Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Unterrichtsplanung für eine Religionsstunde der 3. Klasse


Plan d'enseignement, 2017

24 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Bedingungsanalyse
1.1 Soziokulturelle Voraussetzungen
1.2 Fachliche Voraussetzungen und Entwicklungsstand der SuS
1.3 Methodische Voraussetzungen

2. Didaktische Analyse
2.1 Begründung des Themas vor dem Hintergrund der Lerngruppe
2.2 Einbettung der Stunde in den Gesamtzusammenhang
2.3 Legitimation des Themas vor dem Hintergrund des Bildungsplans
2.4 Lernziele

3. Sachanalyse
3.1 Das Lukasevangelium
3.2 Nächstenliebe
3.3 Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37)

4. Methodische Analyse
4.1 Ritualisierter Beginn
4.2 Hinführungsphase
4.3 Erarbeitungsphase
4.4 Arbeitsphase
4.5 Ergebnissicherung
4.6 Abschluss

5. Unterrichtsskizze

6. Literaturverzeichnis

Anhang

Ausführlicher Unterrichtsentwurf zur Religionsstunde dem Thema „Mit dem Herzen sehen: Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter“

1. Bedingungsanalyse

1.1 Soziokulturelle Voraussetzungen

In der betreffenden Religionsgruppe der Klasse 3 der Schule befinden sich 14 Kinder. Diese sind zwischen acht und neun Jahren alt, wovon jeweils sieben Kinder Jungen und sieben Kinder Mädchen sind. Die Lerngruppe setzt sich aus den SuS der Klassen 3a und 3b zusammen. Drei Kinder kommen aus der Klasse 3a, elf aus der Klasse 3b. Diese klassenübergreifende Mischung hat jedoch keine erkennbaren, negativen Auswirkungen auf das soziale Klima innerhalb der Religionsgruppe. Die Lerngruppe ist auch bezüglich ihrer religiösen Zugehörigkeit sehr heterogen: Neun Kinder sind evangelisch, ein Kind ist serbisch-orthodox, ein Kind ist griechisch-orthodox und drei Kinder sind konfessionslos. Entsprechend unterschiedlich ist auch das religiöse Vorwissen der SuS. Einige Kinder besuchen dieses Schuljahr zum ersten Mal den Religionsunterricht.

Besonders hervorzuheben ist Sch.1, die auf Grund einer Muskelerkrankung im Rollstuhl sitzt. Sie wird während des Unterrichts von einer Lernbegleitung unterstützt und wird ebenfalls nach dem Bildungsplan der Grundschule unterrichtet. Ihre Aufgaben erledigt Sch.1 gewissenhaft, ist dabei sehr selbstkritisch und stellt hohe Ansprüche an sich selbst. Aus diesem Grund, sowie auf Grund der Auswirkungen ihrer Muskelschwäche, arbeitet sie bei schriftlichen Aufgaben oft langsamer als die anderen Kinder. Zudem ist Sch.1 sehr schüchtern und meldet sich nur selten. Nur wenn sie sich ganz sicher ist, traut sie sich etwas beizutragen. Sie ist trotz ihres Handicaps gut in die Lerngruppe integriert und die anderen Kinder gehen sehr rücksichtsvoll mit ihr um. Zu nennen ist auch Sch.2, der oft durch unangebrachte Äußerungen auffällt. Er hat eine niedrige Frustrationstoleranz und fühlt sich oft ungerecht behandelt. Zudem traut er sich selbst sehr wenig zu und äußert oft, dass er etwas nicht könne, ohne es tatsächlich versucht zu haben. Trotzdem hat er gute Ideen und kann durchaus wertvolle Beiträge liefern. Grundsätzlich versuche ich Sch.2 immer wieder zu ermutigen und zu motivieren. Ich lobe viel und arbeite in dieser Lerngruppe mit positiven Verstärkern in Form von Lobkärtchen. Die Effektivität dieses Vorgehens hängt von Sch.2 Tagesform ab. Auf Unterrichtsstörungen durch Sch.2 reagiere ich mit Ermahnungen und erinnere ihn an unsere Vereinbarungen. Im Extremfall verweise ich Sch.2 aus unserem Kreis auf seinen Platz, an dem er Arbeitsblätter zu bearbeiten hat.

Insgesamt sind die Beiträge der Kinder sehr heterogen. Sch.3 ist insbesondere bei biblischen Geschichten sehr aktiv und verfügt diesbezüglich über ein breites Hintergrundwissen. Ihr sind viele Geschichten bekannt und sie durchdringt den theologischen Hintergrund meist schnell. Bezüglich des Arbeitsverhaltens handelt es sich um eine sehr aktive und engagierte Lerngruppe, mit der selbstständige Arbeitsphasen, die produktive Ergebnisse hervorbringen, möglich sind.

Es sollte darauf hingewiesen werden, dass die Religionsstunde in der 1. Unterrichtsstunde stattfindet, wodurch die Ankunft der SuS sehr unterschiedlich sein wird. Es kann dabei zu Verzögerungen des Stundenbeginns kommen, da gemeinsam im Stuhlkreis begonnen wird, sobald jedes Kind seinen Platz gefunden hat.

1.2 Fachliche Voraussetzungen und Entwicklungsstand der SuS

Die Klasse besitzt bisher nur wenig fachliche Vorerfahrung in Bezug auf Jesus und seine Gleichnisse. In diesem Schuljahr wurden noch keine Gleichnisse behandelt und auf Grund dessen, dass einige SuS den Religionsunterricht in Klasse 1/2 nicht besucht haben, ist das Vorwissen noch auf einem niedrigen Stand. Abgesehen von Sch.3 sind allgemein nur wenige biblische Geschichten bekannt.

Die SuS der Klasse 3 sind zwischen acht und neun Jahre alt und lassen sich damit nach Piaget dem konkret-operationalen Denken zuordnen. „Ausgehend von konkreten Phänomenen können Kinder nun schrittweise abstraktere Operationen anstellen.“[1] Den Kindern ist es demnach möglich, ausgehend vom Gleichnis des barmherzigen Samariters, abstrakte Vorstellungen von dessen Aussage anzustellen. Durch die Arbeit an und mit dem Gleichnis, der konkreten Auseinandersetzung mit Selbigem, erlangen sie ein vertieftes Verständnis, wodurch ihnen die eigentliche Aussage des Gleichnisses deutlich wird. Kohlberg spricht in diesem Alter von der konventionellen Moral. Kinder diesen Alters nehmen zunehmend wahr, dass das Einhalten von Regeln unerlässlich für das Funktionieren menschlichen Lebens ist.[2] Auch das Gleichnis vom barmherzigen Samariter zeigt den SuS Regeln auf. Regeln zum Umgang miteinander. Einander zu helfen, anderen mit Respekt und Toleranz zu begegnen und sich nicht von äußeren Umständen beeinflussen zu lassen. Nach Fowler befinden sich die SuS diesen Alters noch auf der Stufe des mythisch-wörtlichen Glaubens, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die SuS die Fähigkeit des logischen Denkens entwickeln.[3] Auf dieser Stufe sind die Kinder in der Lage einen Perspektivenwechsel zu vollziehen, wodurch es ihnen auch möglich ist, sich in die Personen des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter einzufühlen.

Ausgehend von Piaget eignen sich die SuS das Gleichnis vom barmherzigen Samariter mittels Akkomodation und Assimilation an.[4] Durch die Akkomodation verändert sich die Denkstruktur des Kindes auf Grund der Arbeit mit dem Gleichnis. Anhand des Gleichnisses können die SuS das eigene Tun, die eigene Hilfsbereitschaft, überdenken. Dadurch wird eine Passung zwischen dem Phänomen, dem Gleichnis, und der eigenen Denkstruktur der Kinder erzeugt. Das Gleichnis wird demnach nicht nur oberflächlich kennengelernt, sondern verinnerlicht und auf das eigene Leben bezogen. Fowler hingegen ist der Ansicht, dass es den SuS auf der mythisch-wörtlichen Stufe noch nicht möglich ist, über das eigene Leben zu reflektieren.[5] Dies hätte zur Folge, dass die SuS nur am Gleichnis arbeiten, jedoch nicht in der Lage sind einen Transfer auf das eigene Leben zu leisten. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die meisten SuS der Lerngruppe bereits dazu fähig sind, zumindest in Ansätzen über das eigene Leben und das eigene Tun zu reflektieren. Entwicklungs- und Stufenmodelle dürfen dabei nicht als starre Vorgaben betrachtet werden, sie versuchen lediglich eine Interpretationshilfe für Verhaltensweisen der SuS zu geben.

1.3 Methodische Voraussetzungen

Hervorgehoben sei an dieser Stelle der Stuhlkreis, der im Religionsunterricht eine übergeordnete Rolle einnimmt, da er eine geeignete Sozialform für die Gesprächsführung darstellt. Auf Grund dessen, dass ein gewöhnlicher Stuhlkreis einen Nachteil für Sch.1 Mitarbeitsmöglichkeiten hätte, bildet die Gruppe ihren Stuhlkreis um eine Tischgruppe, die sich im Zentrum des Raumes befindet. Dadurch ist es allen Kindern in gleichem Maß möglich, Dinge in die Mitte zu legen, herauszunehmen oder zu verschieben. Ansonsten sitzen die SuS in einem U. Als festes Eingangsritual darf ein Kind eine Kerze in der Kreismitte anzünden, anschließend wird gemeinsam gebetet, wobei ein Kind das Gebet vorlesen darf. Zum Abschluss der Stunde wird gemeinsam das Lied Etwas in mir gesungen.

2. Didaktische Analyse

2.1 Begründung des Themas vor dem Hintergrund der Lerngruppe

Die SuS beschäftigen sich in der vorliegenden Stunde mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Dabei spielt die Nächstenliebe eine zentrale Rolle. Laut der von Klafki formulierten kritisch-konstruktiven Didaktik trägt Unterricht vor allem dann zu einem Bildungszuwachs bei, wenn Inhalte von SuS selbstständig und handlungsorientiert erarbeitet werden.[6] Diese selbstständige Erarbeitung fällt den SuS leichter, wenn das Thema der Stunde einen Bezug zur eigenen Lebenswelt hat. Beim Gleichnis vom barmherzigen Samariter lässt sich dieser Gegenwartsbezug für die SuS herstellen. Nächstenliebe und selbstloses Handeln sollten eine Grundlage jeglichen gesellschaftlichen Zusammenlebens sein. Die SuS können demnach am Modell, dem barmherzigen Samariter, lernen, Nächstenliebe erkennen und sich am selbstlosen Handeln des Samariters orientieren.

Die Erarbeitung des Gleichnisses innerhalb der Unterrichtseinheit Mit Jesus unterwegs zeigt den SuS auf theologischer Ebene, dass es zu den Grundsätzen des Christentums gehört, für andere einzustehen. Nicht einfach weg zu schauen, sondern stehen zu bleiben und denen zu helfen, die unserer Hilfe bedürfen. Dabei spielt es keine Rolle, wer es ist, der unsere Hilfe benötigt. Entsprechend gilt es, alle Äußerlichkeiten unbeachtet zu lassen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren: Auf die Nächstenliebe – die jedem zukommt, der sie benötigt.

Ziel ist es, dass die SuS am Ende der Unterrichtsstunde wissen, was Nächstenliebe bedeutet und begreifen, dass dieses Gleichnis auch für sie heute noch von Bedeutung ist. So liebevoll und barmherzig, wie der Samariter im Gleichnis gehandelt hat, ebenso liebevoll und barmherzig können auch die SuS handeln. In ganz alltäglichen Situationen ist es auch ihnen möglich, die von Jesus erzählte Nächstenliebe zu praktizieren und ein Vorbild für andere zu sein. Diese Erfahrung bewirkt auf der Ebene der Lebenswelt der SuS, dass sie über ihr eigenes Handeln nachdenken. Sie erkennen, dass jeder für sie ein Nächster sein kann. Nächstenliebe bezieht sich nicht auf ein Handeln zwischen Freunden. Es bezieht sich auf einen Dienst an demjenigen, der die Hilfe am Nötigsten hat. Selbstverständlich werden die SuS nicht eine komplette Verwandlung vollziehen und nach der Unterrichtsstunde stets in Nächstenliebe handeln. Dies ist ein Entwicklungsprozess. Die SuS müssen in ihrem Alltag wachsam sein und Situationen zunächst wahrnehmen und diese richtig einschätzen lernen. Nicht nur nach den Menschen sehen, die sie lieben, sondern aufmerksam gegenüber allen sein. Zudem muss das eigene Handeln reflektiert werden. Es müssen Reaktionsmöglichkeiten abgewogen und Entscheidungen getroffen werden. Ziel ist es zunächst, die Kinder dafür zu sensibilisieren, auf andere zu achten, sich zu trauen, Hilfe anzubieten, egal, wer dabei das Gegenüber ist.

Durch die Thematik kann die Reflexionsfähigkeit der SuS, ihre Empathiefähigkeit und ihre Hilfsbereitschaft gestärkt werden. Die Reflexionsfähigkeit ist nötig, um Situationen richtig einschätzen zu können. Die Kinder müssen darüber nachdenken, ob die Hilfe wirklich notwendig ist und dabei abschätzen, ob die Qualität der Hilfe möglicherweise durch die Quantität der Helfer beeinflusst werden kann. Empathiefähigkeit benötigen die SuS sowohl beim Abschätzen der Situation, als auch beim Helfen selbst. Sich in einen anderen Menschen einzufühlen ist äußerst anspruchsvoll und gelingt auch nicht jedem Erwachsenen. Empathie kann jedoch geübt werden. Einen Perspektivenwechsel zu vollziehen und zu versuchen sich vorzustellen, was das Gegenüber in dem Moment braucht stellt dabei die Schlüsselfähigkeit dar. Auch die Hilfsbereitschaft ist zunächst die Ausgangslage eines selbstlosen Handelns. Die SuS müssen bereit sein, einem anderen zu helfen, sie müssen dies wirklich wollen. Hilfsbereitschaft meint aber auch den praktischen Vollzug des Helfens. Nachdem reflektiert und empathisch erkannt wurde, was das Gegenüber braucht, folgt der Beschluss zu helfen. Darin zeigt sich die Hilfsbereitschaft: Auf den anderen zuzugehen und sich voller Empathie und Hilfsbereitschaft zu kümmern. Und eben das, macht Handeln in Nächstenliebe aus.

Entsprechend hat das Gleichnis vom barmherzigen Samariter nicht nur in der Gegenwart eine große Bedeutung, sondern gerade im Hinblick auf die Zukunft der SuS und einer funktionierenden Gesellschaft. Diese Kinder sind die Zukunft unserer Gesellschaft. Je mehr sie aufeinander achten und sich gegenseitig helfen, desto positiver lässt sich der Zukunft entgegen blicken. Zu viele handeln bereits wie der Priester und der Levit und achten ausschließlich auf sich selbst. Es ist unbedingt notwendig mehr Samariter, die in Nächstenliebe handeln, in unserer Mitte zu haben. Ziel sollte es deshalb sein, die SuS in ihrer Interpretation des Gleichnisses zu unterstützen und ihnen Raum für die selbstständige Erarbeitung zu geben.

2.2 Einbettung der Stunde in den Gesamtzusammenhang

Die Thematik der Unterrichtsstunde lässt sich in die Unterrichtseinheit Mit Jesus unterwegs einordnen. Diese umfasst acht Unterrichtsstunden. Die gezeigte Stunde zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter ist die siebte Stunde dieser Einheit. Zu Beginn der Unterrichtseinheit wurden Zeit und Umwelt Jesu thematisiert. Die SuS hatten dabei die Möglichkeit in Form von Stationen und Gruppenarbeit die Lebensverhältnisse zur Zeit Jesus kennenzulernen. Dies umfasste drei Unterrichtsstunden und wurde bewusst am Anfang der Unterrichtseinheit thematisiert, um den SuS für die darauffolgenden Geschichten einen Rahmen zu bieten, in den sie das Gehörte einbetten können. Darauf folgte eine Stunde zur Geschichte Der zwölfjährige Jesus im Tempel. Zum einen bietet dabei das junge Alter Jesu eine gute Identifikationsmöglichkeit, zum anderen zeigt die Geschichte die besondere Beziehung zu Gott, die Jesus von Anfang an hatte. Aufbauend auf das Vorwissen aus Klasse 1/2 zu Jesus dem Menschfischer, wurde in der fünften Stunde Die Berufung des Petrus behandelt. In der darauffolgenden Stunde wurde die Berufung des Levi thematisiert, die das Ungleichgewicht innerhalb der Gesellschaft verdeutlichte und nochmals die verschiedenen Gruppierungen zur Zeit Jesu wiederholte. Die SuS sind demnach schon für verschiedene Gruppen zur Zeit Jesu und deren Stellung zueinander sensibilisiert. Darauf folgen die Unterrichtsstunden zum Gleichnis vom barmherzigen Samariter und einer darauf bezogenen, praktischen Umsetzung gelebter Nächstenliebe. Entsprechend der Jahreszeit schließt daran die Unterrichtseinheit zur Adventszeit an, weshalb das Gleichnis vom barmherzigen Samariter eine gute Überleitung zu den Themen Nikolaus und Advent darstellt. Auch beim Thema Nikolaus wird die Thematik der Nächstenliebe nochmals aufgegriffen.

2.3 Legitimation des Themas vor dem Hintergrund des Bildungsplans

Der evangelische Religionsunterricht in der 3. Klasse wird auf der Grundlage des Bildungsplans 2016 erteilt. Bezüglich der Leitperspektiven lässt sich sagen, dass Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter einen Beitrag zur Leitperspektive Bildung für Toleranz und Akzeptanz von Vielfalt leistet. Der Samariter handelt völlig selbstlos. Er ist für den Verletzten ein Fremder und der Verletzte erwartet gar nicht, dass gerade dieser Fremde ihm helfen könnte. Dies zeigt, wie vorurteilsbehaftet Menschen sind und verdeutlicht im weiteren Verlauf der Geschichte umso mehr, dass Äußerlichkeiten keinen Aufschluss über einen Menschen geben. Denn gerade dieser Fremde ist es, der dem Verletzten hilft, der Mitleid mit ihm bekam und sogar die Kosten seiner Pflege übernimmt.[7] Die SuS erkennen demnach, dass Fremdheit kein Indiz für irgendeine Handlungsform ist. Unsere Gesellschaft ist plural. Wir leben in einer Gesellschaft, die geprägt ist von verschiedensten Kulturen und Religionen. Dies zu akzeptieren und zu tolerieren – besser noch: zu respektieren, stellt die Grundvoraussetzung für ein friedliches Zusammenleben dar!

Auch im Hinblick auf den Kompetenzerwerb der SuS bietet das Gleichnis Anknüpfungspunkte. Betrachtet man die prozessbezogenen Kompetenzen des Bildungsplans 2016, wird deutlich, dass das Gleichnis ein sehr breites Spektrum an Kompetenzen bedient. Zunächst stellt das Gleichnis eine Deutungsmöglichkeit dar: „Die SuS können Texte religiöser Überlieferung inhaltlich wiedergeben und Deutungen formulieren“[8]. Die SuS deuten das Gleichnis als eine Erzählung, die aufzeigt, was Nächstenliebe bedeutet und wie diese in der Praxis aussehen kann. Des Weiteren lässt sich das Gleichnis bezüglich der Kompetenz Kommunizieren und Dialogfähig-Sein einsetzen: „Die SuS können sich in Gedanken, Gefühle und Sicht- beziehungsweise Verhaltensweisen anderer Menschen […] hineinversetzen“[9]. Das Gleichnis lädt die SuS zu einem Perspektivenwechsel ein. Auf der einen Seite können sie die Perspektive des Verletzten einnehmen und erkennen, wie viel es wert ist, Hilfe in der Not zu erfahren. Zudem lassen sich mit Hilfe dieser Perspektivübernahme auch Vorurteile gegenüber Fremden kommunizieren. Auf der anderen Seite können die SuS die Perspektive des Samariters einnehmen und erkennen, dass Mitgefühl zu selbstlosem Handeln führt. Sich in andere einzufühlen, weckt menschliche Empfindungen, bei denen es völlig irrelevant ist, wer der Hilfe bedarf. Über diese verschiedenen Perspektiven können die SuS kommunizieren, vielleicht auch Uneinigkeiten diskutieren und damit ihre Dialogfähigkeit üben. Als letzte prozessbezogene Kompetenz ist das Gestalten und Handeln zu nennen: „Die SuS können aus dem Nachdenken über biblische Texte […] Impulse für verantwortungsvolles Handeln entwickeln“[10]. Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter soll in der vorliegenden Stunde nicht einfach nur eine Geschichte sein, die Nächstenliebe thematisiert. Sie möchte die SuS dazu anregen, selbst Nächstenliebe zu leben, anderen zu helfen und selbstlos zu handeln. Sie will den SuS ein Vorbild sein und ihnen aufzeigen, dass Hilfsbereitschaft für ein freundschaftliches Miteinander eine Grundvoraussetzung darstellt. Sie sollen einen Bezug zur eigenen Lebenswelt herstellen und über eigene Handlungsmöglichkeiten nachdenken. Nicht nur bezüglich der prozessbezogenen Kompetenzen lässt sich das Gleichnis vom barmherzigen Samariter durch den Bildungsplan legitimieren. Auch innerhalb der inhaltsbezogenen Kompetenzen lässt sich das Gleichnis verankern. Die inhaltsbezogene Kompetenz Welt und Verantwortung: „Die SuS können aufzeigen, wie biblische Texte zu einem verantwortungsbewussten Umgang mit anderen und der Welt anleiten“[11]. Auch in dieser inhaltsbezogenen Kompetenz spiegelt sich die Leitperspektive wieder. Es bedarf eines verantwortungsbewussten Umgangs mit anderen – dabei ist völlig unwichtig ob fremd oder nicht. Das vorliegende Gleichnis stellt eben genau solch einen biblischen Text dar, der zu einem Umgang geprägt von gegenseitiger Fürsorge anregt. Zwei weitere Teilkompetenzen lassen sich der inhaltsbezogenen Kompetenz Jesus Christus zuordnen: „Die SuS können Jesu Botschaft von Gott entfalten“ und „Die SuS können aus dem Handeln und Reden Jesu Christi Ermutigung und Orientierung für das Zusammenleben entwickeln“[12]. Jesus hat immer wieder Gleichnisse erzählt, um den Menschen aufzuzeigen was im Leben wichtig ist und wie es bei Gott ist.[13] Das Gleichnis stellt demnach eine Botschaft Jesu dar, die die SuS während der Stunde entfalten. Sie erfahren, dass es Gott ist, der sagt, man solle seinen Nächsten lieben wie sich selbst. Jesus gibt damit nur den Wunsch Gottes an die Menschen weiter und zeigt Handlungsmöglichkeiten für die Lebenspraxis auf. Die SuS lernen damit nicht nur Jesus besser kennen, sondern auch Gott, der einen Einfluss auf ihr Leben haben kann – auch heute noch.

2.4 Lernziele

Das Hauptanliegen der vorliegenden Stunde lautet: Die SuS entfalten, dass der Samariter aus Nächstenliebe handelt und dass Äußerlichkeiten hierbei keine Rolle spielen. Dabei setzen sie die biblische Geschichte mit ihrer eigenen Lebenswelt in Beziehung und arbeiten eigene Möglichkeiten aus Nächstenliebe zu handeln heraus.

Aus den obigen Überlegungen lassen sich folgende Lernziele für die Unterrichtsstunde formulieren: Die Schülerinnen und Schüler…

- …füllen den Begriff Nächstenliebe inhaltlich, d.h., sie stellen dar, welche Gefühle, Erfahrungen und weitere Begrifflichkeiten darin mitschwingen
- …vergleichen das Handeln des Samariters mit Situationen ihrer eigenen Lebenswelt und erörtern eigene Handlungsmöglichkeiten
- …begreifen, dass Hilfe und Nächstenliebe nicht von Sympathie abhängig sind und äußern dies

Zur übersichtlichen Darstellung der genannten Merkmale subsumiert das folgende Schaubild alle bereits erörterten Ausführungen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Sachanalyse

3.1 Das Lukasevangelium

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter steht im Neuen Testament im Lukasevangelium, Kapitel 10, Vers 25-37. Grundlage der Inhalte des Lukasevangeliums sind das Markusevangelium, die Logienquelle Q, sowie das Sondergut des Lukas. Die Abfassungszeit lässt sich auf circa 80-90 vermuten.[14] Dieses Evangelium beginnt mit einem Prolog (1,1-4) und fährt mit der Geburtsankündigung und Geburt von Johannes und Jesus fort (1,5-2,52). Anschließend lässt sich eine Dreiteilung des Evangeliums verzeichnen. Der erste Hauptteil (4,14-9,50) berichtet von Jesu Wirken in Galiläa. Der zweite Hauptteil (9,51-19,28) kann unter der Überschrift Jesu Reisebericht zusammengefasst werden. Der dritte Hauptteil (19,29-24,53) thematisiert Jesu Wirken in Jerusalem, sowie seine Passion, die Auferstehung bis zur Himmelfahrt. Hierzu lässt sich sagen, dass alle drei Hauptteile als gleichwertig zu betrachten sind. Eine weitere Besonderheit des Lukasevangeliums ist, dass es sich ähnlich einer Erzählung liest, die sehr darauf bedacht ist Sachverhalte detailliert zu beschreiben. Vor allem Jesus wird den Lesern genau vorgestellt. Der Erzählungscharakter des Lukasevangeliums zeigt sich vor allem in Geschichten, die von Jesus selbst erzählt werden, wie beispielsweise das Gleichnis vom barmherzigen Samariter.[15]

3.2 Nächstenliebe

Laut Wörterbuchdefinition ist Nächstenliebe ein „christlicher, ethischer Wert, der das selbstlose Eintreten für den anderen bedeutet und auch Feindesliebe einschließt“[16]. Die Definition zeigt bereits auf, dass sich Nächstenliebe auf niemand Bestimmten bezieht, sondern ganz allgemein für jeden gilt. Derjenige, der Hilfe benötigt, ist der Nächste. Der zweite Teil der Definition verdeutlicht weiter, dass dies nicht unbedingt ein Freund sein muss. Nein, mehr noch: Es kann sich bei dem Nächsten sogar um einen Feind handeln. Jesus sagt in Matthäus 5, Vers 44: „Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen […]“[17]. Damit wird deutlich, dass Nächstenliebe alleine nicht ausreicht. Die Menschen zu lieben, die einem nahe stehen und für sie einzutreten ist zwar bemerkenswert und wichtig, doch erfüllt dies nicht die gesamte Bandbreite der Nächstenliebe. Nächstenliebe bedeutet auch, wie bei den Worten Jesu deutlich wird, seine Feinde zu lieben. Für die da zu sein, die einem entgegenstehen. Das ist wahres selbstloses Handeln. Seine eigenen Gedanken, Befürchtungen, Abneigungen und vielleicht auch Ängste beiseite zu schieben und nur die Hilfsbedürftigkeit des Gegenübers zu fokussieren- ganz gleich wer dieses Gegenüber ist.

3.3 Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter (Lukas 10,25-37)

Gleichnisse sind leicht verständliche Erzählungen Jesu, die er gewählt hat, um von den Menschen besser verstanden zu werden und Sachverhalte bildhafter darzustellen.[18] Die Metaphorik der Gleichnisse soll die Zuhörer fesseln und sie so zum Nachdenken anregen. Die Besonderheit an Gleichnissen ist zweifellos, dass sie immer sehr allgemeingültig formuliert sind. Entsprechend verhält es sich auch mit dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Es werden keine Namen genannt, sodass die Geschichte für jedermann gültig sein und beliebig übertragen werden kann. Ein Perspektivenwechsel wird hierdurch sehr gut möglich, da der Leser des Gleichnisses weniger durch die Personen, als durch die Handlung angesprochen wird. Der Inhalt des Gleichnisses, der von Nächstenliebe handelt, ist für jeden gültig, weshalb auch jeder tangiert ist. Zudem werden auch keine Zeitangaben gemacht. Darum kann das Gleichnis auch auf jede beliebige Zeit übertragen werden. Lediglich eine vage Ortangabe ist zu verzeichnen: Zwischen Jerusalem und Jericho wird der Mann überfallen. Wobei diese Angabe nichts daran ändert, dass das Gleichnis auch auf jeden anderen Ort übertragen werden kann.

Das Gleichnis verdeutlicht jedoch auch eine gesellschaftlich-kulturelle Problematik zur Zeit Jesu. Die Nächstenliebe war den Juden sehr wohl bekannt, doch war damit nicht etwa Menschenliebe im Allgemeinen und an jedermann gemeint. Die Nächstenliebe der Juden zu dieser Zeit bezog sich vielmehr auf das eigene Volk. Und Juden und Samariter waren Feinde. Selbst der Talmud beschreibt ausführlich, dass sich Juden am besten nicht mit Samaritern einlassen sollten. Doch Jesus stellt durch das Gleichnis kritisch die Frage, ob es wirklich rechtens ist, ein Gebot lediglich auf eine Personengruppe zu beschränken. Er zeigt auf, dass das Gebot zur Nächstenliebe keine Schranken kennt.[19] Selbst der Gelehrte muss sich am Ende der Bibelstelle eingestehen, dass nicht etwa der Priester oder der Levit das Gebot der Nächstenliebe befolgt haben, sondern der Samariter, der dem Verletzten fremd, vielmehr noch sein Feind, ist. Das Gleichnis thematisiert damit nicht nur Nächstenliebe, sondern auch die Feindesliebe. Demnach ist jeder als Nächster anzusehen, ganz gleich wo er herkommt, welche Sprache er spricht oder welcher Religion er angehört.[20] Das Gleichnis zeigt damit eine enorme Aktualität. Aktuell ist aber das Verhalten aller im Gleichnis auftretenden Personen. Der Priester und der Levit zeigen die Gleichgültigkeit von Menschen gegenüber Hilfebedürftigen auf. Nächstenliebe scheint dabei eher eine Seltenheit zu sein. Die meisten Menschen wären in der Lage Nächstenliebe zu definieren, doch tatsächlich aus Nächstenliebe zu handeln, jemandem völlig selbstlos zu helfen und dann auch noch einem Feind? Das scheint in der heutigen Zeit eher ein Wunschdenken zu sein. Und das war es auch schon zur Zeit Jesu, weshalb das Gleichnis nicht nur eine Vision einer besseren Welt darstellt, sondern auch die erschreckende Aktualität verdeutlicht.[21]

Köhnlein definiert das Gleichnis vom barmherzigen Samariter noch genauer und bezeichnet es als Beispielerzählung, eine Untergattung der Gleichnisse. Beispielerzählungen sollen ein Vorbild sein und möchten zur Nachahmung auffordern. Sie sind typisch für das Lukasevangelium. Das Verhalten des Samariters ist ein Vorbild, dem es zu folgen gilt. Er stellt quasi ein Modell richtigen Handelns dar.[22]

Der Inhalt des Textes zeichnet sich durch eine klare Strukturierung aus. Das Gleichnis beginnt mit einer Rahmenhandlung, in der ein Schriftgelehrter Jesus die Frage nach dem ewigen Leben stellt. Daraufhin verweist Jesus ihn auf das Gesetz und der Gelehrte nennt das Doppelgebot der Liebe. Die Liebe zu Gott und zum Nächsten sind demnach unabdingbar mit dem ewigen Leben verbunden. Nach dieser kurzen Hinführung zum Gleichnis, beginnt Jesus zunächst den Überfall zu schildern. Darauf folgt die unterlassene Hilfeleistung seitens der Priesters und der Leviten. Gerade die Personen, die beruflich doch gerade dafür einstehen, dass das Volk seinen Nächsten lieben soll, wie sich selbst und auf die Einhaltung der Schrift erpicht sind, missachten ihre eigenen Weisungen. Selbstverständlich ließen sich für dieses Verhalten Gründe finden. Beispielsweise ist es Priestern verboten, Leichen zu berühren und da er nicht wusste, ob der Verletzte noch am Leben ist, wäre es riskant gewesen dies zu überprüfen.

[...]


[1] Mendl: Religionsdidaktik kompakt, 2011, S. 34

[2] Vgl. Mendl: Religionsdidaktik kompakt, 2011, S. 35

[3] Vgl. Mendl: Religionsdidaktik kompakt, 2011, S. 39

[4] Vgl. ebd., S. 33

[5] Vgl. ebd., S. 39

[6] Vgl. Wiemer, Edelbrock, Käss: Basiskartei Religionsdidaktik, 2011, U6

[7] Vgl. Wiemer: Die Grundschul-Bibel, 2014, S. 208

[8] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Bildungsplan 2016, S. 11

[9] Ebd., S. 13

[10] Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Bildungsplan 2016, S. 14

[11] Ebd., S. 31

[12] Ebd., S. 35f.

[13] Vgl. Steinkühler: Die neue Erzählbibel, 2015, S. 177

[14] Vgl. Wiemer: Lernkarten Bibelkunde, 2012, NT 6

[15] Vgl. Conzelmann, Lindemann: Arbeitsbuch zum Neuen Testament, 2004, S. 338ff.

[16] Bünting: Deutsches Wörterbuch, 1996, S. 791

[17] Zürcher Bibel: Mt 5,44

[18] Vgl. Wiemer: Lernkarten Bibelkunde, 2012, NT 16

[19] Vgl. Imbach: Und lehrte sie in Bildern, 2003, S. 125ff.

[20] Vgl. Köhnlein: Gleichnisse Jesu, 2009, S. 85

[21] Vgl. Müller u.a.: Die Gleichnisse Jesu, 2008, S. 183

[22] Vgl. Köhnlein: Gleichnisse Jesu, 2009, S. 15

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Unterrichtsplanung für eine Religionsstunde der 3. Klasse
Université
Studienseminar Schwäbisch Gmünd
Note
2,0
Auteur
Année
2017
Pages
24
N° de catalogue
V423607
ISBN (ebook)
9783668697942
ISBN (Livre)
9783668697959
Taille d'un fichier
685 KB
Langue
allemand
Mots clés
gleichnis, samariter, unterrichtsplanung, religionsstunde, klasse
Citation du texte
Laura Volkmann (Auteur), 2017, Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter. Unterrichtsplanung für eine Religionsstunde der 3. Klasse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423607

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