Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition und Einordnung
2.1 Definition und Einordnung des Begriffs der sozialen Ungleichheit
2.2 Definition und Einordnung des Begriffs Chancengleichheit
2.3 Definition und Einordnung des Begriffs Migrationshintergrund
3. Die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
3.1 Zahlen, Daten und Fakten
4. Erklärungen und Ursachen
4.1 Der kulturell-defizitäre Erklärungsansatz
4.2 Der humankapitaltheoretische Erklärungsansatz
4.3 Nachteile durch den Akteur Schule
4.4 Nachteile durch institutionelle Diskriminierung
5. Prävention - Überlegungen zur Minimierung der Benachteiligung
6. Fazit
7. Literaturangaben
8. Internetnutzung
Einleitung
Die Weitergabe von Bildung zählt mit großer Sicherheit zu den wichtigsten Aufgaben einer verantwortungsbewussten, modernen und gerechten Gesellschaft. Es ist hierbei besonders wichtig, dass die Bildung und die damit verbundenen Chancen, welche sich aus der Bildung ergeben, unabhängig von der Hautfarbe, dem Geschlecht oder sonstigen Merkmalen ermöglicht wird. Eine Chancengleichheit herzustellen und auf Dauer zu gewährleisten sollte im Fokus jedes Systems bzw. jeder Gesellschaft stehen.
Bedauerlicherweise muss man immer wieder feststellen, dass es dennoch zu Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund im deutschen Schulwesen kommt. Es findet beispielsweise ein erheblicher Einfluss auf den Kompetenzerwerb und auf die Bildungsentscheidungen der Schülerinnen und Schüler statt (vgl. Lokhande und Nieselt 2016, S. 7). Aber auch familien- und kulturinterne Faktoren spielen eine Rolle. Das prägt die Lernenden in ihrer späteren privaten und beruflichen Laufbahn maßgeblich. Verschiedene Schulleistungsstudien (PISA oder IGLU) zeigen immer wieder deutlich auf, dass es erhebliche Unterschiede zwischen deutschen und ausländischen Kindern gibt.
Hinzu kommt, dass der Migrationshintergrund in Deutschland oft auch mit schlechteren sozialen Strukturen verbunden ist (vgl. Ditton und Maaz 2011, S. 203). In einer Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration wird zum Beispiel aufgezeigt, dass „Kinder und Jugendliche aus Zuwandererfamilien [...] über ihre gesamte Bildungskarriere hinweg doppelt benachteiligt sind: durch ihren Migrationshintergrund, aber vor allem durch ihre soziale Herkunft.“ (Lokhande und Nieselt 2016, S. 3).
Aus diesen Gründen soll in dieser Hausarbeit untersucht werden, welche Ursachen zur Benachteiligung von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund an deutschen Schulen führen. Hierfür werden zunächst einmal die Begriffe soziale Ungleichheit, Chancengleichheit und Migrationshintergrund definiert und eingeordnet. Des Weiteren wird die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund, mit Hilfe von Zahlen, Daten und Fakten dargelegt. Anschließend werden mögliche Erklärungsansätze und Ursachen genannt, welche dazu führen, dass Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund benachteiligt werden. Abschließend werden einige Überlegungen getroffen, wie man dieses Problem eindämmen bzw. auf ein Minimum reduzieren könnte. Mit dem Fazit werden am Ende dieser Arbeit die Ergebnisse resümiert.
2. Definition und Einordnung
2.1 Definition und Einordnung des Begriffs der sozialen Ungleichheit
Zunächst einmal ist es wichtig zu erwähnen, dass soziale Ungleichheit kein modernes Phänomen ist (vgl. Hradil 1999). Schon immer gab es ein Ungleichgewicht in den Gesellschaften, anzuführen wäre hier das Beispiel der Koexistenz von Reichtum und Armut.
Da sich soziale Ungleichheit in allen Bereichen einer Gesellschaft wiederfinden lässt, ergibt sich aus der sozialen Ungleichheit unter anderem auch die Bildungsungleichheit. Es handelt sich hierbei um ein System, bei dem es die Benachteiligung von Personen auf der einen Seite gibt, während auf der anderen Seite verschiedene Personen Vorteile aus der Benachteiligung anderer ziehen (vgl. Hradil 2004, S. 195f.). Laut Stefan Hradil liegt soziale Ungleichheit dann vor „wenn Menschen aufgrund ihrer Stellung in sozialen Bildungsgefügen von den wertvollen Gütern einer Gesellschaft regelmäßig mehr als andere erhalten.“ (vgl. Hradil 1999, S. 26). Die soziale Stellung innerhalb eines Bildungsgefüges entscheidet also darüber, ob man benachteiligt wird oder nicht. Somit liegt die Hauptursache der sozialen Ungleichheit in der Positionierung eines Individuums innerhalb eines Bildungsgefüges, jedoch ist an dieser Stelle auch zu erwähnen, dass ein Individuum seine Position nicht immer selbst aussuchen kann.
Die ungleiche Verteilung von Gütern führt anschließend logischerweise dazu, dass es zu sehr unterschiedlichen Möglichkeiten und Chancen von Individuen kommen kann (vgl. Krause 2008, S. 686).
Hinzuzufügen ist, dass es sowohl legitime als auch illegitime Ungleichheiten gibt (vgl. Hradil 2004, S. 196). Eine legitime Ungleichheit bezeichnet beispielsweise die ungleiche Entlohnung von geleisteter Arbeit, was positiv aufgefasst wird, denn es werden schließlich unterschiedliche Berufe mit unterschiedlichen Ansprüchen und Forderungen ausgeübt. Dass hier die Arbeitsleistung dann auch unterschiedlich bezahlt wird, wird an dieser Stelle als rechtmäßig empfunden.
2.2 Definition und Einordnung des Begriffs Chancengleichheit
Das Prinzip der Chancengleichheit ist ist eines der Hauptziele unserer Bildungspolitik (vgl. Müller 1998). Zudem ist das Prinzip der Chancengleichheit bzw. die Gleichbehandlung von Menschen unter anderem auch in unserem Grundgesetz verankert „niemand darf wegen seines Geschlechts, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“ (GG 2017, Artikel 3, Absatz 3).
Chancengleichheit liege dann vor, wenn nur die individuelle Leistung eines Menschen gemessen wird und eben keine weiteren Merkmale entscheidend sind (Hradil 1999, S. 148). Demnach kann es theoretisch zu einer Chancengleichheit kommen. Jedoch stehen dieser Auffassung viele verschiedene Theorien gegenüber, welche versuchen zu belegen, dass das Erreichen einer absoluten Chancengleichheit nahezu unmöglich ist. Ein Konzept davon stammt von Pierre Bourdieu. Laut Bourdieu ist der klassenspezifische Habitus eine Barriere für die Chancengleichheit in der Gesellschaft. (vgl. Bourdieu 1982). Mit dem Habitus meint Bourdieu, dass man sich in unterschiedlichen sozialen Klassen befindet, sich jedoch innerhalb einer sozialen Klasse gut versteht. Sollte es nun zu Differenzen bezüglich der sozialen Klasse geben, so ist auch davon auszugehen dass Unterschiede entstehen, welche dazu führen, dass einer Chancengleichheit entgegengewirkt wird, weil man sich untereinander weniger gut versteht."
2.3 Definition und Einordnung des Begriffs Migrationshintergrund
Im Wort Migrationshintergrund ist das Wort Migration enthalten. Das Wort Migration ist auf das Lateinische zurückzuführen und bedeutet „Wanderung“ (vgl. Han 2005, S. 7f.) Gemeint sind Menschen, die aus ihrer Heimat auswandern, um in einer anderen Region bzw. in einem anderen Land leben zu können. Somit versetzen diese Menschen ihren Lebensmittelpunkt an einen anderen Ort und bleiben meist auf Dauer (vgl. Han 2005, S. 1). Es gibt viele verschiedene Gründe, warum Menschen ihre Heimat verlassen und oft sogar hierbei hohe Risiken eingehen. Eine häufige Ursache für das Verlassen der eigenen Heimat ist die Flucht vor Krieg, Terror und Unterdrückung. Darüber hinaus kann eine Wanderung aus familiären, sozialen oder beruflichen Gründen stattfinden. Auch gibt es Wanderungen, die wirtschaftlich bedingt sind, um einen besseren Lebensstandard zu erreichen. Zusätzlich gibt es zwei Arten von Migration: eine Wanderung innerhalb eines Landes oder eine Auswanderung aus dem Heimatland in ein anderes Land (vgl. Han 2005, S. 9).
Nun sind aber bei Personen mit einem Migrationshintergrund nicht nur Menschen gemeint, die selbst eine Wanderung hinter sich haben, sondern auch alle Menschen, die von Ausgewanderten abstammen.
Jemand der in Deutschland geboren wurde und somit keine Wanderung vollzogen hat, gilt demnach trotzdem als Person mit entsprechendem Migrationshintergrund. Für das Statistische Bundesamt haben alle zugewanderten und nicht zugewanderten Ausländer, sowie alle nach 1955 zugewanderten Deutschen (auch mit nur einem Elternteil), einen Migrationshintergrund (vgl. Statistisches Bundesamt 2011, S. 26).
3. Die Situation von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund
3.1 Zahlen, Daten und Fakten
Zunächst einmal ist zu erwähnen, dass die internationalen Vergleichsstudien der letzten Jahre deutlich aufzeigen, dass in fast allen teilnehmenden Ländern die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund deutliche Leistungsunterschiede gegenüber den Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund vorweisen. Deutschland schneidet hierbei nicht selten besonders schlecht ab (vgl. BAMF 2008, S. 5). Es wird in diesen Studien aufgezeigt, dass sich die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund in das deutsche Schulwesen besonders schwierig gestaltet. Es bestehen bereits deutliche Kompetenzunterschiede in den Grundstufen des Schulwesens, welche dann im Laufe des Sekundarbereichs ein weiteres Mal zunehmen (vgl. ebd.). Nach der Grundschule wechseln Kinder mit einem Migrationshintergrund seltener auf eine gute Schulform und stattdessen öfter auf eine schlechtere Schulform (vgl. Lokhande und Nieselt 2016). Auch an Abendschulen sind weniger deutsche Schüler repräsentiert. Im Schuljahr 2006/07 hatten 45,2 Prozent der männlichen Schüler und 38,5 Prozent der weiblichen Schüler an Abendschulen einen Migrationshintergrund. Diese Zahlen sind eindeutig, denn die absolute Anzahl der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland steht in keinem Verhältnis zu der absoluten Anzahl deutscher Staatsbürger ohne Migrationshintergrund. Außerdem lassen die Zahlen darauf schließen, dass viele Personen mit einem Migrationshintergrund keinen Schulabschluss erlangen konnten und aus diesem Grund das Angebot der Abendschule wahrnehmen (vgl. BAMF 2008, S.21).
Die folgende Abbildung zeigt die Verteilung der Schülerinnen und Schüler auf die verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe im Jahre 2006/07 auf:"
Abbildung 1: Schüler an ausgewählten Schulen der Sekundarstufe[23] im Schuljahr 2006/07 nach Nationalität und Geschlecht
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(BAMF 2008, S. 22)
Generell lässt sich festhalten, dass Schülerinnen und Schüler mit einem Migrationshintergrund an Realschulen und insbesondere an Gymnasien unterrepräsentiert sind, aber an Haupt- Förder und Abendschulen überrepräsentiert sind (vgl. BAMF 2008, S. 21).
Die größten Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund gegenüber Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund zeigen sich in der Sekundarstufe (siehe Abbildung). Beispielsweise besuchten 39,7 Prozent der männlichen Schüler mit Migrationshintergrund eine Hauptschule, demgegenüber standen 16,7 Prozent der männlichen deutschen Schüler gegenüber. Die Anzahl der männlichen Schüler mit Migrationshintergrund übersteigt an dieser Stelle die Anzahl der deutschen Schüler um mehr als das Doppelte."
Der Unterschied bei den weiblichen Schülerinnen ist noch größer (33,9 Prozent gegenüber 12,6 Prozent). Die weiblichen Schülerinnen mit Migrationshintergrund sind auch hier deutlich überrepräsentiert.
An höheren Schulformen wie beispielsweise den Gymnasien sind die Unterschiede auch erschreckend: 41,7 Prozent der männlichen und 47,4 Prozent der weiblichen deutschen Schülerinnen und Schüler besuchten ein Gymnasium wohingegen nur 19,1 Prozent der männlichen und 23,1 Prozent der weiblichen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund die selbe Schulform besuchten (vgl. BAMF 2008, S. 21).
Diese Abbildung zeigt also auf, dass es eine ungleiche Verteilung auf die verschiedenen Schulformen der Sekundarstufe gibt. Die Vermutung liegt sehr nahe, dass der Migrationshintergrund hierbei der ausschlaggebende Faktor ist. Die genauen Ursachen hierfür sollen im Folgenden herausgearbeitet werden, denn der Kompetenzerwerb im deutschen Bildungssystem beruht sicherlich darauf, dass der Migrationshintergrund im Bildungsprozess in den Vordergrund tritt (vgl. Hans-Böckler-Stiftung 2009, S. 16).
Im Folgenden werden verschiedene Erklärungsansätze und Ursachen vorgestellt, die aufzeigen sollen, warum es zu Benachteiligungen an deutschen Schulen kommt.
4. Erklärungen und Ursachen
Im Folgenden werden vier mögliche Ansätze genannt, welche erklären sollen warum Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund im deutschen Schulwesen benachteiligt sind. Es gibt sowohl außerschulische als auch schulische Faktoren (vgl. Diefenbach 2004 und 2010), die hierbei eine Bedeutsamkeit erlangen.
4.1 Der kulturell-defizitäre Erklärungsansatz
Der kulturell-defizitäre Erklärungsansatz nach Heike Diefenbach geht nicht davon aus, dass externe Faktoren eine Rolle spielen würden, sondern dass der Grund für die schwierige Integration von Schülerinnen und Schülern mit einem Migrationshintergrund in der Schule auf die Kultur und die Einstellung der Eltern zurückzuführen ist (vgl. Diefenbach 2004, S. 225 ff.). Sie spricht hierbei von einem „kulturellen Erbe“, welches an die Heranwachsenden weitergetragen wird (vgl. Diefenbach 2010).
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