Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitende Gedanken
2. Umgestaltete Welt
- 2.1 Postmoderne
- 2.2 Globalisierung
3. Die jugendliche Suche nach Identität
- 3.1 Ein Jugendlicher- Was ist das?
- 3.2 Subkulturen: Die Differenz zwischen Gegenkultur und Teilkultur
4. Die Szene als Kulturersatz
- 4.1 Gewählte Beispiele musikorientierter Szenen
4.1.1 Black Metal
4.1.2 Gothic
4.1.3 Hip-Hop
4.1.4 Indie
- 4.2 Existieren Merkmale des traditionellen Kulturmodells in Musikszenen?
- 4.3 Die Szenen als Beitrag zu Identitätskonstruktionen Jugendlicher
5. Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
1. Einleitende Gedanken
Der Deutsche sitzt mit Lederhosen bzw. Dirndl bei seinem Mittagessen, bestehend aus Sauerkraut und Weißwurst, trinkt dazu sein Bier, während er Blasmusik hört, bevor er pünktlich seine Arbeit wieder aufnimmt. Der äußerst romantische Franzose trägt modebewusst Baskenmütze und Ringel-Shirt, während er mit seiner Liebsten Froschschenkel und eine Flasche Rotwein teilt. Mit den Stäbchen isst der im Kampfsport trainierte Chinese nicht nur seinen „Leis“, denn er kann bekanntlich kein „R“ sprechen, sondern alles was laufen, schwimmen oder fliegen kann. Der Brite genießt täglich seinen Vier-Uhr-Tee mit Milch, während er sehr trockene Witze erzählt und der Russe trinkt beim Pelzmantelkauf ausschließlich Wodka.
All diese Aussagen dürften uns bekannt vorkommen. Gleichzeitig wissen wir jedoch, dass sie nicht der Realität entsprechen, denn es handelt sich hierbei um Klischees. Das Wort Klischee stammt aus dem Französischen und wird von dem Wort cliché abgeleitet, was ursprünglich Druckplatte oder Druckstock bedeutet. Mit dieser Art von Schablonen wurden Drucke gefertigt. Heute bedeutet das Wort Klischee laut Duden unter anderem „Abklatsch, überkommene Vorstellung, unerschöpfliche Nachbildung“ (vgl. Duden [b], 2012, o. S.). Als Synonym werden „Nachahmung, Kopie, Imitation, Schablone“ und „Stereotyp“ (vgl. Duden [c], 2012, o. S.) verwendet. Demnach handelt es sich hierbei um einen eher negativ behafteten Begriff, mit welchem ein Schubladendenken verbunden wird. Franzosen werden hierbei in eine Schublade gesteckt, Deutsche in eine andere und Engländer wieder in eine andere. Laut diesen klischeehaften Vorstellungen von den stark differenten Nationalkulturen dürfte man vergessen, dass es sich in jedem Fall um Menschen handelt, von denen jeder einzelne eigene Charaktereigenschaften besitzt. Über diese individuellen Differenzen hinaus gilt es zudem zu bedenken, dass wir uns in einer offenen Welt bewegen, in einer globalisierten Welt. In Frankreich werden die meisten Froschschenkel, laut „Karambolage“[1], beispielsweise von Touristen verspeist, da sie den Glauben haben es sei ein Nationalgericht (vgl. Delvaux, 2010, o. S.) und in Deutschland gibt es sicherlich genügend bierverschmähende Vegetarier, welche niemals eine Lederhose tragen würden, während so mancher Chinese die vermeintlich deutschen Kulturgüter nur zu gerne zelebriert.
Die hier angedeutete absolute Durchdringung der Kulturen beschreibt Wolfgang Welsch[2] mit der Wortschöpfung „Transkulturalität“ (vgl. Welsch, 1994/1995/2010). In diesem Konzept werden Kulturen als vernetzt gedacht, jenseits der Kategorien Eigen- oder Fremdkultur. Statt „eines separatistischen [herrscht - der Verf.] eher ein Netzwerk-Design“ (Welsch, 1995, S. 4) vor. Das Konzept der Transkulturalität weist ausdrücklich die gängigen Begriffe „Interkulturalität“ und „Multikulturalität“ zurück, denn beide legen weiterhin eine „kugelförmige“[3], von Gottfried Herder[4] beschriebene und geprägte, Verfassung (vgl. Welsch, 1995 S. 1/ 2010 S. 2) von klar unterschiedenen, in sich homogenen Kulturen nahe, wenn auch auf Migrationsgesellschaft bzw. Landesgrenzen beschränkt. Diese Vorstellungen von essentiellen Einzelkulturen spiegelt weder die reale kulturelle Vermischung noch die „Hybridisierung“[5] (vgl. Welsch 2010 S. 3) von sozialen Praktiken, Diskursen oder Identitätsentwürfen wieder, welche inzwischen die gesamten Kulturen der Weltgesellschaft kennzeichnet. National- oder Regionalkulturen rahmen die Lebensweisen nicht mehr ein, sondern Kulturen sind hochgradig miteinander vermischt und verflochten; Lebensweisen durchdringen einander. Zur gleichen Zeit sind auch Individuen durch unterschiedlichste kulturelle Anteile geprägt. „In diesem Sinne sind für Welsch alle Kulturen „Transkulturen“ und alle Individuen „kulturelle Mischwesen“ (Hasenjürgen, 2009, S. 7). Das von Welsch entworfene transkulturelle Konzept und die transkulturelle Welt, die er beschreibt, lassen idealistische Konturen erkennen. Obwohl Transkulturalität in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, vorangetrieben durch die Globalisierung in der Postmoderne, bereits unbewusst stattfindet, fordert der kompetente, bewusste Umgang und das Etablieren des Welschen Entwurfes von jedem einzelnen ein Umdenken und neu Lernen des Kulturkonzeptes. Das Konzept der Transkulturalität erscheint wertvoll, um sich diesen faktisch vorhandenen Zustand der Gesellschaft begreiflich zu machen und um sinnvoll und produktiv damit umzugehen.
Die Anforderung Welschs, dass jedes Individuum seine Hybridität entdecken und wertschätzen soll, um mit der transkulturellen Gesellschaft besser zurecht zu kommen (vgl. Welsch, 1995, S. 3/vgl. Welsch, 2010, S. 6), steckt hohe Ziele und möglicherweise zu hohe Ansprüche. Transkulturalität als solche zu erkennen und ausleben zu können, sich bewusst zu sein, dass sie frei ausgelebt werden kann, erfordert von jedem Individuum einen eigenständigen, vernunftbetonten Zugang. Diese Aufgabe ist möglicherweise von manchen Teilen der Bevölkerung nicht zu bewältigen. Denn die schwindende Rolle der Nationalkultur kann zur Entgrenzung der kulturellen Identität eines Individuums führen. Auch Klaus P. Hansen[6] sieht die Anzeichen für die Einschränkung der nationalen Ebenen (vgl. Hansen, 2003, S. 356), doch betont er, dass sie „politische Kräftefelder und internationale Ordnungsmuster“ (Hansen, 2003, S. 360) darstellen, welche aktuell von Wichtigkeit für die Individuen und die gesellschaftliche Struktur sind. Wenn die Individuen nicht in der Lage sind sich über eine „nationale Identität“ oder deutsche, chinesische, französische „Leitkultur“[7] zu definieren, könnten sie sich verloren oder haltlos fühlen. So besteht für manche die Gefahr sich in politisch fanatische und extreme Richtungen zu flüchten, um Sicherheit bezüglich ihrer Identität zu erlangen. In dieser Arbeit soll hierauf nicht eingegangen werden. Vielmehr soll herausgearbeitet werden, ob die kulturelle Entgrenzung der Identität, welche Jugendliche erfahren könnten, mit alternativen Mitteln, genauer mit dem Anschluss an musikorientierte Jugendkulturen, ausgeglichen werden kann.
Um die Rahmenbedingungen besser erfassen zu können, soll versucht werden die Begriffe der Postmoderne und der Globalisierung näher zu erläutern, um aus diesen heraus die kulturelle Entbettung der Individuen zu erklären. Daraufhin soll die besondere Situation Jugendlicher skizziert werden. Hiernach folgen eine Abgrenzung der Gegensubkulturen von den Teilsubkulturen und die Einordnung der musikorientierten Jugendszenen. Im Anschluss daran sollen gewählte Beispiele dieser musikorientierten Jugendszenen schlaglichtartig vorgestellt werden. An den von Herder festgelegten Merkmalen des traditionellen Kulturmodells wird daraufhin überprüft, ob diese Szenen ebenso eine vermeintliche Stabilität und Sicherheit bieten wie das traditionelle Kulturmodell und ob sie einen Beitrag zur Identitätskonstruktion leisten können.
2. Umgestaltete Welt
In den letzten Jahrzehnten haben „tief greifende[] gesellschaftliche[] Veränderungs-prozesse“ (Eickelpasch, 2010, S. 5) stattgefunden, welche dazu führten, dass das Erkannt- und Anerkanntwerden für Einzelne und Gruppen so wichtig wurde. Identität als Selbstversicherung und Selbstdarstellung sind in den letzten Jahren zu einem inflationären Dauerthema in Alltag und Wissenschaft geworden, eben weil die traditionellen gesellschaftlichen und kulturellen Wurzeln wegbrechen[8]. Es handelt sich um zwei gesellschaftliche Umbrüche, die besonderer Aufmerksamkeit bedürfen, da sie sich wechselseitig bedingen und bewirken, dass die vertrauten Rahmenbedingungen sich auflösen. Diese Umbrüche werden unter den schwammigen Sammelbegriffen „Postmoderne“ und „Globalisierung“ zusammengefasst (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 5-6). Diese beiden Begriffe und ihre Bedeutungen sollen im Folgenden näher erläutert werden.
2.1 Postmoderne
Das Präfix „post“, welches aus dem Lateinischen übersetzt „nach“ bedeutet, impliziert, dass es sich um eine Ablösung oder Veränderung der Moderne handelt. Die Moderne, welche auf „rationale Durchdringung und Ordnung gerichtet“ (Schubert [c], 2011, o. S.) war, wird von einer neuen Geisteshaltung, einem neuen Zeitgeist, abgelöst, in welchem eine „prinzipielle Offenheit, Vielfalt und Suche nach Neuem“ (Schubert [c], 2011, o. S.) als Merkmale geltend gemacht werden können. Dies greift Zygmunt Bauman[9] in seinem Buch „Unbehagen in der Postmoderne“ als eine Dimension der „gegenwärtigen Ungewissheit“ auf, indem er auf das vergangene Jahrhundert aufmerksam macht (vgl. Keupp, 2001, S. 13). Er wählt den Nationalsozialismus als Beispiel für eine Zeit mit klar umrissenen Interessenlagen, in der ohne Zweifel politischen Zielen und Strategien gefolgt wurde und in der eine (finstere) Logik vorherrschte. Er führt weiter aus, dass nach dieser Zeit der absolutistischen Logik, in der heutigen Weltordnung eher ein Mangel an Grenzen, Konsistenz und Zielgerichtetheit herrscht (vgl. Bauman, 1999, S. 44). Durch die „essentielle[] Unbestimmtheit und formbare[] Weichheit der Welt“ (Bauman, 1999, S. 40) werden traditionelle Formen der sozialen Gemeinschaft, wie Nachbarschaft und Familie, unwichtig und verlieren an Bedeutung. Auch soziale Bindungen wie Klasse und Beruf (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 6) sowie andere Zugehörigkeiten wie „Nation, Kultur, Ethnie“ (Eickelpasch, 2010, S. 12) werden durcheinander gewirbelt und zersplittert. Im Gegensatz zu heute diente zu Zeiten der industriellen Nation eine Erwerbsarbeit der Einbettung des Individuums in die Gesellschaft (vgl. Keupp, 2001, S. 16). Selbst Geschlechterrollen werden in der Postmoderne dekonstruiert[10] (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 6). So gibt es, obwohl die „tief eingeschliffenen traditionellen Muster“ (Keupp, 2001, S. 17), welche damals „identitätsverbürgend“ (Eickelpasch, 2010, S. 6) zu sein schienen und noch stark in vielen Köpfen verwurzelt sind, heute weit mehr tolerierte Möglichkeiten der Geschlechtskonstruktion als jemals zuvor (vgl. Keupp, 2001, S. 17). In der vermarktlichten Gesellschaft ist für das Individuum die individuelle Bildung und die Eigenleistung zur Existenzsicherung wichtiger als eine Gemeinschaft zur Absicherung des Lebens (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 6). Die Grenzenlosigkeit der nur erahnten Möglichkeiten und die Freiheit, welche zugleich Zwang ist (vgl. Keupp, 2001, S. 17), zwischen ihnen zu wählen lösen wohl in jedem Individuum Angst aus. Diese „Dimension der Ungewissheit“ fasst Bauman unter der „universellen Deregulierung“ zusammen (vgl. Baumann, 1999, S. 45-46). Ein von den Beobachtern der Postmoderne befürchtetes Resultat ist eine dramatische Entsolidarisierung, eine Auflösung der Gruppen, welche von Bauman als die „Erosion traditioneller Sicherheitsnetze“ (Bauman, 1999, S. 46-47) bezeichnet wird. An die Stelle von Zugehörigkeiten und Gemeinsamkeiten können dann Entfremdung oder Vereinzelung treten. Eine „essentielle Unbestimmtheit“, als vierte Dimension, bestimmt die Postmoderne. Alles ist formbar und fließend, alles geschieht unangekündigt und verschwindet ebenso schnell wieder. Denn zu einer erhöhten Erneuerungsrate, wie sie die Moderne vorangetrieben hat, gehört in der Postmoderne eine genauso erhöhte „Veralterungsrate“ (Keupp, 2001, S. 16-17). Dies bedeutet, dass alles was man weiß, man auch anders wissen könnte (vgl. Bauman, 199, S. 48). Hieraus wird eine Chance deutlich, denn die Undefiniertheit und Zerrissenheit bedeuten jeden Tag Erfahrungen mit Neuem zu machen. So wird ein Reichtum an Differenz erzeugt, der die alten „eindimensionale[n] Bewusstseinshorizonte überschreite[t] [und so - der Verf.] ein Gefühl für den Wert von Heterogenität vermittel[t]“ (Keupp, 2001, S. 16). Individuen werden durch die beschriebene Enttraditionalisierung sozialer Verhältnisse und die Pluralisierung der Lebensformen aus den traditionellen sozialen Vorgaben entbettet, was einen Verlust von Sicherheit und Zugehörigkeit bedeutet. Deshalb gilt für die Individuen, sich selbst mit den zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Individualisierungsprozessen einzubetten. Es gilt Klischees nicht mehr unhinterfragt zu akzeptieren und mit der Zeit zu fließen, indem aus den verfügbaren „Lebensstilen und Identitätsangeboten“ (Eickelpasch, 2010, S. 7) gewählt und eine Identität sowie eine Weltanschauung konstruiert wird. Dieses Unterfangen stellt sich für den Einzelnen als beschwerlich, störungsanfällig und abenteuerlich dar, da jegliche althergebrachten, kollektiven Formen zu fehlen scheinen (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 7) und eine schier unendliche Fülle von Alternativen besteht (vgl. Keupp, 2001, S. 17). „Das „Unbehagen der Postmoderne“ entsteht aus einer Freiheit, die auf der Suche nach Lustgewinn zu wenig individuelle Sicherheit toleriert“ (Bauman, 1999, S. 11). Dieses Zitat verdeutlicht, dass Sicherheit eine Mangelware in der Postmoderne darstellt und liefert den Grund für den Versuch die sicherheitsgebenden Strukturen in Jugendkulturen, wie in Kapitel 3 beschrieben, zu suchen.
2.2 Globalisierung
Globalisierung wird auf der Seite der „Bundeszentrale für politische Bildung“ als eine „politisch-ökonomische Bezeichnung für den fortschreitenden Prozess weltweiter Arbeitsteilung“ (Schubert [a], 2011, o. S.) definiert. Bei dieser Definition handelt es sich um eine wirtschaftliche Definition von Globalisierung, mit der vor allem die Auslagerung der Produktion von nahezu jedem Einzelteil, aus dem das Endprodukt besteht, in Länder mit dem höchsten Kostenvorteil gemeint ist, was auf die Auflösung der Handelsschranken zurück zu führen ist (vgl. Schubert [a], 2011, o. S.). Konsumtions- und Produktionsweisen sind global, was sowohl als Grund als auch als Folge der weltweiten Verkehrs- und Kommunikationssysteme erwähnt werden sollte (vgl. Welsch, 2010, S. 4). Nicht nur die Produktion verlagert sich demnach, in Form der ökonomischen Globalisierung, auf die ganze Welt (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 8). Durch die weltweiten Verkehrssysteme werden vor allem die Produkte überall, ob original oder etwas für die Kultur modifiziert, verfügbar und konsumierbar gemacht. Durch die Zunahme elektronischer Kommunikationstechniken und durch frei zugängliche Kommunikations- und Informationssysteme werden Informationen global abrufbar und sendbar (vgl. Welsch, 2010, S. 3-4/vgl. Welsch, 1994, S. 158). Außerdem entstehen durch die zur Verfügung stehenden Kommunikationssysteme virtuelle Welten, virtuelle Gemeinschaften und virtuelle Interessenverbände (vgl. Keupp, 2001, S. 16), auch „Globalisierung der Sozialbeziehungen“ (Eickelpasch, 2010, S. 8) genannt. Die globalisierte, „posttraditionelle“ (Soeffner, 2007, S. 102) Welt ist durch geteilte Wertvorstellungen gekennzeichnet, welche durch soziale, mehrere Länder übergreifende Vereinigungen wie der UNO[11] und der UNESCO[12] vertreten werden. Als Beispiele hierfür können ein erstarktes Umweltbewusstsein und die geltenden Menschenrechte genannt werden.
Indem der Begriff der Globalisierung auf transkulturelle und transnationale Entwicklungen bezogen wird, kann er auch als deskriptiver Begriff verwendet werden. Mit transnationaler Entwicklung ist die Interaktion zwischen den Angehörigen zweier Bevölkerungen verschiedener Staaten gemeint, nicht die Interaktion der Regierungen zweier Staaten, denn dies wäre unter internationaler Entwicklung zu verstehen. Mit diesem Begriff wird sowohl die Assimilation[13] von globalen Produkten und Normen in lokale Erscheinungsformen (vgl. Welsch, 1994, S. 157) als auch die Adaption von globalen Produkten und Normen oder die Spannung zwischen globalen Entwicklungen und lokalen Reaktionen auf der anderen Seite beschrieben. Fest steht, dass weltweit eine globale Organisationsform deutlich zu erkennen ist (vgl. Soeffner, 2007, S. 104). Dies zeichnet sich repräsentativ am Internationalen Gerichtshof und der Weltbank sowie der oben bereits erwähnten UNESCO ab. Außerdem sind Menschen mit den unterschiedlichsten kulturellen Überlagerungen und Zügen „durch eine globale Medien-, Touristik- und Freizeitwelt“ (Bühl, 2004, S. 10) verbunden. Deshalb ist der Aufbau des Alltags heute global geprägt, eine „kulturelle Globalisierung“ (Eickelpasch, 2010, S. 8) ist nicht von der Hand zu weisen. Heimische Speisezettel sind international abwechslungsreich ergänzt, die Musikdatenbanken sind durch Musiker und Genres aus aller Welt bestückt, in den meisten Ländern sind Touristen aus den meisten Ländern zu finden, technische Innovationen weisen keinerlei nationale Differenzen mehr auf und Akupunktur ist inzwischen ein Teil der westlichen Medizin geworden (vgl. Welsch, 2010, S. 4). Nach der Auflösung der kulturell vordefinierten Identitätsmuster wird die „Verarbeitung der verschiedenen Rollen, Lebensformen und Sinnelemente zu einem Sinnganzen“ (Eickelpasch, 2010, S. 7) zur ununterbrochenen Eigenleistung und Konstruktionsaufgabe des Einzelnen.
[...]
[1] Karambolage ist ein Format auf ARTE, in dem ein kurzer und kritischer Blick auf die Besonderheiten deutscher und französischer Alltagskultur geworfen wird und in Rubriken humorvoll und auf ungewohnte Weise entschlüsselt wird (vgl. Arte, 2012, o. S.).
[2] Prof. Dr. phil. Wolfgang Welsch wurde 1946 geboren, studierte Philosophie, Kunstgeschichte, Psychologie und Archäologie in München und Würzburg. Er habilitierte 1982 und unterrichtete Philosophie an der Universität Bamberg von 1988-93, an der Universität Magdeburg von 1993-98 und seit 1998 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit April 2012 befindet er sich im Ruhestand (vgl. Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2012, o. S.).
[3] Kulturen werden in Herders Verständnis pragmatisch mit dem Bild von Kugeln oder mit autonomen Inseln erklärt: „Jede Nation hat ihren Mittelpunkt der Glückseligkeit in sich wie jede Kugel ihren Schwerpunkt!“ (Herder, 1784-1791, o. S., zit. n. Welsch, 2010, S. 2).
[4] Johann Gottfried Herder, geboren am 25.08.1744 in Mohrungen, gestorben am 18.12.1803. War Theologe, Philosoph, Kunst- und Literarturtheoretiker und Dichter (vgl. Stolberg-Wernigerode, 1969, S. 595-603). Er „steht […][des Weiteren - der Verf.] in der Tradition der Aufklärung“ (Stolberg-Wernigerode, 1969, S. 602).
[5] „Im engeren Sinne meint Hybridität (lat. Hybridia oder [h]ibrida) die Kombination von Elementen zweierlei Herkunft. […]. Das Hybriditätskonzept, wie es ab den späten 1970er Jahren in Poststrukturalismus [und - der Verf.] Postmoderne […] eingesetzt wurde, schließt nicht an die Biologie, sondern die Linguistik […] an. […]. Emanzipiert von der negativen biologistischen Bedeutung meint Hybridität Infragestellung hegemonialer und dominanter Ansprüche. […]. Ein Verhandlungsraum um die Konstruktion kultureller Autorität und Identität, aus dem neue Positionen hervorgehen […]. Ein solcher Hybriditätsbegriff widerspricht jedem fundamentalistischen Verständnis von Kultur Ethnie, Klasse oder Nation als ursprünglicher, stabiler, abgegrenzter Einheit“ (Kreff, 2011, S. 141-142).
[6] Klaus P. Hansen, geboren 1942 in Düsseldorf, habilitierte 1981 an der Universität Essen und wurde 1982 Professor für Amerikanistik an der Universität Passau. Ab 1993 begann er sich mit Kulturwissenschaft zu beschäftigen. Im Jahr 2003 gründete er die Hansen-Stiftung (vgl. Hansen, o. J., o. S.).
[7] Zunächst sollte der Begriff „Leitkultur“ einen grundlegenden gesellschaftlichen Wert darstellen; beispielhaft Demokratie, Aufklärung und die Menschenrechte umfassend. In der Debatte um die „Deutsche Leitkultur“ angestoßen durch einen Artikel in der Zeitung „Die Welt“ vom 25.10.2000, in welchem der damalige CDU-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz nach einer Definition dieser fragte, um sie der „multikulturellen Gesellschaft“ gegenüberzustellen, ging es letzten Endes um eine Einwanderungsdebatte. Kritiker fürchteten der Begriff der Leitkultur und die Debatte um die „Deutsche Leitkultur“ seien eine Vorlage für rechte Energien (vgl. Dürr, 2010, o. S.).
[8] In dem 1979 erschienen Klassiker der Kinder- und Jugendliteratur „Die unendliche Geschichte“ von Michael Ende sind einige Parallelen zu dieser Situation zu erkennen. „Phantásien“ wird von dem „Nichts“ aufgelöst und die wichtigsten Aufgaben, welche die Hauptfigur Bastian zu bewältigen hat, drehen sich um Identität. So soll er der Kindlichen Kaiserin einen Namen geben um das „Nichts“ aufzuhalten und er selbst darf sich in Form seiner Erinnerungen nicht verlieren, um zurück zu seiner Familie zu gelangen.
[9] Prof. Dr. Zygmunt Bauman wurde am 19.11.1925 in der Stadt Posen in Polen geboren. Er studierte Philosophie und Soziologie an der Universität Warschau, an der er auch bis 1968 Professor war. Von 1969 bis 1971 hielt er die Professur für Soziologie an der Universität in Tel-Aviv. 1971 erhält Zygmunt Bauman den Ruf an die „University of Leeds“ in Großbritannien für die Professur der Soziologie, dem er bis 1991 Folge leistete. Bis heute lebt Bauman in Leeds, von wo aus er auch publiziert (vgl. Keupp/Mattes, 1994., S. 37).
[10] „Geschlecht“ (Umfasst: gender als das soziale Geschlecht und sex als das biologische Geschlecht) scheint wie „Nation“ oder „Rasse“ kein natürliches und selbstverständliches Konstrukt zu sein, sondern eine soziale, historische und kulturelle Konstruktion. Im Postfeminismus wird der Konstruktionscharakter des Geschlechts aufgedeckt. Somit soll das mit Machtverhältnissen durchsetzte Konstrukt der Zweigeschlechtlichkeit überwunden werden (vgl. Eickelpasch, 2010, S. 13). Als Stellvertreterin des Postfeminismus ist Judith Butler, Autorin von „Gender Trouble. Feminism and the subversion of identity” (New York: 1990), hervorzuheben.
[11] UNO steht für „United Nation Organization“ zu Deutsch; die Vereinten Nationen. Es handelt sich um eine internationale Organisation, welche 191 souveräne Staaten umfasst. Die UNO wurde nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu erhöhen. Zwischen den Nationen soll eine harmonische Beziehung entwickelt und sozialer Fortschritt erzielt werden, um bessere Lebensstandards zu fördern und die Menschenrechte zu gewährleisten. In der UNO-Charta (einem völkerrechtlichen Vertrag) sind alle Rechte und Pflichten der Mitglieder der internationalen Gemeinschaft genau festgelegt (vgl. Regionales Informationszentrum der Vereinten Nationen für Westeuropa, 2012, o. S.).
[12] UNESCO steht für “United Nations Educational, Scientific and Cultural Oranization”. Sie ist eine rechtlich selbstständige Sonderorganisation der Vereinten Nationen für Kultur, Bildung und Wissenschaft. Mit 195 Mitgliedern und Sitz in Paris ist es ihre Aufgabe, die Zusammenarbeit zwischen den Völkern im Bereich Bildung, Kultur und Wissenschaft zu fördern, um so zur Wahrung der Sicherheit und des Friedens beizutragen. Die Verfassung der UNCESO trat am 4. November 1946 in Kraft (vgl. Deutsche UNESCO-Kommission e. V., 2012, o. S.).
[13] „Assimilation […] ist die Verwandlung des Fremdartigen, das man in sich aufgenommen [hat, d. Verf.], in die eigene Substanz. Assimilation findet statt in der ganzen organischen Natur, bei allen Thieren [sic!] und Pflanzen […] Sonach könnte man den Lebensproceß, [sic!] auch einen Assimilationsproceß [sic!] nennen. […]. Es assimilirt [sic!] aber nicht bloß [sic!] unser Körper in Ansehung alles dessen, was er als Nahrungsmittel und sonst in sich aufnimmt, sondern auch unser Geist in Ansehung alles Unterrichts, den er mündlich oder schriftlich empfängt […]. Und so werden auch ganze Völker […] einander dergestalt assimilirt [sic!], daß das Unterscheidende oder Auszeichnende in ihren Nationalcharakteren nach und nach immer mehr verwischt wird.“ (Wilhelm Taugott Krug, 1832, S. 232, zit. n. Omran, 2003, S. 90).