Einleitung
Als ab der Mitte des 18. Jahrhunderts das bürgerliche Trauerspiel als neue dramaturgische Gattung die Bühnen Europas eroberte; war dies mit heftigen Diskussionen verbunden, da diese neue Dramenart einen Bruch mit den bis dahin bestehenden Gesetzen und Theorien der Dramaturgie bedeutete. Auch heute wird das bürgerliche Trauerspiel und seine Existenzberechtigung als vollwertige literarische Gattung kontrovers diskutiert.
In der vorliegenden Arbeit soll das Wesen und die theoretische Konzeption des bürgerlichen Trauerspiels erläutert werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse möchte ich auf zwei Meilensteine der Gattungsgeschichte des bürgerlichen Trauerspiels, zum einen Lessings „Emilia Galotti“ und zum anderen Goethes „Clavigo“, anwenden und diese auf ihre Gattungsspezifik analysieren. Dabei soll vor allem der Bürgerlichkeitsbegriff im Vordergrund stehen. Ich habe mich für diese beiden Werke entschieden, da sie innerhalb ihrer Rezeptionsgeschichte unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der Einen Seite „Emilia Galotti“, das „klassische“ (wie klassisch es tatsächlich ist, wird noch zu zeigen sein) bürgerliche Trauerspiel. Auf der anderen Seite Goethes „Clavigo“, welches zunächst wenig Beachtung fand und innerhalb der Gattung oft an den Rand gedrängt zu sein scheint, dessen Gattungszugehörigkeit bisweilen sogar bestritten wird. Der Vergleich beider Werke soll zudem den Einblick in die Vielseitigkeit der Gattung des bürgerlichen Trauerspiels vertiefen.
INHALTSVERZEICHNIS
ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Die Theorie des bürgerlichen Trauerspiels
2.1. Begriffserläuterung
2.2. Entstehung und Verbreitung
3. Lessings „Emilia Galotti“
3.1. Die Handlungsorte als ständische Machtbereiche
3.2. Ständedifferenzierung innerhalb der Hauptpersonen
4. Der innere Standeskonflikt am Beispiel von Goethes „Clavigo“
4.1. Die Figur des Clavigo
4.2. Die Carlos-Figur
5. Fazit.
LITERATURVERZEICHNIS
1. Einleitung
Als ab der Mitte des 18. Jahrhunderts das bürgerliche Trauerspiel als neue dramaturgische Gattung die Bühnen Europas eroberte; war dies mit heftigen Diskussionen verbunden, da diese neue Dramenart einen Bruch mit den bis dahin bestehenden Gesetzen und Theorien der Dramaturgie bedeutete. Auch heute wird das bürgerliche Trauerspiel und seine Existenzberechtigung als vollwertige literarische Gattung kontrovers diskutiert.
In der vorliegenden Arbeit soll das Wesen und die theoretische Konzeption des bürgerlichen Trauerspiels erläutert werden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse möchte ich auf zwei Meilensteine der Gattungsgeschichte des bürgerlichen Trauerspiels, zum einen Lessings „Emilia Galotti“ und zum anderen Goethes „Clavigo“, anwenden und diese auf ihre Gattungsspezifik analysieren. Dabei soll vor allem der Bürgerlichkeitsbegriff im Vordergrund stehen. Ich habe mich für diese beiden Werke entschieden, da sie innerhalb ihrer Rezeptionsgeschichte unterschiedlicher kaum sein könnten. Auf der Einen Seite „Emilia Galotti“, das „klassische“ (wie klassisch es tatsächlich ist, wird noch zu zeigen sein) bürgerliche Trauerspiel. Auf der anderen Seite Goethes „Clavigo“, welches zunächst wenig Beachtung fand und innerhalb der Gattung oft an den Rand gedrängt zu sein scheint, dessen Gattungszugehörigkeit bisweilen sogar bestritten wird. Der Vergleich beider Werke soll zudem den Einblick in die Vielseitigkeit der Gattung des bürgerlichen Trauerspiels vertiefen.
2. Die Theorie des bürgerlichen Trauerspiels
2.1. Begriffserläuterung
War die Tragödie als literarische Gattung seit der Antike bekannt und akzeptiert, so stellte das Bürgerliche Trauerspiel seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Novum in der Literaturgeschichte dar. Durch Ergänzung neuer Aspekte und die Betrachtung aus einer neuen Perspektive wurde nun der klassisch, tragische Stoff erweitert. Die Begrifflichkeit dieses Novums setzte sich aus den Elementen „bürgerlich“ und „Trauerspiel“ zusammen, wobei vor allem das „bürgerliche“ dieser Gattung im Blickpunkt des Interesses war und ist. Das bürgerliche Element begründet sich auf der Tatsache, dass nun zum ersten Mal auch „normale“ Bürger, also Mitglieder der sozialen Schicht des Bürgertums in diesen literarischen Werken auftreten konnten, die gleichzeitig auch als Handlungsträger fungierten. Zumeist also entstammte die Hauptperson dem bürgerlichen Metiers. Diese standen nun im Gegensatz zu den bisher vornehmlich aristokratischen Handlungsträgern. Ein Bruch mit der bisher propagierten Ständeklausel war die logische Folge.1
Neben den Handlungsträgern spielten auch die Handlungsmotive der Hauptpersonen eine Rolle für die Begriffsbildung. So standen nun auch Moralvorstellungen, Normen und Gedankengut des Bürgertums im Blickpunkt, indem die Charaktere des jeweiligen Stückes entweder durch diese in ihren Handlungen beeinflusst wurden oder gar nach diesen strebten. Dies erläutert Lessing vor allem im 14. Stück seiner „Hamburgischen Dramaturgie“.
Ein weiterer Aspekt der Bürgerlichkeit des Trauerspiels ist auch die nun vorgenommene Abgrenzung zwischen privat, häuslich und politisch, öffentlich. Hier versuchte Christian Heinrich Schmid 1798 eine Differenzierung vorzunehmen.
„Es wäre allerdings schicklicher, diese Gattung von Trauerspielen häusliche Tragödien oder tragische Familiengemälde zu nennen.(...) Bürger sind hier das Gegenteil von Personen der heroischen Tragödie und begreifen vielerlei Stände und Klassen von Menschen unter sich.(...) Bei dem bürgerlichen Trauerspiel muss allemal Privat- oder Familieninteresse zugrunde liegen.“2
Auch hier wird der ständische Unterschied hervorgehoben, stärker jedoch sieht Schmid den Kontrast zwischen der Privatheit des Bürgertums und der Öffentlichkeit der Hauptpersonen der bisherigen Werke. Das ständische Element des Bürgerlichkeits-Begriffes tritt aber zunehmends in den Hintergrund. Vielmehr ist es die Lebensweise der Hauptpersonen, die nicht mal zwangsläufig aus dem sogenannten 3. Stand kommen müssen, die „bürgerlich“ anmutet, da sie eben diesen Moralvorstellungen und Grundideologien folgt.3
2.2. Entstehung und Verbreitung
Die Entstehungszeit des Bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland, das 18. Jahrhundert, zeigt schon deutlich, dass dieser Begriff auch geschichtlich begründet ist. Die Entstehung fällt in eine Zeit, in der das Bürgertum bemüht war sich aus seinen misslichen Verhältnissen zu erheben und mehr Rechte in der Gesellschaft einforderte. Um sich aus der Unterdrückung zu befreien wurden Sprachrohre gesucht, die den Eindruck vermitteln sollten, das die Ideen des Bürgertums, die der Allgemeinheit seien. So wurde auch in der Literatur das Bürgertum thematisiert.
Das erste deutsche bürgerliche Trauerspiel war Lessings „Miß Sara Sampson“ Hier kam zum ersten mal das Private und Moralisch-Tugendhafte des Bürgertums zum Ausdruck. Doch Deutschland war keineswegs in der Vorreiterrolle. Die ersten Anregungen kamen aus England, wo vor allem Georg Lillo und George Barnwell diese Gattung etablierten. Besonders Barnwells „The London Merchant or the History of George Barnwell” deren deutsche Übersetzung erst 1754 erschien, gab den deutschen Dramatikern Anregungen, wie eine solche Thematik dramatisch umgesetzt werden könnte.4 In Frankreich war es dagegen vor allem Diderot und seinen bürgerlichen Dramen zu verdanken, dass neue theoretische Konzeptionen auch in Deutschland diskutiert wurden, denn in erster Linie war es Lessing, der von den Theorien Diderots begeistert war. Diderots Theorien gaben jedoch keineswegs den Anlass zu einer neuen Dramatik in Deutschland, sie wiesen der ohnehin schon vorhandenen Theorie vom bürgerlichen Trauerspiel in Deutschland „nur“ den weiteren Weg, da sie, wie Guthke feststellt erst, nach dem Erscheinen „Miß Sara Sampsons“ in Deutschland veröffentlicht wurden.5 DEnnoch ist auch sein Einfluss entscheidend gewesen für die weitere Entwicklung des bürgerlichen Trauerspiels in Deutschland.
3. Der äußere Standeskonflikt am Beispiel von Lessings „Emilia Galotti“
3.1. Die Handlungsorte als ständische Machtbereiche
Schon in Lessings berühmten empfindsamen bürgerlichen Trauerspiel „Miß Sara Sampson“, in dem er bewusst das dramaturgische Gesetz von der Einheit des Ortes brach, gab die Aufteilung der szenischen Handlungsorte Aufschluss über Lessings allgemeines Dramenverständnis. Ähnliches, wenn auch nicht in dem Ausmaße, lässt sich in „Emilia Galotti“ beobachten. So sind in „Emilia Galotti“ die Handlungsorte Ausdruck unterschiedlicher, ja zum Teil gegensätzlicher Lebens- und Wirkungsbereiche.6 Der Wechsel zwischen diesen gibt dem Leser bzw. Zuschauer Informationen über bestehende Machtzentren und Einflussbereiche und deren Auswirkung auf die Handlungskompetenzen der Personen. Macht und Ohnmacht der Hauptpersonen sind in Lessings Stück eng mit dem jeweiligen Handlungsort verknüpft.
Schaut man sich die szenische Gestaltung im Stück genauer an, so kann man feststellen, dass in den ersten beiden Akten die jeweils gegensätzlichen Örtlichkeiten dargestellt werden. Akt I spielt ausschließlich in einem Kabinett7 im Schloss des Prinzen Hettore Gonzaga, während der II. Akt in einem Saal im Hause des Odoardo8 spielt. Jeder Schauplatz charakterisiert unterschiedliche Norm-, Kompetenzbereiche. So verkörpert das Kabinett des Prinzen die höfischen Werte und Normen. Es ist die Welt des höfischen Adels, der Intrigen und Gewalt. Dem gegenüber steht das Haus der Galottis, welches ebenfalls recht großzügige Ausmaße einnehmen dürfte.9 Hier kommt nun eine völlig andere lebensweltliche Umgebung zum Vorschein. Die Welt des privaten, des patrizischen Bürgertums, in der Begriffe wie Tugend und Sittsamkeit zum Tragen kommen.10 Die Gegensätzlichkeit der unterschiedlichen Lebenswelten wird vor allem auch in der Person des Odoardo deutlich. Dieser kommt im ersten Auftritt von seinem Landgut aus Sabionetta zurück um bei seiner Familie nach dem Rechten zu sehen. Sabionetta scheint ein Ort zu sein, der sich vor allem durch die große Distanz zur höfischen Welt auszeichnet und mit dem die Person des Odoardo scheinbar eng in Verbindung steht.11 Wenn man dies betrachtet, verwundert es nicht, dass eben dieser Odoardo eine ausgeprägte Antipathie gegenüber dem Hof hegt, welche sich darin äußert, dass er sich mit seiner Frau, nach der von ihm sehnsüchtig erwarteten Heirat seiner Tochter mit dem Grafen Appiani, die bezeichnenderweise ebenfalls in Sabionetta stattfinden soll, in die Berge nach Piemont zurückziehen will. Die Stadt mit all den höfischen Verlockungen will er hinter sich lassen. Die Nähe zur Natur ist hier Sinnbild einer tugendhaften Lebensweise, die dem Adel in jeglicher Hinsicht abgesprochen wird.12 Die räumliche Distanz Land/Stadt spiegelt hier die lebensweltliche Distanz Bürgertum/Hof wider.
[...]
1 Guthke, K.S., Das deutsche bürgerliche Trauerspiel (1984), S. 5.
2 Schmid, C.H., Literatur des bürgerlichen Trauerspiels, in: Deutsche Monatszeitschrift (1798), S. 282-314, zitiert nach Guthke, K.S. (1984), S. 13.
3 Guthke, K.S., Das deutsche bürgerliche Trauerspiel (1984), S. 5
4 Ebenda, S. 27
5 Ebenda, S. 28.
6 Vgl.:Pütz, P., Die Leistung der Form (1986), S. 152.
7 Erster Aufzug, „Die Szene: Ein Kabinett des Prinzen“
8 Zweiter Aufzug, „Die Szene: Ein Saal in dem Hause der Galottis“
9 Das lässt sich aus der Ortsangabe „Saal im Hause“ schließen.
10 Vgl.:Pütz, P., Die Leistung der Form (1986), S. 152.
11 Marinelli tituliert Odoardo als: „Obersten Galotti bei Sabionetta“ was auf eine offensichtliche Verbindung hindeutet
12 Pütz, P., Die Leistung der Form (1986), S.152.
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