Qualität und Effizienz in der Gesundheitswirtschaft. Leistungsbegrenzung zur Kostendämpfung


Thèse de Bachelor, 2016

58 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Finanzierung des Gesundheitswesens
2.1 Beteiligte Akteure
2.1.1 Ausgaben nach Ausgabenträgern
2.1.2 Ausgaben nach Leistungsarten
2.1.3 Ausgaben nach Einrichtungen
2.2 Gesundheitswirtschaft
2.2.1 Beteiligte an der Gesundheitswirtschaft
2.2.2 Gesundheit als Wirtschaftsfaktor
2.3 Spezifika des Gesundheitswesens in Deutschland
2.3.1 Solidarsystem
2.3.2 Versicherungssystem
2.4 Finanzierung
2.4.1 Leistungsbezogene Abrechnung
2.4.2 Fallbezogene Abrechnung
2.4.3 Selbstzahlende Medizin
2.4.4 Finanzierung durch Länder
2.4.5 Wettbewerb vs. Solidarprinzip

3 Versorgungsmanagement
3.1 Qualitätsmanagement in der Versorgung
3.1.1 Medizinische und pflegerische Versorgung
3.1.2 Zertifizierung von Einrichtungen
3.1.3 Standardisierung durch ärztliche Qualitätssicherung
3.2 Spezielle Versorgungssysteme
3.2.1 Managed Care
3.2.2 Integrierte Versorgung
3.2.3 Disease Management
3.2.4 Case Management
3.2.5 Hausarztsysteme
3.3 Abrechnungssysteme
3.3.1 Fallpauschale
3.3.2 Kopfpauschale

4 Analyse internationaler Versorgungssysteme
4.1 Managed-Care-Instrumente
4.1.1 Schweiz
4.1.2 Niederlande
4.1.3 USA
4.1.4 Deutschland

5 Erfolgsfaktoren und Handlungsempfehlungen

Literaturverzeichnis

Bibliografische Angaben

Kaltwasser, Marius:

Qualität und Effizienz in der Gesundheitswirtschaft. Leistungsbegrenzung zur Kostendämpfung

Quality and efficiency in the healtcare industry: performance limit for the cost-loss

45 Seiten, Hochschule Mittweida, University of Applied Sciences,

Fakultät Medien, Bachelorarbeit, 2016

Abstract

Das deutsche Gesundheitswesen gehört zu den leistungsfähigsten weltweit. Dies führt allerdings auch zu steigenden Kosten. Um die hohe Qualität, sowie die sozialstaatlichen Prinzipien aufrechterhalten zu können, bedarf es Reformen. Dabei gewinnen spezielle Versorgungssysteme und einzelne Instrumente zur Anreizsteuerung der am Gesund­heitswesen beteiligten Akteure an Bedeutung. Wie sich neue Ansätze der Versorgungs­Steuerung auf Qualität und Effizienz in der Gesundheitswirtschaft auswirken, wird anhand dieser Arbeit aufgezeigt.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Anteil Gesundheitsausgaben am BIP

Abbildung 2: Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern

Abbildung 3: Gesundheitsausgaben nach Leistungen

Abbildung 4: Gesundheitsausgaben nach Einrichtungen

Abbildung 5: Wachstum der Gesundheitswirtschaft

Abbildung 6: Erwerbstätige im Gesundheitswesen

Abbildung 7: Private Krankenhäuser auf dem Vormarsch

Abbildung 8: Integrierte Versorgung

Abbildung 9: EHCI Total Scores

Abbildung 10: Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP

Abbildung 11: öffentliche Gesundheitsausgaben / Private Gesundheitsausgaben

Abbildung 12: Anteil Versicherte in Modellen mit Ärzte netzen

Abbildung 13: Integrierte Versorgung Schizophrenie

1 Einleitung

Das deutsche Gesundheitssystem, welches von Bismarck im Jahre 1883 eingeführt wur­de, hat bis heute in seinen Grundzügen Bestand. Allerdings fordert die Entwicklung einer Gesellschaft gewisse Anpassungen an bestehende Systeme. Der medizinisch-technische Fortschritt, der demografische Wandel sowie die zunehmende Verknappung finanzieller Ressourcen stellen das deutsche Gesundheitssystem in Zukunft vor große Herausforde­rungen.

Im zweiten Kapitel wird in kurzer Form dargestellt, auf welche Träger, Einrichtungen und Leistungen sich die Gesundheitsausgaben in Deutschland verteilen. Des Weiteren wer­den das deutsche Gesundheitssystem sowie die Akteure der Gesundheitswirtschaft in ihren Grundzügen skizziert. In der Vergangenheit wurde durch kurzfristige Maßnahmen der Kostendämpfung versucht, einem Anstieg der Gesundheitsausgaben entgegenzuwir­ken. Bei einer genaueren Betrachtung zeigt sich allerdings, dass eine monokausale Fixie­rung auf die Kosten den falschen Ansatz darstellt. Ein möglicher Lösungsansatz kann sich nicht ausschließlich auf die Einnahmen und Ausgaben konzentrieren. Es geht darum, an den grundlegenden Strukturen des Gesundheitswesens anzusetzen, da in diesem Be­reich enormes Potenzial liegt, Kosten zu senken (vgl. Cortekar 2006, 13).

Das deutsche Gesundheitssystem ist ebenso stark durch sektorale Abgrenzungen, Dis­kontinuität, fehlenden Handlungsdruck sowie die daraus resultierenden Ineffizienzen ge­kennzeichnet (vgl. Amelung 2011, 4). In diesem Zusammenhang rücken die Begriffe ״Qualität“ und ״Effizienz“ vermehrt in den Fokus. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, inwieweit effizienteres Handeln in der Gesundheitswirtschaft die Qualität der medi­zinischen Versorgung verbessern kann.

Bei der Umgestaltung des deutschen Gesundheitssystems kann sich eventuell an dem in den USA vorherrschenden Konzept Managed Care (MC) und den daraus resultierenden Versorgungsstrukturen orientiert werden (vgl. Cortekar 2006, 14), welche in Kapitel 3 ei­ner detaillierten Betrachtung unterzogen werden. Auch wenn das dort vorherrschende Konzept in seiner Gesamtheit nicht eins zu eins auf das deutsche Gesundheitswesen übertragen werden kann, bietet es doch Teilaspekte, welche nicht unberücksichtigt gelas­sen werden sollten. Es gibt wenige Begriffe, die im deutschen Gesundheitswesen so kont­rovers diskutiert werden wie MC. Die einen sehen darin das Ende des Solidaritätsgedankens, andere verweisen auf fragmentierte Versorgungsstrukturen und erhoffen sich durch MC Elemente eine zielgerichtetere Versorgungsstruktur (vgl. Amelung 2012, 1).

Dabei wird oft vergessen, dass MC kein in sich geschlossenes System, sondern eine Sammlung verschiedener Instrumente zur Anreizsteigerung der beteiligten Akteure ist. Aus diesem Grund lohnt sich ein Blick über den Tellerrand hinaus in andere europäische Gesundheitssysteme. Die Schweiz sowie die Niederlande, welche das Ranking des ״Health Consumer Powerhouse“ (HCP) an erster stelle abschlossen, haben ausgewählte MC-lnstrumente in ihre hiesige Versorgungsstruktur integriert. In Kapitel 4 werden diese vorgestellt sowie einer Analyse unterzogen.

In Deutschland sind neue Versorgungsformen bis jetzt noch nicht über den Status eines Modellversuches hinausgekommen. Das wird unter anderem daran deutlich, dass seit dem Jahre 2008 keine detaillierten Aufzeichnungen über das Vertragsgeschehen in einem Integrierten Versorgungssystem vorliegen. Das von der AOK Niedersachsen initiierte Ver­sorgungssystem ״Schizophrenie“ hat eine positive Resonanz erfahren. Es wird ebenfalls in Kapitel 4 vorgestellt.

Im fünften und abschließenden Kapitel werden die Ergebnisse zusammengefasst und in einer grafischen Darstellung visualisiert. Zudem werden Handlungsempfehlungen und Erfolgsfaktoren dargestellt.

2 Finanzierung des Gesundheitswesens

Der gesamte volkswirtschaftliche Ressourcenverbrauch, der im Laufe eines Jahres von den verschiedenen Ausgabenträgern für die Wiederherstellung oder den Erhalt der Ge­sundheit aufgewendet wurde, wird in der Gesundheitsausgabenrechnung dargestellt. Da­zu zählen alle Ausgaben für Aktivitäten oder Güter, die zur Gesundheitsbehandlung zählen. Als Richtliniensystem dient das von den OECD-Ländern festgelegte ״System of Health Accounts“ (SHA).

In Deutschland ist das Statistische Bundesamt für die Durchführung der Gesundheitsaus­gabenrechnung verantwortlich. Dabei fasst es Prozessdaten aus unterschiedlichen Da­tenquellen (Versicherungsträgern, Bundesministerien, Verbänden usw.) zusammen (vgl. Müller/Böhm 2009, 8).

2.1 Beteiligte Akteure

Im Jahre 2013 betrugen die Gesundheitsausgaben in der Bundesrepublik Deutschland 314,939 Milliarden Euro. Die Gesundheitsausgaben haben sich somit im Vergleich zum Jahre 1992 beinahe verdoppelt. Die hohe Zahl relativiert sich, wenn man sie in das Ver­hältnis zur allgemeinen Wirtschaftsleistung setzt. In Abbildung 1 erkennt man, dass der prozentuale Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den letzten 23 Jahren stabil geblieben ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Anteil Gesundheitsausgaben am BIP

Die Gesundheitsausgaben werden nach Ausgabenträgern, Leistungsarten und Einrich­tungen aufgeteilt.

2.1.1 Ausgaben nach Ausgabenträgern

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Gesundheitsausgaben nach Ausgabenträgern

Abbildung 2 zeigt, dass eine Vielzahl von Trägern für die Leistungen im Gesundheitswe­sen der Bundesrepublik Deutschland aufkommen:

- Gesetzliche Krankenversicherung
- Öffentliche Haushalte
- Soziale Pflegeversicherung
- Gesetzliche Rentenversicherung
- Gesetzliche Unfallversicherung
- Private Krankenversicherung
- Arbeitgeber
- Private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck

Die gesetzliche Krankenversicherung ist der wichtigste Ausgabenträger; sie kam im Jahre 2013 auf 57,6% der gesamten Gesundheitsausgaben. Mitte der 1970er Jahre setzte ein Wandel in der Gesundheitspolitik ein, welcher auch als Beginn der ״Kostendämpfungspoli- tik“ bezeichnet werden kann. Bis in die heutige Zeit wurden Kostendämpfungsgesetze verabschiedet, die darauf abzielen, die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenver­Sicherung zu begrenzen (vgl. Simon 2013, 52).

2.1.2 Ausgaben nach Leistungsarten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gesundheitsausgaben nach Leistungen

Leistungen im Gesundheitswesen werden mit dem übergeordneten Ziel erbracht, die Ge­sundheit der Patienten zu erhalten oder wiederherzustellen (vgl. Müller/Böhm 2009, 17). Abbildung 3 belegt die enorme Bedeutung des Arztberufes in Deutschland. Der größte Teil der Leistungen wird ärztlich erbracht oder veranlasst. Präventionsmaßnahmen ge­Winnen zunehmend an Bedeutung. Die Bundesregierung möchte in Zukunft Prävention als eigenständige vierte Säule des Gesundheitswesens verankern (vgl. Müller/Böhm 2009, 20).

2.1.3 Ausgaben nach Einrichtungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Gesundheitsausgaben nach Einrichtungen

Die Ausgaben fallen innerhalb des Gesundheitswesens in verschiedenen Einrichtungen an. Der Schwerpunkt liegt auf Einrichtungen des ambulanten Sektors: In diesem betrugen die Ausgaben für Gesundheitsleistungen insgesamt 155,513 Milliarden Euro (vgl. Mül­ler/Böhm 2009, 22).

2.2 Gesundheitswirtschaft

Die Gesundheitswirtschaft nimmt als Standort-, Kosten- und Wachstumsfaktor Einfluss auf die deutsche Volkswirtschaft (vgl. Heible 2015, 1) und wird in der Gesellschaft immer stärker als Wirtschaftsfaktor und eigenständiger Wirtschaftszweig wahrgenommen. Mit ihren Auswirkungen auf die Beschäftigung und die volkswirtschaftliche Wertschöpfung erweist sie sich als eine Wachstumsbranche, die Synergieeffekte durch die Verbindung verschiedener Unternehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen fördert und eine Erschließung neuer Geschäftsfelder beschleunigt (vgl. Henke/Braeske 2011,23).

Der Markt für Gesundheitsleistungen wird regelmäßig als Wachstumsmarkt charakteri­siert. Tatsächlich ist die Gesundheitswirtschaft in den letzten Jahren schneller als die Ge­samtwirtschaft gewachsen. In den Jahren 2003-2013 entsprach die durchschnittliche Wachstumsrate der gesamtwirtschaftlichen Bruttowertschöpfung 2,4%, im selben Zeit­raum stieg die Gesundheitswirtschaft um 3,5% (vgl. Abbildung 5).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Wachstum der Gesundheitswirtschaft

2.2.1 Beteiligte an der Gesundheitswirtschaft

Zu den übergreifenden Entwicklungen^rends, speziell in der Gesundheitswirtschaft, iden­tifizierten Teilnehmer des Metaforums globale Megatrends, durch die sich ein Innovati­onsbedarf ergibt:

- Globalisierung
- Demografischer Wandel
- Multimorbidität
- Technologischer Wandel
- Individualisierung (vgl. Henke/Braeske 2011, 38)

Diese Determinanten wirken auf Struktur, Art und Umfang der Gesundheitsausgaben ein (vgl. Henke/Braeske 2011, 39).

Bührlen et al. arbeiteten folgende sechs unterschiedliche Akteure in der Gesundheitswirt­schaft heraus:

- Menschen, die Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen
- Leistungserbringer
- Ausgabenträger
- Industrie
- Teilnehmer an der politischen Willensbildung
- Öffentliche Forschungs- und Entwicklungsinstitute (vgl. Bührlen 2008, 37).

Eine gemeinsame Ausrichtung und Zielsetzung aller Beteiligten im Gesundheitswesen ist nötig, damit die für das Gesundheitssystem relevanten Gruppen Entscheidungen treffen können (vgl. Bührlen 2007, 5). Allerdings agieren im Gesundheitsmarkt deutlich mehr Ak­teure als in ״normalen“ Märkten. Deren unterschiedliche Interessenslagen verkomplizieren oftmals eine einheitliche Ausrichtung aller Beteiligten und können als innovationshem­mend wahrgenommen werden (vgl. Henke/Braeske 2011, 43). Das Innovationspotenzial der Gesundheitswirtschaft besteht aus einer verbesserten Koordinierung der Leistungser­bringung. Diese Prozessinnovationen führen laut Wasmuth ״zu einer erhöhten Produktiv¡- tat, d.h. es kann es kann mit gleichem Faktoreinsatz mehr produziert werden, oder ein gegebener Output mit geringerem erreicht werden“ (Wasmuth 2013, 33). Ferner führen Produktinnovationen ״zur Einführung neuer oder verbesserter Güter“ (Wasmuth 2013, 33). Während erstere in der Regel als kostendämpfend wahrgenommen werden, führen letzte­re zumeist zu Kostensteigerungen (vgl. Wasmuth 2013, 33).

Der Gesundheitsmarkt wird in zwei Teile gegliedert. Der erste Markt wird häufig anhand der Erstattungsfähigkeit von Leistungen definiert. Er umfasst die erstattungsfähigen Ge­sundheitsleistungen der gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen. Der zweite Gesundheitsmarkt beinhaltet die als gesundheitswirksam angesehenen Leistungen wie Sportartikel, Wellness oder Functional Food (vgl. Henke/Braeske 2011, 96). Für den zwei­ten Gesundheitsmarkt wird innerhalb der Bevölkerung die Gruppe der Senioren an Be­deutung gewinnen. Mit der steigenden Krankheitsanfälligkeit im Alter verbindet sich zwar ein zunehmender Bedarf an Gesundheitsleistungen, insbesondere im stationären Bereich, in der Pflege und in Rehabilitationszentren (vgl. Oberender/Zerth 2010, 186). Allerdings eröffnet ein Wertewandel Aktivität und Vitalität auch im Alter zu erhalten ein Marktseg­ment für Produkte, welche die Steigerung der Lebensqualität zum Ziel haben.

2.2.2 Gesundheit als Wirtschaftsfaktor

In der Gesundheitsbranche findet derzeit ein grundlegender Perspektivenwechsel statt. Das Gesundheitssystem wird von den staatlichen Institutionen nicht mehr ausschließlich aus dem Blickwinkel der finanziellen Nachhaltigkeit und Kosteneindämmung gesehen. Stattdessen findet eine Entwicklung in der Gesundheitsvorsorge statt, die zunehmend den Patienten und den Versorgungsprozess in den Mittelpunkt stellt (vgl. Oberender/Zerth 2010, 175). Die Gesundheit der Bürger wird in einer zunehmend globalisierten Wirtschaft zum Standortfaktor. Eine verlängerte Lebenszeit bzw. eine lang anhaltende Leistungsfä­higkeit der Arbeitnehmer führt zu einer höheren Produktivität (vgl. Henke/Braeske 2011, 71). Dabei gewinnen vor allem Präventionsmaßnahmen zur Vermeidung indirekter Krank­heitskosten an Bedeutung, welche von Henke und Braeske als ״Verlust von Ressourcen in Form einer geringen Wertschöpfung als Folge von Morbidität und vorzeitiger Mortalität“ (Henke/Braeske 2011, 77) definiert werden. Dementsprechend lassen sich steigende In­vestitionen für die Erhaltung, Förderung und Wiederherstellung der Gesundheit durchaus positiv für die Gesellschaft sehen und werden sich unter Umständen in der Zukunft be­zahlt machen. Gesundheit fördert Wachstum, Produktivität und das gesellschaftliche Wohlergehen eines Staates (vgl. Henke/Braeske 2011, 34).

Außerdem kann eine gesunde Gesellschaft auch aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive heraus analysiert werden. Krankheitsbedingte Arbeitsausfälle können als Opportunitäts­kosten angesehen werden. Es handelt sich dann um ein Maß für den Wert der Güter und Dienstleistungen, die die Gesellschaft wegen Krankheit gegenwärtig oder zukünftig nicht produzieren kann. Durch das Vermeiden von Krankheit und Frühverrentung können so­wohl die Industrie als auch der Staat von einem qualitativ hohen Gesundheitszustand pro­fitieren (vgl. Henke/Braeske 2011,63).

Die Gesundheitswirtschaft zeichnet sich auch in Zeiten erhöhter Arbeitslosenquoten als zuverlässiger Arbeitgeber aus. Abbildung 6 zeigt, dass im Jahre 2014 rund 14,5 Millionen Erwerbstätige im Gesundheitssektor beschäftigt waren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Erwerbstätige im Gesundheitswesen

2.3 Spezifika des Gesundheitswesens in Deutschland

Das deutsche Gesundheitssystem ist durch den Korporatismus geprägt, welcher auf die Anfangsjahre der von Bismarck im Jahre 1883 eingeführten Krankenversicherung zurück­geht. In Deutschland nimmt der Gemeinsame Bundesauschuss Aufgaben zur Ressour­cenverteilung und Qualitätssicherung wahr. Er legt hauptsächlich fest, welche medizinischen Leistungen im Einzelnen von den gesetzlichen Krankenkassen Übernom­men werden (vgl. Bandelow 2004, 49).

Aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts leitet sich die Verantwortung des Staates ab, die Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins und das Vor­handensein einer medizinischen Grundversorgung zu sichern (vgl. Heible 2015, 70).

2.3.1 Solidarsystem

Das im Jahre 1883 von Otto Eduard Leopold von Bismarck-Schönhausen eingeführte Gesundheitssystem hat bis heute in seinen Grundzügen Bestand. Bismarck wollte mit der Einführung der Sozialversicherungen die Abhängigkeit des Proletariats von den Gewerk­schaften verringern und den Einfluss des Deutschen Kaiserreiches stärken.

Das Solidarprinzip ist das wichtigste und zentrale Prinzip der gesetzlichen Krankenkas­sen. Die Mitglieder aller gesetzlichen Krankenkassen gewähren sich gegenseitige Unter- Stützung im Krankheitsfall. Die Beiträge werden nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leis­tungsfähigkeit erhoben. Für den weit überwiegenden Teil der Mitglieder der Solidarge- meinschaft begründet sich die Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht auf deren freiwillige Bereitschaft, sondern ist durch gesetzlich verfügte Versicherungs­Pflicht erzwungen (vgl. Simon 2013, 105).

Dabei findet ein finanzieller Ausgleich zwischen jungen, gesunden und alten, krankheits­anfälligen Menschen (Krankheitslastenausgleich), zwischen ledigen Bürgern und Familien (Familienlastenausgleich) sowie zwischen Höher- und Geringverdienern und zwischen Erwerbstätigen und Nicht-Erwerbstätigen (Einkommensbelastungsausgleich) statt. In vie- ledei Hinsicht wird das Solidarprinzip nicht erfüllt. Andere Einkommensformen werden durch die Kopplung an den Lohn nicht berücksichtigt. Es handelt sich bei der paritätischen Finanzierung nicht wie ursprünglich beabsichtigt um eine Umverteilung, sondern eher um vorenthaltenen Lohn. Problematisch ist dies insofern, als hier über die Lohnnebenkosten eine Verknüpfung von Arbeitslosigkeit und Gesundheitssystem stattfindet. Ein weiterer Anstieg der Versicherungsbeiträge wäre nicht nur sozialpolitisch fragwürdig, sondern wür­de sich - bei zunehmender Globalisierung - auch als Standortnachteil auswirken (vgl. Rachold 2006, 47ff).

Der Gesetzgeber stellt dem Solidarprinzip das Subsidiaritätsprinzip ergänzend zur Seite. Dieses Prinzip fordert, dass Lasten, die vom Individuum und kleineren Solidargemein- schaften getragen werden können, auch von diesen übernommen werden und die jeweils größere Solidargemeinschaft erst eintritt, wenn die kleinere Gemeinschaft überfordert ist. In der gesetzlichen Krankenversicherung spielt dieses Prinzip eher eine untergeordnete Rolle. Am deutlichsten ausgeprägt ist es im Bereich der Sozialhilfe (vgl. Simon 2013, 107f).

Ebenfalls charakterisierend für das deutsche Gesundheitssystem ist das Bedarfsde­ckungsprinzip. Durch die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenkasse wird deren Mitgliedern im Krankheitsfall ein Anspruch auf die medizinisch notwendigen Leistungen gewährt. Die Sach- und Dienstleistungen im Rahmen einer Krankenbehandlung müssen ausreichend und zweckmäßig sein, dürfen allerdings auch ״das Maß des Notwendigen nicht überschreiten“ (vgl. Simon 2013, 109). Die Leistungen der GKV werden überwie­gend als Sachleistungen deklariert. Sie sind für den einzelnen Versicherten fast aus­schließlich zum Nulltarif zu erhalten.

2.3.2 Versicherungssystem

Seit dem 1. Januar 2009 gilt eine allgemeine Versicherungspflicht für alle Personen mit Wohnsitz in Deutschland. Durch die Mitgliedschaft in einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung ist diese Pflicht erfüllt (vgl. Heible 2015, 70).

Die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland ist im Kern eine Zwangsversiche­rung für alle Arbeitnehmer mit einem Einkommen unterhalb einer festgelegten Einkorn- mensgrenze, der Versicherungspflichtgrenze. Mit Ausnahme bestimmter Personengruppen besteht für Bürger der Bundesrepublik Deutschland keine Wahlfreiheit zwischen GKV und PKV (vgl. Heible 2015, 70). Durch die regelmäßige Zahlung des Ver­Sicherungsbeitrages erhält der Versicherte einen Rechtsanspruch auf die Übernahme der Behandlungskosten, die im Zuge eines Krankheitsfalles entstehen. Die Versorgung mit Gesundheitsleistungen orientiert sich nicht an der Höhe der gezahlten Beiträge, sondern am medizinischen Bedarf (vgl. Heible 2015, 71).

Vor dem Hintergrund der Einnahmeschwäche der GKV wird seit einigen Jahren verstärkt diskutiert, ob die Versicherungspflicht in der GKV nicht auf weitere Personengruppen ausgedehnt werden sollte, um die Finanzierung auf eine breitere Grundlage zu stellen. Deswegen wird die Möglichkeit der Rückkehr in die GKV schrittweise erschwert. Damit soll verhindert werden, dass Versicherte in jungen Jahren zu einer für sie günstigen PKV wechseln und im Alter wieder in die GKV zurückkehren (vgl. Simon 2013, 116).

2.4 Finanzierung

Die Vergütung der ärztlichen Behandlung in Deutschland gliedert sich in mehrere Teilbe­reiche und erfolgt nicht im Rahmen eines einheitlichen Vergütungssystems. Dies liegt an der Unterteilung in ambulante und stationäre Leistungserbringer.

2.4.1 Leistungsbezogene Abrechnung

Die Krankenkassen vergüten die vertragsärztliche Versorgung ihrer Versicherten über die Gesamtvergütungen, die sie als Pauschale je Mitglied an die Kassenärztlichen Verein¡- gungen überweisen, mit der in der Regel alle Leistungen abgegolten sind (vgl. Bormann 2012, 134).

Grundlage der vertragsärztlichen Vergütung sind Gesamtverträge, die die jeweilige Kas­senärztliche Vereinigung mit den Landesverbänden der Primärkassen und den Landes­Vertretungen der bundesweit organisierten Ersatzkassen vereinbart (vgl. § 83 SGB V). Im Gesamtvertrag werden Vergütung und Inhalt der vertragsärztlichen Versorgung der Versi­cherten der jeweiligen Kassenart vereinbart. Die Vergütungsvereinbarung ist Bestandteil des Gesamtvertrags (vgl. Simon 2013, 309).Die Krankenkassen zahlen die Gesamtvergü­tung für die Übernahme des Sicherstellungsauftrages durch die Kassenärztliche Verein¡- gung. Die Verteilung erfolgt nach festgelegten Kriterien und Regeln, welche durch den bundesweit geltenden einheitlichen Bewertungsmaßstab und den Honorarverteilungs­maßstab vorgegeben sind (vgl. Simon 2013, 310). Der EBM weist seit der Gesundheitsre­form 2007 keine Punktzahlen, sondern Eurobeträge aus, die das wertmäßige Verhältnis der verschiedenen Leistungen zueinander ausdrücken. Damit reagierte der Gesetzgeber auf die Kritik der Leistungserbringer, welche das bisherige Honorarsystem als intranspa­rent bezeichneten (vgl. Olkowski/Wasem 2007, 52f).

Um eine stärkere Mengensteuerung vorzunehmen, wurden im Jahre 2007 Regelleis­tungsvolumina eingeführt. Sie definieren die Leistungsmengen je Arztgruppe in Bezug auf den durchschnittlichen Behandlungsbedarf. Ein Leistungserbringer erhält den Punktwert nur, wenn er sich innerhalb des festgelegten Regelleistungsvolumens befindet (vgl. Bor­mann 2012, 135).

2.4.2 Fallbezogene Abrechnung

Im Jahre 2000 stellte der Bundestag mit der Verabschiedung des GKV- Gesundheitsreformgesetzes die Vergütung von Krankenhausleistungen auf eine neue Grundlage. Bis dahin hatten die Krankenhäuser direkt mit den Krankenkassen den Budgetrahmen für ihre Einrichtungen ausverhandelt. Krankenhäuser hatten einen Wirt­schaftlichen Anreiz, Patienten möglichst lange im Hause zu behalten. Es wurde pro ״Lie- getag“ bezahlt. Aspekte wie Wirtschaftlichkeit, Wettbewerb und Transparenz spielten im stationären Sektor eine untergeordnete Rolle.

Das neue Diagnostic Related Group (DRG) Fallpauschalensystem ist ein Preissystem. Der Preis einer DRG ergibt sich aus der Multiplikation von Basisfallwert und Relativge­wicht. Das DRG-System ist ein lernendes System, da sich der Fallpauschalenkatalog und die abgerechneten Leistungsmengen jährlich ändern. Dies liegt an der medizinischen Entwicklung und den damit einhergehenden Prozess- und Produktinnovationen (vgl. Im­dahl/Heubel 2015, 98). Die Krankenkassen erstatten die Leistungen der Krankenhäuser nach einheitlichen Preisen. Alle Krankenhäuser erhalten für die gleiche Leistung den glei­Chen Preis. Krankenhäuser, die für eine Diagnose mehr Ressourcen aufwenden, als es die Preise vorgeben, riskieren ihren Fortbestand. Somit ist ein Krankenhaus de facto zur Prozessoptimierung gezwungen (vgl. Imdahl/Heubel 2015, 94f).

Im Fallpauschalengesetz 2002 wird zur Begründung des DRG-Systems ausgeführt: ״Es soll dazu beitragen, dass die Ressourcen bedarfsgerechter und effizienter eingesetzt werden.“ (vgl. Simon 2007, 44). Demnach liegt der Einführung der DRGs die Annahme zugrunde, dass eine Steuerung der stationären Versorgung mittels ökonomischer Anreize möglich und für alle Beteiligten positiv sei. Das daraus resultierende Anpassungsverhalten der medizinischen Fachkräfte an vorgegebene Rahmenbedingungen soll zu einer effizien­teren und qualitativ hochwertigeren stationären Versorgung führen (vgl. Braun/Buhr/Klinke/Müller/Rosenbrock 2009, 61).

Ein pauschalisiertes Vergütungssystem kann nur dann seinem Anspruch einer leistungs­gerechten Allokation der finanziellen Mittel gerecht werden, wenn es über ein Klassifikati­onssystem verfügt, welches die bestehende Versorgungswirklichkeit und die Leistungsstrukturen widerspiegelt (vgl. Baum 2009, 26). Tatsächlich bietet das DRG- System keinerlei Instrumentarium, um zu messen, ob sich die Ressourcenverteilung im Krankenhaus am Versorgungsbedarf der Bevölkerung einer bestimmten Versorgungsre­gion orientiert. In das DRG-System werden außer allgemeinen Patientendaten nur die vom Arzt festgestellte Haupt- und Nebendiagnose eingegeben. Es verfügt über keinerlei Instrumente zur Messung von Struktur- oder Ergebnisqualität und kann dadurch keine bedarfsgerechte Versorgung abbilden oder fördern. Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber über keine Definition des Begriffs ״Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus“ oder quantifizierba­re Kennzahlen für deren Messung verfügt (vgl. Simon 2007, 52).

Infolgedessen sind Leistungserbringer angehalten, mindestens kostendeckend zu arbei­ten. Dies kann sowohl durch Steigerung der Erlöse als auch durch eine Reduktion der Kosten erfolgen. Im Zeitalter der DRGs gilt es somit, abrechnungsrelevante Fälle und de­ren Relativgewichte zu steigern. Ergebnisverbesserungen lassen sich außerdem auch durch Up- bzw. Rightcoding generieren. Dabei werden Basisfallwert und Relativgewicht bewusst falsch kodiert, um einen höheren Erlös zu erhalten (vgl. Imdahl/Heubel 2015, 106). Eine Korrelation zwischen dem Wert einer erbrachten Krankenhausleistung und der Veränderung der Fallzahlen konnte in einem Gutachten belegt werden. Darin heißt es: ״Erhöht sich das DRG-Gewicht um einen Prozent, steigen die Fallzahlen im Krankenhaus durchschnittlich um 0,2 Prozent pro Jahr an. Sinkt das DRG-Gewicht um einen Prozent, nimmt die Zahl der stationären Fälle um 0,2 Prozent ab.“ (vgl. Ärzteblatt)

Das neue Abrechnungssystem hat zu einem Anstieg privater Krankenhausgesellschaften geführt, welche dem Gewinnmaximierungsprinzip folgen (vgl. Abbildung 7).

[...]

Fin de l'extrait de 58 pages

Résumé des informations

Titre
Qualität und Effizienz in der Gesundheitswirtschaft. Leistungsbegrenzung zur Kostendämpfung
Université
University of Applied Sciences Mittweida
Note
2,0
Auteur
Année
2016
Pages
58
N° de catalogue
V429637
ISBN (ebook)
9783668768574
ISBN (Livre)
9783668768581
Taille d'un fichier
1805 KB
Langue
allemand
Mots clés
Qualität, Effizienz, Gesundheitswirtschaft, Internationale Gesundheitssysteme, Managed Care, Integrierte Versorgung, Leistungsbegrenzung im Gesundheitswesen, Disease Management
Citation du texte
Marius Kaltwasser (Auteur), 2016, Qualität und Effizienz in der Gesundheitswirtschaft. Leistungsbegrenzung zur Kostendämpfung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/429637

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