
1.3 BESONDERHEITEN DER UNTERRICHTSGESTALTUNG
1.3.1 Der Lehrplan
1.3.2 Das Klassenlehrerinnenprinzip
1.3.3 Epochenunterricht

2 THEORETISCHE GRUNDLAGEN UND STAND DER FORSCHUNG
2.1 DEFINITION ZUFRIEDENHEIT/SCHULISCHES WOHLBEFINDEN
2.2 AKTUELLER STAND DER FORSCHUNG ZUR SCHULZUFRIEDENHEIT
2.2.1 Einflussfaktoren auf die Schulzufriedenheit
2.3 DEFINITION DES LERNENS UND DES LERNERFOLGS
2.3.1 Ergebnisse der deutschsprachigen Unterrichtsforschung
2.4 ZUSAMMENFASSUNG BISHERIG DURCHGEFÜHRTER STUDIEN AN WALDORFSCHULEN

3 EMPIRISCHER TEIL
3.1 FORSCHUNGSDESIGN
3.1.1 Fragestellung der Untersuchung und Hypothesen
3.1.2 Methodisches Vorgehen 36
3.1.3 Erhebungsinstrumente 37
3.1.4 Methode der Interviewauswertung- qualitative Inhaltsanalyse
3.1.5 Sampling 42
3.1.6 Zugang und Beschreibung der Interviewpartnerinnen

4 ERGEBNISSE DER EMPIRISCHEN FORSCHUNG
4.1 DARSTELLUNG DER ERGEBNISSE AUS DEN INTERVIEWS MIT DEN SCHÜLERINNEN
4.2 DISKUSSION DER ERGEBNISSE

5 SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

6 LITERATURVERZEICHNIS

ANHANG

Abstract

Die vorliegende Masterarbeit untersucht, ob Waldorfschülerinnen zufrieden mit ihrer Schule sind und ob diese erfolgreich lernen. Diese Untersuchung wurde anhand leitfadengestützter Interviews mit fünf Waldorfschülerinnen durchgeführt. Die Arbeit verfolgt das Ziel, neue Erkenntnisse über die Schulzufriedenheit und den Erfolg bei Waldorfschülerinnen herauszufinden und zu überprüfen, inwiefern die bisher durchgeführten Studien und bestehenden Theorien zur Schulzufriedenheit und erfolgreichem Lernen auch auf die Aussagen der befragten Schülerinnen zutreffen. Diese Arbeit kann besonders Eltern, die sich mit alternativen Schulmodellen beschäftigen und die möglicherweise vor der Wahl einer geeigneten Schule für ihr Kind stehen, Anregungen bieten und als eventuelle Entscheidungshilfe fungieren. Des Weiteren hat diese Arbeit die Absicht, Schülerinnen staatlicher Schulen, die einen Schulwechsel in Erwägung ziehen, die Waldorfpädagogik nahezubringen und ihnen somit ein alternatives Schulkonzept mit Vor- und Nachteilen vorzustellen. Die geschilderten Vor- und Nachteile der Waldorfpädagogik dienen ebenso Pädagogen, welche eine beratende Rolle bei Eltern oder Schülerinnen bei der Schulwahl oder einem Schulwechsel, einnehmen. Die Arbeit basiert auf der von Rudolf Steiner entwickelten Waldorfpädagogik und verschiedenen Studien und Theorien zur Schulzufriedenheit und zum Lernerfolg, beispielsweise auf Haschers Studie zur Schulzufriedenheit und Hatties Studie zum Lernerfolg. Die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung ergeben, dass die befragten Waldorfschülerinnen überwiegend sehr zufrieden mit ihrer Schule sind und ihre schulischen Leistungen selbst positiv einschätzen. Eine wesentliche Rolle spielt hierbei die Beziehung zu ihrer Klassenlehrerin. Nicht außer Acht zu lassen sind jedoch weitere wichtige Faktoren, welche die Schulzufriedenheit und den schulischen Lernerfolg in erheblicher Weise beeinflussen und nicht vom Konzept der Waldorfpädagogik abhängen.

Einleitung

Die Waldorfpädagogik muss sich vielen Vorurteilen stellen, obwohl sie historisch gesehen etablierter ist, als andere Reformansätze. So denkt ein Großteil der Bevölkerung daran, dass Waldorfschülerinnen keine Noten bekommen, aber lernen ihre Namen zu tanzen. Die Reformpädagogik hat es in der Öffentlichkeit nicht immer einfach und wird oftmals mit skeptischer Distanz betrachtet. Obwohl bereits Studien unter anderem von Heiner Barz, Leiter der Abteilung Bildungsforschung an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf, erfolgreich durchgeführt wurden und Ergebnisse präsentieren, dass Waldorfschülerinnen über eine größere Lernfreude verfügen, bessere Unterstützung durch die Lehrerinnen erhalten und unter anderem ein höheres Selbstbewusstsein besitzen als Regelschülerinnen. Unwissenheit über die Pädagogik oder kursierende Vorurteile gegenüber Waldorfschülerinnen führen dazu, dass die Waldorfpädagogik noch immer gesellschaftlich kritisch gesehen wird (vgl. Barz et al. 2012, S.5). Ebenso könnte es daran liegen, dass es schwer einzuschätzen ist, wie sinnvoll alternative Lernkonzepte tatsächlich sind. Aus dem Grund kursierender gesellschaftlicher Vorurteile gegenüber der Waldorfpädagogik und den gegensätzlichen Ergebnissen bisherig durchgeführter Studien über Waldorfschulen, möchte die vorliegende Arbeit untersuchen, wie Waldorfschülerinnen selbst ihre Schule sehen. In der vorliegenden Arbeit mit dem Titel „Waldorfschülerinnen sind zufriedener und erfolgreicher beim Lernen!? Eine empirische Studie über die Zufriedenheit und den Lernerfolg von Waldorfschülerinnen“, wird untersucht, ob diese mit ihrer Schule zufrieden sind und erfolgreich lernen. Das Ziel der qualitativen Untersuchung ist, neue Erkenntnisse über die Schulzufriedenheit und den Erfolg bei Waldorfschülerinnen herauszufinden und zu überprüfen, inwiefern die bisher durchgeführten Studien und bestehenden Theorien zur Schulzufriedenheit und erfolgreichem Lernen auch auf die Aussagen der befragten Schülerinnen zutreffen. Diese Arbeit kann besonders Eltern, die sich mit alternativen Schulmodellen beschäftigen und die möglicherweise vor der Wahl einer geeigneten Schule für ihr Kind stehen, Anregungen bieten und eine Entscheidungshilfe darstellen. Zunächst beschäftigt sich die folgende Arbeit mit den Grundlagen der Waldorfpädagogik. Gemäß dem Zitat Rudolf Steiners „Kann man etwas nicht verstehen, dann urteile man lieber gar nicht, als dass man verurteile“ (Rudolf Steiner 1861- 1925), werden im ersten Kapitel für die Untersuchung relevante Hintergründe zur Waldorfpädagogik beleuchtet, um am Ende der Untersuchung die Ergebnisse kritisch diskutieren zu können. Zunächst wird die anthroposophische Menschenkunde beleuchtet, denn diese bildet die Grundlage der Konzeption und Ausrichtung der Waldorfschulen. Im Speziellen geht die vorliegende Arbeit auf den Begriff Anthroposophie, das dreigliedrige Menschenbild, die Entwicklungslehre und die Temperamentenlehre ein. Anschließend erfolgt eine Beschreibung der Konzeption von Waldorfschulen und es werden die Besonderheiten der Unterrichtsgestaltung ausführlich erklärt. Im zweiten Kapitel erfolgt die Darstellung der theoretischen Grundlagen und der aktuelle Stand der Forschung. Zunächst erfolgt die Klärung des Begriffes der Schulzufriedenheit. Hieran knüpft der aktuelle Stand der Forschung zur Schulzufriedenheit und deren Einflussfaktoren. Nachfolgend werden die Begrifflichkeiten „Lernen“ und „Lernerfolg“ definiert und es werden die Ergebnisse der deutschsprachigen Unterrichtsforschung dargestellt. Abschließend zum aktuellen Stand der Forschung erfolgt eine Zusammenfassung bisherig durchgeführter Studien an Waldorfschulen. Das dritte Kapitel umfasst eine ausführliche Beschreibung und Darstellung der eigenen empirischen Untersuchung. Für die Beantwortung der Fragestellung wird die qualitative Forschungsmethode, das leitfadengestützte Interview, verwendet. Hierfür wurden vier Schülerinnen der Freien Waldorfschule Berlin- Südost und ein Schüler der Johannes-Schule/ Freie Waldorfschule Berlin-Schöneberg, befragt. Anhand der qualitativen Inhaltsanalyse wurden diese Interviews ausgewertet. Abschließend erfolgt im vierten Kapitel die Darstellung, Diskussion und Interpretation der Ergebnisse. Diese Arbeit schließt mit dem fünften Kapitel den Schlussfolgerungen und Empfehlungen ab.

Mit der vorliegenden Arbeit habe ich nicht den Anspruch eine repräsentative Studie über die Zufriedenheit und den Lernerfolg von Waldorfschülerinnen zu liefern. Für eine umfassende Betrachtung und repräsentative Studie zu dieser Thematik müsste eine größere Datenerhebung erfolgen.

Zur besseren Lesbarkeit werden in dieser Arbeit personenbezogene Bezeichnungen, die sich zugleich auf Frauen und Männer beziehen, generell nur in der weiblichen Form angeführt, z.B. Schülerinnen statt Schüler. Dies beinhaltet jedoch auch jeweils das männliche Geschlecht und soll keinesfalls eine Geschlechterdiskriminierung oder Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes zum Ausdruck bringen.

1 Darstellung der Waldorfpädagogik

1.1 Anthroposophische Menschenkunde - Die geistigen Ursprünge der Waldorfpädagogik

Die Anthroposophie ist eine Anregung für den Menschen, seine Aufmerksamkeit auf übersinnliche und geistige Phänomene zu richten. Steiner bezeichnet die Anthroposophie als einen „…Erkenntnisweg, der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltall führen möchte“ (zit. Kiersch 1970, S.12). In diesem Satz sind folgende drei Kernaussagen enthalten:

I. Es existiert in jedem Menschen ein Geistiges
II. Neben der sichtbaren Welt eines jeden Menschen liegt ein unsichtbar Wirksames zugrunde, welches zu entdecken und zu erforschen gilt
III. Die Anthroposophie stellt keinen Glaubensinhalt dar, sondern die Anregung, einen Weg des Erkennens zu beschreiten, welcher ebenso ein Weg der Selbstentwicklung ist. Ein Weg, der die eigene geistige Kraft im Menschen aktiviert. Anthroposophie versteht sich folglich als Anreiz, diesen Forschungsweg auf den verschiedensten Lebensgebieten zu beschreiten (vgl. Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners 2001).

1.1.1 Dreigliedrigkeit des menschlichen Organismus: Leib-Seele-Geist

Aus anthroposophischer Sichtweise existieren Menschen aus den drei Wesensgliedern Leib, Seele und Geist. Der Leib, welcher dem Menschen bei der Geburt gegeben wurde, ist von den Gesetzen der Vererbung geprägt. Dieser ist zudem das Glied über welches sich dem Menschen Umwelteindrücke offenbaren und welches diesen zu einem Bestandteil der materiellen Welt macht. Dem hingegen unterliegt die Seele dem Reglement des selbstgeschaffenen Schicksals, auch Karma genannt. In der Seele sammeln sich Wirkungen der Taten und Erlebnisse von ehemaligen Leben. Hierdurch gestaltet und prägt die Seele die Beziehung des Menschen zur aktuell erlebten Umwelt, Gefühle verbunden mit Eindrücken, über viele leibliche Lebenszeiten hinweg. Das Ewige in jedem Menschen stellt der Geist dar. Dieser verkörpert sich aus einem übersinnlichen Dasein in den menschlichen Leib. Der Geist kann und darf nicht geformt und verändert werden. Dem Menschen bietet sich über den Geist die Option übersinnlicher Wahrnehmung und tieferer Erkenntnis (vgl. Steiner 1988, S.145ff). Nach waldorfpädagogischen Verständnis hängt die geistige Beweglichkeit des Menschen von seiner körperlichen und seelischen Beweglichkeit ab. Hieraus ergibt sich für Lehrerinnendie Aufgabe, die Wesensglieder Körper und Seele in ihren Ausdrucksmöglichkeiten zu unterstützen und diese somit zu geeigneten Werkzeugen auszubilden, mit welchen der Geist sich frei entfalten und agieren kann. Diese Aufgabe wird als sehr wesentlich angesehen um den Geist in seiner Entfaltung nicht zu blockieren. Mit der Umsetzung dieses Anspruchs wird das Leitziel „Erziehung zur Freiheit“ angestrebt, indem die menschliche Individualität, der bestimmende Geist dabei unterstützt wird sich möglichst frei zu entfalten, ohne diesen hierbei selbst zu formen. Dieses Ziel verfolgt ein großer Teil des Unterrichts an der Waldorfschule. In besonderer Weise dienen die künstlerische Betätigung, Sprachübungen, Handwerk und Eurythmie hauptsächlich der Entwicklungsförderung der Wesensglieder Körper und Seele und folglich der Entfaltung des Geistes. In erster Linie bedeutet dies, dass der Unterricht, nicht nur auf die bloße Aneignung fachspezifischer Kenntnisse ausgerichtet ist, sondern kontinuierlich in einem Lebenszusammenhang stehen soll, um zusätzlich für die Schülerin, als Person nutzbringend zu sein. Infolgedessen erhebt die Waldorfpädagogik den Anspruch, als ganzheitliche Pädagogik zu gelten, indem sie sich zum Ziel setzt über die Vermittlung von Fachkenntnissen hinaus das Wesen der Schülerin ganzheitlich zu fördern (vgl. Steiner 1988, S.145 ff).

1.1.2 Entwicklungslehre - Die Viergliedrigkeit des Menschen und die Jahrsiebte

Steiner gliederte den Menschen in den physischen Leib, den Ätherleib, den Astralleib und den Ich-Leib. Er war der Ansicht, dass während der Geburt des Menschen lediglich sein physischer Leib aus der ihn umgebenden Hülle, dem Mutterleib, entlassen wird. Im Anschluss an die physische Geburt folgen in siebenjährigen Abständen weitere Geburten dreier weiterer Teile des Menschen. Hierbei wird der jeweils geborene Leib, wie bei der physischen Geburt auch aus einer allerdings nicht sichtbaren Hülle, frei. Um die allmählich auftretenden Leiber entsprechend zu fördern, setzt jedes Jahrsiebt eine bestimmte pädagogische Haltung des Erziehers, bzw. Lehrers voraus (vgl. Steiner 1961, S.38). Aufgrund der Fragestellung wird lediglich die Geburt des Ätherleibes und des Astralleibes, sprich das zweite und dritte Jahrsiebt, und den daraus ergebenden pädagogischen Konsequenzen erklärt.

Die Entwicklung des Ätherleibes und das zweite Jahrsiebt

Der Ätherleib bildet die zweite Hülle, dessen Geburt sich mit dem Zahnwechsel vollzieht. Die Bezeichnung „Ätherleib“ empfand Steiner zeit seines Lebens als nicht zufriedenstellend. Der Ätherleib wird an unterschiedlichen Stellen auch „Lebensleib“ und „Bildkräfteleib“ genannt. Der „Äther“ meint hier etwas anderes als den theoretischen Äther in der Physik. Steiner verwendet den Begriff Äther, da dieser als übersinnlicher Teil das Physische oder Äußerliche gut aufgreift. Der Ätherleib stellt den belebenden Teil des physisch mineralischen Körpers dar. Der Ätherleib gestaltet aus dem Inneren des menschlichen Wesens heraus stets den physischen Leib neu. Während der physisch- mineralische Körper seine Gestalt durch äußere Kräfte findet.

Der Ätherleib beim Menschen ist laut Steiner auch der Träger von Temperament, Gedächtnis und Gewohnheiten. Menschen besitzen wie auch Pflanzen und Tiere den Ätherleib, während hingegen alles Leblose nur einen physischen Leib besitzt (vgl. Steiner 1961, S.38). Verläuft die Entwicklung eines Kindes bis hierin dementsprechend richtig, entwickelt es nun ein Bedürfnis nach Autorität, welcher es folgen kann. Das Kind benötigt Sicherheit und Orientierung. Daher ist sich die Lehrerin während dieser Entwicklungsphase bewusst, dass sie für ihre Schülerinnen eine Person ist, welche ihnen Orientierungsmöglichkeiten vermittelt und sehr kraftvoll und sicher auftritt. Die Autorität der Lehrerin müssen die Schülerinnen von sich aus und freiwillig anerkennen. In diesem Zusammenhang ist Autorität nicht mit Gewalt und Diktatur gleichzusetzen. Bösartige Handlungen oder auch körperliche Strafen, auch im Affekt werden strikt abgelehnt. Die Schülerinnen müssen stets das Gefühl haben, dass die Lehrerin ihnen unterstützend zur Seite steht, auch wenn sie teilweise als strenge Persönlichkeit auftritt. Nach Rudolf Steiner entwickeln sich folglich Ehrfurcht und Verehrung, welche für die Schülerinnen in diesem Lebensalter unabdingbar seien. Eigenes Denken und Urteilen hingegen sollte noch möglichst im Hintergrund stehen. Dieses Verständnis wird folgendermaßen begründet:

„Der Verstand ist eine Seelenkraft, die erst mit der Geschlechtsreife geboren wird[…]. Bis zur Geschlechtsreife soll sich der junge Mensch durch das Gedächtnis die Schätze aneignen, über welche die Menschheit gedacht hat“ (zit. Steiner 1948, S.44).

Daher wird verstandesmäßiger Unterricht vom Schulbeginn bis zur Pubertät abgelehnt. Das Denken soll hier in diesem Jahrsiebt zunächst zurückgestellt werden. Junge Menschen sollen zwar verschiedene Meinungen aufnehmen, jedoch nur mit dem Fühlen und sie sollen sich noch für keinen Standpunkt entscheiden oder urteilen (vgl. Steiner 1948, S.49).

„Es kommt hier nicht darauf an, daß der Schüler kritisieren kann, daß er sein Urteil fällt […], sondern darauf, daß er eine Anschauung empfängt von dem, was übersinnlich ist, was über das Vergängliche hinausgeht“ (zit. Steiner 2004, S.32).

Ist dies nicht möglich, so geht man in der Waldorfpädagogik davon aus, dass die Schülerin eine innere Schwäche und somit Misstrauen und immer fortwährende Oppositionslust entwickeln würde (vgl. Carlgren 1983, S.49). Überdies hinaus benötigen Schülerinnen im zweiten Jahrsiebt eine geliebte, selbstverständliche Autorität. Daher orientiert sich die Gestaltung des Unterrichtes an dem Motto „Nachfolge und Autorität“ (vgl. Steiner 1948, S.34). Anhand dieser lebendigen Autorität der Lehrerinnen sollen sich geistige Vorbilder aus der Kultur und Geschichte, als auch Anekdoten von vorbildlichen Männern und Frauen anschließen. Steiner war der Ansicht, dass sich nur durch die Verehrung und Ehrfurcht der Ätherleib richtig entfalten kann. Daher soll das Kind zwischen sieben und vierzehn Jahren nicht durch eigenes Interesse an Unterrichtsinhalten, sondern durch die Handlungen der Erwachsenen lernen, „…weil es sieht, dass der Erwachsene sie kennt und handhabt…“ (zit. Steiner 2005, S.22).

Die Entwicklung des Astralleibes und das dritte Jahrsiebt Das dritte Glied stellt der Astral- oder Empfindungsleib dar. Dieser bildet sich mit der Geschlechtsreife aus und tritt erst dann aus seiner Hülle hervor. Der Astralleib ist der Träger von Schmerz und Lust, von Trieb, Begierde und Leidenschaft. Laut Steiner reagieren Menschen mit diesem dritten Glied auf die Außenwelt und dieser ist das Empfindende im Menschen als Teil seiner Seele, so Steiner 1904 in der Schrift Theosophie (vgl. Carlgren 1996, S.37). Mit der Ausbildung der Geschlechtsreife und der Geburt des Astral- oder Empfindungsleibes befinden sich die Kinder im dritten Jahrsiebt. In diesem Jahrsiebt bilden sich bei adäquater Förderung tiefer gehende Interessen an den Menschen und der Welt aus, so möchte beispielswiese alles geprüft und verstanden werden (vgl. Carlgren 1996, S.38). Während im vorangehenden zweiten Jahrsiebt die Schüler dem Handeln ihrer Lehrerin nachfolgen und das was diese als gut bzw. böse vermittelt, verinnerlichen sollen, nähern sie sich im dritten Jahrsiebt der Stufe der Freiheit. Die Schülerinnen schreiten dazu über, dass sie aus Pflichtbewusstsein handeln, welches bedeutet, das zu lieben, was man sich selbst befiehlt (vgl. Heydebrand 1978, S.39). Der Unterricht muss aufgrund des Erwachens neuer geistiger Kräfte mit der Geburt des Astralleibes und der hiermit verbundenen Reife neu gestaltet werden. Die Schülerin ist nun in der Lage sich ein eigenes Urteil über die vorher gelernten Dinge zu machen (vgl. Geuenich 2009, S.80). Das Lernprinzip ist im dritten Jahrsiebt die Sachlichkeit und das selbstständige Urteilen. Die Schüler sind dazu angehalten, alle Aussagen zu hinterfragen, jedoch nur vor dem Hintergrund einer als richtig erachteten Entwicklung während des zweiten Jahrsiebts und auf der Grundlage der Anerkennung vor dem was andere gedacht und gelehrt haben (vgl. Steiner 1948 a, S.52 f.). Zwar ist nicht mehr die persönliche Autorität der Lehrerin im Vordergrund, jedoch soll an der autoritären Stellung an dieser festgehalten werden (vgl. Heydebrand 1978, S.39). Diese ist beauftragt so aufzutreten, dass die Heranwachsenden diese freiwillig über sich stellen und gleichzeitig soll sie in nahem menschlichen Kontakt zu ihren Schülerinnen unterrichten. (vgl. Carlgren 1996, 38). Die Heranwachsende wählt sich nun selbst ein Vorbild aus der Lehrerschaft aus, welcher sie freiwillig folgt (vgl. Heydebrand 1978, S.39).

1.1.3 Die Lehre der vier Temperamente

Die Lehre der vier Temperamente cholerisch, phlegmatisch, sanguinisch und melancholisch entwickelte Steiner nicht neu, sondern sie lässt sich in ähnlicher Art und Weise auf die Antike zurückführen. Die anthroposophische Pädagogik meint, dass diese vier Temperamente im Wesentlichen die Persönlichkeit eines Menschen bestimmen. Welches der vier Temperamente bei einem Menschen vorrangig vorkommt, ist abhängig davon, welcher Leib sein Wesen dominiert. So neigt z.B. nach Carlgren (1996) ein durch seinen starken Ich-Leib selbstbewusster Mensch zum cholerischen Temperament. Dieser Mensch gilt als leicht reizbar und liebt Gefahren. Gegensätzlich hierzu steht ein phlegmatischer Mensch, welcher ruhig und bedacht ist und sich eher langsam und passiv verhält. Bei ihm dominiert der Ätherleib. Menschen, die besonders empfindlich und egozentrisch wahrgenommen werden, stehen hauptsächlich unter dem Einfluss der Kräfte des physischen Leibes und besitzen ein überwiegend melancholisches Temperament. Ein Mensch, welcher überwiegend unter dem Einfluss der Kräfte des Astralleibes steht, besitzt ein starkes sanguinisches Temperament und nimmt in der Regel vieles sehr leicht hin. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass jeder Mensch alle Temperamente in sich verbindet, und nur eines davon beim Einzelnen mehr oder weniger dominant ist, teilweise auch gar keines. Nach anthroposophischer Anschauung kann sich im Laufe des Lebens eines Menschen das vorherrschende Temperament in der Persönlichkeit allerdings auch verändern. Ungeachtet dessen ist Steiner der Auffassung, dass eine zu starke Dominanz eines einzelnen Temperamentes ausarten und bis zur psychischen Krankheit führen kann. Aufgrund dessen ist es eine wesentliche Aufgabe der Lehrerin ihre Schülerinnen so zu unterrichten und zu behandeln, dass die vier Temperamente in einem ausgeglichenen Verhältnis zueinander stehen und die einzelne Schülerin von den jeweiligen positiven Kräften und Stärken aller vier Temperamente profitiert (vgl. Carlgren 1996, S.92). Für die Erfüllung dieser Aufgabe bedeutet dies jedoch, dass einem vorherrschenden Temperament nicht entgegengewirkt oder es in seinen Ausdrücken gehemmt wird. Vielmehr werden die Temperamente als Kräfte angesehen, welche ausgelebt werden müssen. Die Verhinderung der Auslebung würde sich demnach negativ auf das Kind auswirken. Aus diesem Grund hat Steiner einige Impulse entwickelt, welche zur allmählichen Umwandlung der Temperamentskräfte dienen sollen. So erscheint es Steiner als sinnvoll, die Sitzordnung in einer Klasse nach den Temperamenten der Schülerinnen zu sortieren. Schülerinnen mit ähnlichen Temperamenten sitzen nebeneinander und können ihr vorherrschendes Temperament hierdurch aneinander abreiben. Überdies hinaus ist die Lehrkraft dazu angehalten, die Schülerinnen bewusst in Situationen zu versetzen, in denen sich ihre einseitigen Temperamentsausprägungen aufheben und eine Gegenreaktion hervorgerufen wird. Die Lehrerin soll ebenso das Kind in Situationen, in welchen dessen dominantes Temperament im Unterricht stark zum Vorschein kommt, darauf aufmerksam machen und dem Kind so zur Selbsterkenntnis verhelfen. Die Lehrerin muss sich ein gutes Repertoire an Methoden zur Regulierung der Temperamente aneignen. Beispielsweise kann diese zur Vorbeugung eines Wutanfalls bei einem cholerisch ausgerichteten Kind eine körperlich fordernde Aufgabe erteilen. Das Kind wird für gewisse Zeit mit der Aufgabe aus dem Klassenzimmer geschickt und erhält somit die Möglichkeit, sein Temperament ohne Komplikationen auszudrücken (vgl. Carlgren 1996, S. 90 ff). Das dreigliedrige Menschenbild und die Viergliedrigkeit des Menschen, die Entwicklungslehre in Jahrsiebten als auch die Lehre der vier Temperamente bilden gemeinsam das Fundament der Waldorfpädagogik. Aufbauend auf diese Grundlage hat sich die Waldorfschule das Leitziel „einer Erziehung zur inneren menschlichen Freiheit“ gesetzt. Im Folgenden werden aufbauend auf die anthroposophischen Grundlagen der Waldorfpädagogik das pädagogische Konzept von Waldorfschulen erläutert.

1.2 Konzeption der Waldorfschule

Waldorfschulen sind allgemein bildende Schulen und in freier Elternträgerschaft im Rahmen der Schulgesetzgebung der Bundesländer auf der Grundlage des Grundgesetzartikels 7, Absatz 4. Die Anerkennung der Waldorfschulen als Ersatzschulen führt zwar u.a. zu staatlichen Zuschüssen, jedoch wird ergänzend zur Finanzierung Schulgeld erhoben, was von den Eltern nach individueller Vereinbarung gezahlt wird. Durch das Grundgesetz sind die Waldorfschulen dazu verpflichtet, dass bei der Erhebung von Schulgeld keinem Kind aus finanziellen Gründen der Besuch einer Waldorfschule vorenthalten wird. Die Schülerinnen können die Schule mit der Mittleren Reife, der Fachhochschulreife oder dem Abitur gemäß den in den Bundesländern jeweils geltenden Regeln, abschließen (vgl. Bund der Freien Waldorfschulen e.V. 2017 a).

1.2.1 Schulgebäude

Steiner verlangte, dass der äußere Charakter eines Gebäudes die Art der ausübenden Tätigkeit wiederspiegeln muss. Aufgrund dessen zeichnen sich die Gebäude der Waldorfschulen durch besondere architektonische Formen aus. Die Räume sind beispielsweise nicht symmetrisch angeordnet und rechte Winkel werden in ihnen vermieden. Für den Bau eines Gebäudes werden hauptsächlich natürlich gewachsene Baustoffe und Materialen benutzt. Die Räume in den Klassenzimmern sind farblich in der Reihenfolge des Regenbogens angeordnet und nehmen mit dem Alter der Kinder zu (vgl. Seitz/ Hallwachs 1999, S.143).

„vom kräftigen Rot der ersten Klasse, über zartere Rottöne zum Orange der vierten Klasse, dass sich immer stärker mit Gelb mischt, vom reinen Gelb der siebten Klasse über das Grün der achten, Blautöne in der neunten und zehnten, die schließlich in der elften und zwölften Klasse ins Violett übergehen“ (zit. Seitz/ Hallwachs 1999, S.143).

Laut anthroposophischer Denkweise geben die Farben der Klassenzimmer die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Kinder wieder. Somit ist beispielsweise der Klassenraum der ersten Klasse rot, da hier die noch sehr willensbetonten Erstklässlerinnen unterrichtet werden, der Raum der pubertierenden Achtklässlerinnen ist in grün gestaltet, bis hin zu den jungen Erwachsenen in der elften und zwölften Klasse, dessen geistige Reife sich im Violett ausdrückt. Neben der Farbgestaltung werden die Räume von den Schülerinnen und Lehrerinnen entsprechend an die Jahreszeiten und den behandelten Themen gestaltet und dekoriert. In den Waldorfschulen sind neben den Klassenräumen noch einige Funktionsräume wie z.B. Werkstätten für unterschiedliche handwerkliche Arbeiten, spezielle Räume für Eurhythmie und eine Bühne für Feiern und Theateraufführungen zu finden. Meistens ist vor oder hinter dem Gebäude ein Schulgarten angesiedelt (vgl. Seitz/ Hallwachs 1999, S.143).

1.2.2 Schulform und Schulabschlüsse

Die Waldorfschule ist eine integrierte Gesamtschule. Dementsprechend ist die Grundschule und die weiterführende Schule in ihr zusammengefasst. Das Kind kann nach Steiners Erkenntnissen zufolge erst mit sieben Jahren die Schulzeit beginnen, da hier erst die Enthüllung des physischen Leibes abgeschlossen ist. Beginnen Kinder vor diesem Zeitpunkt lesen und schreiben, zieht dies laut Steiner eine physische Schwäche nach sich, denn das Kind nimmt hierfür innere Kräfte in Anspruch welche es eigentlich noch für die rein organische Entwicklung benötigt (vgl. Krämer et al. 1987, S.128f.). Aufgrund der Tatsache, dass in Deutschland die Kinder immer früher eingeschult werden und die Schulpflicht in einigen Bundesländern im Alter von fünf bis sechs Jahren einsetzt, haben sich an einigen Waldorfschulen im Laufe der letzten Jahre sogenannte Brückenklassen gebildet, um Schülerinnen, die zwar das Einschulungsalter erreicht haben, mit den Anforderungen einer Großklasse aber überfordert sind, den Übergang zu erleichtern (vgl. Bund der Freien Waldorfschulen e.V. 2017 b). Die Schulzeit beträgt für alle Schüler insgesamt zwölf Jahre. Die Klassenlehrerin unterrichtet ihre Klasse für acht Schuljahre in fast allen Schulfächern mit Ausnahme der Fremdsprachen und der musisch-praktischen Fächer. Erst im Anschluss werden die Schülerinnen vermehrt von Fachlehrerinnen unterrichtet (vgl. Lindenberg 1993, S.123ff). Ein Klassenverband wird als Lebensgemeinschaft betrachtet, welche nicht durch eine Leistungsauslese oder durch Sitzenbleiben auseinandergerissen wird. Ebenso legen die Waldorfschulen besonderen Wert darauf, dass auch Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten oder Lernbehinderungen in die Klassen integriert werden (vgl. Krämer et al. 1987, S.128f.). Das Prinzip der Freiheit zeigt sich unter anderem durch die Selbstverwaltung der Schule. Das Schulleben wird weitestgehend intern geregelt z.B. Bauangelegenheiten, Stundenplan und die Einstellung von Fachpersonal. Übergeordnete Belange wie z.B. Fragen zum Lehrplan, zur Ausbildung der Lehrerinnen oder Fragen hinsichtlich der Öffentlichkeitsarbeit regelt der Bund der Freien Waldorfschulen in Stuttgart (vgl. Seitz/ Hallwachs 1999, S.183). In der Regel bieten Waldorschulen die Prüfungen für die Abschlüsse der Sekundarstufe I (Haupt- und Realschulabschluss) und der Sekundarstufe II (Abitur) an. Des Weiteren kann unter bestimmten Bedingungen in einzelnen Ländern auch der schulische Teil der Fachhochschulreife erworben werden. So gut wie alle Waldorfschülerinnen erreichen den mittleren Schulabschluss und über die Hälfte dieser gehen erfolgreich weiter zum Abitur. In den Prüfungsregelungen ist eine starke Abweichung der einzelnen Bundesländer vorzufinden. Die an den Waldorfschulen erworbenen staatlichen Schulabschlüsse sind den an den staatlichen Schulen erworbenen Abschlüssen absolut gleichwertig. In fast allen Bundesländern wird das Abitur als externe Prüfung abgenommen, in manchen Bundesländern auch die mittleren Schulabschlüsse. Bei externen Prüfungen ist die prüfende Fachlehrerin die Waldorflehrerin, jedoch kommen Kolleginnen von staatlichen Schulen, als auch Mitarbeiterinnen der zuständigen Schulverwaltung an die jeweilige Waldorfschule und nehmen die mündlichen Prüfungen mit ab. Die schriftlichen Prüfungen werden von einer Waldorflehrerin und einer Kollegin einer staatlichen Schule durchgesehen und korrigiert. Einige Waldorfschulen besitzen gymnasiale Oberstufen wie beispielweise in Hessen, diese können daher die staatlichen Abschlüsse selbst abnehmen. In fast allen Bundesländern orientieren sich die Prüfungsordnungen für Waldorfschülerinnen an den so bezeichneten „Nicht-Schülerinnen-Prüfungen“. Das heißt, dass der Prüfungsvorsitz bei einer staatlichen Schule liegt und deutlich mehr Fächer geprüft werden als an staatlichen Schulen oder als an Waldorfschulen mit staatlich anerkannter Oberstufe. Beim Abitur sind normalerweise vier schriftliche und vier mündliche Prüfungen abzulegen. Das zuständige Ministerium gibt bei Prüfungsfächern mit zentralen Prüfungen die Prüfungsaufgaben vor und die Waldorfschülerinnen bearbeiten die gleichen Klausuren wie die Schülerinnen der staatlichen Schulen. Die Bundesländer entscheiden über Fächer, die schriftlich geprüft werden und über die jeweiligen Kombinationsmöglichkeiten. Je nach Bundesland ist es möglich zwei der vier mündlich zu prüfenden Fächer - den sogenannten Hospitations- oder Anerkennungsfächern - als Kursabschlussnote ohne separate Prüfung in das Abiturzeugnis eintragen zu lassen; entsprechende Regelungen gibt es teilweise auch für die Schulabschlüsse der Sekundarstufe I, bei denen in einigen Bundesländern seit einiger Zeit auch Präsentationsprüfungen in bestimmten Fächern möglich sind. Ein Vergleich der durchschnittlichen Abschlussnoten von Waldorfschülerinnen mit Schülerinnen staatlicher Schulen ergab, dass die Waldorfschülerinnen trotz der erschwerten Prüfungsbedingungen ähnliche, häufig sogar bessere Noten erreichen. Waldorfschulen bieten schuleigene Prüfungen an, in denen die Schülerinnen ihre Lernerfolge und ihr Können auf vielfältige Weise unter Beweis stellen können. Das sind Prüfungen, welche sich unmittelbar aus dem pädagogischen Zusammenhang ergeben und dadurch eine sinnvolle Bewertung und Beurteilung ermöglichen. Die abwechslungsreichen Leistungsnachweise gehen in die jährlichen Text-Zeugnisse und in das Abschlusszeugnis ein, das jeder Waldorfschüler am Ende der zwölfjährigen Waldorfschulzeit bekommt. Einen allgemein anerkannten, eigenen Waldorfabschluss gibt es allerdings noch nicht. Jedoch haben viele Waldorfschulen ihren eigenen Waldorfabschluss entwickelt und zum Ende der 12. Klasse mit Erfolg erprobt. Wesentliche Elemente sind hierbei: Das selbst arrangierte Klassenspiel in der elften oder zwölften Klasse, die Jahresarbeit, der künstlerische Abschluss in Eurythmie, Musik, oder bildende Kunst, die Kunstreise meist in der 12. Klasse. Ein allgemein anerkannter Waldorfabschluss für alle Waldorfschulen muss viele Grundbedingungen erfüllen. Die Schülerinnen sollen sowohl im kognitiven als auch im künstlerischen Bereich ihre Leistungen einzeln und in der Gruppe darstellen. Hierbei sollen alle Unterrichtsfächer und Projekte inbegriffen sein (vgl. Bund der Freien Waldorfschulen e.V. 2017 c).

1.2.3 Organisationsstrukturen

Zunächst lässt sich die Frage stellen, wie man Waldorflehrerin werden kann? Generell sollte eine zukünftige Waldorfpädagogin eine anthroposophische Grundeinstellung besitzen. Das normalerweise notwendige Staatsexamen für das Lehramt ist nicht unabdingbare Voraussetzung, um an einer Waldorfschule unterrichten zu können. Stattdessen sollen pädagogische Seminare des Bundes der Freien Waldorfschulen absolviert werden. Um diesen zweijährigen Ausbildungslehrgang zu absolvieren müssen die Bewerber mindestens 23 Jahre alt sein und entweder einen qualifizierten Schulabschluss, eine Berufsausbildung und Berufserfahrung oder Abitur mit anschließender Berufserfahrung oder anschließendem Studium vorweisen. Zu diesen Zugangsvoraussetzungen müssen die angehenden Pädagoginnen mit den Grundzügen der Waldorfpädagogik vertraut sein. Während der ersten Berufsjahre wird von den ausgebildeten Pädagoginnen erwartet, dass diese sich durch anthroposophische Seminare an hierfür vorgesehenen Ausbildungsstätten weiterbilden. Im Lehrerkollegium einer Waldorfschule existiert keine hierarchische Struktur, sprich es gibt auch nicht die Stelle einer Direktorin. Folglich werden Fragen der Schulführung und Planung des Personals in der internen Konferenz beraten. An dieser Konferenz nehmen in der Regel alle Lehreinnen teil, die seit einem Jahr an der Schule unterrichten. In dieser Konferenz wird auch die äußere schulische Vertretung gewählt, die sich aus Eltern und Lehrkräften zusammenschließt und notwendige Ausschüsse wie z.B. den Wirtschaftskreis gründet. Bevorstehende Entscheidungen werden stets einstimmig beschlossen, das bedeutet, dass eine Sachlage so lange bearbeitet wird, bis dieser alle zustimmen können (vgl. Krämer et al. 1987, S.147f.). Zudem finden wöchentliche pädagogische Konferenzen statt, bei denen alle Lehrerinnen anwesend sein müssen. In den wöchentlich stattfindenden Konferenzen werden einzelne Klassen und Schülerinnen besprochen und erzieherische Fragen ausgetauscht. Ebenso dienen diese zur anthroposophischen Fortbildung der Lehrer (vgl. Seitz/ Hallwachs 1999, S.166f.).

1.2.4 Elternarbeit

In der Waldorfpädagogik spielt die Zusammenarbeit von Schule und Eltern eine beachtliche Rolle. Die Schule ist nicht nur auf finanzielle Unterstützung, sondern ebenso auf das Engagement der Eltern in verschiedenen Bereichen angewiesen. Eltern sind dazu angehalten sich in verschiedenen Gremien der Schule einzubringen, z.B. in den Bau-, Wirtschafts- oder Festkreis. Diese Komitees stellen eine gute Möglichkeit der Kommunikation zwischen dem Lehrerkollegium und den Eltern aller Klassen dar. Schließlich finden auch in den einzelnen Gremien interne Konferenzen statt, in denen die Eltern die Arbeit mit ihren jeweiligen Kompetenzen unterstützen. Beispielsweise helfen die Eltern bei der Renovierung des Schulgebäudes, beim Schneidern von Kostümen für Theateraufführungen oder organisieren die Verköstigung bei Schulfeiern. Diese Tätigkeiten ermöglichen den Eltern einen Einblick in die Lern- und Arbeitsweise ihrer Kinder zu bekommen (vgl. Seitz/ Hallwachs 1999, S.209). Die Schule wird von Seiten der Pädagogen im Kontext mit der Erziehung des Elternhauses gesehen. Daher besuchen die Lehrerinnen die Familien ihrer Schülerinnen mehrmals im Jahr zur Hause, um ihnen Impulse für die erzieherische Weiterführung der pädagogischen Grundlagen der Schule zu vermitteln. Eltern haben die Möglichkeit Seminare, Vorträge oder beispielsweise handwerklich-künstlerische Kurse, die alle auf der Waldorfpädagogik basieren, zu besuchen. Schließlich bemüht sich die Schule die Ernährungsweise, die Lebensführung und die Wohngestaltung im Elternhaus zu beeinflussen (vgl. Krämer et al. 1987, S.152f.).

1.2.5 Zeugnis

Waldorfschulen verzichten in der Unter- und Mittelstufe auf Noten. Trotzdem werden Arbeiten der Schülerinnen gewürdigt. Am Ende des Schuljahres stehen anstelle von Noten individuelle Beurteilungen, in denen Lehrerinnen die Persönlichkeitsentwicklung und die Lernfortschritte der Schülerin beschreiben. So zählt nicht alleinig der Wissensstand, sondern ebenso die Gesamtentwicklung in einem bestimmten Zeitraum. Die Waldorfpädagogik geht davon aus, dass Kinder und Jugendliche Eigeninitiative nicht aufgrund von äußerem Leistungsdruck entwickeln, sondern aus lebendigem Interesse und persönlicher Begeisterung für die vielfältigen Unterrichtsinhalte. Daher sind Lehrerinnen dazu angehalten und verpflichtet, den Unterricht lebensnah und kreativ zu gestalten, sodass sie sich an der persönlichen Erfahrungswelt der Kinder orientieren und ihnen auch eigene Erlebnisse vermitteln. Leistungsdruck und Ausschluss von einzelnen Schülerinnen wird vermieden, indem keine Zensuren vergeben werden. Somit lernen die Schülerinnen von der ersten bis zur zwölften Klasse in einer stabilen Klassengemeinschaft, unabhängig vom angestrebten Schulabschluss: Niemand wird unterwegs sitzengelassen und jede einzelne Schülerin kann dann entsprechend ihrer persönlichen Beurteilungen und ihrem eigenen Ermessen entscheiden, zu welchem Abschluss sie fähig ist (vgl. Bund der Freien Waldorfschulen e.V. 2017 d).

1.3 Besonderheiten der Unterrichtsgestaltung

1.3.1 Der Lehrplan

Die Waldorfschulen messen der Selbstverwaltung und Gestaltungsfreiheit jeder einzelnen Schule eine höhere Priorität zu als dem festgelegten Curricula. Die Begründung hierfür liegt darin, dass die unmittelbare Lebenssituation des Kindes, seiner Eltern und seiner Lehrerin in den Mittelpunkt gestellt werden soll und daher der Inhalt und die Methoden des Unterrichtes nicht vordergründig von den Fachwissenschaften her zu konzipieren sei. Folglich werden die Ziele, die Methoden- und Inhaltsbestimmung des Unterrichtes individuell gesehen (vgl. Krämer et al. 1987, S.132f.). Dies ist wohl auch einer der Beweggründe, wieso für Waldorfschulen kein rechtsverbindlicher Lehrplan existiert. Jedoch erschien ein Buch von Caroline von Heydebrand „Vom Lehrplan der Freien Waldorfschule“, welches den mit Steiner gemeinsam erarbeiteten Lehrplan aus der Stuttgarter Mutterschule aus den Zwanziger Jahren wiedergibt (vgl. Ullrich 1986, S. 123). Hier wurden:

„Rudolf Steiners Vorschläge und Hinweise zur Lehrplan- Gestaltung, die er aus seiner menschenkundlichen Forschungsarbeit gab, […]von Caroline von Heydebrand gesammelt und mit den Erfahrungen und Arbeitsergebnissen derjenigen Waldorflehrer zusammengefügt, die noch unter der Anleitung Steiners an der ersten Freien Waldorfschule gearbeitet haben“ (zit. Vorwort von Kügelgen, in Heydebrand 1978, S.7).

Laut Geuenich ist bei diesem Buch sehr interessant, dass die Waldorfschule im Singular erwähnt wird. Dies deutet darauf hin, dass die Autorin von einer relativ einheitlichen Gestaltung an Waldorfschulen, was zumindest die curriculare Gestaltung betrifft, ausging. Auch die Tatsache, dass dieses Buch bereits in der 11. überarbeiteten Auflage erschienen ist, lässt darauf schließen, dass dieses Buch als zentraler Bestandteil für die Praxis an Waldorschulen gesehen wird und könnte darauf hinweisen, dass trotz möglicher Unterschiede in der Schulorganisation und Schulgestaltung an verschiedenen Waldorfschulen, zumindest die Grundlage und der theoretische Hintergrund nicht allzu sehr variieren. Nach Heydebrand sollen die Hinweise in ihrem Buch an die jeweiligen Situationen und Bedingungen angepasst werden und tatsächlich lediglich als Hinweise dienen (vgl. Geuenich 2009 S. 119 f.).

„Der ideale Lehrplan muß das sich wandelnde Bild der werdenden Menschennatur auf ihren verschiedenen Altersstufen nachzeichnen, aber wie jedes Ideal steht er der vollen Wirklichkeit des Lebens gegenüber und muß sich dieser einfügen. Zu dieser Wirklichkeit gehört vieles: es gehört zu ihr die Individualität des Lehrers, der einer Klasse gegenübersteht, es gehört zu ihr die Klasse selbst mit der ganzen Eigenart jedes einzelnen Schülers es gehört zu ihr die weltgeschichtliche Zeit und der bestimmte Ort der Erde mit seinen geltenden Schulgesetzen und Schulbehörden, an dem die Schule steht, die Lehrplan verwirklichen will. Alle diese Gegebenheiten modifizieren den idealen Lehrplan und fordern Wandlungen[…]“ (zit. Heydebrand 1978, S.11 f.).

Hiermit ist der Lehrplan einer Waldorfschule bis zu einem gewissen Grad wandelbar und kann von der Lehrkraft selbstständig verändert werden (vgl. Ullrich 1986, S. 123 f.). Jedoch steht dem gegenüber, dass die anthroposophische Menschenkunde als zentral angesehen wird und sich der Lehrplan zwar an verschiedene Gegebenheiten anpassen soll, jedoch diese anthroposophische Grundlage des Lehrplans nicht modifiziert sondern akzeptiert werden soll (vgl. Geuenich 2009, S. 120). Weiterhin sind diese Informationen von Heydebrand, trotz des geforderten flexiblen Umgangs mit dem Lehrplan, zum Teil sehr detailliert und als nicht wandelbar geschildert (vgl. Geuenich 2009, S. 120). Ein Beispiel hierfür ist: „Alle Kinder erhalten Flötenunterricht (Czakan- oder Blockflöte in D) in großen Gruppen. […] Dieser Instrumentalunterricht ist für die drei ersten Klassen obligatorisch“ (zit. Heydebrand 1978, S. 18). Des Weiteren orientiert sich der Lehrplan stark an den von Steiner vertretenen Entwicklung des Kindes in Jahrsiebten und der Vorherrschaft eines je spezifischen Temperaments. Laut

Ullrich wird der Lehrplan noch immer kaum verändert, lediglich erweitert übernommen (vgl. Ullrich 1986, S. 124). Die geisteswissenschaftliche Menschenkunde wirkt sich auch stark auf den Lehrplan, sozusagen auf die Didaktik und Methodik, aus. Dieser scheint zwar in einzelnen Bereichen variabel und zeitlich anpassbar zu sein an, jedoch bildet das erkannte anthroposophische Menschenbild die Grundlage für die Entscheidungen und Handlungen (vgl. Geuenich 2009, S. 120 f.).

1.3.2 Das Klassenlehrerinnenprinzip

Die Schülerinnen verbringen ihren Unterricht in stabilen Jahrgangsklassen vom ersten bis zum zwölften Schuljahr. Demnach verbringen sie fast die gesamte Schulzeit zusammen. Hierdurch kann eine hohe Kontaktdichte sowie eine enge Vertrautheit zwischen den Schülerinnen, Lehrkräften und Eltern einer Klasse entstehen (vgl. Ulrich 2012, S. 183). Diese Kontaktdichte und Vertrautheit wird durch die Person der Klassenlehrerin, welche ein und dieselbe Klasse vom ersten bis zum achten Schuljahr leitet, intensiviert. Sie erteilt allmorgendlich den zweistündigen Haupt- bzw. Epochenunterricht, welcher sich auf alle traditionellen Schulfächer mit Ausnahme der Fremdsprachen und der musischen und praktischen Fächer erstreckt. Die zentrale Aufgabe und Rolle der Klassenlehrerin ist es, eine verlässliche Bezugsperson für ihre Schülerinnen zu sein. Sie ist beauftragt, die Elternhäuser der Schülerinnen zu besuchen und ihre Schülerinnen in den regelmäßig stattfindenden Konferenzen darzustellen sowie verpflichtet, zum Ende jeden Schuljahres, für jede ihrer Schülerinnen ein Berichtszeugnis zu erstellen, indem sie diese ausführlich charakterisiert und in ihren Lernergebnissen beurteilt. Die Klassenlehrerin soll in der Zeit zwischen der Schulreife und der Pubertät die Rolle einer „richtungsgebenden Persönlichkeit“ und einer „geliebten Autorität“ einnehmen. Die Lehrerin soll die verschiedenen Temperamente ihrer Schülerinnen harmonisieren und durch einen anschaulich gestalteten und phantasiefördernden Unterricht ein vielseitiges Interesse bei ihren Schülerinnen wecken und ansetzen (vgl. Ulrich 2012, S. 183).

„Er bildet eine seelisch-ätherische Hülle um das Kind, dessen Bildkräfte mit dem Beginn der Schulzeit in eine gewisse Selbständigkeit entlassen worden sind. Diese Hülle kommt nicht zuletzt dadurch zustande, dass der Kassenlehrer so viele Fächer unterrichtet, ja daß durch ihn sein ganzes Weltbild für das Kind zu formen beginnt (…) Der Klassenlehrer möchte ein universeller Geist sein, kein Spezialist“ (zit. Pädagogische Sektion 1997, S.22).

Die von der Klassenlehrerin erteilten drei- bis vierwöchigen Unterrichtsepochen beziehen sich auf die grundlegenden Kenntnisse und Fertigkeiten in den Fächern Deutsch, Mathematik, Sachkunde und Kunst, Geschichte, Biologie, Geographie, Physik und Chemie. Der tägliche zweistündige Haupt-, bzw. Epochenunterricht soll den Schülerinnen nicht nur inhaltliche Konzentration ermöglichen, sondern ebenso eine enge Beziehung zwischen der Klassenlehrerin und ihren Schülerinnen ermöglichen. Eine weitere wichtige Aufgabe der Klassenlehrerin ist die Temperamentserziehung. Diese ergibt sich aus der Entwicklung des Kindes im zweiten Jahrsiebt. Damit das vorherrschende Temperament bei den Schülerinnen erkannt werden kann, soll die Klassenlehrerin unter Berücksichtigung ihrer körperlichen Gestalt ihre anvertrauten Schülerinnen studieren, beispielsweise beim Malen von Bildern oder beim Betreten der Klasse. Folglich werden die unterrichtlichen Maßnahmen an den Temperamenten der Kinder ausgerichtet. Bei der Erziehung und Behandlung der Temperamente ist es laut Steiner notwendig, die seelische Konstitution des Kindes ins Gleichgewicht zu bringen und aus Vereinseitigungen entstehende Erkrankungen zu verhindern. Die Klassenlehrerin ist dazu aufgefordert, in ihren pädagogischen und didaktischen Handlungen das Ähnlichkeitsprinzip zu verfolgen. Darunter verstand Steiner, dass die Gruppierung der Kinder nach gleichartigem Temperament dieses nicht verstärke, sondern herablähme und abschleife; ebenso bewirke das bewusste Ansprechen der Temperamentsneigung im Unterricht eine Mäßigung dieser Charaktertendenz (vgl. Ullrich 1991, S. 145 ff). Eine weitere wichtige Aufgabe der Klassenlehrerin ist nach dem Grundsatz der (Vor)Bildhaftigkeit zur Kultivierung der freigewordenen Bildkräfte zu unterrichten. Sie knüpft an das vorhergehende Jahrsiebt der Kinder an, in welchem das Kind durch die vor allem im Spiel erfolgende tätige Nachahmung die äußeren Sinne ausgebildet hat. Das Kind war nach Steiner in dieser Phase ganz „Sinnesorgan und Plastiker“. Das Motto der Weltbegegnung im Kindergarten ist, dass die Welt nachahmenswert gut ist. Im darauffolgenden zweiten Jahrsiebt ist es die Aufgabe der Klassenlehrerin, die inneren Sinne- das bildhafte Verstehen, das Gedächtnis und die Phantasie der Schülerinnen anzuregen. Das Kind ist „Zuhörer und Musiker“. Das Motto der Didaktik, ist die Welt ist schön. Jegliche Tätigkeit, die die Lehrerin vollzieht, muss schön sein, z.B. soll sie schön sprechen und schreiben. Hieraus ergibt sich für die Lehrerin die Schwierigkeit, dass diese auch das Unschöne der Welt sieht und sich dessen bewusst ist. Dennoch ist es ihr Auftrag und ihre Übung, in allem das Schöne zu sehen und hervorzuheben. Hierdurch wird das Kind selbst- in einer Metamorphose dieses Bestrebens- ein unverzagtes Weltinteresse entwickeln (vgl. Pädagogische Sektion, 1997, S. 38). Des Weiteren ist es die Aufgabe einer Klassenlehrerin den Stoff bildhaft darzustellen. Der Stoff wird nicht in definierten Begriffen, sondern durch anschauliche Schilderung dargestellt. Die tägliche Erzählung der Klassenlehrerin in der letzten Phase des Hauptunterrichts stellt den bevorzugten didaktischen Ort für die bildhafte Darstellung dar. Die individualisierte Zeugnisgestaltung ist die dritte Hauptaufgabe der Klassenlehrerin. Sie berichtet in den ersten acht Schuljahren über die Gesamtcharakteristik des Schülers. Hierbei misst sie die Schülerinnen nicht an einer Norm oder an der Leistung von Mitschülerinnen, vielmehr ist sie dazu angehalten, Angaben über die Entwicklung der Schülerin zu machen und ein „Wesensbild“ zu skizzieren. Die Klassenlehrerinnenzeit endet an den meisten Waldorfschulen am Ende des achten Schuljahres. Die Schülerinnen sind nun in die Entwicklungsstufe der Adoleszenz mit ihren eigentümlichen emotionalen Verselbständigungstendenzen und kognitiven Dezentrierungsprozessen eingetreten. Um ihrer nun auf Emanzipation gerichteten Sozialerfahrung, Welterschließung und Urteilsbildung zu entsprechen, soll nur noch das Fachlehrerinnenprinzip und die Orientierung der Unterrichtsinhalte an den Wissenschaften gelten (vgl. Ullrich 2012, S. 192 f.).

1.3.3 Epochenunterricht

Der Hauptunterricht, der sogenannte Epochenunterricht, ist eines der Wesensmerkmale der Waldorfpädagogik. Der Epochenunterricht zeichnet sich dadurch aus, dass ein Fach in den ersten beiden Unterrichtsstunden über mehrere Wochen hinweg behandelt wird. In der ersten Klasse sind die Unterrichtsepochen auf einen längeren Zeitraum angelegt. Ab der vierten Klasse verkürzen sich die Epochen auf drei bis vier Wochen. Der allmorgendliche Epochenunterricht wird durch einen rhythmischen Teil eingeleitet, hierbei singen die Kinder, klatschen und stampfen oder spielen Flöte. Dies soll die Kinder munter machen und auf den tatsächlichen Unterricht einstimmen. Anschließend findet eine Wiederholung des Unterrichtsinhaltes des vorherigen Tages statt. An diesen knüpft die Lehrerin dann mit den darauffolgenden Tagesinhalten an. Jede Schülerin fertigt eine Zusammenfassung der gelernten und behandelten Themen des Tages in seinem Epochenheft an. Die Schülerinnen lernen ausschließlich aus ihren eigenen Aufzeichnungen, denn Schulbücher werden kaum benutzt. In die Epochenhefte werden Tafelbilder übertragen und die Schülerinnen haben die Möglichkeit ihre eigenen Gedanken zu den behandelten Themen mit einzutragen. Auf die graphische Ausschmückung und Ausgestaltung der Epochenhefte wird großen Wert gelegt und so können auch Bilder und Skizzen in die Epochenhefte gemalt und gezeichnet werden. Für jede Epoche wird ein neues, eigenes Epochenheft erstellt. An Waldorfschulen werden die allgemeingültigen oder gängigen Schulbücher nicht benutzt. Für die Verwendung von Schulbüchern wurden vom Bund der Freien Waldorfschulen extra einige wenige Bücher herausgegeben, wie z.B. das Waldorf- Lesebuch. Aufgrund dieser Tatsache, dass nur wenige Schulbücher benutzt werden, ist ein anschaulich gestalteter Unterricht notwendig. Somit wird in den Anfangsjahren alles anschaulich erarbeitet und die Tafelbilder spielen eine wesentliche Rolle. Jede Epoche wird anhand eines Tafelbildes eingeführt und bleibt für die Schülerinnen längere Zeit zur Anschauung bestehen. Das ins Epochenheft übertragene Tafelbild wird von den Schülerinnen erweitert und farblich ausgestaltet. Technische Hilfsmittel wie z.B. Videos werden weitestgehend vermieden, da diese für die innere Einsicht des Menschen nicht förderlich wären.

Anschauungsmittel für das jeweilige behandelte Epochenthema sind von den Kindern selbst Gestaltetes und in der Natur Gesammeltes. Der zweistündige Epochenunterricht wird, nachdem die Schülerinnen die Inhalte des Epochenunterrichtes als Zusammenfassung in ihre eigenen Epochenhefte übertragen haben, mit einem Märchen, einer Fabel oder einer biblischen Geschichte beendet. Mitunter kommt es dazu, dass bestimmte Epochen eines Faches nur zwei Mal pro Jahr fortgeführt werden können. Folglich besteht die Gefahr des Vergessens. Beim Wiederholen und Aufgreifen des zurückliegenden Stoffes zeigt sich jedoch, dass mit einer gewachsenen Reife das Thema fortgeführt werden kann und eventuelle Unklarheiten während der letzten Epoche nun ausgeräumt werden können und besser verstanden werden (vgl. Krämer et al. 1987, S. 147).

2 Theoretische Grundlagen und Stand der Forschung

2.1 Definition Zufriedenheit/schulisches Wohlbefinden

In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob Waldorfschülerinnen mit ihrer Schule zufrieden sind. Um dies untersuchen zu können, muss zunächst der Begriff Zufriedenheit näher betrachtet und erklärt werden. Im Duden findet man unter dem Adjektiv „zufrieden sein“ folgende Begriffserklärung: „sich mit dem Gegebenen, den gegebenen Umständen, Verhältnissen in Einklang befindend und daher innerlich ausgeglichen und keine Veränderung der Umstände wünschend“ (vgl. Bibliographisches Institut GmbH 2017).

Betrachtet man den bedürfnistheoretischen Ansatz, so stellt Zufriedenheit ein Bedürfnis des Menschen dar. Der Mensch trachtet danach, in einem inneren Gleichgewicht zu stehen. Falls dieses gestört wird, werden Bedürfnisse geweckt, welche ein Handeln mit dem Ziel auslösen, dieses innere Gleichgewicht wiederherzustellen. Eine solche Störung kann auch mit Unzufriedenheit gleichgesetzt werden. Zufriedenheit ist demnach gegeben, wenn das innere Gleichgewicht hergestellt ist und fortbesteht (vgl. Rosenstiel 2000, S. 393 ff). Doch was bedeutet Zufriedenheit für die einzelne Waldorfschülerin? Hierfür soll in dieser Arbeit ein Synonym von Zufriedenheit näher betrachtet werden, das Wohlbefinden. Der Psychologe Ed Diener schreibt dem Wohlbefinden Subjektivität und Individualität zu. Wohlbefinden beinhaltet positive Gefühle und ist ein anhaltender Zustand (vgl. Hascher 2004). Becker (1994) differenziert zwischen dem aktuellen und dem habituellen Wohlbefinden. Während das aktuelle Wohlbefinden das derzeitige Erleben einer Person beinhaltet, bezeichnet das habituelle Wohlbefinden den Allgemeinzustand des Wohlbefindens in den vergangenen Wochen oder Monaten. Somit ist dies eine relativ stabile Eigenschaft. Bradburn (1969) vertritt die Annahme, dass für Wohlbefinden nur die Balance zwischen positiven und negativen Gefühlen bestehen muss. Tina Hascher überträgt diese Definition auf den Bereich Schule. Wohlbefinden in der Schule „...bezeichnet einen Gefühlszustand, bei dem positive Emotionen und Kognitionen gegenüber der Schule, den Personen in der Schule und dem schulischen Kontext bestehen und gegenüber negativen Emotionen und Kognitionen dominieren. Wohlbefinden in der Schule bezieht sich auf die individuellen emotionalen und kognitiven Bewertungen im sozialen Kontext schulischer bzw. schulbezogener Erlebnisse und Erfahrungen“ (Hascher 2002, zit. nach Hascher und Baillod 2004, S. 134).

Das Befinden an der Schule beinhaltet laut Eder (1995) drei Aspekte: das Wohlbefinden, die psychische Belastung und das Selbstgefühl. Zu diesem Konstrukt zählen Hascher und Baillod (2004) sechs Komponenten: positive Wahrnehmung der Schule, Freude in der Schule, schulisches Selbstbewusstsein, keine Sorgen wegen der Schule, keine körperlichen Beschwerden wegen der Schule, keine sozialen Probleme in der Schule. Hascher leitet aus ihren Ergebnissen demnach die Theorie ab, dass diese Komponenten das schulische Wohlbefinden und somit die Zufriedenheit mit der Schule wesentlich beeinflussen und von diesen Komponenten abhängt, ob sich eine Schülerin wohl an ihrer Schule fühlt.

Für die vorliegende Arbeit wird das schulische Befinden folgendermaßen definiert. Das schulische Befinden wird anhand der Emotionen und Kognitionen einer Schülerin gegenüber der Schule angezeigt. Die Erhebung erfolgt durch subjektive, individuelle Bewertungen der aufgeführten einzelnen Dimensionen im Lebensraum Schule . Zufriedenheit mit der Schule beinhaltet bezüglich der beschriebenen Definitionen, wie sich eine Schülerin an der Schule fühlt, welche Kognitionen und Emotionen sie zu den genannten sechs Aspekten hat und ob sich diese im Einklang befinden, bzw. die positiven die negativen überwiegen und somit eine innere Ausgeglichenheit und Zufriedenheit besteht.

2.2 Aktueller Stand der Forschung zur Schulzufriedenheit

Ein bedeutender Gegenstand der bildungspsychologischen Forschung der letzten Jahre ist die Schulzufriedenheit. Einige Studien unternahmen den Versuch, einen Einblick in die Denk- und Gefühlswelt von Schülerinnen zu erhalten. Hierbei konnten beispielsweise Bergmann und Eder (2007) in ihren Studienergebnissen aufzeigen, dass Schülerinnen in ihrem „klassischen Schulalltag“ auffällig weniger positive Gefühle erleben als negative. Überdies hinaus schnitt die Schule im Vergleich zu anderen Lebensbereichen, wie z.B. die Familie oder die Freizeit deutlich schlechter ab. Hascher (2004) nennt bedeutende Faktoren, die das schulische Wohlbefinden von Schülerinnen beeinflussen können wie z.B. das Alter, das Geschlecht, die Sozialkontakte mit den Lehrpersonen, der Schultyp, die Selbstwirksamkeit, der Schulstandort, die Unterrichtsfächer, die Gestaltung des Unterrichtes usw. Aufgrund der Tatsache, dass in der eigenen Erhebung die Schulzufriedenheit von Waldorfschülerinnen untersucht wird, sollen im Folgenden einige Studienergebnisse zu den Einflussfaktoren der Schulzufriedenheit beleuchtet werden, welche wesentlich für die eigene Erhebung erscheinen. Da an der Waldorfschule die Klassenlehrerin eine besondere Rolle einnimmt, soll dieser Einflussfaktor und die Schülerinnen- Lehrerinnen- Beziehung, das pädagogische Engagement ihrerseits und die Gestaltung des Unterrichtes näher beleuchtet werden. Zudem spielt das Unterrichts und Klassenklima/ Schulklima, die eigene Persönlichkeitsentwicklung und die Selbstwirksamkeit, der familiäre Hintergrund und das Alter eine ganz allgemeine und wesentliche Rolle im Bezug zur Schulzufriedenheit. Infolgedessen sollen diese Einflussfaktoren ebenfalls näher betrachtet werden. Aufgrund der Tatsache, dass es wenig signifikante Ergebnisse von Studien zu geschlechtertypischen Unterschieden zur Schulzufriedenheit existieren, werden diese nicht näher beleuchtet.

2.2.1 Einflussfaktoren auf die Schulzufriedenheit

- Schülerinnen- Lehrerinnen -Beziehung, das pädagogische Engagement und die Unterrichtsgestaltung der Lehrkräfte:

Holtappels et al. (2008) zeigen die Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen auf. Den Ergebnissen zufolge sind Schülerinnen, welche eine größere Unterstützung durch die Lehrkraft erhalten zufriedener mit der Schule, als Schülerinnen, welche eine geringe Unterstützung der Lehrkräfte wahrnehmen. Überdies hinaus konnte bewiesen werden, dass sich in Klassen, in denen ein geringer demokratischer Umgangsstil besteht, in dem Schülerinnen wenig Möglichkeiten geboten werden sich an Entscheidungen zu partizipieren, die Schulverbundenheit und das Schulengagement der Schülerinnen verringert. Folglich sind Partizipationsmöglichkeiten im Unterricht für Schülerinnen sehr wichtig. Fend und Sandmeier betonen, dass Partizipationsmöglichkeiten im Unterricht das Wohlbefinden in der Klasse steigern (vgl. Fend und Sandmeier 2004, S. 161 ff). Die Art des Unterrichts ist auch ein zentraler Aspekt in der Forschung von Hascher. Ihren Ergebnissen zufolge bewirkt ein Unterricht, der auch Phasen des selbstorganisierten Lernens beinhaltet, bei den Schülerinnen positive Gefühle. Ein lehrerzentrierter Unterricht hingegen würde eher negative Gefühle hervorrufen. Wichtig in diesem Zusammenhang ist jedoch laut Hascher und Edlinger, dass die Führungspersönlichkeit einer Lehrkraft einen signifikanten Einfluss auf das Wohlbefinden der Schülerinnen hat. Insbesondere die Wahrnehmung einer freundlichen und hilfsbereiten Lehrerin sind bedeutende Indikatoren für hohe Werte der Schulzufriedenheit (vgl. Hascher/ Edlinger 2009, S.105 ff). Über dies hinaus kann sich eine gute Schülerinnen- Lehrerinnen- Beziehung positiv auf die Leistungen und das Lernverhalten der Schülerinnen auswirken. Ebenso ist ein wesentlicher Aspekt in der dieser Beziehung das pädagogische Engagement der Lehrkraft und wie dieses die Schülerinnen erleben. In der deutschen Schulklimaforschung wurde dieser Aspekt untersucht. Hierbei geht es besonders um das Engagement und die Fürsorglichkeit der Lehrperson, inwieweit diese bereit ist, sich mit ihrer Persönlichkeit für das Erreichen der Lehr- bzw. Lernziele ihrer anvertrauten Schülerinnen einzusetzen. Des Weitern wird hierunter die Verantwortung verstanden, welche von Lehrkräften für Erfolge bzw. Misserfolge der Schülerinnen übernommen werden. Zudem spielt das Ausmaß, in dem Schülerinnen ihre Lehrerinnen als hilfsbereit und unterstützend erleben, eine wesentliche Rolle. Zusätzlich ist es für Schülerinnen bedeutend, wenn Lehrer sich für ihre Probleme interessieren und einsetzen (vgl. Saldern 1987, S.302).

Fasst man die gewonnen Daten der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen zusammen, werden nach Holtappels et al. (2008) folgende Ergebnisse deutlich: Schülerinnen mit einer höheren Schulzufriedenheit zeichnen sich durch höhere motivationale und auch soziale Voraussetzungen im Gegensatz zu denjenigen mit niedrigeren Schulzufriedenheitswerten aus.

- Unterrichtsklima:

Eder folgert aus seinen Studienergebnissen, dass die Unterstützung, welche Schülerinnen durch ihre Klassenkameradinnen erfahren, ein positiver Faktor für die Schulzufriedenheit darstellt. Ein negativer Zusammenhang hat Eder zwischen der Schulfreude und unterdrückendem, sehr autoritärem Verhalten seitens der Lehrerkräfte, festgestellt (vgl. Eder 1986, S. 83 ff). Bülter und Meyer fassen unter dem Begriff „Unterrichtsklima“ die Qualität der Beziehung der Lehrerinnen mit ihren Schülerinnen als auch die Beziehungen der Schülerinnen untereinander zusammen. Ein positives und angenehmes Lernklima kann als wesentlicher Aspekt für einen erheblichen Zuwachs der Leistungsbereitschaft in der Schule vermerkt werden. Schülerinnen arbeiten in einem angenehmen Lernumfeld und Lernklima intensiver im Unterricht mit und leiden weniger unter Schulangst. Des Weiteren konnte belegt werden, dass ein angenehm empfundenes Klima im Unterricht die Einstellungen der Schülerinnen langfristig beeinflusst. Demnach steigen die Zufriedenheit mit der Schule und auch die Freude am Lernen (vgl. Bülter/ Meyer 2004, S. 31 ff).

- Persönlichkeitsentwicklung im schulischen Kontext:

Schwarzer untersuchte die Bedeutung der Persönlichkeitsdimensionen im Zusammenhang mit der Schulzufriedenheit bzw. mit der Schulleistung. Es konnte beobachtet werden, dass Schülerinnen mit geringem Selbstvertrauen Beeinträchtigungen in ihrem Schulalltag erfahren. Im Vergleich verteilen sich diese Schülerinnen gleichmäßig auf die Hauptschule, Realschule und das Gymnasium. Schülerinnen mit geringem Selbstvertrauen empfinden ihre Lernumwelt als unangenehm und verspüren häufiger Leistungsdruck, ebenso wird der Unterrichtsverlauf negativ wahrgenommen (vgl. Schwarzer 1979, S. 181 ff)

- Selbstwirksamkeit:

Ein Gefühl der Selbstwirksamkeit erlebt eine Schülerin, wenn sich diese Ziele setzt und zur Erreichung dieser, erfolgreiche Mittel entwickelt. Hierunter wird das Gefühl verstanden, die Dinge, die einem passieren, auch kontrollieren zu können (vgl. Zimbardo 1995, S. 171) Selbstwirksamkeit wird laut Baumert et al. (2006) von folgenden Prädikatoren beeinflusst: Individuelle Leistungsvoraussetzungen der Schülerin, Lernbiographie der Schülerin, wie beispielsweise Klassenwiederholungen und kognitive Grundfähigkeiten, soziale und kulturelle Ressourcen der Familie. Den Schülerinnen sollten durch die Schule eine Entwicklungsumwelt geboten werden, in der zwei zentrale Faktoren umgesetzt werden: Die Schülerinnen sollten sowohl ihre Kompetenzen und ihre Persönlichkeit in der Schule entwickeln können und hierbei schulische Unterstützung und Förderung erhalten. Selbstwertungsprozesse setzen sich in Gang, wenn die Schülerinnen auch während des Unterrichts positive Rückmeldungen ihrer Lehrkräfte erhalten. Anhand stetiger Wiederholung dieser Rückmeldungen verfestigen diese sich zu allgemeinen Fähigkeitsselbsteinschätzungen. Hierzu zählen das akademische Selbstkonzept, als auch die Selbstwirksamkeitserwartungen einer Person. Laut Bandura erbringen Personen mit einer höher erlebten Selbstwirksamkeit besserer Leistungen. Ebenso wurde bei diesen Personen das Absinken ihrer emotionalen Erregungsniveaus beobachtet. Eine zu gering erlebte Selbstwirksamkeit kann zu Apathie, Mutlosigkeit und dem Gefühl, ein Opfer von äußeren Umständen zu sein, führen. Nach Bandura hängt die Beurteilung von Selbstwirksamkeit nicht ausschließlich von den Leistungen einer Person ab, sondern wird von drei zusätzlichen Faktoren mitbestimmt. Hierzu zählen die Beobachtungen, die Personen von Leistungen anderer machen und von sozialen und selbstgesteuerten Überzeugungen. Über dies hinaus werden hierzu ebenfalls die Beobachtungen einer Person von ihren eigenen emotionalen Zuständen während des Nachdenkens an einer Aufgabe mit einbezogen. Die Beurteilung der eigenen Selbstwirksamkeit steht zudem auch im Zusammenhang mit der Anstrengung, die unternommen wird und wie lange eine Person in einer schwierigen Ausgabe verweilen kann ohne aufzugeben (vgl. Bandura 1997, S. 191 ff).

- Beziehung zu den Eltern und sozioökonomischer Status der Familie:

Die Beziehung zu den Eltern und der sozioökonomische Status der Familie haben ebenso einen Einfluss auf die Schulzufriedenheit von Schülerinnen. So zeigt Stecher (2001), dass die Harmonie und Unterstützung, die Schülerinnen in ihrer Beziehung zu ihren Eltern erfahren, sich positiv auf ihre Schulfreude auswirken. So stehen diese Schülerinnen der Schule als auch dem Lernen positiver gegenüber als diejenigen, die weniger unterstützende und einfühlsame Eltern haben. Weiterhin beobachtet Stecher, dass Schülerinnen, die ihre Eltern als Vorbilder sehen, eine höhere Schulzufriedenheit aufweisen. Demgegenüber sinkt die Schulzufriedenheit bei Schülerinnen von Familien, in denen Konflikte und Auseinandersetzungen das Zusammenleben bestimmen. Kinder, deren Eltern eine höhere Bildungslaufbahn durchlaufen haben und in denen weniger Konflikte den Alltag der Familie beherrschen, verfügen über eine höhere Schulzufriedenheit. Wagner ist zudem der Ansicht, dass Schülerinnen aus einer höheren Sozialschicht eine günstige Einstellung zur ihrer Schule besitzen und sich selbst positiv wahrnehmen (vgl. Wagner 1975, S. 351 f.).

- Das Alter:

Das Erreichen höherer Klassenstufen und somit auch das fortschreitende Alter haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie wohl sich Schülerinnen in ihrer eigenen Schule fühlen. Diesen Effekt haben Schwarzer und Royl in einer Studie beobachtet. Ihre Ergebnisse zeigen, dass die Schulzufriedenheit der Schülerinnen im Gymnasium und der Realschule mit fortschreitender Klassenstufe abnimmt. Auch in der Haupt- und Gesamtschule konnte nachweislich beobachtet werden, dass die Schulzufriedenheit in höheren Klassen sinkt (vgl. Schwarzer/ Royl 1976, S. 547 ff). Gleichermaßen weisen Wilbert und Gerdes darauf hin, dass die Schulzufriedenheit insbesondere mit den Lehrkräften zu Beginn der Schullaufbahn hoch ist jedoch bis zum Ende der fünften Klasse deutlich sinkt. Sie bezeichnen diesen Effekt als „Sekundarstufenschock“ (vgl. Wilbert und Gerdes 2007, S. 208 ff). Ebenso belegt Eder (2007) in seinen Studien, dass ein signifikanter Rückgang der Schulzufriedenheit und des Wohlbefindens mit steigender Jahrgangsstufe zu beobachten ist und zwischen der siebten und achten Schulstufe der Tiefstand der Schulzufriedenheit erreicht wird. Folglich sinkt ab der fünften Schulstufe die Schulzufriedenheit massiv. Aus diesen geschilderten Ergebnissen lässt sich folgern, dass jüngere Schülerinnen zufriedener mit der Schule sind und mit steigendem Alter die Schulzufriedenheit kontinuierlich abnimmt.

2.3 Definition des Lernens und des Lernerfolgs

Es existieren sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was Lernen bedeutet. In der Psychologie wird Lernen generell als ein Prozess, der die Ausbildung bzw. die Entwicklung von Aversionen, Gewohnheiten, Problemlösungen und systematischen Handlungen beinhaltet, gesehen. Hierbei steht die Bildung von Erfahrungen im Vordergrund, die Einfluss auf die zukünftige Handlung haben, aufgrund der Tatsache, dass sich Änderungen im Verhalten, Denken und Wollen vollziehen. Ein Mensch hat etwas gelernt, wenn dieser auf denselben Reiz verändert reagiert (vgl. Edelmann 2001, S.451 ff). Hingegen verstehen Schnurer und Mandl im Hinblick auf die Theorie der situierten Kognition, Lernen als einen Prozess, der selbstgesteuert ist. Während des Prozesses entwickelt der Mensch eine eigenständige Zielformulierung und Strategien, die der Aufgabenbewältigung dienen. Der Prozessverlauf ist jedoch vom sozialen Kontext des Individuums abhängig (vgl. Schnurer/ Mandl 2004, S. 55 ff.). Zimbardo ist der Ansicht, dass unter Lernen nicht alleiniges zur Kenntnis nehmen von neuem Wissen zu verstehen ist. Er definiert Lernen

„… als einen Prozess, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrungen aufbaut. Lernen ist nicht direkt zu beobachten. Es muss aus den Veränderungen des beobachtbaren Verhaltens erschlossen werden“ (zit. Zimbardo 1995, S. 227).

Nun stellt sich die Frage, wann Lernen erfolgreich ist? Diese Frage kann nicht explizit beantwortet werden, schließlich ist Erfolg höchst relativ (vgl. Sliwka 2005, S. 15) und anders ausgedrückt ist Erfolg abhängig vom Grad der Zielerreichung. Der Zweck des Lernens kann der Erwerb von neuem Wissen und von neuen Kompetenzen sein oder anderweitig auch eine verbesserte Konsolidation, also Stärkung und Ausbau des bereits vorhandenen Wissens (vgl. Waldman et al. 2006, S. 110). Hierbei muss Lernen nicht unbedingt konstruktiv und produktiv sein und wird außer den eigenen Zielvorstellungen und Absichten auch von Umständen und Umweltgegebenheiten beeinflusst (vgl. Wilke 2004, S. 49). Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Lernerfolg der Inbegriff des Erwerbs und der Veränderung des deklarativen sowie des prozeduralen Wissens eines Menschen ist (vgl. Weinert 1996, S. 9). Der Begriff Lernerfolg ist eine Zusammensetzung aus den Wörtern Lernen und Erfolg. Lernerfolg steht für die nachweisbare Aneignung von Fähigkeiten und Wissen. Lernerfolg kann nur dann gemessen werden, wenn zuvor während des Lernprozesses ein oder mehrere Lernziele festgelegt wurden, die der Aufgabenbewältigung dienen. Lernerfolg kann in persönlichen und in fremdbestimmten Lernerfolg unterteilt werden. Sprich persönlicher Lernerfolg ist das Erreichen selbstgesetzter Ziele und fremdbestimmter Erfolg ist das Erreichen vorgegebener Ziele. Ein hoher Lernerfolg wird nicht alleinig dadurch erzielt, dass der Lernstoff beherrscht wird, wenn die intendierten Lernziele nicht insbesondere auf die ausschließliche Fähigkeit des Erinnerns von Faktenwissen ausgerichtet sind. Lernerfolg ist in einem solchen Fall mehr als nur das bloße Behalten von Fakten, Ereignissen oder Vorgängen, vielmehr geht es darum das Gelernte verinnerlicht zu haben und auch in verschiedenen Lebenssituationen umzusetzen (vgl. Kerres 2001 S. 111).

In der vorliegenden Arbeit wird Lernerfolg in Bezug zur Schule aus der eigenen Sichtweise der Schülerinnen gesehen. Hierbei wird vorrangig der persönliche Lernerfolg aus der Sichtweise der Interviewpartnerinnen fokussiert, sprich ob sie ihre selbstgesetzten Ziele ihrer Meinung nach erreichen und ob sie selbst der Auffassung sind, gelernte Inhalte in verschiedenen Situationen umsetzen zu können. Hierbei sollen ähnlich wie in Hatties Studie die persönlichen und die schulischen Merkmale, die zur Steigerung des Lernerfolgs beitragen können, näher betrachtet werden.

2.3.1 Ergebnisse der deutschsprachigen Unterrichtsforschung

Seit Jahrzehnten setzen sich Lehrkräfte und Wissenschaftlerinnen mit der Frage auseinander, was guten Unterricht auszeichnet. Verschiedene empirische Studien versuchen, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Merkmale den Lernerfolg in der Schule beeinflussen. Im Bereich der Schul- und Unterrichtsforschung wurde der Hattie- Studie 2009 große Aufmerksamkeit zuteil. Der Bildungsforscher John Hattie veröffentlichte seine Studie „Visible- Learning“, welche die Frage untersucht, welche Merkmale für das schulische Lernen von besonderer Bedeutung sind. Die Studie wurde 2013 von Beywl und Zierer unter dem Namen „Lernen sichtbar machen“ übersetzt und veröffentlicht.

Bei Hatties Studie „Visible Learning“ handelt es sich um eine Meta- Meta- Studie. Das bedeutet, es wurden Daten von etwa 815 Meta- Studien reanalysiert, denen nochmals 52.637 Einzelstudien zugrunde lagen, in welchen insgesamt über 200 Millionen Schülerdaten verarbeitet wurden. Hattie filterte aus dieser Fülle an Daten 138 Prozessfaktoren heraus, welche den folgenden Bereichen zugeordnet wurden: Familie, Schülerin, Schule, Curriculum, Lehrperson und Unterricht. Anhand entsprechender statistischer Verfahren berechnete Hattie die Effektstärken. Das Maß für die Effektstärke gibt D an, wie wirksam ein bestimmter Faktor für den Lernerfolg ist. Hat sich ein Faktor als schädlich oder negativ für den Lernerfolg erwiesen, beträgt die Effektstärke 0. Bei einer Effektstärke von 0 bis 20 existieren laut Hattie keine Effekte, bei der Effektstärke 20 bis 40 geringe Effekte. Moderate Effekte liegen für Hattie zwischen 40 bis 60, folglich besteht ein großer Effekt bei allem, was über 60 liegt. Was die Relevanz unterschiedlicher Quellen für den schulischen Lernerfolg anbelangt, so schließt Hattie aus seinen Ergebnissen, dass ca. 50 Prozent der Schülerleistung von Merkmalen, welche die Schülerin selbst mitbringt abhängen, wie z.B. die Begabung, die Intelligenz etc. Weitere fünf bis zehn Prozent hängen vom familiären Hintergrund ab und abermals fünf bis zehn Prozent von den sozialen Instanzen, den Peers. Denselben Effekt weist die Schule, als Organisation, zu welcher auch die Schulleitung gehört, auf. Von der Lehrkraft hängen 30 Prozent ab. Folglich stellt die Lehrkraft nach den Merkmalen, die die Schülerin selbst mitbringt, die zweitstärkste Erfolgsquelle dar und verfügt über den zweitstärksten Einfluss.

Im Folgenden sollen die Kernergebnisse Hatties Meta-Meta- Studie, die Einflussfaktoren und deren Stärke erläutert werden. Wenig überraschend ist das Ergebnis, dass häufige Umzüge der Familien, verbunden mit jeweiligen Schulwechseln der Kinder, sich nicht förderlich auf den Lernerfolg der Kinder auswirken. Überraschender mag das Ergebnis sein, dass sich Klassenwiederholungen durch Sitzenbleiben negativ auswirken. Dieses Ergebnis steht im klaren Gegensatz zur subjektiven Theorie einiger Lehrkräfte, dass Schülerinnen ohne die Drohung des Sitzenbleibens keine Lern- und Anstrengungsbereitschaft entwickeln. Die Leistungsgruppierung eines differenzierten Schulsystems wie auch die Hausaufgaben bleiben in ihrer Wirkung nur leicht über dem Wert der Wirkung, der für Hattie zumindest auf einen kleinen Effekt schließen ließe. Einen großen Effekt zeigen am oberen Ende der Erfolgsskala das Verhältnis zwischen der Lehrerin und ihren Schülerinnen, kontinuierliche Rückmeldungen seitens der Lehrerin an ihre Schülerinnen, reziprokes Unterrichten, klare Instruktionen und die formative Bewertung. Interessanterweise weisen mehrere Variablen auf die positive Wirkung von Rückmeldeprozessen hin. Hierbei sind nicht Noten gemeint, sondern Hinweise, die formativer Art sind und der Schülerin aufzeigen oder eine Orientierung geben, wie das eigene Lernverhalten verbessert werden kann. Des Weiteren besitzen klare Instruktionen starke positive Effekte. Zentrale Lehr- Lern- Komponenten, die starke Effektstärken aufweisen, lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- evaluative Lehr- und Lernhaltung und eine entsprechende Schülerinnenorientierung
- Strukturierung, klare Regeln, Führung der Klasse (direkte Instruktion, classroom management)
- kognitive Aktivierung (Tiefenstrukturen erreichen)
- Selbststeuerung und Bewusstheit von Lernprozessen bei den Schülerinnen
- freundlicher Umgang und lernförderliches Klima.

Abgesehen von der Grundhaltung der Rückmeldung durch die Lehrkraft und dem Aspekt des „Classroom Managements“ kann die „kognitive Aktivierung“ als zentrales Kriterium gelten (vgl. Huber 2012, S.4).

Classroom Management

„…wird […] verstanden als Handeln der Lehrperson, das auf die Errichtung und Aufrechterhaltung von Ordnungs- und Kommunikationsstrukturen sowie die aktive Partizipation der Schülerinnen und Schüler am Unterricht zielt und somit die eigentliche Basis für Lernprozesse bildet“ (zit. Schönbächler 2008, S. 23f.).

Lernprozesse müssen die Tiefenstrukturen erreichen, um ein erfolgreiches Lernen zu ermöglichen und dürfen nicht bei den Oberflächenstrukturen verharren. Methoden sollen gezielt zur kognitiven Aktivierung eingesetzt werden. Evaluation, Feedback, Selbststeuerung und Bewusstheit von Lernprozessen bei Schülerinnen bedeutet, diese in eine aktive Rolle zu bringen, diese selbst zur Lehrkraft zu machen. Weitere wesentliche Merkmale sind ein freundlicher Umgang und ein lernförderndes Klima (vgl. Huber 2012, S. 4). Ein positives und angenehmes Lernklima kann als wesentlicher Aspekt für einen erheblichen Zuwachs der Leistungsbereitschaft in der Schule vermerkt werden. Schülerinnen arbeiten in einem angenehmen Lernumfeld und Lernklima intensiver im Unterricht mit und leiden weniger unter Schulangst (vgl. Bülter/ Meyer 2004, S. 31 ff). Hier beweist die Empirie etwas, was die Pädagogik schon seit langer Zeit zu wissen scheint und die Neurowissenschaften längst bestätigt haben: Emotionen nehmen eine große Rolle beim Lernen ein. Als wirksamer Einflussfaktor lassen sich einige Variablen erkennen, die den Unterricht und das Verhalten der Lehrkräfte miteinschließen und wenige Faktoren, welche sich auf die strukturellen und organisatorischen Maßnahmen beziehen. Hattie verdeutlicht dies u.a. hierdurch, dass er Unterrichtsvariablen und Indikatoren für schulische Rahmenbedingungen mit ihren jeweiligen Stärken in Relation setzt. Auffällig bei der direkten Instruktion ist, dass diese Instruktionen nicht ausschließlich als Frontalunterricht gesehen werden, sondern in einer Balance zu Lernstrategien und Lernprozessen der Schülerinnen, wie metakognitiven Strategien, Selbstverbalisierung und reziprokem Lernen, stehen. Feedback oder Rückmeldungen und formative Beurteilungen seitens der Lehrkräfte an die Schülerinnen können hierbei als Bindeglieder gesehen werden. Zudem verdeutlicht Hattie, dass angemessene und entsprechende Einstellungen und Haltungen der Lehrkräfte eine wichtige Voraussetzung sind, um einen erfolgreichen Unterricht erzielen zu können. Der Lehrkraft wird eine hohe Signifikanz zugeschrieben und bezieht sich daher nicht nur auf konkretes Handeln im Unterricht, sondern ebenso auf personale Merkmale. Durchaus klingt dies etwas nach der traditionellen Vorstellung der guten Lehrkraft, welche über eine hohe pädagogische Begabung verfügt. Hattie behauptet dies jedoch nicht nur, sondern belegt es empirisch. Hierbei hält Hattie zwei Haltungen der Lehrkraft für besonders lernfördernd. Zum einen sehen die Lehrerinnen die Gestaltung des Unterrichts mit den Augen der Schülerinnen und zum anderen besitzen und zeigen sie eine evaluative Orientierung beim Lehren. Dies beinhaltet, dass die Lehrerinnen klare Lernziele formulieren, anspruchsvolle und trotzdem erreichbare Erfolgskriterien festlegen, ein breites Repertoire von Lernstrategien vermitteln und häufig ihren Schülerinnen Rückmeldungen zu deren Lernfortschritten oder Lernrückständen geben. Diese Haltungen ermöglichen den Schülerinnen, sich durch die Erfolgskriterien motiviert und herausgefordert zu fühlen, ein ausführliches Angebot von Lernstrategien kennen und nutzen zu lernen, sich bei Lernrückständen aktiv Rückmeldung einzuholen und zu ihrer eigenen Lehrerin zu werden. Möchte man Handlungsperspektiven für die Bildungspolitik ableiten, so können die Ergebnisse für eine empirisch belegte Bildungsplanung und Schulentwicklung angewandt werden. Es kann eine hohe Kongruenz der zentralen Befunde aus der Hattie Studie mit den bildungspolitischen Empfehlungen des PISA 2009- Forschungskonsortiums festgestellt werden (vgl. Klieme et al., S. 2010).

Das Resümee der wesentlichen Ergebnisse aus der Meta- Meta- Studie Hattie ist, dass es im Unterricht nicht um Lehren, sondern um Lernen geht. Dieser Paradigmenwechsel beinhaltet, dass die Wirkungen des Unterrichtes stärker fokussiert werden. Im Falle dessen, dass die Unterrichtsmethoden den Kern des Unterrichtes bilden, ist es entscheidend, dass diese richtig angewendet werden und zwar so, dass eine kognitive Aktivierung bei den Schülerinnen hervorgerufen wird. Nicht die Anwendung von Maßnahmen an sich sind der Mittelpunkt, sondern eine gute, funktionale Anwendung derer. Alleinig der Einsatz einer Lernform ist unproduktiv für den Lernerfolg. Ausschlaggebend ist, dass die verwendeten Methoden kognitiv aktivierend sind. Besondere Bedeutung haben hierbei diese Unterrichtsvariablen, welche zuallererst die Tiefenmerkmale des Lernens betreffen und zu einer kognitiven Aktivierung der Schülerinnen beitragen. Hingegen erweisen sich reine Oberflächenmerkmale, die sich vor allem auf die Rahmenbedingungen der Schule und des Unterrichtes beziehen als überwiegend unwirksam. Jedoch stehen genau diese Rahmenbedingungen oftmals im Vordergrund von bildungspolitischen Reformen, wie beispielsweise die Reduzierung der Klassengröße und die Änderung der Schulstrukturen etc. Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass z.B. die Größe einer Klasse oder die Struktur des Schulsystems zu vernachlässigen seien. Vielmehr heißt dies, dass sich eine Veränderung alleine in diesen Bereichen ohne die Verstärkung der Tiefenstrukturen, wie beispielsweise der kognitiven Aktivierung, sich ohne Effekt auf den Lernerfolg der Schülerinnen auswirken würde. Hiermit wiederum sind systematische, langfristig ausgerichtete Programme für die Professionalisierung der Lehrer verbunden. Trotz der beeindruckenden Menge des einbezogenen Materials und sicherlich auch durch den Eindruck, der beim Leser erweckt wird, dass in oder durch diese Studie in der Pädagogik Bekanntes empirisches belegt werden konnte, weist die Studie einige Defizite auf.

So weisen beispielsweise Snook et al. (2010) und Terhart (2011) auf einige Limitationen und Schwächen der Meta- Meta- Studie hin. Ein Kritikpunkt bezieht sich auf die Auswahl der Studien. Hattie selbst gibt sogar an, dass bei den Stichproben, also der analysierten Meta- Studien, Grenzen dahingehend bestehen, dass lediglich quantitative Forschung und keinerlei qualitativ arbeitende Studien mit integriert wurden. Des Weiteren wird die Kategorisierung von Effektgrößen kritisch gesehen, vor allem, dass diese ab einer gewissen Stärke als moderat (40) und ab einer anderen (60) als groß bezeichnet werden. Während Effekte, die darunter liegen, keinerlei Beachtung finden. Diese Einteilung könnte sicherlich anders festgelegt werden. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Befürchtung, dass die Komplexität des untersuchten Gebiets und die Ergebnisse dieser hohen Zahl an Untersuchungen nicht zulässig verringert wurden, sodass bei der Meta- Analyse der Analysen bereits Daten von den anfänglichen komplexen Informationen verloren gegangen sind. Diese Vereinfachung kann regelrecht zu einer missbräuchlichen Nutzung der Ergebnisse der Studie durch Bildungspolitik und Öffentlichkeit einladen. So legen Snook et al. (2010) das am Beispiel von „Hausaufgaben“ dar. Bei Hatties Studie werden den Hausaufgaben mit Stärke d= 29 ein eher kleiner Effekt zugeschrieben. Würde man hieraus folgern, dass Hausaufgaben nicht nützlich seien, käme man zu einem fehlerhaften Rückschluss. Ein exakter Blick zeige, dass die Effektstäke zwischen 0.15 im Primarschulbereich und 0.64 im High School Bereich liege und auf die Fächer bezogen in Mathematik beispielsweise hoch sei und in gesellschaftswissenschaftlichen Fächern eher niedrig sei. Daher besteht die Gefahr der Vereinfachung. Eine differenzierte Betrachtung geschieht nur selten, was zu einer oberflächlichen Nutzung der Ergebnisse in z.B. Politik oder Medien führen kann. Dies im Blick zu behalten ist wichtig. (vgl. Huber 2012, S. 4 ff).

2.4 Zusammenfassung bisherig durchgeführter Studien an Waldorfschulen

Es existieren bereits durchgeführte Studien zu verschiedenen Aspekten der Waldorfschulen. So haben sich Heiner Barz und Dirk Randoll in verschiedenen Studien mit Schülerinnen und Absolventinnen von Waldorfschulen befasst. Die Ergebnisse der Studie „Bildungserfahrungen an Waldorfschulen. Empirische Studie zu Schulqualität und Lernerfahrungen“ von Barz et al. (2012) zeigen, dass Waldorfschülerinnen eine größere Lernfreude als Regelschülerinnen besitzen. So geben Waldorfschülerinnen im Vergleich zu Regelschülerinnen hochsignifikant häufiger an Lernfreude und Interesse am Unterricht zu empfinden und sich entsprechend weniger während des Unterrichts zu langweilen (vgl. Barz et al.2012, S. 59). Ebenso zeigen die Ergebnisse, dass Waldorfschülerinnen bessere Unterstützung durch die Lehrerinnen erhalten, über ein höheres Selbstbewusstsein verfügen und weniger Schulstress und geringere Gesundheitsprobleme wie Schlafstörungen oder Schulangst haben. Allerdings bewegt sich die Inanspruchnahme von Nachhilfe auf ähnlichem oder sogar noch höherem Niveau als auf den Regelschulen. So muss sich auch die Waldorfschule einigen Herausforderungen stellen (vgl. Barz et al. 2012, S. 5).

Die Studie „Absolventen von Waldorfschulen. Eine empirische Studie zu Bildung und Lebensgestaltung“ von Barz und Randoll (2007) zeichnet unter anderem die Schulerinnerungen und Schulbeurteilungen von Waldorfabsolventinnen nach. Hierbei sieht sich ein überwiegender Teil der ehemaligen Waldorfschülerinnen im Nachteil hinsichtlich der Vermittlung von Fachwissen, von Rechtschreibkenntnissen und von Fremdsprachen gegenüber Absolventinnen staatlicher Regelschulen. Andererseits geben diese auch an, dass sie durch die Waldorfschulzeit gelernt haben, Dinge zu hinterfragen und Zusammenhänge wahrzunehmen. Dieses Kriterium von sozialer Verantwortlichkeit hat für die allermeisten der Befragten eine hohe Priorität. Ein weiterer zentraler Befund dieser Studie ist, dass sich die meisten Ehemaligen sehr stark mit ihrer damaligen Schule identifiziert und sich an dieser sehr wohl gefühlt haben. Bildung und Lernen haben daher sehr hohe Konnotationen und die Ehemaligen betonen sehr häufig, dass sie eine gute Grundausstattung für ihr weiteres Leben durch die Schule erhalten haben. Hierzu zählen auch alltagsrelevante Schlüsselkompetenzen wie eine positive Lebenseinstellung, ein grundlegendes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Selbstständigkeit und Anpassungsfähigkeit. Ebenso stellt ein Großteil der befragten Absolventinnen der praktisch- handwerklichen und kulturellen wie auch künstlerischen „Mitgift“ ihrer Schule ein sehr gutes Zeugnis aus. Als Schwachstelle des Waldorfschulunterrichtes sehen die Befragten eine immer wiederkehrende gewisse Weltfremdheit, ineffiziente Wissensvermittlung und die Tatsache, dass die Waldorfschulen zu wenig leistungsorientiert sind (vgl. Barz/ Randoll 2007, S. 20). Ein beträchtliches Ergebnis der Studie ist, dass 46,8 % der Befragten eine akademische Ausbildung durchlaufen haben und 68,7% die (Fach-) Hochschulreife erworben haben (vgl. Barz, Randoll 2007, S. 17).

Diese kurze Zusammenfassung zweier Studien über Schülerinnen und Absolventinnen von Waldorfschulen zeigt deutlich, dass die Waldorfschule einige positive Aspekte ihres Konzeptes vorweisen kann. Jedoch muss sich das Konzept der Waldorfpädagogik einigen Herausforderungen stellen, denn auch dieses Konzept zeigt einige Schwachstellen.

3 Empirischer Teil

3.1 Forschungsdesign

3.1.1 Fragestellung der Untersuchung und Hypothesen

Das Ziel der Untersuchung ist herauszufinden ob Waldorfschülerinnen zufrieden mit ihrer Schule und erfolgreich beim Lernen sind. Zahlreiche Studien kamen in den letzten Jahren zu dem Ergebnis, dass Schülerinnen staatlicher Schulen mit ihrer Schule eher unzufrieden sind und unter Lernschwierigkeiten oder Leistungsdruck leiden. Alternative Schulkonzepte erscheinen für viele Eltern ein geeignetes Konzept darzustellen, um ihren Kindern eine glückliche zufriedene Schulzeit mit positivem Lernerfolg zu ermöglichen. Aus diesen benannten Gründen und aus persönlichem großen Interesse an der Waldorfpädagogik wird in der vorliegenden Arbeit gemäß dem Titel empirisch untersucht, ob Waldorfschülerinnen zufrieden und erfolgreich beim Lernen sind. Die Fragestellung lautet demnach: Sind Waldorfschülerinnen zufrieden mit ihrer Schule und haben sie Erfolg beim Lernen? Hierfür wird mit drei Kindern und zwei Jugendlichen ein leitfadengestütztes Interview durchgeführt.

Am Ende der Untersuchung sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden:

- Wie zufrieden sind die Waldorfschülerinnen insgesamt mit ihrer Schule?
- Wie schätzen die Schülerinnen ihre schulischen Leistungen und ihren persönlichen Erfolg beim Lernen ein?
- Welche Faktoren beeinflussen die Schulzufriedenheit und den schulischen Lernerfolg der Waldorfschülerinnen?
- Wie viel Freiraum zur Partizipation ermöglicht die Waldorfschule?

Die Haupt- Hypothese lautet:

- Waldorfschülerinnen sind zufrieden mit ihrer Schule und haben Erfolg beim Lernen. Weitere Unterthesen sind:
- Ein positives Verhältnis zwischen Lehrerin und Schülerin wirkt sich auf den schulischen Erfolg beim Lernen und die Schulzufriedenheit aus.
- Die Konzeption des achtjährigen Klassenlehrerinnenprinzips und des Epochenunterrichts steigern das schulische Wohlbefinden und den Lernerfolg. x Das Konzept der Waldorfschule vor allem, dass es keine Noten gibt, wirkt sich positiv auf die Lernfreude und Lernmotivation ihrer Schülerinnen aus.

3.1.2 Methodisches Vorgehen

Für die Durchführung der Untersuchung soll die Relevanz der qualitativen Forschung und ihre besonderen Charakteristika hervorgehoben werden. Die Bedeutsamkeit des qualitativen Forschungsansatzes wird deutlich bei der Vergegenwärtigung, dass sich in heutigen Zeiten das soziale Leben in keine festen Muster einordnen lässt und sich verschiedenste Lebensweisen und -formen nicht einfach voneinander abgrenzen lassen. Anders als standardisierte Methoden erweist sich die Offenheit als großes Potenzial der qualitativen Forschung (vgl. Flick 2007, S. 17). Diese Offenheit ermöglicht neue Sichtweisen einzunehmen, für Dinge, Geschehnisse und Aspekte, die nicht bereits im Vorfeld einer Forschung standardisiert festgelegt werden konnten, da diese ohne die vollzogenen Forschungserfahrungen in dieser Form einfach nicht begriffen werden können. Offenheit meint hier keine bloße Willkür. Vielmehr zeichnet sich diese durch den Einsatz offen formulierter Fragen und durch die Vermeidung starrer Beobachtungsmuster in einem fokussierten Forschungsfeld aus. Wichtig hierbei ist, dass die Forscherin selbst auf reflektierte Art und Weise mit ihrer Wahrnehmung und ihrem Handeln als Teil der Forschung zu sehen ist (vgl. Flick 2007, S. 23). Das Ziel qualitativer Forschung besteht darin, die soziale Wirklichkeit von Menschen darzustellen, indem die jeweiligen betroffenen Akteurinnen selbst, im eigenen Handeln und aus ihrem Inneren heraus, ihre Lebenswelt wiedergeben (vgl. Flick 2007, S. 14). Die qualitativen Methoden werden bewusst eingesetzt, denn quantitative Verfahren werden oftmals auf die Platzierung eines Kreuzchens reduziert und besonders bei Befragungen durch Multiple-Choice- Fragebögen angewandt, um ein messbares Ergebnis zu erzielen. Die Voraussetzung einer quantitativen Erhebung ist die Verfügbarkeit einer Hypothese, welche durch die Befragung bestätigt wird (vgl. Rost 2002, S. 77). Der Kommunikationsverlauf muss standardisiert sein, damit die Reproduzierbarkeit der Prozesse der Erhebung und Auswertung sichergestellt wird (vgl. Moll 2001, S. 52). Gleichzeitig stellt dies den größten Kritikpunkt an quantitativen Verfahren dar. Denn schließlich wird der Proband zu einem bloßen Mittel zum Zweck durch die Reduzierung der vorgegebenen Daten und eventuellen Antwortmöglichkeiten auf ein Minimum an Informationen. Weder der emotionale Zustand der befragten Personen zum Zeitpunkt des Interviews, noch etwaige Unsicherheiten bei der Abgabe der Antworten spielen eine Rolle in der Auswertung (vgl. Rost 2002, S. 77). Gerade die Möglichkeiten der Beobachtung und der Nachfrage bei Kinderäußerungen spielen eine erhebliche Rolle, um individuelle Vorstellungen und Verhaltensmuster erkennen zu können. Aus diesen Gründen kommt ein quantitatives Erhebungsverfahren für diese Arbeit nicht infrage.

[...]

Fin de l'extrait de 157 pages

Résumé des informations

Titre
Die Zufriedenheit und der Lernerfolg von Waldorfschülerinnen
Sous-titre
Eine empirische Studie
Université
Alice Salomon University of Applied Sciences Berlin AS
Note
0,0
Auteur
Année
2017
Pages
157
N° de catalogue
V388826
ISBN (ebook)
9783668629516
ISBN (Livre)
9783668629523
Taille d'un fichier
1283 KB
Langue
allemand
Annotations
empirische Masterarbeit mit Interviews
Mots clés
eine, studie, zufriedenheit, lernerfolg, waldorfschülerinnen
Citation du texte
Monika Jenke (Auteur), 2017, Die Zufriedenheit und der Lernerfolg von Waldorfschülerinnen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/388826

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