Der Einfluss der Leadership-Kultur auf Emotionen und Schweigen der Mitarbeiter zu kritischen Themen. Eine empirische Untersuchung


Tesis de Máster, 2017

96 Páginas


Extracto


I. Inhaltsverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

III. Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Leadership
2.1 Abgrenzung zum Mangementbegriff
2.2 Verschiedene Ansatze der Fuhrungstheorie
2.3 Bedingungen des Fuhrungserfolgs
2.4 Leadership-Kultur
2.5 AuthenticLeadership

3 Emotionen
3.1 Definition von Emotion
3.2 Unterschiedliche Emotionen und ihre Funktion
3.3 Einfluss der Emotionen auf die Fuhrung
3.4 Emotionale Intelligenz
3.5 Emotionen im Unternehmen

4 Schweigen zu Bedenken und kritischen Themen
4.1 Definition von Voice und Silence
4.2 Organisationales- und Mitarbeiter -Schweigen
4.3 Formen des Schweigens
4.4 Formen von Voice
4.5 Beziehung von Voice und Silence
4.6 Bedeutung von Voice und Silence
4.7 Auswirkungen von Voice und Silence auf Organisationen
4.8 Untersuchungsmodelle zu Voice und Silence

5 Fokus und Fragestellung dieser Arbeit

6 Methode der Erhebung

7 Ergebnisse
7.1 Deskriptive Statistik
7.2 Ergebnisse der Reliabilitatsanalyse
7.3 Hypothesenuberprufung
7.3.1 Erste Hypothese
7.3.2 Zweite Hypothese
7.3.3 Dritte Hypothese
7.3.4 Zusammenfassung
7.4 Explorative Untersuchungen
7.4.1 Erste Arbeitshypothese
7.4.2 ZweiteArbeitshypothese
7.4.3 Dritte Arbeitshypothese
7.4.4 Vierte Arbeitshypothese
7.4.5 FunfteArbeitshypothese
7.4.6 SechsteArbeitshypothese
7.4.7 Zusammenfassung

8 Diskussion der Ergebnisse

9 Ausblick

IV. Anhang

V. Literaturverzeichnis

II. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Das Leadership Haus

Abbildung 2: Entwicklung der Fuhrungsansatze

Abbildung 3: Bedingungen des Fuhrungserfolgs

Abbildung 4: Die vier Komponenten einer Emotion

Abbildung 5: Positive und problematische (toxische) Folgen von Angst

Abbildung 6: Balancemodell der Emotionen

Abbildung 7: Emotionen im Fuhrungsprozess erkennen, verstehen und steuern

Abbildung 8: Alternativen zu der Beziehung zwischen Voice und Silence

Abbildung 9: Schweigen der Mitarbeiter in Deutschland

Abbildung 10: Direkte und indirekte Effekte auf Voice und/oder Silence in Organisationen

Abbildung 11: FIDES Modell

Abbildung 12: Modell der Beziehung zwischen Emotionen, Organisationsklima, Silence und Whiste-Blowing

Abbildung 13:Ein Attributionsmodell der Entscheidung zu sprechen oder zu schweigen

Abbildung 14: Beziehung zwischen Identifikation mit der Org. authentic leadership und dem gemeinsamen Effekt auf organizational Silence

Abbildung 15: Untersuchungsmodell

Abbildung 16: Likert Skala im Fragebogen

Abbildung 17: Diagramm mit der Haufigkeitsverteilung der Variable Geschlecht

Abbildung 18: Haufigkeitsverteilung der Variable Branche

Abbildung 19: Diagramm der Haufigkeitsverteilung der Variablen Fuhrungsverantwortung 48 Abbildung 20: Verteilung seit wann die Mitarbeiter mit ihren Kollegen zusammenarbeiten. 49 Abbildung 21: Verteilung seit wann die Mitarbeiter mit ihrer Fuhrungskraft zusammen- arbeiten

Abbildung 22: Test auf Normalverteilung

Abbildung 23: Levene-Statistik der Hypothese 1a und 1b

Abbildung 24: Einfaktorielle ANOVA der Hypothesen 1a und 1b

Abbildung 25: Kruskal-Wallis-Test der Hypothesen 1a und 1b

Abbildung 26: Korrelation nach Pearson der Hypothese 1a

Abbildung 27: Korrelation nach Pearson der Hypothese 1b

Abbildung 28: Levene-Test der Hypothesen 2a und 2b

Abbildung 29: Zweifaktorielle ANOVA der Hypothesen 2a und 2b

Abbildung 30: Pearson Korrelation der Hypothese 2a

Abbildung 31: Pearson Korrelation der Hypothese 2b

Abbildung 32: Pearson Korrelation der Hypothese

Abbildung 33: Levene-Statistik der Arbeitshypothesen 1a und 1b

Abbildung 34: Einfaktorielle ANOVA der Arbeitshypothesen 1a und 1b

Abbildung 35: Levene-Statistik der Arbeitshypothesen 2a und 2b

Abbildung 36: Einfaktorielle ANOVA der Arbeitshypothesen 2a und 2b

Abbildung 37: Kruskal-Wallis-Test der Arbeitshypothesen 2a und 2b

Abbildung 38: Levene-Statistik der Arbeitshypothesen 3a und 3b

Abbildung 39: Einfaktorielle ANOVA der Arbeitshypothesen 3a und 3b

Abbildung 40: Kruskal-Wallis-Test der Arbeitshypothesen 2a und 2b

Abbildung 41: T-Test der Arbeitshypothesen 4a und 4b

Abbildung 42: T-Test der Arbeitshypothesen 5a und 5b

Abbildung 43: Korrelation nach Pearson der Arbeitshypothese 5a

Abbildung 44: Korrelation nach Pearson der Arbeitshypothese 6

III. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Unterschied zwischen Management und Leadership

Tabelle 2: Beispiel der Emotionen, dem Verhalten und ihrer Funktion

Tabelle 3: Ergebnisse der Hypothesenuberprufung

Tabelle 4: Ergebnisse der explorativen Untersuchung

1 Einleitung

Not to speak is to speak. Not to act is to act.

(Dietrich Bonhoeffer, 1906-1945)

VW-Abgasskandal, Missbrauchsfalle der katholischen Kirche, ein mordender Krankenpfleger - wahrend der Arbeit an dieser Studie wurde die Bedeutung und Aktualitat des Themas durch mehrere Berichte uber Skandale in den Medien untermauert. So ist erstmals ein VW- Manager in den USA im Rahmen des Abgasskandals zu einer Haftstrafe verurteilt worden (vgl. von Petersdorff und MuBgens, 2017), ebenso wurde der Abschlussbericht zur Aufklarung der Missbrauchsfalle bei den Regensburger Domspatzen vorgestellt (vgl. Eckl, 2017) und die Soko „Kardio“ hat ihre Ermittlungsergebnisse im Fall des Krankenpflegers veroffentlicht, der bis zu 100 Patienten getotet haben soll (vgl. Krogmann und Seng, 2017).

Um in Organisationen Fehlentwicklungen erkennen, Interventionen vornehmen aber auch

Innovationen fordern zu konnen, ist die offene Kommunikation der Mitarbeiter uber kritische Themen, Probleme oder Bedenken, welche die Organisation betreffen, unabdingbar (vgl. Frommer, Wegge, & Strobel, 2014, S. 39). Die prominenten Falle zeigen jedoch, dass der Alltag auch in deutschen Unternehmen und Institutionen anders aussieht. In allen Fallen waren zahlreiche Menschen in der Lage gewesen, diese Skandale fruhzeitig aufzudecken, weitere Opfer zu verhindern oder zumindest das AusmaB der „Katastrophen“ zu begrenzen.

Im Fall VW liegt die Vermutung nahe, dass es ein Schweigen auf breiter Ebene gegeben haben muss, im Fall der Domspatzen spricht der Gutachter von einem „Schweigekartell“, an dem 49 Priester und Mitarbeiter direkt und indirekt beteiligt waren (vgl. Eckl, 2017, S. 1) und im Fall des mordenden Krankenpflegers hat die Staatsanwaltschaft inzwischen Anklage gegen sechs Verantwortliche des Klinikums wegen Totschlags durch Unterlassen erhoben (vgl. von Petersdorff und MuBgens, 2017). Fur den Autor stellen sich daher die Fragen: Warum haben die Mitwisser ihren Verdacht oder ihre Bedenken nicht geauBert? Warum haben sie diese VerstoBe nicht wutend gemacht? Und wenn sie sie wutend gemacht haben, warum haben sie

ihre Wut nicht gezeigt oder hat ihre Wut nicht dazu gefuhrt ihre Bedenken zu auBern? Dabei ist es nicht selten (vgl. Gallup Inc., 2017), dass sich Mitarbeiter und Fuhrungskrafte aus unterschiedlichen Grunden, bewusst dafur entscheiden, lieber zu schweigen, als ihre Bedenken offen gegenuber ihren Fuhrungskraften zu auBern. Auf diese Weise bleiben groBere Fehlentwicklungen oder sogar gesetzeswidriges Verhalten haufig lange Zeit unentdeckt. Ob kritische Themen, Probleme oder Bedenken von Mitarbeitern in Organisationen verschwiegen oder angesprochen werden, hat dabei nicht nur groBen Einfluss auf die Entwicklung und den wirtschaftlichen Erfolg einer Organisation, sondern beeinflusst besonders auch das individuelle Wohlbefinden ihrer Mitglieder. So konnen bestimmte Formen des Schweigens auf die Mitarbeiter lahmend wirken und kognitive und emotionale Kapazitaten in Anspruch nehmen (vgl. Kish-Gepart et al., 2009). Neben den in Kapitel 4.3 ausgefuhrten Motiven zum Schweigen der Mitarbeiter, lasst sich anhand der aktuellen wissenschaftlichen Literatur vermuten, dass die Authentizitat der Fuhrungskraft sowie der Umgang mit Emotionen der Mitarbeiter in Organisationen einen Einfluss auf das Schweigeverhalten haben. Frommer, Wegge und Strobel (2014) vermuten einen positiven Effekt von authentischer Fuhrung auf das AuBern der Bedenken der Mitarbeiter. Dies konnte bereits durch eine Studie von Monzani, Braun & van Dick (2016) bestatigt werden. Auch in den eingangs beschriebenen Fallen ist davon auszugehen, dass die Fuhrungskultur und der Umgang mit Angst und Wut in den Organisationen einen groBen Einfluss auf das Schweigeverhalten der Mitwisser gespielt haben. So berichten VW-Manager von einer „Kultur der Angst“ unter VW-Chef Winterkorn (vgl. manager magazin, 2015, S. 1), im Fall der Kirche berichten die Opfer, dass die Erzieher „uneingeschrankt Gott gespielt“ hatten und Angst bei ihnen ein standiger Begleiter gewesen sei (vgl. Schaffer, 2017, S. 2) und auch in den streng hierarchischen Strukturen der Klinik ist anzunehmen, dass Angst dort einen Einfluss gehabt haben konnte. Doch obwohl bekannt ist, dass das Denken, Fuhlen und Handeln von Menschen in der Regel primar durch Emotionen gesteuert wird (vgl. Doppler und Lauterburg, 2008, S. 169) und anzunehmen ist, dass Emotionen die Entscheidung, Bedenken anzusprechen oder zu verschweigen stark beeinflussen, werden Emotionen bisher in den wirtschaftlichen Theorien und Modellen wenig bis gar nicht berucksichtigt (vgl. Landes und Steiner, 2017, S. 66). Auch der Autor kann aus aktueller eigener Erfahrung berichten, dass das Erfassen der Emotionen und die Erkenntnisse der Psychologie z.B. in institutionalisierten Voice- oder Feedbacksystemen wie 360° Feedbacks oder Mitarbeiterbefragungen in Unternehmen nicht ausreichend berucksichtigt werden. Dabei konnte die Annahme, dass das reine Implementieren eines Voice- oder Feedbacksy stems ausreicht, um Schweigeverhalten zu verhindern, bereits von Harlos (vgl. 2001, S. 324) widerlegt werden. Wahrend das globale Interesse an dem von Pinder und Harlos (2001) vorgestellten Phanomen des Schweigens in Organisationen (Organizational Silence) jedoch langsam wachst (vgl. Harlos, 2016, S. 345f) und hierzu in der jungeren Vergangenheit mehrere theoretische Modelle publiziert wurden, die einen Zusammenhang der Emotionen Angst und Wut der Mitarbeiter auf deren Schweigeverhalten annehmen (Harvey, Martina & Douglas, 2009; Edwards, Ashkanasy & Gardner, 2009), so konnte hierzu keine Studie gefunden werden. Auch konnte in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wenig uber den Umgang und die Folgen von Angst, noch weniger aber uber den Umgang und die Folgen von Wut in Unternehmen gefunden werden. Dabei sind sich Landes und Steiner (2017) sicher, dass Fuhrungskrafte, die Emotionen nicht als „Storfaktor, sondern als Werkzeug betrachten“, einen Vorteil haben (vgl. Landes und Steiner, 2017, S. 86). Anders ist es in der Literatur zur Gestalt- und Psychotherapie. Hier finden sich zahlreiche Veroffentlichungen, welche auch die positiven Eigenschaften von Angst, z.B. als gesunde Reaktion und Wut als Signal und Handlungsenergie beschreiben (Doubrawa und Blankertz, 2013; Froesch-Baumann und Bindschedler-Schoenwitz, 2012).

Bei der Sichtung der Literatur konnten keine Fragebogen gefunden werden, welche die Emotionen Angst und Wut oder das AuBern der Bedenken der Mitarbeiter in angemessenem Umfang erfassen, auf denen diese Untersuchung aufgebaut werden konnte. Hier setzt die vorliegende Forschungsarbeit an, in der ein theoretisches Modell und ein Fragebogen entwickelt wird, mit dem in einer empirischen Untersuchung versucht wird, erste Hinweise darauf zu finden, welchen Einfluss authentische Fuhrung auf das Empfinden und den Umgang von Angst und Wut der Mitarbeiter hat und daruber hinaus welchen Einfluss das Empfinden und der Umgang mit Angst und Wut der Mitarbeiter auf die AuBerung ihrer Bedenken gegenuber ihrer Fuhrungskraft hat.

Ziel dieser Arbeit ist es, einen Online-Fragebogen auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Literatur und den theoretischen Modellen zu entwickeln und anhand dessen eine empirische Untersuchung durchzufuhren. Hierfur wird zunachst der theoretische Hintergrund und Forschungsstand anhand der aktuellen wissenschaftlichen Literatur aufgearbeitet um daraus Forschungsfragen, Untersuchungsmodell und Untersuchungshypothesen zu generieren. Der nachfolgende Teil geht auf die Durchfuhrung der Untersuchung ein, deren Ergebnisse anschlieBend dargelegt werden. Eine Diskussion der Ergebnisse, ein Gesamtfazit und ein weiterer Ausblick schlieBen die Arbeit ab. Aus Grunden der leichteren Lesbarkeit wird die vorliegende Arbeit die geschlechtsspezifische Differenzierung, wie zum Beispiel der/die MitarbeiterIn nicht durchgehend berucksichtigen. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung fur beide Geschlechter. Auch werden die Fachtermini wie zum Beispiel Authentic Leadership oder Voice und Silence nicht immer in die deutsche Sprache ubersetzt.

2 Leadership

Um dem Leser einen Einstieg in das Thema Fuhrungskultur und Authentic Leadership zu ermoglichen und darzustellen, welche Relevanz die Dimension Authentizitat im Fuhrungskontext hat, ist es zunachst wichtig, einen Blick auf die Begriffe Fuhrung bzw. Leadership und Management zu legen. AnschlieBend wird die Entwicklung verschiedener Fuhrungsansatze der letzten hundert Jahre betrachtet und sich dem heutigen Verstandnis von Fuhrung und Fuhrungskultur genahert. Danach wird speziell auf den fur diese Untersuchung wichtigen Ansatz des Authentic Leadership eingegangen.

Nahert man sich in der Literatur den Themen „Leadership“ und „Management“, so fallt auf, dass vor allem in popularwissenschaftlichen Artikeln die beiden Begriffe oft synonym verwendet werden. Auch die Bezeichnungen fur Personen in Fuhrungspositionen sind vielfaltig: z.B. Manager, Fuhrungskraft, Fuhrungspersonlichkeit, Leader u.a.. Zur Definition dieser Begriffe werden im Folgenden die Bezeichnungen voneinander abgegrenzt und ihre Abhangigkeit voneinander dargestellt.

2.1 Abgrenzung zum Mangementbegriff

Management

Etymologisch liegen die Wurzeln des Wortes „Management“ nicht im Englischen, sondern im Lateinischen. Viele Definitionen gehen zuruck auf lat. manus: die Hand. Maneggiare bedeutet: etwas mit der Hand bewegen (vgl. Neuberger 1997, S. 152). „Management“ wird haufig als ein eher prozess- und sachorientierter Vorgang mit „greifbaren“ Elementen verstanden. „That which we call management is largely the product of the last 100 years, a response to one of the most significant developments of the twentieth century: the emergence of large numbers of complex organizations. Modern management was invented, in a sense, to help the new railroads, steel mills and auto company to achieve what legendary entrepreneurs created them for. (...) Good management brought a degree of order and consistency to key dimensions like quality and profitability of products” (Kotter 1990, S. 3f.)

Leadership

Unter dem Begriff Leadership werden eher psychologische, menschenbezogene Faktoren zusammengefasst. Nach Doppler und Lauterburg gehoren zum Begriff „Leadership“ Aspekte wie z.B. fur Respekt, Offenheit und Vertrauen im Umgang miteinander zu sorgen, Zuversicht und Zukunftsorientierung zu schaffen, den Mitarbeitenden den Sinn des Ganzen zu verdeutlichen, Vorbild zu sein, (vgl. Doppler und Lauterburg 2008). Von Rosenstiel (2009, S. 3) bezeichnet Fuhrung als die bewusste und zielbezogene Einflussnahme auf Menschen. Fuhrungskrafte bewegen demnach ihre Mitarbeiter dazu, Ziele zu erreichen, welche aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. In der Literatur lasst sich keine einheitliche Definition von Fuhrung finden. „Aktuellen Definitionen ist aber gemeinsam, dass (a) Fuhrung ein Prozess ist, (b) die Beeinflussung anderer beinhaltet, (c) im Kontext einer Gruppe passiert, (d) die Erreichung von Zielen beinhaltet, und (e) diese Ziele von Fuhrenden und Gefuhrten geteilt werden“ (Walenta 2012, S. 496).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Hinterhuber, 2014, S. 8 und Hinterhuber und Krauthammer, 2005)

Nach Hinterhuber und Krauthammer (2005) beruht Leadership auf den in Abbildung 1 dargestellten drei Saulen: Visionar sein, Vorbild sein und den Unternehmenswert nachhaltig steigern. Leadership ist fur sie die Fahigkeit, Mitarbeiter anzuregen, zu inspirieren und zu befahigen. Fuhrung hat aber auch eine ethische Komponente, welche die theoretische Basis fur das Fuhrungsverhalten liefert. Fur Hinterhuber (2014) ist Fuhren ein Lebensstil und eine Frage der inneren Haltung. „Wer fuhren will, muss authentisch sein“ (Hinterhuber, 2014, S.

Wahrend der Fokus des Managements, wie die folgende Tabelle 1 verdeutlicht, bei der taglichen und kreativen Losung von Problemen innerhalb des bestehenden Systems liegt, steht bei Leadership das Arbeiten am System im Vordergrund. Fur ein erfolgreiches Unternehmen ist jedoch beides, sowohl Management als auch Leadership essentiell (vgl. Matzler, Muller & Mooradian, 2013, S. 173).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Unterschied zwischen Management und Leadership (Quelle: Matzler, Muller & Mooradian, 2013, S. 173 in Anlehnung an Kotter, 1990)

2.2 Verschiedene Ansatze der Fuhrungstheorie

Die vorliegende Arbeit legt ihren Schwerpunkt auf Fuhrung (Leadership) und der Wechselwirkung von Fuhrungskraften und Mitarbeitern. Zum Thema Fuhrung finden sich in der aktuellen Literatur unzahlige neue Theorien, Modelle und Ansatze. Thomas Sattelberger, der ehemalige Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, spricht (2014) sogar von einem Paradigmenwechsel in deutschen Unternehmen, bei dem die Gefuhrten zunehmend eine andere Art der Menschenfuhrung erwarten und Fuhrungskrafte zunehmend auf der Suche nach einem anderen Verstandnis von Fuhrung sind (vgl. Sattelberger in Initiative Neue Qualitat der Arbeit, 2014, S.17). Ebenso auBert Prof. Dr. Kruse, dass die Ergebnisse der im Rahmen der Studie „Gute Fuhrung“ durchgefuhrten Interviews der Inititative Neue Qualitat der Arbeit unmissverstandlich zeigen, „...dass die Fuhrungskultur in Deutschland bereits auf dem besten Wege zu einem Paradigmenwechsel ist“ (Kruse in Initiative Neue Qualitat der Arbeit, 2014, S.16). Auch von Au (2016, S. 2ff) spricht von einem „Paradigmenwechsel in der Fuhrung“, bei dem die traditionellen durch mehrdimensionale und integrative Fuhrungsansatze (New Leadership) abgelost werden. Umso erstaunlicher, dass jedoch ein GroBteil der Fuhrungsansatze, die heute im Einsatz sind und teilweise sogar noch gelehrt werden, aus der Mitte des letzten Jahrhunderts stammen (vgl. Grote und Hering 2012, S. 1).

Das nachfolgende Kapitel soll daher einen Uberblick der ausgewahlten Fuhrungsansatze und deren Entwicklung von den eigenschaftsorientierten, verhaltenswissenschaftlichen, situationstheoretischen und interaktionistischen Ansatzen bis hin zu „New Leadership“ bieten, erhebt dabei jedoch nicht den Anspruch auf Vollstandigkeit.

Grundlage der eigenschaftsorientierten Ansatze ist die Vorstellung, dass die Fahigkeit zu Fuhren, egal ob erlernt oder angeboren, „eine relativ stabile, zeit- und situationsunabhangige Personlichkeitsdisposition“ ist (Kauffeld 2014, S. 73). Fuhrung ist demnach maBgeblich von der Personlichkeit des Fuhrenden abhangig, was durch Personlichkeitstheorien nach- vollziehbar aufgezeigt werden konnte. Analysen mittels des Funf-Faktoren-Modells der Personlichkeit (Big Five) zeigten einen, wenn auch geringen Zusammenhang zwischen den Dimensionen der Personlichkeit (v.a. Extraversion) und dem Fuhrungserfolg. Kauffeld (2014) merkt jedoch kritisch an, dass der westliche Individualismus den Glauben in die eigenschaftsorientierten Ansatze stark anschiebe, da dort personlicher Erfolg stark mit den Kenntnissen und Eigenschaften des Individuums verbunden sei. Zugleich gibt sie an, dass es noch weitere, den Fuhrungserfolg beeinflussende Faktoren geben musse.

Verhaltenswissenschaftliche Ansatze beschaftigen sich weniger mit den personlichen Eigenschaften des Fuhrenden, sondern nehmen die Verhaltensweisen, die bei erfolgreichen Fuhrungspersonlichkeiten beobachtet werden konnen in den Fokus. Diese lassen sich als „Fuhrungsstil“ beschreiben.

Da die beiden vorangegangenen Ansatze nicht in der Lage waren, Fuhrungserfolg umfanglich zu erklaren, wurde ab 1967 die spezifische Situation mit in Betracht gezogen. Nach diesen situationstheoretischen Ansatzen besteht ein Zusammenhang zwischen dem Fuhrungserfolg und dem Anpassen des individuellen Verhaltens auf die jeweilige Situation. Kauffeld (2014) fuhrt dabei u.a. die Kontingenztheorie nach Fiedler (1967) an, welche den Zusammenhang zwischen den Fuhrungsstilvariablen (Mitarbeiter- bzw. Aufgabenorientierung) und den Situationsvariablen Aufgabenstruktur, Positionsmacht und Beziehung zwischen Fuhrendem und Gefuhrten untersucht. Methodische Mangel und mangelhafte Reproduzierbarkeit in Folgestudien fuhrten jedoch zu massiver Kritik an dieser Theorie. Im Reifegrad-Modell von Hersey und Blanchard (1977) werden die Dimensionen Mitarbeiter und Aufgabenorientierung mit dem Reifegrad in Bezug gesetzt, den sie aus den Dimensionen Motivation und Kompetenz ermittelten. Fur jede der vier Kombinationsmoglichkeiten wird eine Handlungsempfehlung fur Fuhrungskrafte gegeben, weshalb sich dieses Modell insbesondere bei Praktikern groBer Beliebtheit erfreut. Kritisiert wird jedoch das Fehlen empirischer Belege. In der Entscheidungstheorie nach Vroom und Yetton (1973) wird Fuhrungskraften einen Entscheidungsbaum geboten, anhand dessen sie die Fuhrungssituation strukturieren und einen passenden Fuhrungsstil ableiten konnen. Insbesondere wird dabei zwischen dem partizipativen und dem direktiven Fuhrungsstil unterschieden, indem aufgezeigt wird, unter welchen Umstanden Fuhrungskrafte ihre Mitarbeiter einbeziehen oder steuern sollten. Ferner unterscheidet das Modell zwischen autokratischen Entscheidungen, beratenden Ent- scheidungen und demokratischen Entscheidungen.

Im interaktionistischen Ansatz steht die Interaktion von Vorgesetzen und Mitarbeitern im Fokus. Kauffeld (2014) nennt dazu folgende Ansatze: Im Leader-Member-Exchange von Graen und Uhl-Bien (1995) wird postuliert, dass eine Fuhrungskraft zu jedem Mitarbeiter eine eigene Austauschbeziehung entwickelt. Es gibt eine sog. „Ingroup“, zu der Mitarbeiter gehoren, die im Fuhrungsprozess naher an der Fuhrungskraft organisiert sind und eine „Outgroup“, in der Mitarbeiter weniger Aufmerksamkeit von ihrer Fuhrungskraft erhalten. Burns (1978) untersuchte das Verhalten politischer Fuhrer und pragte den Ansatz zur transaktionalen und transformalen Fuhrung. Die transaktionale Fuhrung „lenkt den Mitarbeiter direkt durch bedingte Belohnung, insbesondere durch Zielvereinbarungen und Ruckmeldungen. Zu den wesentlichen Fuhrungsaufgaben gehoren die klare und operationale Definition von Zielen und das Setzen von Anreizen“ (vgl. Kauffeld 2014, S. 77). Es handelt sich hierbei um einen extrinsisch motivierenden Fuhrungsstil. Dem gegenuber steht der transformationale Ansatz, der deutlich starker auf intrinsische Anreize und Emotionen setzt. Die Basisstrategien der transformationalen Fuhrung werden von Bass und Avolio als idealisierter Einfluss (Charisma), inspirative Motivation, intellektuelle Situation und individualisierte Beachtung beschrieben (vgl. Bass und Avolio 1994). Den uberwiegend positiven Effekten dieses Fuhrungsstils (insbesondere in Bezug auf Zufriedenheit, Vertrauen, Leistung, sowie Innovationsfahigkeit des Unternehmens) stehen Kritikpunkte gegenuber, die eine emotionale Bindung zwischen Fuhrendem und Gefuhrten als negativen Einfluss beschreiben.

Aufgrund der globalen und dynamischen Veranderungen sowie dem grundlegenden Wertewandel von Pflicht- und Akzeptanzwerten zu Selbstentfaltungs- und Autonomiewerten, wurden laut von Au (2016, S. 13) die eindimensionalen, klassischen Fuhrungsansatze durch „New Leadership" ersetzt. Diese bauen nach von Au auf folgenden vier Grundpfeiler auf: Beziehung: Der Fuhrungsprozess wird als Beziehungs- und Interaktionsphanomen, als eine wechselseitige Transformation von den Fuhrenden und Gefuhrten verstanden (vgl. von Au, 2016, S. 12).

System: Hierbei richtet sich die Aufmerksamkeit von der Individualebene auf das holistische Organisationssystem und die Organisationskultur. Der Fuhrungskontext wird somit als komplex, vielschichtig, dynamisch und mehrdeutig angesehen (vgl. von Au, 2016, S. 12). Partizipation: Es zahlt die Partizipation und Flexibilisierung, z.B. in Form der agilen oder sogar „geteilten“ Fuhrung (vgl. von Au, 2016, S. 12).

Sinn: Durch die zunehmend angespannte psychosoziale Lage der Mitarbeiter, werden Werte- und Gesundheitsfragen immer lauter. Ebenso werden „weiche“ Fuhrungsansatze durch neurowissenschaftliche Erkenntnisse bestatigt und wiederbelebt (vgl. von Au, 2016, S. 12). Unter anderem wurde aus den Erkenntnissen des Neuroleadership fur Organisationen und Fuhrungspersonlichkeiten bewiesen, „dass menschengerechtes, emotionales, mitarbeiter- orientiertes und partnerschaftliches Fuhren und ein entsprechendes Leadership-Umfeld positive Effekte auf die Motivation und das Wohlbefinden von Menschen sowie auf die Ergebnisqualitat haben“ (von Au, 2016. S. 17).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Entwicklung der Fuhrungsansatze (Quelle: Eigene Darstellung)

Wie in Abbildung 2 dargestellt, hat sich der Fokus der Fuhrungsansatze immer weiter weg von den bloBen Eigenschaften der Fuhrenden hin zu der Fuhrungs-Dyade aus Fuhrungskraft und dem gefuhrten Mitarbeiter verlagert. Heutige Fuhrungsansatze orientieren sich nicht mehr allein an der Fuhrungsperson, sondern betrachten auch dessen Haltung, das System, die Kultur und die Personlichkeit aller Organisationsmitglieder mit ihren Bedurfnissen und Emotionen. Dabei sind die Bedingungen und Variablen, die einen Fuhrungserfolg ausmachen, wie im Folgenden dargestellt, sehr komplex.

2.3 Bedingungen des Fuhrungserfolgs

Die folgende Abbildung 3 verdeutlicht die Vielzahl der Variablen und Bedingungen, die den Fuhrungserfolg beeinflussen konnen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Bedingungen des Fuhrungserfolgs (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an von Rosenstiel, 2007, S. 177)

Allein zwischen den Personlichkeitsmerkmalen des Fuhrenden und deren Auswirkungen auf den Fuhrungserfolg gibt es unzahlige Zusammenhange, die empirisch festgestellt werden konnten. So fand man unter anderem Korrelationen zwischen, Alter, GroBe, Gewicht, korperlicher Verfassung, Aussehen, Wortgewandtheit, Intelligenz, Schulerfolg, Wissen, Urteils- und Entscheidungsfahigkeit, Einsicht, Originalitat, Anpassungsfahigkeit, Extraversion, Dominanz, Initiative und Ehrgeiz, Verantwortungsgefuhl und Verlasslichkeit, Integritat und Uberzeugungsstarke, Selbstvertrauen, Selbstbeherrschung, Gefuhlskontrolle und -stabilitat, sozialem Geschick, Beliebtheit und Kooperationsbereitschaft der Fuhrungspersonen und deren Fuhrungserfolg. Es sind aber eben nicht nur die Merkmale der Fuhrungsperson, sondern auch die Merkmale der gefuhrten Mitarbeiter, der Aufgabe und der Situation, mit allen dabei implizierten Interaktionen fur den Fuhrungserfolg entscheidend (vgl. von Rosenstiel, 2007, S. 178). So vielfaltig das Bedingungsgefuge der Fuhrung, so vielfaltig sind auch die Definitionen von „guter Fuhrung“ oder einer „guten Fuhrungskultur“, wie der folgende Abschnitt zeigt.

2.4 Leadership-Kultur

Eine einheitliche Definition von Leadership-Kultur lasst sich in der Literatur, wie zuvor angedeutet, nicht finden. Um sich der Vorstellung einer modernen und „guten“ Leadership- Kultur zu nahern, folgen daher ausgewahlte Statements der Beitragsautoren des Buches „Struktur und Kultur einer Leadership-Organisation“ von von Au (2017).

„Mit einer Leadership-Kultur verbinde ich

... eine wahrhaftig wertschatzende, kreative und reflexive Dialog- und Lernkultur, in der die Verschiedenheit aller Menschen erkannt und individuell berucksichtigt wird, so dass alle Organisationsmitglieder mit groBer Freude erfolgreich an sinnhaften Leistungen arbeiten und sich stets weiter entwickeln konnen (Prof. Dr. Corinna von Au);

... die gelungene Einheit von Fuhren und Entscheiden, Verantworten und Sinn erzeugen in einem ganzheitlichen Steuerungsprozess, die das komplette Beziehungspaket auf allen Ebenen im Blick hat (Susanne Delius);

... die Selbstreflexion jedes einzelnen und des gesamten Teams (Prof. Dr. Nele Graf);

... die Kompetenz eines Fuhrungsteams, sich in seinem Handeln zu reflektieren und immer wieder die Frage zu stellen: Sind wir auf dem richtigen Weg? (Christina Grubendorfer);

... ein effizientes Miteinander auf Augenhohe, bei dem sich sowohl Mitarbeitern als auch Fuhrungspersonen neue Perspektiven eroffnen und gemeinsame Weiterentwicklung moglich ist (Christian Konnecke);

... gemeinsam abseits von politischen oder anderen instrumentellen Interessen das Beste fur eine Gemeinschaft zu wollen und entsprechend zu handeln (Prof. Dr. Niels Van Quaquebeke);

... eine Kultur, die durch Entscheidungsspielraum, Wertschatzung und Fehlerfreundlichkeit gepragt ist und in der sich alle Beschaftigten fur ihr Unternehmen und fur ihre

eigene Weiterentwicklung einsetzen (Prof. Dr. Stephanie Rascher);

... Lust und Energie spielerisch, neugierig, unorthodox und ohne Angst vor Fehlern neue Wege zu gehen, um dabei jeden Tag das eigene Potenzial zu entfalten (Bernd Rutz);

... ein uber alle Organisationsebenen geklartes Fuhrungsleitbild, das von allen als gelebt wahrgenommen wird (Helmut Schopf);

... „Confident Humility“ (Selbstvertrauen gepaart mit Demut/Bescheidenheit), also das sichtbare Selbstvertrauen, den Anforderungen der Sache gewachsen zu sein und den Mut, sich vorbildhaft zu den eigenen Fehlern und Grenzen zu bekennen (Robert Schroder); ... ein in der DNA der Organisation verankertes Verhalten, das Fuhren und Sich-Fuhren- Lassen als ein groBes gemeinsames Anliegen vielfaltig belohnt (Othmar Sutrich);

... sachliche Kompetenz und emotionale Beteiligung (Prof. Dr. Erich Witte).“

Die Auswahl der Statements zur Leadership-Kultur der Autoren des Buches „Struktur und Kultur einer Leadership-Organisation“ (von Au, 2017, S. IX-XI) zeigen eindrucksvoll wie vielfaltig eine Leadership-Kultur von Fuhrungsexperten definiert wird. Zusammenfassend lasst sich jedoch feststellen, dass in den angefuhrten Statements und der aktuellen Literatur zu modernen Fuhrungsansatzen selbstreflektierte Fuhrungspersonlichkeiten, mit einem hohen MaB an sozialer und emotionaler Kompetenz, die sich selbst, trotz Erfolg und Macht nicht in den Mittelpunkt stellen, gefordert werden. Diese intrapersonalen Kompetenzen bilden den Ankerpunkt des Authentic-Leadership Ansatzes (vgl. Schlegel, 2009, S. 28), der im folgendem Absatz beschrieben wird.

2.5 Authentic Leadership

„Authentizitat“ stammt aus dem Griechischen und wurde abgeleitet von dem Wort „authento“, welches in etwa „die volle Macht besitzen“ bedeutet (vgl. Trilling, 1972). Die Sozialpsychologen Kernis und Goldmann (2006) beschreiben eine authentisch fuhrende Person als „master of his or her own domain“ (S. 284). Sie haben folgende vier zentrale Felder in der Literatur fur authentische Fuhrungskrafte identifiziert:

Selbstbewusstheit - Selbstkenntnis

- Selbstreflexion und Verstandnis fur eigene Starken, Schwachen, Werte und Ziele

- Stetige personliche Entwicklung und Gewinnung wichtiger Einsichten durch Ruckmeldungen und offenen Diskurs mit anderen

Transparente Beziehungsgestaltung

- Anderen sein echtes Selbst zeigen

- Vertrauen, durch den offenen Umgang mit Informationen, Gedanken und Gefuhlen in Interaktion mit anderen fordern

Ausgewogene Informationsverarbeitung

- Die objektive Analyse relevanter Informationen aus unterschiedlichen Quellen vor einer Entscheidung und Berucksichtigung von Informationen, die der eigenen Haltung widersprechen

- Stellungnahmen von Mitarbeitern erbitten und eigene Grundansichten zur Debatte stellen

Verinnerlichte moralische Perspektive

- Form der Selbstregulation, die uber innere moralische Normen und Werte gesteuert wird und die auch bei Widerstanden zu Entscheidungen und Verhaltensweisen fuhrt, die mit diesen Normen und Werten ubereinstimmen (vgl. Walumbwa et al., 2008, S. 95)

Diese vier Felder liefern die theoretische Basis der meisten heutigen Theorien zum Authentic Leadership (vgl. Gardner et al., 2011, S. 1121). Von Wesche und Fleig (2016) wird authentische Fuhrung, als „...das Verhalten und die Merkmale von Fuhrungskraften beschrieben, die sich in der Interaktion mit anderen aufrichtig und transparent verhalten, eine gute Selbstkenntnis bzgl. ihrer Starken und Schwachen haben, moralische Werthaltungen internalisiert haben und sich kongruent zu diesen verhalten“ (Wesche & Fleig, 2016, S. 3).

Basierend auf der Lerntheorie von Bandura (1977) deuten sowohl die Literatur als auch die empirischen Belege darauf hin, dass sehr authentische Fuhrungskrafte eine enge Verbindung mit ihren Mitarbeitern eingehen und die Mitarbeiter sich eher mit ihren Fuhrungskraften identifizieren konnen. Dadurch konnen gegenseitiges Vertrauen und positive Emotionen entstehen, die sich wiederum in positiver Arbeitsleistung widerspiegeln konnen (vgl. Gardner et al., 2011, S. 1122). Aus Sicht von Frommer, Wegge und Strobel (2014) lernen Mitarbeiter einer authentischen Fuhrungskraft ihr Handeln nach ihren inneren WertmaBstaben auszurichten und offen fur diese einzutreten. Durch den Diskurs und den Fokus auf die Beziehungsebene sollte authentisches Fuhren geeignet sein, die Mitarbeiter auch bei kritischen Themen zur Mitwirkung anzuregen und durch die eigene Vorbildwirkung das Schweigen der Mitarbeiter zu Bedenken und kritschen Themen zu hemmen (vgl. Frommer, Wegge & Strobel, 2014, S. 41).

Doch im Gegensatz zu vielen anderen Fuhrungsansatzen liegt der Fokus des Konzeptes der authentischen Fuhrung nicht nur auf der Steigerung der Zufriedenheit und Leistung der Mitarbeiter, sondern auf der personlichen Entwicklung und des Wohlbefindens. Dies gilt sowohl fur die Mitarbeiter, als auch fur die Fuhrungskrafte, welche durch ein authentische Fuhrung eher im Einklang mit ihren eigenen Gefuhlen und Werten handeln und daher weniger Unwohlsein und emotionale Anspanung erleben (vgl. Wesche und Fleig, 2016, S. 5f). Das heiBt jedoch nicht, dass Fuhrungkrafte jede Emotion immer und jedem ungefiltert zeigen sollen, um authentisch zu sein. Vielmehr geht es darum, sein eigenes Handeln bewusst zu erleben, zu beeinflussen und Emotionen wie z.B. Wut und Arger zu regulieren. Darunter darf jedoch nicht verstanden werden, alle Emotionen „weg zu regulieren“, weil diese nicht vorkommen durfen. Dies ware weder Ausdruck einer authentische Personlichkeit noch wurde es das seelische und korperliche Gleichgewicht fordern. Gemeint ist vielmehr die Impuls- kontrolle und die Fahigkeit situationsangemessen zu handeln (vgl. Schlegel, 2009, S. 41). Frommer, Wegge und Strobel (2014) stimmen Erickson (1995) zu, dass Menschen „nie vollkommen authentisch oder nicht authentisch handeln, sondern sich auf einem Kontinuum bewegen“ (Frommer, Wegge & Strobel, 2014, S. 41). Dabei ist fur Hinterhuber (2014) auch wichtig, dass es keinen Unterschied zwischen privater und beruflicher Personlichkeit gibt. Authentisch ist die ganzheitliche Fuhrungskraft nur dann, wenn diese sich Zeit fur die Familie, die Freunde und die eigene Gesundheit nimmt. Sie muss Neugier fur das Leben zeigen, Selbstvertrauen mit Demut verbinden und wissen, dass es neben der beruflichen hochsten Professionalitat noch viele andere Dinge gibt, die ein gelingendes Leben ausmachen (vgl. Hinterhuber, 2014, S. 8).

Frommer, Wegge und Strobel (2014) bezeichnen das Handeln einer Fuhrungkraft als „gefilterte Authentizitat“, die im Einklang mit eigenen Grundansichten und fur andere nachvollziehbar agiert, souveran mit eigenen Schwachen umgeht und fur Mitarbeiter ein diskursfahiger Partner ist, jedoch nicht in jeder Situation ihr Innerstes vollkommen nach auBen kehrt (vgl. Frommer, Wegge & Strobel, 2014, S. 41). Ahnlicher Ansicht ist auch Niermeyer (2010). In seinem Buch „Mythos Authentizitat“ unterscheidet er zwischen zwei unterschiedlichen Kategorien der Authentizitat. Auf der einen Seite gibt es fur ihn die Ausdruckskategorie im Sinne eines unverfalschten Selbstausdrucks („sich so geben, wie man ist“, „zeigen was in einem vorgeht“). Auf der anderen Seite steht die Wirkungskategorie, in der jemand glaubwurdig und konsistent auftritt und so in den Augen anderer authentisch wirkt. Sie beinhaltet eine disziplinierte Selbstprasentation und konsistentes und eindeutiges Verhalten (vgl. Niermeyer, 2010, S. 25). Diese Wirkungskatergorie sei jedoch nur durchzuhalten, wenn die Rolle zu den eigenen Werten und der eigenen Personlichkeit passe. „Rollen zu spielen ist nicht per se gut oder schlecht, sondern schlicht unvermeidbar. Entscheidend ist vielmehr, ob die Rollenangebote, aus denen wir wahlen, zu uns passen - und wie wir sie mit Leben fullen, was wir daraus machen“ (Niermeyer, 2010, S. 78).

Wie „authentisch“ eine Fuhrungskraft in der Lage ist, ihre Rolle zu spielen, kann sowohl uber die Selbst- als auch uber die Fremdeinschatzung mit Hilfe von Fragebogen ermittelt werden. Der bisher am meisten verwendetet Fragebogen zur Messung authentischer Fuhrung ist der ALQ (Authentic Leadership Questionnaire) von Aviolo et al. (2007), der die vier Dimensionen

1) Selbstkenntnis - Selbstbewusstheit

2) ausgewogene Informationsverarbeitung

3) transparente Beziehungsgestaltung

4) internalisierte moralische Werthaltung

mit insgesamt 16 Items erfasst. Der ALQ ist jedoch nicht frei zuganglich und dessen Validierung von Walumbwa et al. (2008) ist inzwischen sehr umstritten. Daher haben Neider und Schriesheimer (2011) den ALI (Authentic Leadership Inventory), einen frei zuganglichen Fragebogen veroffentlicht, der auf dem ALQ basiert (vgl. Wesche und Fleig, 2016, S. 12).

Wie beschrieben, ist das Wahrnehmen und Regulieren der Emotionen der Fuhrungskraft in Interaktion mit den Mitarbeitern einer der zentralen Punkte der authentischen Fuhrung. Daher wird im folgenden Abschnitt das Thema Emotionen beschrieben und deren Funktion und Bedeutung im Kontext von Fuhrung dargestellt.

3 Emotionen

„In unserem alltaglichen Leben und Sprachgebrauch zahlen Emotionen zu den eher unerwunschten Eigenschaften. Uberlegtes und rational abgewogenes Verhalten und Urteilen ist das, was wir bevorzugen. Und dennoch: zu unserer Lebenswirklichkeit gehoren Emotionen wie die Luft zum Atmen. Es sind Handlungsdispositionen, die eng mit unserem Verhalten verknupft sind und mitbestimmen, in welcher Weise wir handeln“, schreibt der Neuropsychologe Prof. Dieter Vaitl (2006, S. 17). Fur Landes und Steiner (2017, S. 68) sind Emotionen „essentieller Bestandteil der menschlichen Existenz“.

„Menschliches Denken, Fuhlen und Handeln wird in der Regel primar durch Emotionen gesteuert. Der Verstand ist ein wichtiges Instrument, um das eigene Handeln nach auBen plausibel zu rechtfertigen. Aber die wesentlichen, richtungsgebenen Triebfedern - ob sie uns bewusst sind oder nicht - liegen im emotionalen Bereich“ (Doppler und Lauterburg, 2008, S. 169).

Im folgenden Abschnitt wird zunachst der Begriff Emotion erlautert, eine Arbeitsdefinition formuliert und die Funktion von Emotionen beschrieben. Danach wird der Einfluss von Emotionen auf das Handeln und die Zusammenarbeit von Organisationsmitgliedern erlautert.

3.1 Definition von Emotion

In der Literatur lasst sich gemaB der unterschiedlichen Stromungen der Psychologie keine allgemeingultige Definition fur den Begriff Emotion finden. Grundsatzlich wird zwischen Affekt/Stimmung, Gefuhl und Emotion unterschieden.

Nach Meyer et al. (1993, S. 23f) wird Emotion als aktueller individueller Zustand definiert, welcher meist uber mehrere Minuten bis Stunden besteht. Als Beispiele fur Emotionen werden Angst, Wut, Trauer oder Freude genannt. Laut dieser Definition sind Emotionen in der Regel objektgerichtet z.B. Furcht vor etwas, Arger uber etwas und in der Regel mit Impulsen fur ein bestimmtes Verhalten verbunden (vgl. Sporrle und Forsterling, 2008, in Landes und Steiner, S. 2017, S. 63).

Nach Dreisbach (2008, S. 291) sind Affekte „eine milde Tonung des Erlebens, haben oft keine klare Ursache und sind langer andauernd“.

Gefuhle stellen die subjektiv erlebte Komponente der Emotion dar, welche von der Person wahrgenommen wird (vgl. Meyer, Schutzwohl, & Reisenzein, 1993, S. 29f).

Laut Breuer und Frot (2012) hat jede Emotion die folgenden, in der Abbildung 4 dargestellen Komponenten:

- Fuhlen: Erleben eines Gefuhls
- Denken: emotionsspezifische Gedanken
- Erleben: physiologische Veranderungen
- Wirken: spezifische Verhaltensweisen (vgl. Breuer und Frot, 2012, S. 40).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Die vier Komponenten einer Emotion (Quelle: Breuer und Frot, 2012, S. 41)

Jede Kommunikation von Menschen ist emotional. Diese werden unter anderem durch Mimik, Tonfall, Korperhaltung und Bewegungen ausgedruckt. Die physiologische Erregung bei Furcht vermindert die Durchblutung, was an der bleichen Haut sichtbar wird. Bei Wut hingegen passiert das Gegenteil, sodass die Haut errotet. So wie Menschen in der Lage sind Emotionen auszudrucken, sind sie ebenso in der Lage, diese zu erkennen. Es wird daher angenommen, dass nonverbale Kommunikation wesentlich ausdrucksstarker ist als verbale, da sie schwieriger verfalscht werden kann und somit authentischer wirkt (vgl. Furnham, 2010, S. 61).

Emotionen dienen als Fruhwarnsysteme. Sie versorgen den Organismus sofort (im unteren Milisekundenbereich) mit den notwendigen Informationen und leiten uberlebenswichtige Verhaltensweisen ein. Sie ermoglichen so eine effiziente Interaktion mit der Umwelt, indem sie helfen, die Reize unmittelbar zu bewerten und in Handlungen abzuleiten (vgl. Vaitl, 2006, S. 17f). Emotionen konnen in den drei Dimensionen Evaluation (angenehm vs. unangenehm), Erregung (beruhigend vs. erregend) und Potenz (stark vs. schwach) bewertet werden.

In alteren Studien, die hauptsachlich auf Erlebnisberichte und physiologische Reaktionsmuster basierten, wurde postuliert, dass es unterschiedliche emotionale Reaktionen bei Mannern und Frauen gebe. Erklart wurden diese Unterschiede damit, dass Manner sich eher an sexueller Selektion orientieren und Frauen aus Selbstschutz zu erhohter Wachsamkeit neigen (vgl. Adler, Pfaff, & Goy, 1985). Wagner et al. (2003) und Schienle et al. (2005) kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass die neuronalen Aktivierungsmuster sowohl bei Frauen als auch Mannern vergleichbar sind, was dafur spricht, dass Emotionen bei Mannern und Frauen ahnlich sind (vgl. Vaitl, 2006, S. 23).

In der Literatur lassen sich unterschiedliche Differenzierungen von Emotionen finden. So unterscheidet Rost (1990, S. 41) beispielweise zwischen 12 verschiedenen Emotionen, wahrend Vaitl (2006, S. 17) nur acht verschiedene Emotionen nennt. Auch werden teilweise Basis- oder Primaremotionen angefuhrt, die als Grundlage fur andere Emotionen dienen sollen. Laut Ortony und Turner (1990) lassen sich jedoch keine empirischen Belege finden, die das Konzept der Primar- oder Basisemotionen bestatigen. Auch wenn die Differenzierung zwischen einzelnen Emotionen nach wie vor nicht unumstritten ist, so verwenden doch viele Wissenschaftler heute folgende Klassifizierung in die sechs Emotionen Angst, Wut, Freude, Trauer, Ekel und Uberraschung (vgl. Furnham, 2010, S. 61).

3.2 Unterschiedliche Emotionen und ihre Funktion

Emotionen losen ein Verhalten aus und erfullen dadurch verschiedene Funktionen. Die folgende Tabelle 2 bietet eine Ubersicht der sechs Emotionen Angst, Wut, Freude, Trauer, Ekel und Uberraschung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2: Beispiel der Emotionen, dem Verhalten und ihrer Funktion (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Vaitl, 2006, S. 17 und Lewkowicz und West-Leuer, 2016, S. 18)

Da fur die vorliegende Arbeit Angst und Wut von zentraler Bedeutung sind, wird auf diese Emotionen im folgenden Abschnitt naher eingegangen.

Angst

Angst oder Sorge vor Dingen, die einem potentiell schaden konnten, dienen dem Selbstschutz. Angst lost den Impuls aus wegzulaufen (»flight«), zu kampfen (»fight«), oder wenn beides nicht moglich ist, in Totenstarre zu verfallen (»freeze«). Als Warnsignal unterstutzt uns Angst jedoch auch dabei, Hilfe oder Unterstutzung zu holen (vgl. Gilbert, 2011, S. 172; Franz, 2016, S. 18). Einige Reaktionen auf Angst, die ein Verhalten aktivieren, erweisen sich als durchaus konstruktiv und sinnvoll, wenn es gelingt, das eigentlich angstauslosende Problem mittelfristig zu beheben. Bei wiederkehrenden erfolglosen Versuchen der Angstabwehr drohen wie hier in Abbildung 5 dargestellt, problematische Folgen oder destruktive Strategien und Mechanismen wie Passivitat oder Lahmung, die z.B. zu innerer Kundigung fuhren konnen (vgl. Spisak, 2017, S. 126).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Positive undproblematische (toxische) Folgen von Angst (Quelle: Spisak, 2017, S. 126)

In einer Langzeitstudie konnten Panse und Stegmann (2001) nachweisen, dass in einem von Angst gepragten Organisationsklima Frustration und Misstrauen der Mitarbeiter ansteigen, wahrend Kreativitat und Motivation abnehmen. Die Effizienz der Unternehmen leidet, wenn Mitarbeiter sich aus Angst nicht offen auBern und keine eigenen Ideen einbringen. Durch Fluktuation, innere Kundigung, angstbedingtem Medikamentenkonsum, Mobbing und durch Angst verursachte Fehlzeiten entstehen den Unternehmen immense Kosten.

Aus Sicht der Gestalttherapeuten Doubrawa und Blankertz (2013) ist jedoch nicht die Angst vor oder in einem Konflikt problematisch. Ganz im Gegenteil, sie ist vielmehr eine gesunde Reaktion in einem gesunden Kontext. Problematisch ist hingegen, wenn die Konflikte standig vorzeitig abgebrochen werden. Dies fuhrt zu dauernden kleinen Spannungen und genereller Angst in eine Situation verwickelt zu werden, in der ein Konflikt unausweichlich oder eigentlich nutzlich ware, aber nicht ausgetragen wird. Aus ihrer Sicht lost diese dauerhafte Angst nicht so, wie es sein sollte, eine nur kurzfristige und vorubergehende Gefuhllosigkeit gegenuber aggressiven Impulsen aus, sondern verhindert es generell auf seinen Korper zu horen (vgl. Doubrawa & Blankertz, 2013, S. 51ff). Im Gegensatz zu den Folgen der Angst in Unternehmen, gibt es keine Untersuchungen zu den positiven und negativen Folgen von Wut in Unternehmen. Daher wird im folgenden Abschnitt ausfuhrlicher auf die negativen aber auch positiven Funktionen von Wut eingegangen.

Wut

Auch Wut dient dem Selbstschutz. Sie wird aktiviert, wenn der Weg zu einem Ziel versperrt oder die Befriedigung eigener Bedurfnisse gefahrdet ist. Oft resultiert aus Wut das Gefuhl von Frustration. Durch Wut kann die Anstrengung in eine Aufgabe intensiviert werden und versucht werden, etwas zu erzwingen. Sie kann sich aber auch in Form von Vergeltung ausdrucken, mit der man Ressourcen, Status und soziale Position verteidigen will. Wut oder Arger kann auch helfen, ein Hindernis zu uberwinden oder einen Gegner zu besiegen (vgl. Gilbert, 2011, S. 172f). Kann eine Person ihre Wut jedoch kontrollieren, so kann diese auch zu positiver und konstruktiver Durchsetzungsfahigkeit fuhren (vgl. Landes & Steiner, 2017, S. 85). Dieser Meinung sind auch Lindebaum und Gabriel (2015), die besonders auf die korrigierende moralische Kraft von Wut hinweisen. Sie definieren „moral anger - moralische Wut“ als, „an aroused state stemming from a primary appraisal of a moral standard violation that impacts others more than oneself, and motivates corrective behaviour intended to improve the social condition, even in face of significant personal risk“ (S. 743).

Ohne die Risiken von Wut zu verharmlosen, weisen Lindebaum und Gabriel (2015) auf die Ressourcen, die Information und Energie, von Wut hin. Wut bietet fur sie eine sehr wertvolle, wenn auch volatile Energiequelle. Eine Quelle der Motivation, die, wenn sie richtig kontrolliert und kanalisiert wird, Kreativitat, Phantasie und harte Arbeit entfalten kann. Hinter jeder Wut kann fur sie eine Botschaft stecken, die alle Stakeholder auf ernsthafte Probleme und notwendige KorrekturmaBnahmen aufmerksam machen kann. Versuchen Organisationen die Wut ihrer Mitarbeiter zu unterdrucken, verpassen sie die Moglichkeit auf kritische Themen aufmerksam zu werden (vgl. Lindebaum und Gabriel, 2015, S. 913f).

Fur die Psychotherapeuten Froesch-Baumann und Bindschedler-Schoenwitz (2012) erfullt Wut auch in der Beziehung zwischen zwei Personen eine wichtige soziale Funktion. Wut macht darauf aufmerksam, dass etwas nicht stimmt. Sie signalisiert Ernsthaftigkeit und weist auf ungeloste Konflikte hin, signalisiert aber ebenso den Glauben an Veranderungs- moglichkeit. Wut unterbricht den normalen Fluss und fordert den anderen auf innezuhalten. Wird die Wut rechtzeitig erkannt, bietet sie die Moglichkeit, Konflikte wahrzunehmen und anzugehen. Ebenso werden Handlungsenergien freigesetzt und Angst gemindert. „Das Ziel ist also Arger und Wut als Signale anzunehmen, dass etwas nicht stimmt. So wird es moglich, nach den Ursachen dafur zu suchen und einen angemessenen Ausdruck zu finden“ (Froesch- Baumann & Bindschedler-Schoenwitz, 2012, S. 2).

Auch in der Gestalttherapie wird Wut oder sogar Aggression als eine positive Emotion gesehen, die Menschen dazu befahigt, ihre Umwelt besser an sich anzupassen. Erst die Unterdruckung der Wut fuhrt zu individueller Destruktivitat und negativer Aggression. Die Gestalttherapie hinterfragt besonders die Gesellschaft, welche ihrer Ansicht nach die Wut und aggressive Impulse von Menschen unterdruckt und somit soziale Konflikte stets im Interesse der bestehenden Verhaltnisse und zum Nachteil des einzelnen lost. Im Namen der Ordnung werde jeder offene Ausdruck von Wut, Zorn oder Kampfbereitschaft unterbunden, da bereits der kleinste Ausdruck des Argers als Bedrohung der gesellschaftlichen Ordnung angesehen wird. Dies hat zur Folge, dass der Einzelne seine Bedurfnisse nicht mehr einbringen kann und stattdessen mehr und mehr versucht, sie gar nicht erst zu spuren (vgl. Doubrawa & Blankertz, 2013, S. 47f).

3.3 Einfluss der Emotionen auf die Fuhrung

Wie bereits ausgefuhrt, ging die Fuhrungsforschung lange Zeit von einem rational gepragten Organisationsverstandnis aus (vgl. Funder 2008, S. 122). Heute werden Emotionen dagegen als integraler Bestandteil der menschlichen Identitat verstanden, welche sich nicht vom Arbeitsleben trennen lassen (vgl. Hardinger 2012, S. 74). Einen groBen Beitrag daran haben die Werke von Goleman. Auch wenn seine Erkenntnisse Mitte der 90er Jahre nicht vollig neu waren und schon in anderen Fuhrungstheorien Einklang gefunden hatten, machten seine Werke den Begriff der emotionalen Intelligenz (1995) und der emotionalen Fuhrung (2002) durch die popularwissenschaftlichen Arbeiten auf breiter Basis bekannt. „Er machte auf die Bedeutung von Emotionen im organisationalen Kontext aufmerksam und betonte, dass fur Fuhrungskrafte die Notwendigkeit besteht, das emotionale Erleben ihrer Mitarbeiter als Informationsquelle fur die eigenen Fuhrungsfahigkeiten zu nutzen“ (Landes und Steiner 2017, S. 73).

3.4 Emotionale Intelligenz

Als Grundungsvater der emotionalen Intelligenz gelten Salovay und Mayer (1990) (vgl. Landes und Steiner, S. 73). Sie beschreiben diese Form der Intelligenz als: „the ability to monitor one’s own and other’s feelings and emotions, to dicriminate among them and to use this information to guide one’s thinking and actions“ (Salovey und Mayer 1990, S. 189). Goleman (1995, S. 34) definiert emotionale Intelligenz als, „... die Fahigkeit, die eigenen

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Final del extracto de 96 páginas

Detalles

Título
Der Einfluss der Leadership-Kultur auf Emotionen und Schweigen der Mitarbeiter zu kritischen Themen. Eine empirische Untersuchung
Autor
Año
2017
Páginas
96
No. de catálogo
V423656
ISBN (Ebook)
9783668693098
ISBN (Libro)
9783668693104
Tamaño de fichero
3222 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
leadership-kultur, emotionen, organisationsmitglieder, Organizational Silence, Employee Silence, Mitarbeiterschweigen, Führungskultur, Schweigen, Mitarbeiter, Führung
Citar trabajo
Stefan Haarmann-Thiemann (Autor), 2017, Der Einfluss der Leadership-Kultur auf Emotionen und Schweigen der Mitarbeiter zu kritischen Themen. Eine empirische Untersuchung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/423656

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Título: Der Einfluss der Leadership-Kultur auf Emotionen und Schweigen der Mitarbeiter zu kritischen Themen. Eine empirische Untersuchung



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