[...] Diese wurden in Form des Vertrages über eine Verfassung für Europa realisiert. Dem Vertragsdokument, das noch von allen Mitgliedsstaaten außer Spanien ratifiziert werden muss, kommt aus unterschiedlichen Gründen eine beachtliche Bedeutung zu. Zum einen wird es alle Einzelverträge der EU, die in den letzten 50 Jahren geschlossen worden sind, ersetzen und ein eigenständiges Verfassungsdokument darstellen. Darüber hinaus soll es die Leistungsfähigkeit des politischen Systems der EU sicherstellen und die Handlungsfähigkeit der EU, beispielsweise durch eine neue Definition der qualifizierten Mehrheit für Entscheidungen im Ministerrat, auch mit 25 Mitgliedern gewährleisten. Das politische System der EU weist bis dato weitestgehend die Strukturen des demokratietheoretischen Modells der Konsensdemokratie auf, wie in Kapitel 3 gezeigt werden soll. Institutionelle Veränderungen, wie die neue Definition der qualifizierten Mehrheit, die Abschaffung der turnusmäßigen Ratspräsidentschaft oder die Reduzierung der Mitglieder der Kommission, geben Anlass zur Frage, ob das politische System der EU auch angesichts solcher Anpassungsprozesse nach wie vor Strukturen des Modells der Konsensdemokratie aufweist. Oder hat der institutionelle Wandel auch dazu geführt, dass nun eher die Mehrheitsdemokratie als Referenzmodell zum politischen System der EU herangezogen werden sollte? Diese Frage soll Gegenstand dieser Hausarbeit sein. In Kapitel 2 soll zunächst der Unterschied zwischen den demokratietheoretischen Modellen der Konsens- und Mehrheitsdemokratie in Anlehnung an Lijphart (1999) dargestellt werden. Darauf aufbauend soll in Kapitel 3 gezeigt werden, dass das politische System der EU auf dem Stand von Nizza die zentralen Prämissen der Konsensdemokratie aufweist. Dies soll anhand von 10 Kriterien zur Operationalisierung des Begriffs der Konsensdemokratie geschehen, die Lijphart (1999) in seinem Buch Patterns of Democracy vorschlägt. Drei wesentliche Reformaspekte der EU-Verfassung, nämlich die neue Definition der qualifizierten Mehrheit, die Abschaffung der turnusmäßigen Ratspräsidentschaft und die Reduzierung der Mitglieder der Kommission, sollen in Kapitel 4 aufgezeigt und komparativ zum bisherigen Stand von Nizza dargestellt werden. Institutionelle Veränderungen sollen hier deutlich gemacht werden. In Kapitel 5 soll schließlich bewertet werden, ob die EU durch die aufgezeigten institutionellen Anpassungen sich dem mehrheitsdemokratischen Modell angenähert hat.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Mehrheits- vs. Konsensdemokratie
- Das Politische System der EU
- Operationalisierung des Konzepts der Mehrheitsdemokratie am Beispiel der EU
- Aufteilung der Exekutivmacht auf eine Vielparteienkoalition
- Formelles und informelles Kräftegleichgewicht zwischen Exekutive und Legislative
- Vielparteiensystem
- Verhältniswahlrecht
- Koordinierte und korporatistische Interessengruppensysteme
- Föderalistischer und dezentraler Staatsaufbau
- Starker Bikammeralismus
- Verfassungsstarrheit
- Ausgebaute richterliche Nachprüfung der Gesetzgebung
- Autonome Zentralbank
- Operationalisierung des Konzepts der Mehrheitsdemokratie am Beispiel der EU
- Institutionelle Veränderung durch die EU-Verfassung
- Zustandekommen des Vertrages über eine Verfassung für Europa
- Institutionelle Änderung durch die EU-Verfassung
- EU-Ratspräsidentschaft - Aus für den Turnus -Vorsitz
- Kommission - Aus für das Prinzip „Ein Land - ein Kommissar“
- Mehrheitsentscheidungen – Aus für die Stimmverteilung gemäß dem Vertrag von Nizza
- Die EU auf dem Weg zur Mehrheitsdemokratie?
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Hausarbeit analysiert die Entwicklung des politischen Systems der EU im Kontext der EU-Osterweiterung und der damit verbundenen Herausforderungen für die Funktionsfähigkeit und Legitimität der EU-Institutionen. Insbesondere wird untersucht, ob die EU durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa vom mehrheitsdemokratischen Modell beeinflusst wurde.
- Analyse des Unterschieds zwischen Konsens- und Mehrheitsdemokratie
- Bewertung des politischen Systems der EU vor dem Hintergrund der Konsensdemokratie
- Relevanz des Vertrags über eine Verfassung für Europa für die institutionelle Gestaltung der EU
- Bewertung der Auswirkungen der EU-Verfassung auf das politische System der EU im Hinblick auf eine Annäherung an die Mehrheitsdemokratie
Zusammenfassung der Kapitel
- Einleitung: Diese Einleitung stellt die Relevanz der EU-Verfassung im Kontext der EU-Osterweiterung und der Anpassungsbedürfnisse der EU-Institutionen dar. Sie beleuchtet die Veränderungen im politischen System der EU, die durch den Vertrag von Nizza und die EU-Verfassung initiiert wurden, und stellt die Forschungsfrage nach der potentiellen Annäherung der EU an das mehrheitsdemokratische Modell.
- Mehrheits- vs. Konsensdemokratie: Dieses Kapitel erläutert die Konzepte der Mehrheits- und Konsensdemokratie nach Lijphart, die unterschiedliche Lösungsansätze für die Gestaltung demokratischer Systeme bieten.
- Das Politische System der EU: Dieses Kapitel beleuchtet die zentralen Merkmale des politischen Systems der EU im Hinblick auf die Konsensdemokratie. Es analysiert zehn Kriterien, die zur Operationalisierung des Begriffs der Konsensdemokratie beitragen und die für das politische System der EU auf dem Stand von Nizza relevant sind.
- Institutionelle Veränderung durch die EU-Verfassung: Dieses Kapitel analysiert die wichtigsten Reformaspekte der EU-Verfassung, insbesondere die neue Definition der qualifizierten Mehrheit, die Abschaffung der turnusmäßigen Ratspräsidentschaft und die Reduzierung der Mitglieder der Kommission.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Konzepten der Mehrheits- und Konsensdemokratie, dem politischen System der EU, der EU-Verfassung und ihren Auswirkungen auf die institutionelle Gestaltung der EU. Dabei werden Themen wie das Einstimmigkeitsprinzip, die qualifizierte Mehrheit, die Ratspräsidentschaft, die Kommission und die Beziehung zwischen dem mehrheitsdemokratischen und dem konsensdemokratischen Modell in der EU beleuchtet.
- Citar trabajo
- Philipp Rebel (Autor), 2005, Zwischen dem Vertrag von Nizza und dem Verfassungsentwurf des Konvents - Die EU auf dem Weg zur Mehrheitsdemokratie?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/39458