Das paraguayische Spanisch und seine charakteristischen linguistischen Merkmale

Phonetik, Morphologie, Syntax und Phonologie


Term Paper, 2015

15 Pages, Grade: 1,0

Anonymous


Excerpt


Inhalt

Einleitung

Sprachgeschichte

Ethnolinguistische Situation

Diglossie

Merkmale des paraguayischen Spanisch
Allgemeines
Phonetik und Phonologie
Morphosyntax
Lexik

Jopará

Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Laut Lewis, M. Paul et al. (2015) gibt es derzeit insgesamt 398,931,840 spanische Muttersprachler auf der Welt. Zusätzlich gibt es weltweit 89,500,00 Menschen, deren Zweitsprache Spanisch ist. Da Spanisch von so vielen Menschen gesprochen wird, existieren zahlreiche Varietäten. Allein in Spanien gibt es davon mehrere verschiedene, wie beispielsweise das Andalusische oder das Galizische. Auch das Spanische Lateinamerikas ist keineswegs einheitlich. Eine ganz besondere Sprachsituation aber herrscht in Paraguay. Der Binnenstaat hat eine Fläche ungefähr so groß wie Kalifornien und grenzt an Bolivien, Argentinien und Brasilien. Mit weniger als sieben Millionen Einwohnern ist die Bevölkerungsdichte sehr gering. Paraguay bedeutet „Wasser, das zum Meer geht“, abgeleitet von der indigenen Sprache des Landes, Guaraní (vgl. Born 2012: 83). Diese ist, im Gegensatz zu den indigenen Sprachen der anderen lateinamerikanischen Länder, immer noch die Muttersprache des Großteils der paraguayischen Bevölkerung und rechtlich mit Spanisch gleichgestellt. Eine weitere Besonderheit ist die weitverbreitete Zweisprachigkeit der Paraguayer. Der intensive Sprachkontakt zwischen Guaraní und Spanisch führte dazu, dass sich die Sprachen gegenseitig beeinflusst haben. Ziel dieser Arbeit ist es, die paraguayische Varietät des Spanischen in ihren charakteristischen Merkmalen linguistisch zu beschreiben, wobei die Merkmale des Lautstands (Phonetik und Phonologie) neben morphologischen, syntaktischen und lexikalen Eigenarten im Vordergrund stehen sollen. Außerdem soll ein Eindruck über die in Paraguay herrschende Sprachsituation an sich vermittelt werden. Um nachvollziehen zu können wie sich das dortige Spanisch zu seiner heutigen Form entwickelte, ist es wichtig zunächst die Geschichte des Landes zu betrachten, die in vielfacher Hinsicht auch die Geschichte der Sprachen Paraguays widerspiegelt.

Sprachgeschichte

Die spanische Eroberung Paraguays erfolgte um das Jahr 1536 nach der Niederschlagung der Guaraní-Indianer. In diesem Jahr wurde auch die Siedlung Asunción gegründet, die zur heutigen Hauptstadt wurde. Den Grundstein für die sog. „mestizaje“, also der ethnischen Vermischung und somit auch für die Sprachentwicklung Paraguays legte Domingo Martinez de Irala mit seiner forcierten Heiratspolitik zwischen spanischen Beamten bzw. Söldnern und Frauen der Guaraní. Zu dieser Zeit kam dem Spanischen jedoch lediglich eine Minderheitenposition zu und wurde nur von einer sehr dünnen Oberschicht gesprochen, bestehend aus der militärischen Führung, dem Klerus und der Verwaltung. Die aus der Mestizierung hervorgegangenen Kinder lernten Spanisch nur von ihren Vätern, die Mütter sprachen Guaraní mit ihnen. Deshalb war das damalige Spanisch geprägt von einem militärischen Charakter und zahlreichen fachsprachlichen lexikalischen Archaismen. Ein wichtiges Kapitel paraguayischer Geschichte begann im Jahr 1609, als die ersten Jesuiten ankamen, um zu missionieren. Ab 1622 errichteten sie im südlichen Ostparaguay Siedlungen, die sog. Reduktionen, in denen die Indianer zusammengefasst wurden, um vor Angriffen der brasilianischen Siedler und Zwangsarbeit für die spanischen Herren geschützt zu sein. Da die dortige Umgangssprache Guaraní war, beschränkte sich die Verbreitung des Spanischen somit auf das Gebiet um Asunción und die Provinz Guairá (vgl. Dietrich 2003:1045-1048). Dass das Guaraní bis in die heutige Zeit erhalten geblieben ist, ist wahrscheinlich dem Verdient der Jesuiten zu verdanken. Durch ihr intensives Studium der indigenen Sprache und das Drucken von Schriften in Guaraní trugen sie zu dessen sozialen Akzeptanz und Erhalt bei (vgl. Fasoli-Wörmann 2002:27-29). Nach der Ausweisung der Jesuiten und der Auflösung der Reduktionen 1768 kehrten viele Indios wieder zu ihrer tribalen Lebensweise zurück, andere trugen jedoch weiterhin zur Vermehrung der sich konstituierenden nationalen Bevölkerung bei, indem sie sich als Ackerbauern ansiedelten und sich mit den Mestizen vermischten.

1811 wurde Paraguay unabhängig und definierte seine Unabhängigkeit von Anfang an durch seine Zweisprachigkeit. Die darauffolgende Isolationspolitik unter Präsident José Gaspar Rodriguez de Francia (1814-40) war gekennzeichnet durch einen Kampf gegen alles Spanische, was sich beispielsweise auf die Heiratspolitik auswirkte. So war es Weißen in dieser Zeit nur erlaubt Nicht-Weiße zu heiraten. Außerdem trug Francias Politik zur sozialen Anerkennung der indigenen Sprache des Landes bei. Seine Nachfolger Carlos Antonio López (1842-62) und Solano López (1862-70) hielten zwar an Francias Isolationspolitik fest und vermieden es, ausländische Siedler ins Land zu lassen, bemühten sich aber um eine Hebung des Bildungsniveaus nach der totalen Bücherlosigkeit in der Diktatur Francias. Durch die Abschirmung blieb das paraguayische Spanisch weitgehend unberührt von externen Einflüssen oder Innovationen, was zu einer Herausbildung einer eigenen Variante des Spanischen führte, das stark vom Guaraní beeinflusst wurde und wird. Des Weiteren kam es in dieser Zeit zu einem deutlichen Anstieg der Spanischkenntnisse, vor allem unter den weiblichen Einwohnern Asuncións. Gründe hierfür waren unter anderem die Gründung der Academia Literaria und ein massiver Bücherimport (vgl. Dietrich 2003:1048-50). Die Niederlage im verheerenden Krieg gegen die Dreier-Allianz Brasilien/Uruguay/Argentinien (1865-70) reduzierte die Bevölkerung von ca. 1,5 Millionen auf nur mehr 200.000. Doch erst ab 1880 öffnete sich das Land schließlich gegenüber Einwanderern, darunter beispielsweise plattdeutsch sprechende Mennoniten, die das nördliche Gebiet des Chaco besiedelten (vgl. Born 2012:84). Eine größere Zuwanderung von Spanischsprechern blieb allerdings aus. Eine gewisse Öffnung des Landes nach der langen Abschirmung lässt sich spätestens seit der Erlangung demokratischer Freiheiten (1989) und des Beitritts zur Wirtschaftszone des Mercosur (1991) beobachten (vgl. Dietrich 2003:1049). Seit 1992 ist Guaraní die offizielle zweite Landessprache:

El Paraguay es un país pluricultural y bilingüe. Son idiomas oficiales el castellano y el guaraní. La ley establecerá las modalidades de utilización de uno y otro. Las lenguas indígenas, así como las de otras minorías, forman parte del patrimonio cultural de la Nación. (Constitución del Paraguay 1992, Artículo 140)

Ethnolinguistische Situation

Aus ethnolinguistischer Sicht lässt sich die Bevölkerung Paraguays in drei Kategorien gliedern: Die zahlenmäßig größte ist das hispanische Segment, das aus der 500-jährigen Mestizierung heraus entstanden ist. Bloß ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung hat gar keine europäischen Wurzeln, die endemische (vgl. Born 2012:84). Laut dem Censo Nacional de Población y Viviendas para Pueblos Indígenas (2012) gibt es derzeit nur rund 113.000 Menschen, die diesem Segment angehören. Neben den Guaraní-Varietäten gibt es außerdem 13 weitere Sprachen verschiedener Indianerstämme, wie Angaité oder Nivaclé. Diese verzeichnen jedoch lediglich ein paar Tausend Sprecher und stellen somit eine Minderheit dar. Als letzte Kategorie nennt Born (2012:84) noch die allochthonen Gruppen, darunter zum Beispiel Mennoniten, die brasilianische Landbevölkerung oder arabischsprachige Händler.

Diglossie

Einleitend zu diesem Themenkomplex muss zuerst eine allgemeine Begriffsklärung der beiden Termini Bilingualismus und Diglossie vorgenommen werden. Laut Fishman (1967:34) ist „bilingualism […] essentially a characterization of individual linguistic behavior whereas diglossia is a characterization of linguistic organization at the socio-cultural level.“ Unter Bilingualismus versteht man also die Zweisprachigkeit eines Individuums, während Diglossie das Phänomen einer zweisprachigen Gesellschaft beschreibt. Zur Diglossie gibt es in der Fachliteratur allerdings verschiedene Definitionen. Charles A. Ferguson sieht in der Diglossie den Unterschied zwischen der high variety (H) und der low variety (L) einer einzigen (oder zweier eng verwandter Sprachen) innerhalb einer Gesellschaft. H und L erfüllen unterschiedliche Funktionen: Die hohe Varietät wird als Bildungssprache für formelle und schriftliche Zwecke verwendet, die niedrige dagegen als Umgangssprache (vgl. Kremnitz 1987:159). Die Existenz von einer H und L Varietät des paraguayischen Spanisch zeigen Krivoshein de Canese und Corvalán (1987:9) auf. Das español paraguay estándar (EPE) entspricht der H, das español paraguay coloquial (EPC) der L. Das EPE orientiert sich als habla culta an den Normen der Real Academia Española „aunque eligiendo modalidades y estilo propios de entre las posibilidades que da la lengua“ (Krivoshein de Canese / Corvalán 1987:9) und wird zum Beispiel in der Presse gebraucht. Das EPC verwenden die Paraguayer dagegen als Alltagssprache in informellen Situationen, beispielsweise zu Hause oder unter Freunden. Hinsichtlich der Bilingualen, die sowohl Guaraní, als auch Spanisch sprechen, wäre die paraguayische Gesellschaft laut Fergusons enger Definition jedoch nicht diglossisch. Joshua A. Fishman schlägt allerdings eine weitere Definition des Begriffs vor: Auch Gesellschaften, in der zwei nicht verwandte Sprachen situationsabhängig gebraucht werden, betrachtet er als diglossisch (vgl. Kremnitz 1987: 160). Im Falle Paraguays bietet sich also vordergründig die Begriffsbestimmung nach Fishman an. Dieser stellt weiterhin vier mögliche Szenarien zum Verhältnis von Bilingualismus und Diglossie vor, wobei er Paraguay als Beispiel einer Sprachgemeinschaft aufführt, in der beide Phänomene auftreten (vgl. Fishman 1967:30f). Obwohl Paraguay in der Sozio- oder Kontaktlinguistik oft als Paradebeispiel einer Diglossiesituation genannt wird, sollte man dennoch vorsichtig mit dem Begriff umgehen.

Anhand von Tab. 1, die fünf Volkszählungen zwischen dem Jahr 1950 und 2002 erfasst, lässt sich erkennen, dass im Jahr 2002 nur etwa drei Fünftel der Bevölkerung tatsächlich Spanisch und Guaraní sprachen, ein knappes Drittel praktizierte ausschließlich Guaraní und ein gutes Zehntel nur Spanisch. Zählt man allerdings noch die Sprecher der Sprachpaare Spanisch-Portugiesisch, Guaraní-Portugiesisch, Spanisch-Englisch, Guaraní-Deutsch und Spanisch-Deutsch dazu, ist der Anteil der Bilingualen in Paraguay mit zwei Dritteln im Vergleich zu anderen Ländern trotzdem sehr hoch (vgl. Born 2012:85f). Außerdem zeigt die Tabelle eine deutliche Tendenz zur Hispanisierung. Während der Anteil der Spanisch-Sprecher seit den 80er Jahren stieg, nahm die Anzahl der Guaraní-Sprecher deutlich ab. Die Zweisprachigkeit verzeichnet lediglich einen geringen Anstieg.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Sprachverwendung in Paraguay - Personen über 5 Jahre (verschiedene Zensus, Born 2013: 85)

Merkmale des paraguayischen Spanisch

Allgemeines

In der auf Pedro Henríquez Ureña basierenden Substrateinteilung Lateinamerikas zählt Paraguay zur rioplatensischen Gruppe. Diese Zuteilung ist allerdings kritisch zu bewerten, da Paraguay sprachlich heute nur noch wenige Gemeinsamkeiten mit dem Spanischen Argentiniens und Uruguays aufweist (vgl. Born 2012:86). Aufgrund der indigenen Kontaktsprache sind die wesentlichen Merkmale des paraguayischen Spanisch geprägt von Interferenzen aus dem Guaraní. Deren Ausmaß ist abhängig von der Sprachkompetenz des Sprechers in beiden Sprachen oder von dessen Vorlieben. Auch diastratische und diaphasische Aspekte spielen dabei eine Rolle. Eine weitere Besonderheit bilden Archaismen, also Merkmale, die für das Spanische älterer Stufen kennzeichnend sind, und aus der langen Isolation des Landes resultieren.

Phonetik und Phonologie

Im paraguayischen Spanisch gibt es phonologisch-phonetische Auffälligkeiten, die nur in Paraguay vorzufinden sind und solche, die auch in anderen lateinamerikanischen Varietäten üblich sind. Zu letzteren zählt beispielsweise das Phänomen des Seseo. Während in der Standardvarietät zwischen dem stimmlosen alveolaren Frikativ [s] und dem stimmlosen dentalen Frikativ [θ] unterschieden wird, fallen diese beim Seseo zu einem gemeinsamen Phonem /s/ zusammen (vgl. Krivoshein 1987:20).

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Details

Title
Das paraguayische Spanisch und seine charakteristischen linguistischen Merkmale
Subtitle
Phonetik, Morphologie, Syntax und Phonologie
College
University of Bamberg
Grade
1,0
Year
2015
Pages
15
Catalog Number
V418777
ISBN (eBook)
9783668676282
ISBN (Book)
9783668676299
File size
624 KB
Language
German
Keywords
Spanisch, Paraguay, Dialekt, Sprachwissenschaft, Sprache, Phonologie, Morphologie, Linguistik
Quote paper
Anonymous, 2015, Das paraguayische Spanisch und seine charakteristischen linguistischen Merkmale, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/418777

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