Die Mutterrolle in den Novellen Guy de Maupassants


Term Paper, 2017

20 Pages, Grade: 1,7


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Inhaltsverzeichnis
1) Einleitung
2) Das Frauenbild im 19.Jahrhundert
2.1
) Der Geschlechterdiskurs und die Pathologisierung der Frau
2.2
) Die Rolle der Mutter in der Literatur des 19.Jahrhunderts
3) Die Mutterrolle in drei ausgewählten Erzählungen Maupassants
3.1) ,,L'inutile beauté"
3.2) ,,La mère aux monstres"
3.3) ,,Une famille"
3.4) Parallelen und Unterschiede in der literarischen Inszenierung der Mutter
4) Guy de Maupassants Biographie
4.1) Maupassants Leben und die Erfahrung mit Frauen
4.2) Maupassants Erzählungen und ihr Bezug zu autobiographischen Aspekten
5) Fazit
6) Literaturverzeichnis
7) Anhang

Culina 1
1)Einleitung
Guy de Maupassant zählte mit seinen rund 300 veröffentlichten Novellen und sechs Romanen
neben seinem Mentor und Vorbild Flaubert, sowie Zola, Stendhal und Balzac zweifelsohne zu
den bekanntesten französischen Schriftstellern des 19. Jahrhunderts (Campa 2004: 11).
Maupassant kreierte im Rahmen der literarischen Phantastik und des Naturalismus
Gegebenheiten und Protagonisten, die von übernatürlichen Ereignissen heimgesucht werden
oder durch märchenhafte Inszenierungen gekennzeichnet sind und führt sie auf
psychologische Phänomene zurück wodurch er sie wiederrum zu realistischen Darstellungen
machte (Brittnacher 2017:116). Im Fokus der Naturalisten standen zunehmend sozialkritische
Aspekte und der Geschlechterdiskurs. Durch die Industrialisierung und die Frauenbewegung
im 19. Jahrhundert kam der Bedarf an Neubestimmung der Geschlechterrollen auf und
zentrale Motive der Literatur wurden unter anderem verschiedene Frauenrollen, sowie
Mutterfiguren. Die Naturalisten vertraten aber eine sehr ambivalente Position bezüglich der
Frauenemanzipation, obwohl sie stets Sympathie für die Frauen der unteren Schichten und ihr
Schicksal empfanden. Die Mutterschaft wurde bei den Naturalisten und Realisten zu einem
der zentralen Motive in der Literatur, da sich die Frau im 19. Jahrhundert fast ausschließlich
durch die Ehefrau und Mutterrolle identifizieren ließ.
Die vorliegende Arbeit soll sich mit der Mutterrolle in den drei ausgewählten Novellen
Maupassants ,,L'inutile beauté", ,,La mère au monstre" und ,,Une famille" beschäftigen. Als
Einführung soll sowohl die Darstellung der Frau im 19. Jahrhundert, als auch der Einblick in
wissenschaftliche und philosophische Auffassungen über das weibliche Geschlecht dienen.
Schließlich soll diese abgerundet werden durch eine kurze Einleitung über die Rolle der
Mutter in der Literatur des 19. Jahrhunderts und ihre ambivalente Daseinsbestimmung. Der
Fokus der Arbeit liegt aber auf den drei Novellen Maupassants mit Hilfe derer die Mutterrolle
analysiert werden soll und geschaut wird, ob es nur ein eindeutiges Motiv der Mutter gibt, die
literarisch inszeniert wird oder dieses doch zwiespältig ist. Schließlich soll ein Einblick in
Maupassants Leben, literarisches Schaffen aber auch seine Krankheit und persönlichen
Erfahrungen mit Frauen gegeben werden um letztlich vielleicht autobiographische Aspekte zu
seinen literarischen Inszenierungen von Frauen und Müttern herzustellen. Im Fazit soll
abschließend geklärt werden wie man die Mutterrolle in Maupassants Novellen definieren
kann und inwiefern die zeitgenössische Sichtweise auf Frauen, der Naturalismus und sein
eigenes Leben diese womöglich beeinflusst haben.

Culina 2
2. Das Frauenbild im 19.Jahrhundert
2.1 Der Geschlechterdiskurs und die Pathologisierung der Frau
Die Epoche des Naturalismus bis hin zur Literatur der Dekadenz stellten zunehmend Frauen
als zentrale Figuren dar. Die Identität der Frau war im 19.Jahrhundert gekennzeichnet durch
die Mutterschaft und Ehe. Im 18.Jahrhundert ordneten Philosophen, Mediziner, Pädagogen
und Schriftsteller den Frauen Charaktereigenschaften zu, die allgemeine Gültigkeit besitzen
sollten (Paletschek 1994: 161). Die Überlegenheit der Männer gegenüber den Frauen wurde
auf naturgegebene Eigenschaften, die den jeweiligen Geschlechtern zugeschrieben wurden,
zurückgeführt. Demnach wurden Männer als intellektuell überlegen, aktiv und rational
definiert, während die Frauen eher als passiv gesehen wurden, denn ihr Aufgabengebiet lag
ausschließlich im Bereich des Haushalts, der Kindererziehung und Fürsorge für den Ehemann
(Paletschek 1994: 162). Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trat aber für viele Frauen
das idealisierte Frauenbild in den Hintergrund. Durch die wirtschaftlichen Veränderungen, die
durch die industrielle Revolution eingeleitet wurden, kam die Frage nach einer Neudefinition
des Frauenbildes auf. Viele Großfamilien wurden aufgelöst und zahlreiche Frauen fingen an
zu arbeiten. Frauenvereine wurden gebildet und erhöhten ebenfalls den Einfluss der Frauen
(Paletschek 1994: 179). Trotz der Aufwertung der Frauen standen diese aber weiterhin an
zweiter Stelle in der damalig männerdominierenden Gesellschaft (Paletschek 1994: 184). Die
Forderungen der Frauen nach mehr Bildung und ihr teils veränderter Tätigkeitsbereich stellten
für die Männer eine große Bedrohung dar. Somit lösten diese Veränderungen im 19.
Jahrhundert einen Geschlechterdiskurs aus. Die Naturalisten fürchteten einen zu großen
Einfluss der Frauen und legten eine zunehmend antifeministische Haltung ein, obwohl sie
auch stets kritisch gegenüber der sozialen Frage und Unterdrückung der unteren Schichten
standen. Diese Angst vor der Feminisierung setzte sich in der Konstruktion verschiedener
Frauenbilder nieder. Bereits mit der Entstehungsgeschichte durch Adam und Eva, in welcher
Eva Adam überredet den verbotenen Apfel zu pflücken und damit Gottes Gebot bricht und
dem Menschen das Paradies auf der Erde verwehrt, wird die Dämonisierung der Frau
eingeleitet (Catani 2005: 88). Sowohl Philosophen, Pädagogen als auch Mediziner gestalteten
ein Frauenbild, das geprägt war durch eine nur bedingte Intelligenz, denn diese wäre den
Männern vorbehalten (Heuer 2001:269). Auch der deutsche Philosoph und Autor Arthur

Culina 3
Schopenhauer vertrat die Ansicht, dass es in der Natur liegt, dass die Frau eine untergeordnete
Stellung in der Gesellschaft einnimmt und erachtet diese deshalb als unabänderlich.
Darum liegt es in der Weiber Natur, alles nur als Mittel, den Mann zu gewinnen, anzusehen, und
ihr Anteil an irgend etwas Anderm ist immer ein simulierter, ein bloßer Umweg, d.h. läuft auf
Koketterie und Äfferei hinaus (Schopenhauer 2010: 28).
Nicht nur Schopenhauer war der Ansicht, dass die Frau das zweitklassige Geschlecht darstellt,
auch Weiniger stellt Theorien über das weibliche Geschlecht auf, welches seines Erachtens
nur durch die sexuellen Triebe geleitet wird (Stauffer 2008: 84). Demnach wurde die
,,Dämonisierung" (Stauffer 2008: 83) der Frau unter anderem beeinflusst durch Otto
Weinigers Theorien und den Weiblichkeitsbildern, die zahlreiche andere Philosophen,
Pädagogen und Mediziner entworfen haben. Folglich gab es im 19 Jahrhundert zahlreiche
anthropologische Beschreibungen des weiblichen Geschlechts und die Wissenschaftler
beschäftigten sich zunehmend mit der Pathologisierung der Frau (Catani 2005: 19). Dass die
Frau durch die Wissenschaft als ,,krank" klassifiziert wird, hat auch enorme Auswirkungen
auf die Inszenierung der Frauen in der Literatur. Die pathologischen Charakterzüge der
Frauen etablieren sich zum Krankheitsbild des 19 Jahrhunderts- die weibliche Hysterie
(Catani 2005: 26). Folglich wurde die Frau mit dem Kranksein in Verbindung gebracht und
durch zahlreiche Philosophen, Pädagogen und Gynäkologen die Passivität der Frau
ausgedrückt. Demnach könne die Frau nur durch das Buhlen um ein männliches Geschlecht
ihr Intellekt entfalten (Catani 2005:57). Mit den Anfängen der Emanzipation und dem
Ausleben der weiblichen Sexualität wurden folglich sofort Rückschlüsse auf die Krankheit,
das Böse und die Verwesung durch die Frau gezogen (Catani 2005:65). Dementsprechend
gestaltete sich die ,,ästhetische Dämonisierung" als männliche Reaktion auf die sich
entfaltende, aus der Norm ausbrechende weibliche Sexualität, die gleichzeitig die Ängste von
Männern vor einer stärker werdenden und veränderten Frauenrolle, verkörperte.
2.2 Die Rolle der Mutter in der Literatur des 19.Jahrhunderts
Das 19. Jahrhundert bildete eine gute Grundlage für die Dämonisierung des weiblichen
Geschlechts (Catani 2005: 88). Durch die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die damals über
die Frau gemacht wurden, entwickelten sich auch in der Literatur neue ästhetische Bilder von

Culina 4
Frauen. Eine dieser literarischen Inszenierungen war die ,,femme fatale" (Catani 2005: 89),
die durch ihr sexuelle Lust und Freizügigkeit alles Böse und Schlechte verkörpert. Dieser Typ
Frau wird immer als äußerst schön und anziehend dargestellt und nutzt dieses aus um die
Männer in das Verderben zu stürzen (Catani 2005: 94). Demgegenüber stand die femme
fragile, die eine eher zerbrechliche und passive Frau darstellt, die ebenfalls aus den sozialen
Normen ausbrechen möchte, dieses aber nicht so offensichtlich und manipulativ durchsetzten
kann wie die femme fatale. Gerade durch die industrielle Revolution und die
Frauenbewegungen zeigte sich eine immer größer werdende Reaktion der Frauen auf die
gesellschaftlichen Zwänge. Besonders von Bedeutung war für die Naturalisten die
Grundvorstellung einer idealen Mutter, die im Gegensatz zu einer selbstsüchtigen und
brutalen Mutterfigur stand. Da die Institution Ehe zur damaligen Zeit das Dasein einer Frau
bestimmt hat, gestaltete sich die Mutterschaft außerhalb der Ehe als sehr problematisch. Die
ledige Mutterschaft bedeutete für die Frauen damals sowohl die Ausgrenzung aus der
Gesellschaft, als auch einen finanziellen Notstand. Durch diesen Hintergrund entfalteten sich
literarisch Mutterfiguren, die ebenfalls dämonisiert werden, da sie ihre Kinder schlecht
behandeln oder gar beseitigen und verweigern um nicht mehr überfordert zu sein. Mit diesen
Weiblichkeitskonstruktionen geht auch die Frage nach einer konfliktreichen Ehe und der
missglückten Ehefrau einher, die die Naturalisten beschäftigte. Diese gegensätzlichen
Konstruktionen von Frauen und Müttern, die teils passiv und ihrer Rolle ergeben sind und den
Idealvorstellungen der Gesellschaft entsprechen, dadurch aber seelisch erkranken, da sie sich
nicht in ihrer Persönlichkeit entfalten können und diejenigen, die aktiv ihre Lust und
Sexualität ausleben, bilden Grundlagen für diesen literarischen Geschlechterdiskurs. Nicht
nur Maupassant führte in seinen Erzählungen gegensätzliche Frauen und Mutterfiguren auf
und inszenierte literarisch die hysterische und krankhafte Mutter. Auch Flauberts ,,Mme
Bovary" und Fontanes ,,Effi Briest" behandeln das Thema der Frau, die sich aus der Ehe
loslöst und ihrem sexuellen Verlangen nachgibt (Catani 2005: 89). Seit Rousseau beginnt die
Rolle der Mutter in der Gesellschaft und der Literatur eine außerordentlich große Rolle zu
spielen (Mann 1989: 270). Mit ,,Emile ou de l'éducation" definierte er das Mutterbild neu und
führte das Idealbild der Mutter auf die Natur und den Tierinstinkt zurück, die eine selbstlose
und nur dem Kind gewidmete Stellung einnehmen muss(Blaha-Peillex 2008: 18). Die Frauen,
die nicht diesem Idealbild entsprachen, wurden von der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts
ausgegrenzt, als böse Mutter oder Verbrecherin angesehen (Blaha-Peillex 2008: 29).

Culina 5
Gerade die Phantastik im 19.Jahrhundert macht in den contes fantastiques die problematische
und ambivalente Frauen- und Mutterrolle zum Thema und bettet die Phantasien der Männer
von einer Weiblichkeit, die durch Gegensätze geprägt ist, ein. Maupassant, der als einer der
bedeutendsten Vertreter der literarischen Phantastik zu sehen ist, setzt sich mit gerade diesem
Thema auseinander und inszeniert verschiedene Frauen und Mutterrollen, die nun anhand drei
ausgewählter Novellen analysiert werden sollen.
3. Die Mutterrolle in drei ausgewählten Erzählungen Maupassants
3.1 L'inutile beauté
Die Novelle ,,L'inutile beautè", die im Jahre 1890 erschienen ist, spielt in Paris und erzählt
die Geschichte von der Comtesse und dem Comte de Mascaret. Die Novelle beginnt damit,
dass das Aristokratenpaar ihren Fahrer beauftragt sie in ihrer Kutsche von ihrer Villa zum
Park ,,Bois de Boulogne" im westlichen Paris zu fahren. Auf dem Weg lässt die Gräfin all
ihren Ärger und Frust heraus und versucht dem Grafen deutlich zu machen, dass sie seit elf
Jahren in ihrer Ehe nur die gebärende Mutter und Ehefrau gewesen ist und ihm, dem Grafen,
sieben Kinder in Folge zur Welt gebracht hat. Zudem beschwert sie sich noch darüber, dass
sie seitdem ihren sozialen Status nicht genießen konnte und er die Kinder nur als Werkzeug
nutze um sie ihrer Freiheit und Schönheit zu berauben. Da er selbst nach diesen
Anschuldigungen nicht von seiner Machtpositionen als Mann zurückweichen will, führt ihn
die Gräfin zu einer Kirche in welcher sie vor Gott schwört, dass eines der Kinder nicht sein
leibliches ist. Da sie ihm selbst nach einer Konfrontation nicht sagen möchte welches der
Kinder es ist, unternimmt er eine lange Reise und verlässt sie sechs Jahre lang nachdem er ihr
einen Brief hinterlässt, in welchem er sie informierte sie und die Kinder in dieser Zeit
finanziell abgesichert zu haben. Als er nach sechs Jahren wiederkommt konfrontiert der Graf
seine Frau wieder mit derselben Problematik und erklärt ihr wie sehr er gelitten hat und
endlich die Wahrheit erfahren möchte. Die Gräfin sagt ihm schließlich sie hätte gelogen nur
um keine weiteren Kinder gebären zu müssen und endlich frei zu sein. Schließlich sieht der
Graf an seiner Frau etwas, was er nie zuvor gesehen hat. Er sieht eine Frau, die nicht nur
geschaffen wurde um ihm Kinder zu schenken, sondern eine ihm ebenbürtige Partnerin und
beteuert letztlich, dass er ihr glaube.
Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Die Mutterrolle in den Novellen Guy de Maupassants
College
University of Potsdam  (Institut für Romanistik)
Grade
1,7
Author
Year
2017
Pages
20
Catalog Number
V430843
ISBN (eBook)
9783668743007
ISBN (Book)
9783668743014
File size
675 KB
Language
German
Keywords
mutterrolle, novellen, maupassants
Quote paper
Martina Culina (Author), 2017, Die Mutterrolle in den Novellen Guy de Maupassants, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/430843

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