Der Bürger- und Interventionskrieg in Sowjetrussland 1918-1920


Term Paper, 2005

21 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Historischer Hintergrund

3. Kriegsursachen

4. Der Krieg
4.1 Phasenübergreifende und strukturelle Elemente des Bürgerkrieges
4.2 1. Phase des Krieges
4.3 2. Phase des Krieges
4.4 3. Phase des Krieges
4.5 Der Ausklang des Krieges und seine Folgen

5. Politische, gesellschaftliche und soziale Verhältnisse während des Bürgerkrieges
5.1 Ernährungsdiktatur
5.2 Kriegskommunismus

6. Der Kronstädteraufstand

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 21. Januar 1924 starb Lenin. Noch heute ist sein Name für viel ein Begriff und das nicht ohne Grund. Die Bolschewiken waren seit sechs Jahren an der Macht, und die Revolution hatte Russland völlig verändert. Der Zar wurde im Zuge der Februarrevolution abgesetzt und die Republik ausgerufen. Einige Monate später stürzte die Oktoberrevolution die Regierung und übergab die Macht den Sowjets. Das russische Reich war durch den Weltkrieg und den Unruhen der Massen zusammengebrochen. Die bäuerliche russische Gesellschaft, die gerade dem Mittelalter entronnen war, begab sich unter die Führung eines entschlossenen Proletariats auf dem Weg zum Sozialismus.

Russland schloss einen Separatfrieden mit Deutschland und Österreich-Ungarn. Seine ehemaligen Verbündeten Frankreich und England unterstützten mit Waffen, Geld und Beratern die konterrevolutionären Armeen und entsandten eigene Truppen. Der nun folgende Bürgerkrieg erwies sich als eine entscheidende politische, wirtschaftliche und soziale Epoche in der Geschichte der Sowjetunion und seine Folgen waren für das Land verheerender als die Auswirkungen des 1. Weltkrieges.

2. Historischer Hintergrund

Die Bolschewiken übernahmen unter der Führung Wladimir I. Lenin im Zuge der Oktoberrevolution in Russland von 1917 die Macht, nachdem sie im September/Oktober die Führung im Petrograder und im Moskauer Sowjet errangen. Dies gelang ihnen durch die Aprilthesen Lenins – „Frieden um jeden Preis“, „Alle Macht den Sowjets“ –, durch die sie großen Zuspruch von der Bevölkerung erhielten.[1] Die Bolschewiken hielten den Zeitpunkt für angemessen, um die provisorische Regierung zu stürzen und selbst die Macht zu übernehmen. Lenin bestimmte den 7. November zum Beginn des Aufstandes, welcher bewaffnet durch das „Militärrevolutionäre Komitee zur Abwehr konterrevolutionärer Gefahren“ unter Lew D. Trotzkij ausgeführt wurde. Es kam zur Besetzung zentraler Punkte in Petrograd und zur Verhaftung der Regierung Kerenskij.

Die Staatsgewalt konnten die Bolschewiken am 8. November für sich gewinnen und verabschiedeten auf dem 2. Allrussischen Sowjetkongress drei richtungweisende Dekrete: 1. „Sofortiger Frieden ohne Annexionen und Kontributionen“ (das den sofortigen Waffenstillstand forderte), 2. „entschädigungslose Enteignung allen Landbesitzes in private Hand“ (Verteilung des Großgrundbesitzes an die Bauern), 3. Einsetzung des Rates der Volkskommissare unter Lenin als vorläufige Regierung.[2] Grund für den Erlass dieser Dekrete war die noch geringe Macht der Bolschewiken im Spätherbst und Winter 1917. Die Dekrete entsprachen den Wünschen der Bevölkerung und die Bolschewiken gewannen an Zuwachs.[3]

Die Sozialrevolutionäre und die Menschewiken verließen aus Protest den Kongress, so dass nur noch Vertreter des Kommunismus anwesend waren. Die Bolschewiken kürten sich somit geradezu selbst zum „Rat der Volkskommissare“. Der Regierung gehörten u. a. auch Trotzkij als Außenminister und Jossif W. Stalin, der das Volkskommissariat für Nationalitätenfragen übernahm, an.

Mit dem „Dekret über Grund und Boden“ (2.) beschloss die neue Regierung die Verstaatlichung von Industrie und Banken und das Verbot des Privathandels. Die Warenverteilung sollte von der Regierung übernommen werden. Die Soldaten strömten scharenweise nach Hause, als sie von der Umverteilung des Grundbesitzes hörten, um nicht zu kurz zu kommen: Infolge dessen wurde die Ostfront geschwächt.

Der Kommunismus konnte sich unaufhörlich durchsetzen und es gab immer neue Dekrete: Das Geld verlor an Bedeutung, Mieten wurden abgeschafft, staatliche Dienstleistungen, Massengebrauchsgüter und sogar Lebensmittel wurden kostenlos. Die Religion wurde verboten, Kirchen enteignet und zerstört („Dekret zur Trennung von Staat und Kirche“) und die Pressefreiheit wurde aufgehoben. Die Schulpflicht sollte die hohe Analphabetenrate senken und das allgemeine Bildungsniveau heben. Die Gleichstellung von Mann und Frau sowie von ehelichen und unehelichen Kindern wurde festgeschrieben, Scheidungen wurden erleichtert.[4]

Am 15. November 1917 gestand Lenin allen Nationen des ehemaligen Zarenreiches das volle Selbstbestimmungsrecht zu. Jedes Volk durfte sich von nun an jederzeit von Russland loslösen und einen autonomen Staat bilden.[5] Daraufhin erklärten zunächst die Finnen, gefolgt von den Ukrainern, den baltischen Ländern, den Georgiern, Armeniern und den Aserbaidschanern, ihre Unabhängigkeit.

Es war ein folgenschwerer Fehler der provisorischen Regierung, dass sie die Wahl zur konstituierenden Versammlung nicht schon zuvor angesetzte hatten, denn die Bolschewiken hatten drei Wochen zuvor die Macht in Petrograd an sich gerissen und die politische Haltung in Zentralrussland hatte sich dementsprechend geändert. Die Bolschewiken gingen aus der Wahl der verfassungsgebenden Nationalversammlung am 25. November 1917 mit 23,9% zwar als Minderheit hervor, aber an den Wahlergebnissen war ablesbar, dass die Bolschewiken großen Zuspruch in den Großstädten und Industriezentren fanden. Die Menschewiken konnten sich nur im Schwarzerdegebiet und im Kaukasus behaupten.[6] „Am 27. Dezember bezeichnete Zinov`ev auf einer Soldatenversammlung in Petersburg die Konstituierende Versammlung als Aushängeschild der konterrevolutionären, anti-sowjetischen Kräfte, denen sich die Räte nicht beugen würden.“[7] Die linken Sozialrevolutionäre stellten sich als einzige auf die Seite der Bolschewiken – gegen die Konstituierende Versammlung. Bei dem ersten und letzten Treffen der Konstituierenden Versammlung am 18. Januar 1918 entschied sich die Mehrheit gegen die Annahme der bolschewistischen „Deklaration der Rechte des werktätigen und ausgebeuteten Volkes“.[8] Die Bolschewiken und die linken Sozialrevolutionäre verließen daraufhin die Versammlung und parallel zur Nationalversammlung beschloss das Zentralexekutivkomitee die Auflösung dieser.[9]

Um ihre Macht zu sichern und zu festigen hatten die Bolschewiken bereits im Dezember 1917 die politische Geheimpolizei Čeka gegründet. Vor allem durch diese wurden Bürgerliche Parteien verboten und die Presse der Menschewiken und der rechten Sozialrevolutionäre unterdrückt. Die Anwesenheit dieser Parteien in den Sowjets war von Region zu Region sehr unterschiedlich; so waren sie in einigen gar nicht mehr oder als „Parteilose“ vertreten und in anderen wie z.B. in der Stadt Tambov erlangten die beiden Parteien sogar die Mehrheit. Am 14. Juni 1918 wurden die Menschewiken und die rechten Sozialrevolutionäre aus den Sowjets ausgeschlossen. Die linken Sozialrevolutionäre waren zunächst an der Macht beteiligt, doch nun schlossen auch sie sich am 19. März 1918 vom politischen Leben aus, als Protest gegen die Unterzeichnung des Friedensvertrags von Brest-Litowsk (s. u.).[10] Somit war die allein dominierende politische Kraft die „Kommunistische Partei Russlands (Bolschewiki)“, die KPR(B). Im März 1918 siedelte die Regierung in den Moskauer Kreml über und der 3. Allrussische Sowjetkongress verabschiedete am 10. Juli 1918 die Verfassung der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik (RSFSR).[11] Die erste Phase der Revolution war im Inneren abgeschlossen. Die Verfassung entsprach jedoch nicht der Wirklichkeit, da die Sowjets real immer mehr an Bedeutung verloren und die Umsetzung zu einer Sowjetdemokratie immer weiter in die Ferne rückte und in der Realität die Parteidiktatur immer stärker zum Ausdruck kam.[12]

Dem „Dekret über den Frieden“ vom 8. November entsprechend schloss die bolschewistische Regierung im Dezember 1917 einen Waffenstillstand mit den Mittelmächten, insbesondere mit Deutschland und Österreich-Ungarn. Friedensverhandlungen im Februar 1918 wurden von Trotzkij abgebrochen, da ihm die deutschen Forderungen für einen Friedensvertrag inakzeptabel erschienen. Lenin setzte sich jedoch gegen Trotzkij durch, welcher daraufhin als Außenkommissar zurücktrat. So wurde am 3. März 1918 der Friedensvertrag von Brest-Litowsk unterzeichnet. Dieser Vertrag beinhaltete erhebliche Nachteile für Sowjetrussland. So musste das Land hohe Reparationskosten an Deutschland leisten und die Unabhängigkeit Polens, der Ukraine, der baltischen Staaten, Armeniens, Georgiens und Finnlands anerkennen.[13] Russland musste somit auf rund 25% der Bevölkerung und 75% der Schwerindustrie verzichten.[14] Grund für Lenins Annahme des Friedensvertrags war vor allem die Gewinnung von mehr Handlungsspielraum für die Sicherung der bolschewistischen Macht und den Sieg über die innenpolitischen Gegner[15]

Die russische Unterzeichnung des Friedensvertrags stellte eine deutliche Erleichterung für die Deutschen dar. Sie konnten sich nun wieder nur auf eine Front konzentrieren, da der Zweifrontenkrieg beendet war.

Die Entente-Mächte, Japan, Deutschland und eine Reihe weiterer Staaten brachen den Frieden von Brest-Litowsk indem sie indirekt mit Waffen- und Materiallieferungen sowie direkt mit Interventionstruppen die Weißen im Kampf gegen die Sowjets unterstützten.

Den Bolschewiken war es jedoch gelungen durch die scheinbare oder reale Umsetzung von allgemeinen Forderungen, den Frieden von Brest-Litowsk und durch das Dekret über die Landaufteilung breite Massen für sich zu gewinnen.

3. Kriegsursachen

Die Auslöser für den Bürgerkrieg waren vor allem die politischen, sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen in Russland als Ergebnis der Oktoberrevolution, sowie nationale Antriebe. Das soziale Element des Bürgerkrieges ist auf das Bauerntum zurückzuführen. Aufgrund der bolschewistischen Ernährungsdiktatur kam es zu einem großen innerlichen und später auch aktiven Widerstand der Bauern gegen die russische Regierung.[16]

Das Nationalitätenproblem sorgte zusätzlich für Zündstoff unter der Bevölkerung. Dieses nationale Moment des Bürgerkrieges hatte seinen Ursprung in dem Zugeständnis Lenins, das alle Völker Recht auf Selbstbestimmung haben. Der Vielvölkerstaat drohte zu zerfallen.[17]

Die Dekrete waren keine direkten Auslöser für den Bürgerkrieg, da die Gegner der Dekrete, wie z. B. das Bürgertum, nur ein geringen Teil der Bevölkerung ausmachte. Deren Umsetzung sorgte jedoch für Zündstoff unter der Bevölkerung, da diese oft gewalttätig verlief.

Der Grund für die enormen Ausmaße des Bürgerkriegs in seiner Ausbreitung und Verlängerung war vor allem die Einmischung der Ententemächte, die ab dem Herbst 1918 immer aktiver wurden. Die bolschewistischen Gegner wären allein zu schwach und unorganisiert gewesen, um so lang und intensiv Widerstand gegen die Bolschewiken leisten zu können. Nur durch die Unterstützung und den militärischen Mitteln der Ententemächte konnten die Antibolschewiken die Entscheidung im Bürgerkrieg so lange herauszögern.[18]

Die militärischen Interventionen der ehemaligen Verbündeten Russlands erfolgten u. a. da sie nicht dulden wollten, dass eine Partei (Bolschewiken) mit den Mittelmächten (Deutschland, Österreich-Ungarn) Frieden schließt und somit Russland aus der Deutschland umgebenden Koalition, der Tripelentente, ausbricht. Aber der primäre Grund war die Verletzung der materiellen Interessen der Ententemächte, wie u. a. die Nichtanerkennung der russischen Staatsschulden und die Enteignung von Industriebetrieben seitens der Sowjetregierung. Zusätzlich spielten politische und wirtschaftliche Interessen eine große Rolle.

Die intervenierenden Mächte des Bürgerkrieges waren insbesondere Deutschland, England, Frankreich, USA und Japan, aber auch Polen.

[...]


[1] Vgl.: Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S. 264

[2] Vgl.: Microsoft Encarta 2005 Enzyklopädie: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Punkt 2: Revolution. O.V.

[3] Vgl.: Geyer, Dietrich: Die Russische Revolution. Göttingen ³1980. S. 118

[4] Vgl.: Gutsche, Christian: Die Geschichte der Sowjetunion zwischen den beiden Weltkriegen [2001] http://www:hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/ged/17346.html (02.03.2005)

[5] Vgl.: Gutsche, Christian: Die Geschichte der Sowjetunion zwischen den beiden Weltkriegen [2001] http://www:hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/ged/17346.html (02.03.2005)

[6] Vgl.: Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S. 260-262

[7] Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S. 267

[8] Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S. 272

[9] Vgl.: Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S. 270-272

[10] Vgl.: Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S.288/289

[11] Vgl.: Das aktuelle wissen.de Lexikon. Band 19 S.18 Stichwort Russland - Geschichte

[12] Vgl.: Anweiler, Oskar: Die Rätebewegung in Russland 1905-1921. Leiden 1958. S.285

[13] Vgl.: Microsoft Encarta 2005 Enzyklopädie: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Punkt 2.1: Friedensvertrag. O.V.

[14] Vgl.: Gutsche, Christian: Die Geschichte der Sowjetunion zwischen den beiden Weltkriegen [2001] http://www:hausarbeiten.de/faecher/hausarbeit/ged/17346.html (02.03.2005)

[15] Vgl.: Microsoft Encarta 2005 Enzyklopädie: Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken. Punkt 2.1: Friedensvertrag. O.V.

[16] Vgl.: Rauch, Georg von: Geschichte der Sowjetunion. Stuttgart 71987. S. 91

[17] Vgl.: Torke, Hans-Joachim: Historisches Lexikon der Sowjetunion 1917/22 bis 1991. München 1993 S. 55

[18] Vgl.: Lorenz, Richard: Sozialgeschichte der Sowjetunion 1 1917-1945. Frankfurt am Main 1976. S. 96

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Details

Title
Der Bürger- und Interventionskrieg in Sowjetrussland 1918-1920
College
University of Lüneburg
Course
Geschichte der Sowjetunion. Von der Oktoberrevolution bis zum Zweiten Weltkrieg
Grade
1,3
Author
Year
2005
Pages
21
Catalog Number
V39147
ISBN (eBook)
9783638380119
File size
583 KB
Language
German
Keywords
Bürger, Interventionskrieg, Sowjetrussland, Geschichte, Sowjetunion, Oktoberrevolution, Zweiten, Weltkrieg
Quote paper
Miriam Grab (Author), 2005, Der Bürger- und Interventionskrieg in Sowjetrussland 1918-1920, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39147

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