Die Sorben in Deutschland


Seminar Paper, 2002

23 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Geschichte der Sorben in Deutschland
2.1. Frühgeschichte – Mittelalter
2.2. Reformation – 19. Jahrhundert
2.3. 20. Jahrhundert

3. Das Leben der Sorben im heutigen Deutschland
3.1. Leben in Deutschland – Heute -
3.2. Zwei sorbische Sprachen
3.2.1. Erhalt und Pflege der sorbischen Sprache
3.3. Traditionen und Bräuche
3.3.1. Sagen >Krabat der gute alte Zaubermeister<
3.3.2. Bräuche – Vogelhochzeit
3.3.3. Bräuche – Ostern
3.3.4. Bräuche – Stollenreiten
3.3.5. Bräuche – Neujährchen

Anhang Literaturverzeichnis
“Zeittafel”

1. Einleitung

Kommt man zum ersten mal in die Region zwischen Spreewald und dem Oberlausitzer Bergland, fallen einem sofort die zweisprachigen Ortstafeln und Hinweisschilder auf, ein äußeres Zeichen von Gemischtnationalität.

Im südlichen Brandenburg – Niederlausitz und Oberlausitz in Ostsachsen – ist ein kleines slawisches Volk zu Hause.

In der Region um Bautzen und Kamenz, Hoyerswerda, Schleife sowie in der Niederlausitz rund um Cottbus kann man älteren Frauen in den typischen sorbischen Altagstrachten begegnen. Zu besonderen Anlässen zeigen sich auch wieder zunehmend junge Mädchen und Frauen in den regionalen Festtagstrachten. So mancher kirchlicher und weltlicher Brauch wird hier gepflegt. Zu Hochfesten und kirchlichen Feiertagen wehen neben der deutschen und der Landesfahne auch die blau-rot-weißen Farben der Sorben. *1

(vgl. Stiftung für das sorbische Volk :4)

2. Geschichte der Sorben in Deutschland

2.1. Frühgeschichte – Mittelalter

Der fränkische Chronist Fredegar berichtet zum Jahre 631, daß Derwan, Fürst eines zwischen Saale und Mulde siedelnden Stammesverbandes der –Surbi-, vom Frankenkönig Dagobert abgefallen wäre.

„ In Böhmen, Mähren und im mittleren Donaugebiet war im Kampf gegen die Awaren das slawische Großreich des Samo entstanden. Diesem Großreich schlossen sich auch Sorben , die seit alters zum fränkischen Reich gehört hatten, unter ihrem Fürsten Derwan an.“*2

Hier werden die Sorben zum ersten mal in schriftlichen Überlieferungen erwähnt, ihre Geschichte reicht jedoch viel weiter zurück.

„ Zur Zeit der Völkerwanderung verließen größere slawische Stammesteile ihr ursprüngliches Wohngebiet nördlich der Karpaten zwischen Bug und Dnepr und zogen gen Westen. Zu ihnen gehörten etwa 20 sorbische Stämme, die im 6. Jahrhundert in einem weitestgehend siedlungsfreien Raum zwischen den Flüssen Bober und Queis im Osten, Erz- und Fichtelgebirge im Süden, Elbe und Saale im Westen und einer Linie Frankfurt (Oder) –Jüterborg- Zerbst unterhalb Berlins eine neue Heimat fanden“ *3

Der Name Sorben tritt zunächst nur im Westen auf, während in den späteren Lausitzen die Lusizer und die Milzener saßen.

Es ist nicht bekannt, wann und aus welchen Gründen die Bezeichnung Sorben auf die beiden Stämme übergegangen ist.

Die sorbischen Stämme lebten im 7.-9. Jahrhundert in einer altertümlichen Gesellschaftsordnung, die von der Großfamilie und einer Art militärischer Demokratie geprägt war, während ein herrschaftliches Gefüge derzeit kaum bestand. Die Hauptzweige der Wirtschaft waren Ackerbau und Viehzucht, ergänzt durch Fischfang , Jagd und Bienenzucht.

Bodenfunde weisen auf ein entwickeltes Handwerk und auf einen intensiven Handel der Sorben untereinander sowie mit den benachbarten fränkischen und sächsischen Stämmen hin.

Da es den Sorben nicht gelang einen eigenen Staat zu bilden, konnten sie dem militärischen Druck des westlich angrenzenden deutschen Reich keinen Widerstand entgegensetzen. So wurden sie nach dem Feldzug Heinrich des I. gegen Sachsen und der damit verbundenen Gründung der Reichsburg Meißen im Verlauf der folgenden Jahrhunderte dem deutschen Kaiserreich unterworfen. Im 10. und 11. Jahrhundert gelangten auch die beiden sorbischen Stämme der Milzener (heutige Oberlausitz) und der Lusizer (heutige Niederlausitz) fest unter deutsche Herrschaft, wobei die Ober- und Niederlausitz für längere Zeit zum Streitobjekt der Territorialmächte Meißen, Brandenburg und Böhmen wurde.

„ Mit der Gründung des Bistums Meißen 968 begann die Christianisierung der Sorben, die in das deutsche Kirchenwesen einbezogen wurden. Somit war ihnen der Weg zu einer sorbischen Kirchenorganisation verbaut. Sie konnten nicht wie die benachbarten Tschechen und Polen zu einer eigenen Nationalentwicklung gelangen.“ *4

Um das Jahr 1200 begann der Ausbau des Kirchenwesens, durch die flächendeckende Gründung neuer Kirchengemeinden. Zugleich erfolgte die Kolonisierung der schwach besiedelten Randgebiete der Lausitz durch deutsche Siedler aus den westlichen Landesteilen. Es begann die natürliche Assimilierung der slawischen Stämme, welche durch offenen Zwang ergänzt wurde.

Die Kultur der Sorben manifestierte sich nahezu ausschließlich als dörfliche Volkskultur. Besonders in der Frage des Glaubens konnten sie ihre Eigenständigkeit waren, denn es sollten noch Jahrhunderte bis zur völligen Aufgabe des heidnischen Glaubens und der damit verbundenen Rituale vergehen. Noch im frühen Mittelalter galt das sorbische Gebiet als heidnisch. *5

2.2. Reformation – 19. Jahrhundert

Für die Festigung des sorbischen Volkstums war die Reformation von großer Bedeutung. Die Predigt und der Gemeindegesang rückte – an Stelle des mittelalterlichen Kultgottesdienstes- in den Vordergrund.

„ Ab der Mitte des 16. Jahrhunderts begannen einige protestantische Geistliche – den reformatorischen Grundsatz der Predigt in der Muttersprache aufnehmend -, eine eigene sorbische religiöse Literatur zu schaffen, indem sie die Kernwerke des Protestantismus, Bibel, Katechismus und Gesangbuch, aus dem Deutschen übersetzten. Dadurch entstand die sorbische Schriftsprache.“ *6

Das sorbische Volk erhielt eine Schriftsprache als Ausdruck seines ethnischen Bewußtseins. Die Volkssprache wurde somit aufgewertet.

Von den rund 200 Pfarrkirchen der Oberlausitz blieben 13 auch nach der Reformation bei der katholischen Konfession, wobei 5 im sorbischen Gebiet lagen. Dieser katholische Bevölkerungsteil hat in der doppelten Abgrenzung gegenüber den deutschen und evangelischen Nachbarn sein sorbisches Volkstum besonders treu bewahrt.*7

1815 erfolgte die territoriale Neuaufteilung der Lausitz. Die Niederlausitz fiel an die preußische Provinz Brandenburg, der Nordosten der Oberlausitz an die preußische Provinz Schlesien und der Südwesten der Oberlausitz verblieb in Sachsen.

In Brandenburg galt seit 1818 die Verordnung der Frankfurter Regierung, die allenfalls für die ersten Schuljahre den Gebrauch der sorbischen Sprache gestattete und es den Lehrern zur Pflicht machte, sich für die möglichst gründliche Vorbereitung der deutschen Sprache einzusetzen.

In Sachsen setzte sich in der Schulfrage nach einer Intervention der sorbischen evangelischen Geistlichkeit ein liberaler Standpunkt durch. Mit dem Schulgesetz von 1835 wurde der obligatorische sorbische Lese- und Religionsunterricht in sorbischen Gemeinden eingeführt. In den vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts entstand eine breite Volksbewegung. Es begann sich die sorbische bürgerliche Kultur zu entfalten und ein eigenständiges Nationalbewußtsein kam zum Durchbruch.

Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts setzte in den evangelischen Gebieten der Ober- und Niederlausitz eine verstärkte Angleichung der Sorben ein.

Die Industrialisierung nach 1871 führte zum Verfall der gewachsenen agrarischen Strukturen.

Durch den fast ausschließlich deutschen Schulunterricht wurden die Mehrzahl der Sorben zweisprachig, so daß infolge der allgemeinen Zunahme des deutschen Einflusses immer mehr Dorfgemeinschaften zur Sprache der Mehrheit übergingen. Nur das katholische Gebiet blieb von der Assimilierung zunächst unberührt. *8

2.3. 20. Jahrhundert

Im Jahre 1912 wurde die Domowina als Dachverband sorbischer Vereine gegründet. Das Ziel der neuen Organisation bestand darin, der Diskriminierung im Wilhelminischen Deutschland entgegenzuwirken, für

demokratische Rechte der Sorben einzutreten, die sorbische Kultur zu pflegen und das sorbische nationale Bewußtsein zu festigen.

Diese vielversprechende Tätigkeit wurde durch den 1. Weltkrieg für Jahre unterbrochen. *9

„In der Weimarer Zeit gelang es den Sorben nicht eine einheitliche politische Interessengemeinschaft zu formieren. Nebeneinander wirkten die Macica Serbska, die Domowina, die Lausitzer Volkspartei, der Lausitzer Bauernbund und der 1926 gegründete Nationalrat“ *10

Die schwärzeste Periode ihrer Geschichte erlebten die Sorben zur Zeit der nationalistischen Diktatur. Bereits kurz nach der Machtübernahme begannen die Repressionen. Hausdurchsuchungen wurden durchgeführt, Personen wurden verhaftet, später folgten Aussiedlungen sorbischer Lehrer und Geistlicher aus der Lausitz und eine strenge Kontrolle sorbischer Veranstaltungen. Linke Organisationen wurden aufgelöst, mehrere Zeitungen und Zeitschriften liquidiert.

Etwa seit 1936 wuchsen die staatlichen Aktivitäten gegen das sorbische Volk : deutsche Kindergärten wurden errichtet, der Begriff „Wenden“ wurde abgeschafft, mit der Begründung die Sorben seien ein deutscher Volksstamm, mit dem Verbot der sorbischen Fahne und Hymne sowie der Beseitigung sorbischer Ortsnamen und ihrer Ersetzung durch deutsch klingende sollte das sorbische aus der Öffentlichkeit verbannt werden.

Der sorbische Unterricht in den Schulen wurde eingestellt und auf die Kirchen Druck ausgeübt. In der Öffentlichkeit wurde der Gebrauch des sorbischen nicht geduldet. Höhepunkt war die bekannte Denkschrift Himmlers : „Einige Gedanken über die Behandlung der Fremdvölkischen im Osten „ vom Mai 1940.

Die Sorben und andere slawische Völker sollten als „führerloses Arbeitsvolk unter der strengen und gerechten Leitung des deutschen Volkes berufen sein, an dessen ewigen Kulturtaten und Bauwerken mitzuarbeiten“. Eine vierklassige Volksschule, einfaches rechnen bis 500 und schreiben des Namens war alles, was der Reichsführer der SS den Slawen an Bildung zubilligte. Eine Zwangsaussiedlung von Vertretern der sorbischen Intelligenz aus der Lausitz im Herbst 1940 und erneute Verhaftungen leiteten erste Schritte zur Verwirklichung der Denkschrift ein. *11

Der Zusammenbruch der nationalsozialistischen Herrschaft wurde von den Sorben als Befreiung begrüßt. Ein Neuaufbau der nationalen Bewegung

begann. Ein einheitliches Programm für die künftige Entwicklung gab es nicht. Der am 9.Mai 1945 gegründete „Wendische Nationalausschuß“ erstrebte eine Loslösung der Lausitz von Deutschland und ihren Anschluß an die Tschechoslowakei. Die Domowina strebte eine umfassende Autonomie der Sorben in der Lausitz an. Doch unter dem gegebenen Verhältnissen – Politik der sowjetischen Besatzungsmacht und der SED, Bevölkerungsstruktur in der Lausitz – waren beide Ziele unrealistisch. Die KPD/SED kämpfte darum, die Sorben in das entstehende Herrschaftsgefüge zu integrieren und versprach ihnen dafür eine weitreichende staatliche Unterstützung. Im Dezember 1950 kam es zu einem Führungswechsel bei den Sorben. Auf drängen der SED trat Pawol Nedo als Vorsitzender der Domowina zurück und wurde durch den Altkommunisten Kurt Krjenc ersetzt. Die Domowina wurde in immer stärkerem maße zum Transmissionsriemen der SED, um deren Machtmonopol bei den Sorben durchzusetzen. *12

Es wurde ein großzügiges Netz sorbischer Institutionen aufgebaut, welches jährlich mit hohen Summen subventioniert wurde : das Institut für sorbische Volksforschung, das staatliche Ensemble für sorbische Volkskultur, das Haus für sorbische Volkskunst, der Domowina – Verlag, die sorbische Redaktion von Radio DDR, mehrere Grundschulen mit sorbischer Unterrichtssprache, zwei erweiterte Oberschulen, das sorbische Institut für Lehrerbildung, das sorbische Volkstheater, sorbische Abteilungen der Ministerien für Kultur, Inneres und Volksbildung.

Der Preis für diese in der deutschen Geschichte einmalige Förderung war die völlige politische Integration der Sorben. Trotz aller Förderung konnte der Assimilationsprozeß nicht aufgehalten werden. Dutzende Lausitzer Dörfer wurden der Braunkohlegewinnung geopfert, mehrere zehntausend Arbeitskräfte in das sorbische Gebiet gelenkt. Durch diesen Zustrom deutschsprachiger Bevölkerung wurden die Sorben in ihrem alten Heimatland weiterhin zur Minderheit.*13

[...]


*1 „ Römische Geschichtsschreiber bezeichneten jene slawischen Stämme, die in den ersten Jahrhunderten nach Christus zwischen den Kaparten und der Ostküste lebten mit dem Namen Venedi (Veneti). Später belegte man im Deutschen alle Slawen, die im nachmaligen Ost- oder Mitteldeutschland sowie in den Alpenländern siedelten mit dem davon abgeleiteten Begriff Wenden bzw. Winden. Erstmals erwähnt wurden die Sorben 631 von dem fränkischen Chronisten Fredegar. Er wählte die lateinische Form Surbi - später tauchte auch Sorabi auf-, die von dem salwischen Eigennamen Serbja (obersorbisch) bzw. Serby (niedersorbisch) herkommt. Bei den Niedersorben sind heute beide Begriffe, Wenden und Sorben, gebräuchlich.“

( Scholze 1999 : 10 )

*2 Herrmann 1985 : 7

*3 Scholze 1999 : 8-9

*4 Scholze 1999 : 6

*5 vgl. Scholze 1993 : 8-10 und Scholze 1999 : 6-7

*6 Macica Serska 1991 : 9

*7 vgl. Scholze 1999 : 7

*8 vgl. Macica Serbska 1991 : 10-13

*9 vgl. Scholze 1993 : 40

*10 Macica Serbska 1991 : 14

*11 vgl. Scholze 1993 : 43-47 siehe dazu in Anlage Seite 27-30

*12 vgl. Macica Serbska 1991 : 14-15

*13 vgl. Macica Serbska 1991 :15-16 siehe dazu in Anlage „Zeittafel“ und „Karten“

Excerpt out of 23 pages

Details

Title
Die Sorben in Deutschland
College
Alice Salomon University of Applied Sciences Berlin AS  (Sozialpädagogik)
Course
Seminar: Soziologie
Grade
1,0
Author
Year
2002
Pages
23
Catalog Number
V4268
ISBN (eBook)
9783638126434
File size
571 KB
Language
German
Keywords
Sorben, ethnische Gruppen, Soziologie
Quote paper
Sandra Weber (Author), 2002, Die Sorben in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/4268

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