Entwicklung von Hochtemperaturwerkstoffen an der Akademie der Wissenschaften der DDR von 1949-1991

Eine Bilanz der Forschungsarbeiten und der Zusammenarbeit mit der Hersteller- und Anwenderindustrie


Textbook, 2014

101 Pages


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

0. Vorwort

I Die Gründungszeit der Abteilung „Feuerfeste Materialien“ Biografie Dr. Martin Blanke

II. Organisatorische Einbindung der Abteilung „Feuerfeste
Materialien“ und deren Forschungstechnik 1949-1991
Biografie Prof. Dr. Hans Heinrich Franck
Biografie Prof. Dr. Klaus Kühne
Biografie Dr. Eberhard Frischbutter
Biografie Prof. Dr. Wilhelm Hinz
Biografie Prof. Dr. Fred-Gustav Wihsmann
Biografie Dr. Gerd Kley

III. Überblick über die seit 1949 bearbeiteten Forschungsthemen und die dabei stattgefundene Zusammenarbeit mit der Hersteller- und Anwender-Industrie.
Einleitung
III.1. Forschungsarbeiten in der Zeit von 1949 bis 1961
Ersatz für nicht mehr zugängliche Rohstoffe und erste SG-Stein-Entwicklung
Kleintechnische Versuche im IfaS, im Stickstoffwerk
Piesteritz, in der Elektroschmelze Zschornewitz und im
Glaswerk Schott & Gen. Jena
Produktionseinführung der SG-Steine in Zschornewitz
III.2. Forschungsarbeiten in der Zeit von 1961-1991.
Erweiterung der Palette mit SG-Stein-Qualitäten und
Verbesserung der Eigenschaften
Schmelz-MgO-Versuche
Schmelz-Mullit-Versuche
Herstellung von Hohlkugel-Korund
Untersuchungen zur Erarbeitung eines Blasentests
Untersuchungen zur Lunker-Ortung
Schmelz-Technologie und Charakterisierung
von SG-Materialien
ESMA-Untersuchungen an SG-Materialien
SG-Stein aus β-Tonerde
Plasmaschmelzen von SG-Materialien
Methode zur Testung von Feuerfestmaterialien im Oberofen
Entwicklung und Untersuchung von chromoxidhaltigen
SG-Materialien für die Glas- und Stahlindustrie
(Al2O3-Cr2O3-Steine)
Aufbereitung von ZrO2-haltigen Abfall-Materialien
Entwicklung und Untersuchung von basischen
Hochtemperaturmaterialien (MgO / Dolomit) für die
Stahlindustrie
Charakterisierung und Optimierung der SG-Stein-Qualitäten
SG1, SG30 und SG40 sowie Untersuchung des
Einsatzverhaltens sowie Erweiterung der SG-Stein-Palette
durch Zusätze (z.B. Cr2O3). Forschungsarbeiten zur Herstellung von synthetischem
Schleif-Korund aus diversen Rohstoffen
„Kleine“ Forschungsthemen aus der Zeit von 1961-1991
Nachtrag

Quellen

Anhang
Zusammenstellung der Berichte und internen Arbeiten der Abteilung
Feuerfeste Materialien bzw. HTW der AdW 1949-1991; Nr. 1 – Nr.

0. Vorwort

Der Autor leitete von September 1980 bis Ende Dezember 1991, dem Zeitpunkt der Auflösung der Akademie-Institute, die Abteilung „Hochtemperaturwerkstoffe“ (HTW) innerhalb des Zentralinstituts für Anorganische Chemie (ZIAC) der Akademie der Wissenschaften (AdW) der DDR. Während der laufenden Tätigkeit, die neben den Forschungsarbeiten, Projektverteidigungen und Projekt-Akquirierungen auch mit vielen organisatorischen Aufgaben und Beschaffungsproblemen, aber auch mit Fragen der Raumsicherung verbunden waren, war kaum Zeit und Gelegenheit, sich mit der Historie der Abteilung zu befassen. Zwar war das Arbeitszimmer voll von wissenschaftlichen Berichten und Akten. Sie wurden aber nur dann herangezogen, wenn sie aktuelle Forschungsthemen berührten.

Unsere Laboratorien befanden sich seit 1951 im Hause der Geologie, Berlin, Invalidenstraße 44. Wir benutzten weiterhin das Technikum Windkanal in Berlin-Adlershof, in dem auch unsere größeren Forschungsgeräte standen.

Als uns klar wurde, dass gemäß § 38 des Einigungsvertrages eine Auflösung der Akademie bevorsteht, wurde von mir mit einer Sichtung der von den Vorgängern hinterlassenen wissenschaftlichen Berichte begonnen. Das konnte nur oberflächlich geschehen, da unsere Arbeitszimmer und Laboratorien innerhalb von 3 Wochen geräumt werden mussten, um den nachrückenden Mitarbeitern der Bundesanstalt für Geologie und Rohstoffe aus Hannover Platz zu machen. Nach Ansicht unseres Bereichsleiters sollte unter diesen Umständen so viel wie möglich entsorgt werden, weil es auch keiner nachfolgenden Einrichtung mehr nützen könnte. Entgegen dieser Auffassung übergaben wir den organisatorischen Teil unserer Akten dem Akademie-Archiv. Alle wissenschaftlichen Berichte (ca. 110) nahm ich vorsorglich mit in die Wohnung meiner Familie. Ich verschaffte mir dabei zumindest einen oberflächlichen Überblick über all die Forschungsthemen, die vor meiner Zeit in der Abteilung bearbeitet wurden.

Nachdem wir als Forschungsgruppe „Thermochemische Stofftrennung und Verwertung“ in der BAM (Bundesanstalt für Materialforschung und –Prüfung) in der Außenstelle Adlershof einigermaßen etabliert waren und unsere illegale Besetzung des Technikums und der benachbarten Laborräume durch Mietverträge mit der KAI (Koordinierungs- und Abwicklungsstelle der ehemaligen AdW) und später mit der Humboldt-Universität legalisiert worden war, nahm ich 1994 alle Berichte wieder mit an die Arbeitsstelle. Aber auch in der Folgezeit, in der die Bemühungen um Drittmittel und die Auseinandersetzungen um den Erhalt der Arbeitsplätze neben den Forschungsarbeiten alle Kraft kostete, war keine Zeit, sich der Arbeiten aus der Vergangenheit zu widmen.

Erst lange nach meiner Berentung bat mich im Jahre 2013 die Gesellschaft Deutscher Chemiker, auf einer Zeitzeugen-Tagung über die Entwicklung von Hochtemperaturmaterialien an der AdW der DDR und über die Zusammenarbeit mit der relevanten Industrie zu berichten. Diese Tagung fand dann vom 18. bis 20. September 2014 in der alten Universität LEUCOREA zu Wittenberg statt. Die Textfassung des Vortrags ist im Tagungsbericht abgedruckt [0].

Ich nutzte die Gelegenheit, nicht nur, um den genannten Vortrag vorzubereiten, sondern auch, um diesen Report zu erarbeiten, der zumindest die wichtigsten Aktivitäten, Forschungsthemen und Forschungsergebnisse von der Gründung der Abteilung „Feuerfeste Materialien“ im April 1949 bis zur Auflösung der Abteilung „Hochtemperaturwerkstoffe“ Ende Dezember 1991 darstellen soll.

Der Bericht ist nicht vollständig und beruht auf den verfügbaren Unterlagen und der Erinnerung des Autors. Den ehemaligen Mitarbeitern der Abteilung HTW, Dr. Peter Köcher und Dr. Rudolf Brenneis, danke ich herzlich für Ihre Unterstützung bei der Zusammenstellung dieser Arbeit, ebenso Herrn Dipl.-Ing. Eberhard Otto, dem ehemaligen Forschungsleiter des VEB Elektroschmelze Zschornewitz.

Gerd Kley

I. Die Gründungszeit der Abteilung „Feuerfeste Materialien“

Nach dem 2. Weltkriege gab es auf dem Gebiet der Ostzone nur wenig Betriebe, die Feuerfestmaterialien herstellen konnten. Die früheren Rohstoffquellen und Produzenten lagen nun in Polen oder in den Westzonen. Der Bedarf für die Anwenderindustrie, die Glas-, Stahl- und die chemischen Industrie, konnte deshalb meist nur durch Lieferungen aus Westdeutschland gedeckt werden. Auch auf dem Gebiet der Feuerfest-Forschung gab es neben einem Labor an der Bergakademie Freiberg keine nennenswerten Kapazitäten in Ostdeutschland. Diesem Mangel wurde durch Gründung einer provisorischen Forschungseinheit im April 1949 unter dem Dach der sgn. Deutschen Wirtschaftskommission (DWK)/Hauptverwaltung Steine und Erden begegnet. Möglicherweise kam diese Anregung schon von Prof. Hans Heinrich Franck, der um diese Zeit auch für die DWK wirkte [4].

Unter Leitung des Chemikers Dr. Martin Blanke [6] begann man im Januar 1949 mit zwei Laborantinnen in einem von der BEWAG Berlin im Kraftwerk Klingenberg bereitgestellten Labor mit ersten Versuchen zur Entwicklung eines neuen Glaswannensteines für sulfatreiche Glasschmelzen [1]. Hier kam es darauf an, einen vorhandenen Thonberger Wannenstein durch bestimmte Maßnahmen (Verringerung der Porosität, Zusätze, ….) für den Einsatz bei Temperaturen über 1500°C für diese Schmelzen geeignet zu machen [2][8]. Dieser Stein sollte nun eine Material ersetzen, das bisher aus Neuroder Schieferton (aus Schlesien) hergestellt wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Dr. Martin Blanke

(*20.04.1900 in Frankfurt/Oder, † 22.10.1972 in Niederkassel/Rhein)

(Foto: Archiv IfaS/Kley 1955)

Dr. Blanke hatte bereits u.a. am Kaiser-Wilhelm-Institut für Silikatforschung unter Prof. Wilhelm Eitel an derartigen Werkstoffentwicklungen gearbeitet. Die ostdeutsche Glasindustrie setzte bis dahin fast ausschließlich Schamottesteine und –häfen ein, die von Schott Jena hergestellt wurden. Auch Schott war – wie alle ostdeutschen Hersteller von Feuerfestmaterial - von seinen traditionellen Rohstoffquellen weitgehend abgeschnitten.

Martin Albert Ernst Blanke wurde am 20.04.1900 in Frankfurt/Oder als Sohn des Buchbindermeisters Albert Blanke und seiner Frau Helene, geb. Deques geboren. Nach dem Besuch des Realgymnasiums seiner Heimatstadt studierte er von 1919 bis 1924 Chemie und Technische Chemie an der Technischen Hochschule Breslau. Hier promovierte er auch im Jahre 1932 mit der Thematik: „Über Verwendung von Brennstoffgemischen aus Braunkohle und Koksgrus im E.-Werksbetrieb“.

Im Jahre 1929 heiratete er die ebenfalls aus Frankfurt stammende Annaliese Mietz, die ihm 1932 den Sohn Klaus schenkte.

Nach der Promotion arbeitete Blanke bis 1937 am Kaiser-Wilhelm-Institut für Physikalische Chemie in Berlin, um dann an das KWI für Silikatforschung zu wechseln. Unter der Institutsleitung von Prof. Wilhelm Eitel fand er zu dem Gebiet der Silikatforschung, insbesondere der Hochtemperaturwerkstoffe, das ihn sein gesamtes Berufsleben lang beschäftigen sollte. Eine seiner ersten Aufgaben war die Entwicklung eines feuerfesten Baustoffes, der gegenüber alkalihaltigen Schmelzen beständig sein sollte. Seine weiteren Arbeiten galten generell der Qualitätsverbesserung von Glaswannensteinen. Er untersuchte die Zusammenhänge zwischen Porosität, Tonerdegehalt und Auflösungsneigung der Materialien in Soda- und Sulfatglasschmelzen. Ihm gelang eine Verbesserung durch Einbau hochwertiger Kaoline. Es gibt grundlegende Arbeiten von Blanke, die die Zusammenhänge zwischen Kornaufbau der Kaoline und der Flussmittel auf den Dichtbrand verifizieren. Von dieser Thematik war der Schritt zu den schmelzgegossenen Feuerfestmaterialien, die damals schon in Frankreich (Fa. SEPR/L’Electro-Réfractaire) und den USA (Corning Glass Works, 1928) im Einsatz waren, nicht weit. Diese Thematik, die Herstellung und Entwicklung schmelzgegossener Hochtemperaturmaterialien, beschäftigte ihn sowohl am Institut für angewandte Silikatforschung (IfaS) als auch an seinen späteren Arbeitsstellen im Rheinland.

Als die Forschungsarbeiten am KWI für Silikatforschung in Berlin kriegsbedingt zum Erliegen gekommen waren, arbeitete Blanke von 1940 bis 1945 in einem Institut für Kohleforschung in Dortmund.

Dr. Blanke führte die 1949 gegründete Abteilung „Feuerfeste Materialien“ in Ost-Berlin mit großem Erfolg. Dabei ging es ihm sowohl darum, die Entwicklungen den Rohstoffverhältnissen und technischen Möglichkeiten in der DDR anzupassen als sich auch auf die speziellen Bedingungen der DDR-Glasindustrie einzustellen. Er wurde zu einem anerkannten und gefragten Partner in Forschung und Industrie.

Dr. Blanke lebte seit seinem Umzug nach Berlin in Lichterfelde-Ost. Nach seiner Scheidung 1953 heiratete er 1954 seine 2. Frau Edith. Aus der Ehe ging der Sohn Michael hervor.

Der Wohnort in West-Berlin war bis zum Mauerbau 1961 unproblematisch. In diesem Jahr wurde er vor die Alternative gestellt, mit der Familie nach Ost-Berlin zu ziehen oder die Arbeit aufzugeben. Er entschied sich für die letzte Variante. In West-Berlin war für ihn, inzwischen hoch-spezialisiert, keine adäquate Arbeit zu finden. Er hatte aber in der Fachwelt einen guten Ruf, so dass er bald ein Angebot der Firma Dynamit-Nobel Schmelzprodukte in Troisdorf am Rhein erhielt. Das Unternehmen begann mit seinem Eintritt, ebenfalls schmelzgegossene Hochtemperaturmaterialien im Werk „Feldmühle“ zu entwickeln.

Die Familie zog nach Neukassel um, wo die Nachkommen heute noch leben.

Das Werk wurde später nach anfänglichen Erfolgen von der Huels AG (heute Evionik) aufgekauft und trennte sich von der der Feuerfest-Produktion. Die letzten Arbeitsjahre verbrachte Dr. Blanke in der Firmenzentrale Troisdorf, in der er nationale und internationale Patente für das Unternehmen auswertete.

Die Folgen einer Leistenbruchoperation rissen ihn mit 71 Jahres aus dem Arbeitsleben.

II. Organisatorische Einbindung der Abteilung „Feuerfeste Materialien“ und deren Forschungstechnik 1949-1991

Um das oben erwähnte Forschungsdefizit zu beheben, wurde als erster Schritt das provisorische Labor Dr. Blanke von der Hauptabteilung Wissenschaft und Technik in die Forschungsgruppe „Feuerfeste Materialien“ umgebildet und der Geologischen Landesanstalt Berlin unterstellt. Sie erhielt zunächst zeit- und themenbegrenzt für die Fortführung der Aufgabe „Entwicklung von Glaswannensteinen, die gegenüber sulfatreichen Glasschmelzen beständig sind“ Laborräume im Haus Invalidenstraße 44 neben der Bibliothek (Etat: 5.000 DM, später 20.000 DM). In den nächsten Jahren wurden die Themen „Entwicklung eines hochfeuerfesten Steines aus Magnesia-Aluminat“ (Etat: 31.000 DM) und „Entwicklung eines haltbaren Schamottesteines für die Brennkammern der Elektrizitäts- und Gaswerke ohne Neuroder Schieferton“ (Etat: 12.000 DM) zusätzlich in das Forschungsprogramm aufgenommen. Gerade der aus Schlesien stammende und für feuerfeste Materialien besonders geeignete Schieferton Neurode fehlte in der Feuerfest-Industrie der DDR.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Prof. Dr. Hans Heinrich Franck

(*22.11.1888 in Würzburg, †21.12.1961 in Berlin, Sohn des Malers Philipp Franck)

(Foto: Archiv IfaS/Kley 1955)

Als am 1. Januar 1951 unter dem Direktorat von Prof. Hans Heinrich Franck (1888-1961) das “Institut für angewandte Silikatforschung“ (IfaS) als Einrichtung der Geologischen Landesanstalt (Berlin, Invalidenstraße 44, heute BM für Verkehr u. digitale Infrastruktur) im Bereich des Ministeriums für Schwerindustrie der DDR gegründet wurde, nahm man die bereits im Hause befindliche Forschungsgruppe als Abteilung „Feuerfeste Materialien“ neben den neuen Abteilungen „Keramik“ und „Glas“ in das Institut auf.

Hans Heinrich Franck wurde am 22.11.1888 in Würzburg als Sohn des impressionistischen Malers, des Mitglieds der Berliner Akademie der Künste und Mitbegründers der Berliner Secession, Philipp Franck, geboren [20]. Nach dem Abitur am Berliner Französischen Gymnasium studierte er an verschiedenen deutschen Universitäten und Technischen Hochschulen Chemie, Physik und Nationalökonomie (Berlin, Heidelberg, Charlottenburg und Karlsruhe) und arbeitete nach Studienabschluss in den Forschungsabteilungen mehrer Unternehmen. 1912 promovierte er zum Dr. phil. und übernahm eine Assistentenstelle am Staatlichen Materialprüfungsamt Berlin und am Biochemischen Institut der Tierärztlichen Hochschule Berlin. Während des Krieges beschäftigte er sich mit dem Problem der Hydrierung ungesättigter Fettsäuren, um dem Mangel an technischen Fetten zu beheben. Mit dem Thema „Zur oxidativen Spaltung von Kohlenwasserstoffen“ habilitierte er sich 1919. Danach wurde er Chefchemiker der Sunlight AG in Mannheim und Privatdozent an der TH Karlsruhe. 1921 nahm er ein Lehramt an der TH Charlottenburg an. Im gleichen Jahr wurde er Leiter des Zentrallabors der Bayerischen Stickstoffwerke in Berlin, zu denen auch das Stickstoffwerk Piesteritz gehörte. 1927 wurde er zum außerordentlichen Professor für Chemische Technologie an der TH Charlottenburg ernannt, ein Lehramt, das er bis 1937 und von 1945 bis 1950 innehatte. 1931 erschien eines seiner wichtigsten Werke: „ Der Kalkstickstoff in Wissenschaft, Technik und Wirtschaft“ (Verlag Enke, Stuttgart). Franck engagierte sich ab 1917 politisch in der SPD. Seine Forschungsarbeiten in den Bayerischen Stickstoffwerken betrafen insbesondere die Chemie des Kalkstickstoffs, der Reduktion von Phosphaten, der Bildung von Calciumcarbid und Calciumnitrid und der Umsetzung des Cyanamids zu organischen Zwischenprodukten. Hierzu erschienenen bis 1939 über 100 Publikationen [20].

Prof. Franck wurde 1937 „wegen politischer Unzuverlässigkeit“ und der Tatsache, dass seine Frau „nicht-arisch“ war, aus seinem Lehramt entfernt. 1939 verlor er auch seine Anstellung bei den Bayerischen Stickstoffwerken. Er leitete danach bis Kriegsende ein Forschungsinstitut der Deutschen Tafelglas-AG in Berlin-Grunewald.

Diese Zeit war geprägt von der Angst um seine Frau, die er auf vielfältigste Weise vor den Verfolgungen zu schützen wusste, aber auch von der großen Enttäuschung über die Haltung der deutschen technischen Intelligenz, die nach seiner Überzeugung ohne ausreichende humanistische Bildung den Verführungen des Nationalsozialismus in der Masse willfährig folgte. Beide Aspekte prägten seine Haltung und seine Handlungen in der Nachkriegszeit.

Im Gesamt-Berliner Rahmen war Franck Mitglied des sgn. „Achterausschusses“ des Magistrats, der sich für die Wiederinbetriebnahme aller Berliner Hochschulen engagierte. Sofort nach dem Zusammenbruch gehörte er zu den Initiatoren, die den Lehrbetrieb an der TH Charlottenburg wieder in Gang setzen wollten. Neben dem vom Magistrat bestimmten kommissarischen Rektor der TH, Prof. Walter Kucharski, gehörte er zusammen mit zwei Offizieren der britischen Militärregierung zu einem Komitee für die Wiedereröffnung der Hochschule, die dann am 6. April 1946 als Technische Universität Berlin den Lehrbetrieb aufnahm [9]. Francks Bestreben als Hochschulpolitiker galt dem Ziel, den Technikern neben der soliden Fachausbildung die humanistische Bildung mitzugeben, die das in der Zeit des Nationalsozialismus Geschehene für die Zukunft unmöglich machen sollte. In diesem Sinne setzte er sich für eine entsprechende Studienreform ein und verfolgte seine Ziele sowohl im „Kulturausschuss“ der Naturwissenschaftlichen Fakultät als auch in seinen Funktionen als Prorektor, Dekan und Studentenprofessor der TU. Seine Ideen für eine „humanistische Ingenieurausbildung“, die neben dem Fachwissen die Säulen Wirtschaftswissenschaften, eine moderne Sprache, Kulturgeschichte und Wissenschaftslehre enthalten sollte, veröffentlichte Franck im November 1947 in einer Denkschrift [10]. Er schreibt dort, dass eine solche Ausbildung „ ... dem Techniker die Fälle der ihm in seinem Beruf zwangsläufig begegnenden Wirtschaftstatsachen unter wissenschaftlicher Erkenntnismethode eröffnen, ihn seine eigene Arbeit in Bezug auf Produktion und Konsumtion verstehen lehren und ihn aus seiner peripheren Stellung zu dem eigentlichen Wirtschaftshandeln herauslösen und damit die Chance einer zentraleren Mitwirkung geben“ soll. Die Beschäftigung mit einer anderen Sprache soll dem Techniker „ein vertieftes ... Eindringen in ein fremdes Kulturgebiet eröffnen“ und seinen „Blick für berechtigtes Anderssein“ schärfen. Letztendlich soll eine Studienreform zu einer „Bildungsstätte im Sinne der Humanitas“ führen und einen Ingenieur neuen Typus hervorbringen. Franck war einer der Väter des sgn. Humanistischen Ingenieur-Studiums an der TU Berlin, eine singuläre Erscheinung an deutschen Technischen Hochschulen. Franck formulierte einen Leitsatz wie folgt: „Wir wollen wieder politische Menschen bilden, die sich ihrer Polis, ihrem Staate, ihrem sozialen Zusammenleben freiwillig verbunden fühlen, damit sie ihren Teil an der Lenkung und Leitung dieses Gemeinwesens, also an der späteren Gestaltung des Volkes durch sich selbst haben…“ Im Jahre 1968 wurde dieses Studium jedoch aus fadenscheinigen Gründen auch an der TU Berlin wieder abgeschafft.

Gleich nach dem Kriege setzte sich Franck für die Beibehaltung eines einheitlichen Normensystems in Deutschland über die Grenzen der Besatzungszonen hinaus ein, die vom Deutschen Normenausschuss (DNA) ausging. Am 5. Mai 1948 wurde Franck als Vertreter der sowjetischen Besatzungszone zum Vizepräsident des DNA gewählt. Er stand unter Leitung des langjährigen Präsidenten der Staatlichen Materialprüfungsanstalt Berlin (heute BAM), Prof. Erich Siebel. Franck leitete den Fachnormenausschuss für chemische Laborgeräte. Die Zusammenarbeit funktionierte in Zeiten des Kalten Krieges und der immer massiver werdenden Konfrontation zwischen den politischen Systemen auf sachlicher und wissenschaftlicher Basis, bis die Geschäftsstelle in Ostberlin nach dem Mauerbau 1961 geschlossen wurde [29]. Am 15. Juni 1956 erhielt er die höchste Auszeichnung des DNA, den „Ehrenring des Waldemar-Hellmich-Kreises“ (mit dem er sich auch beerdigen ließ!).

Mit Einsetzen des Kalten Krieges wurden Rektor Kucharski und Franck an der TU Berlin immer mehr von konservativen Kräften isoliert, was schließlich zur Ablösung des Rektors führte. Franck spürte, dass seine Ideale nicht in West-Berlin umgesetzt werden können und orientierte sich nach Ost-Berlin. Sein Einsatz in der Gewerkschaftsleitung der TU war nur ein verzweifelter Versuch, dem entgegen zu wirken.

Kurz nach dem Zusammenbruch war Franck schon im Sommer 1945 als Werkleiter des inzwischen zum SAG-Betrieb umgewandelten Stickstoffwerkes Piesteritz eingesetzt worden. Hier organisierte er die Produktion in der schwierigen Zeit des Neuaufbaus nach den heftigen Kriegszerstörungen und der nachfolgenden Demontage durch die Besatzungsmacht, bis er 1947 die Leitung an seinen Doktoranten, den späteren AdW-Professor Wolfgang Schirmer, abgeben konnte.

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Abb. 3: Prof. Franck (3. v.re) auf einer Konferenz des Kulturbundes 24.10.1948

(Foto: Bundesarchiv: Bild 183 H0 611-0500-003)

In Ost-Berlin stellte er sein Wissen immer mehr den Behörden der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zum Aufbau von Industrie und Forschung zur Verfügung und trat 1948 auch in die SED ein. In der SBZ gehörte er zu den Gründern der Ingenieursvereinigung „Kammer der Technik“, war dort zunächst Leiter der Fachabteilung Chemie, bevor er im März 1949 zu deren Präsidenten gewählt wurde.

Auch im Vorstand des „Kulturbundes“ setzte sich Prof. Franck, wie er überzeugt war, für eine demokratische Erneuerung des Landes ein. Das Bild in Abb. 3 zeigt ihn mit Persönlichkeiten wie den Schriftsteller Arnold Zweig, den Komponisten Hanns Eisler, den Maler Max Pechstein und den Schriftsteller Louis Fürnberg auf einer Konferenz des Kulturbundes am 24. Oktober 1948 in der Berliner Staatsoper.

An der TU Berlin wurde Franck zunehmend zur Zielscheibe konservativer Kräfte, die ihm seine „pro-kommunistische“ Tätigkeit und seinen Einsatz für „Gesamt-Berlin“ und für die „Zone“ vorwarfen. In der Folge wurde er am 13. April 1950 abermals aus seinem Lehramt an der TU entfernt. Von 1949 an übernahm er auch den entsprechenden Lehrstuhl für Technische Chemie an der Berliner Humboldt-Universität und behielt diesen bis zur Emeritierung.

Akademiemitglied Franck starb, hoch geehrt, am 21.12.1961 in Berlin-Pankow.

Francks berufliches, politisches und privates Leben war nicht ohne Brüche und Widersprüche, die manchmal in den Skulpturen seiner Tochter Ingeborg Hunzinger (1915-2009) und in den Romanen seiner Ur-Enkelin Julia Franck (*1970) durchscheinen.

In seiner langjährigen Wirkungsstätte Wittenberg-Piesteritz trug das Haus der Intelligenz seit seinem Tode den Namen „Kulturhaus Prof. Hans Heinrich Franck“, bis es nach der Wende als Privatvilla verkauft werden musste.

Es ist an der Zeit, dass sich die Wissenschaftshistoriker intensiver mit dem Leben dieses außergewöhnlichen Mannes auseinandersetzen.

Das neue „Institut für angewandte Silikattechnik“ (IfaS) umfasste fast die gesamte 2. Etage in der Geologischen Landesanstalt sowie Experimentier- und Lagerräume im Kellergeschoß. Zusätzlich zum vorhandenen Personal wurden Anfang der 1950er Jahre der Elektromeister Gerhard Schink und der Elektriker Otto Mamulla eingestellt.

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Abb. 4: Haus der Geologischen Landesanstalt

Berlin-Mitte, Invalidenstraße 44 ( Foto: Archiv ZIAC/HTW/Kley 1972)

Erklärtes Ziel des Institutes war es, die angewandte Forschung auf dem Gebiete der Silikate zu fördern und die Silikatindustrie zu unterstützen [5]. Dies galt analog für die Abteilung „Feuerfeste Materialien“. Um die enge Verflechtung mit der Anwender-Industrie besser durchsetzen zu können, wurde eine in Jena ansässige wärmetechnische Abteilung mit verfahrenstechnischen Kapazitäten (Prof. Harald Costa) eingegliedert, die damals schon besondere Verbindung zur Glasindustrie hatte. Eine Aufgabe dieser Abteilung war es auch, die z.Z. noch nach traditionellen (oft energetisch uneffektiven) Verfahren arbeitenden Betriebe der Glas- und Keramikindustrie hinsichtlich ihres Energieeinsatzes zu rationalisieren. Eine der ersten Aktionen des Institutsdirektors war es, vertragliche Beziehungen zu den Lausitzer Spezialglaswerken Weißwasser, zu Schott & Gen. Jena und zu den Keramischen Werken Hermsdorf „Hescho“ sowie der angeschlossenen Keramischen Fachschule herzustellen.

Prof. Franck [4][7][20] hatte sich nach den Kriegszerstörungen und der ab 1946 erfolgten Demontage der Bayerischen Stickstoffwerke Piesteritz (65 % der funktionierenden Anlagen wurden demontiert!) besonders dem Neuaufbau der Carbid- und Kalkstickstoff- Produktion gewidmet. Hier und zuvor ab 1921 als Leiter des Zentrallabors der Bayerischen Stickstoffwerke in Berlin (bis zu seiner politisch begründeten Entlassung 1939) hatte er sich eingehend mit thermochemischen Prozessen befasst, ebenso als Leiter des Glasforschungsinstitutes Berlin-Grunewald (1940-1945). Auch als Präsident der Kammer der Technik wurde er fast täglich mit den Problemen der Glas- und Stahlindustrie in Ostdeutschland konfrontiert, die ohne moderne Feuerfestmaterialien den Anschluss an den Weltstandard nicht gewährleisten konnte.

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Abb. 5: Einphasiger Labor-Lichtbogenofen des IfaS

(Foto: Archiv IfaS/Kley 1960)

Inzwischen waren insbesondere in den USA (die Corning Glass Works begannen bereits 1928 mit der Entwicklung) und Frankreich neuartige Zustellungsmaterialien auf den Markt gebracht worden, die über einen Schmelzprozess hergestellt werden mussten, die sgn. schmelzgegossenen Feuerfest-Materien (SG-Materialien). Diese Entwicklung war in Deutschland, teils auch wegen der hohen Qualität und Verfügbarkeit guter Schamotte-Erzeugnisse, „verschlafen“ worden. Prof. Franck sorge als erstes dafür, dass der Abteilung „Feuerfeste Materialien“ im Stickstoffwerk Piesteritz ein einphasiger Lichtbogenofen für kleintechnische Experimente bereitgestellt wurde (Innendurchmesser 50 cm). Für Laborversuche wurden kleine Lichtbogenöfen von den Mitarbeitern selbst entwickelt und Versuchsglaswannen zum Test der neuen Materialien aufgebaut. Hier erwiesen sich Dr. Blanke und Gerhard Schink als sehr erfindungsreich. Weiterhin wurden für Versuchszwecke Anlagen der Anwender-Industrie, wie z.B. beim VEB Schott & Genossen Jena, genutzt bzw. neu aufgebaut (Abb. 6).

Die Glas- und Stahlindustrie der DDR verwendete seit einiger Zeit als Zustellungsmaterial bzw. als Material für Gleitschienen die vom Kombinat MOTIM in Ungarn hergestellten schmelzgegossenen CORVISIT-Steine, einem hoch-korundhaltigen Material. Man war jedoch nicht mit dem Produkt zufrieden. Der sehr heterogene Stein hatte eine zu hohe Porosität, was beim Einsatz zu geringen Reisezeiten bzw. zu einem schnellen Abrieb führte. Mit seinen Arbeiten und seinen Ideen, um für dieses Problem eine bessere und eigenständige Lösung zu finden, legte Dr. Blanke den Grundstein für den später erfolgreichen SG1-Stein, einem hoch-korundhaltigen Stein mit 10-12 % Glasphase und geringer Porosität, der dem CORVISIT-Stein ernsthafte Konkurrenz machte. Er findet bis heute bei bestimmten Glasschmelzen und in bestimmten Wannenbereichen wegen seiner geringen Neigung zu Fehlerbildungen im Glas und in der Stahlindustrie (Verringerung der sgn. Knotenbildung) Verwendung. Weitere Versuche, mit TiO2-Zusätzen die Korund-Keimbildung zu verbessern (SG2), wurden ohne Erfolg abgebrochen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Dr. Martin Blanke (re.) u. Gerhard Schink an einer Versuchdrehwanne in Jena (Foto: Archiv IfaS/Kley 1958)

Am 1. Januar 1956 wurde das Institut aus 47 Mitarbeitern (darunter 7 Wissenschaftler) auf Betreiben von Prof. Franck der damaligen Deutschen Akademie der Wissenschaften“ (DAW, ab 1972 AdW) angegliedert und die Jenaer Abteilung als nunmehr selbständiges „Wärmetechnisches Institut“ (WTI) ausgegliedert.

Schwerpunkt der Abteilung „Feuerfest“ war in den 1950er Jahren folgerichtig die Entwicklung von hochwertigen SG-Materialien für unterschiedliche Glasschmelzen, aber auch für den Einsatz in der Stahl- und der chemischen Industrie. Die Herstellung erfolgt prinzipiell über Lichtbogenöfen auf elektrothermischem Wege. Die Kollegen erinnern sich, dass Dr. Blanke die ersten Versuche in einem Ton-Blumentopf mit von unten eingeführter Elektrode durchführte. Spätere Versuche fanden in kleinen ein- und dreiphasigen Lichtbogenöfen statt, deren Ofengefäß einem Stahlhelm glich (Abb. 5).

Ein großer Fortschritt war im Jahre 1956 die Anschaffung eines größeren dreiphasigen Lichtbogenofens mit austauschbarem Ofengefäß, der die Experimentiermöglichkeiten erheblich erweiterte. Ein Ofengefäß war so gestaltet, dass es während des Schmelzprozesses unter den Elektroden hindurch gedreht werden konnte. Damit war über die Schmelzzeit ein radialsymmetrisches Temperaturfeld erreichbar, was insbesondere für hoch-schmelzende Materialien (z.B. beim MgO-Blockschmelzen) von Bedeutung ist. Das zweite Ofengefäß war in einer Kippeinrichtung gelagert, so dass die Schmelze nach Ablauf der Temperaturbehandlung abgegossen werden konnte. Dieser Lichtbogenofen wurde nach Aufbau des geschlossenen dreiphasigen Lichtbogenofens im Jahre 1974 dem Industriepartner VEB Elektroschmelze Zschornewitz übergeben, an dem in der Folgezeit zahlreiche z.T. gemeinsame Technikumsversuche durchgeführt wurden (z.B. in den 1980er Jahren bei Versuchen zur Herstellung von synthetischem Mullit und zur Herstellung von Schmelz-MgO für elektrotechnische Zwecke). Nach Übernahme des Zschornewitzer Betriebes durch die Treibacher Schleifmittel AG Villach (Österreich) Mitte der 1990er Jahre wurde dieser Lichtbogenofen an das Forschungszentrum Villach überführt und ist heute noch in Teilen im jetzigen Unternehmen IMERYS Schleifmittel und Schmelzprodukte im Einsatz (2014).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Offener dreiphasiger Lichtbogenofen des IfaS mit kippbaren Ofengefäß

(Foto: Archiv IfaS/Kley 1956)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Sgn. IfaS-Lichtbogenofen-Anlage im VEB Elektroschmelze Zschornewitz

(Foto: Archiv IfaS/ESZ/Kley 1970)

Im VEB Elektroschmelze Zschornewitz wurde 1956 nach den Vorstellungen des IfaS eine Lichtbogenofen-Versuchsanlage mit einer Leistung von 1200 kW errichtet, dazu die notwendigen Nebenanlagen wie automatische Rohstoff-Zufuhr, Mischanlagen, Gieß- und Temper-Vorrichtungen, die bis in die 1970er Jahre im 3-Schicht-Betrieb als Produktionsanlage die Herstellung von SG-Steinen bis zu 500 kg ermöglichten. Bis zur regelmäßigen Produktionsaufnahme 1959 wurde der Betrieb über 3 Jahre von den Mitarbeitern des IfaS betreut und z.T. auch betrieben.

Als Prof. Franck am 1. April 1959 in den Ruhestand ging, hatte das Institut bereits 50 Mitarbeiter. Dr. Klaus Kühne, ein Glaschemiker und bisheriger Leiter des Entwicklungslabors für technische Gläser im Jenaer Glaswerk Schott & Genossen, übernahm nun die Leitung [2].

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Prof. Dr. Klaus Kühne (Foto 1965)

(* 02.02.1924 in Eisenach, † 04.02.2000 in Berlin)

(Foto: Familienbesitz Kühne 1965)

Klaus Kühne wurde am 02.02.1924 in Eisenach geboren. Nach Grundschule und Gymnasium in Eisenach wurde er im Krieg eingezogen und diente als Flieger bei der Luftwaffe. Ab 1946 studierte er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Chemie und schloss 1950 mit dem Diplom ab. Bis 1959 arbeitete er in der Entwicklungsabteilung der Jenaer Glaswerke Schott & Genossen. 1953 promovierte er mit dem Thema „Die Herstellung, Eigenschaften und Struktur mikro- und ultramikroporöser Gläser“ an der HU Berlin. 1959 wurde Dr. Kühne aufgrund seiner wissenschaftlichen Leistungen und seiner Praxiserfahrungen zum neuen Direktor des nunmehrigen Instituts für Silikatforschung der Deutschen Akademie der Wissenschaften zu Berlin (DAW) berufen. 1963 erfolgte die Habilitation an der Humboldt-Universität zum Thema „Beitrag zur Systematik der Silikat- und Borosilikcatgläser: Arbeitsmethode für die Praxis zur Eigenschaftskorrektur von Gläsern und zur Entwicklung von Gläsern bestimmter Eigenschaftswerte“. 1970 wurde er zum Professor an der DAW ernannt.

Infolge der Akademiereform 1971-1974 wurde aus dem Institut für Silikatforschung nun der Bereich Glas/Keramik des Zentralinstitutes für anorganische Chemie (ZIAC) [3]. Die DAW wurde 1972 in Akademie der Wissenschaften der DDR (AdW) umbenannt. Gesundheitliche Probleme hinderten Prof. Kühne daran, die Leitung weiterhin zu übernehmen. Er war jedoch bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1983 an zahlreichen Projekten beteiligt. Eines davon war die Gewinnung von Kieselglas aus einheimischen Rohstoffen sowie Bergkristallen aus dem Bereich des RGW.

Klaus Kühne schrieb zahlreiche Lehrbücher und historische Abhandlungen zur Glasherstellung und Anwendung. Auch die Ergebnisse seiner Hobby-Arbeiten, das Schleifen und Verarbeiten von Edelsteinen, finden sich in einem Buch wieder [11][12][13].

Da der in West-Berlin (Lichterfelde-Ost) wohnende Dr. Blanke nach dem Bau der Berliner Mauer nicht bereit war, nach Ost-Berlin umzuziehen, wurde er im September 1961 entlassen. Ihn löste als Abteilungsleiter der Chemiker Dr. Eberhard Frischbutter ab, der zuvor nach seiner Promotion in Leipzig (1952) als wissenschaftlicher Mitarbeiter im VEB Stickstoffwerk Piesteritz gearbeitet und später die Forschungsabteilung des VEB Elektrokohle Berlin-Lichtenberg (bis 1954 Siemens-Plania AG) geleitet hatte. Er stand der Abteilung bis zu seiner Berentung im September 1980 vor.

Eberhard Frischbutter wurde am 13. Mai 1915 in Spremberg/Lausitz als Sohn des damaligen Reichsbahnsekretärs Hermann Frischbutter und seiner Frau Gertrud, geb. Blütchen geboren. Nach Besuch der Volksschule und des Reform-Real-Gymnasiums in Spremberg legte er 1935 das Abitur ab. Ab Herbst 1935 studierte er Chemie an der Universität Leipzig und unterzog sich 1938/39 dort dem 1. und 2. Verbandsexamen, dem die Promotion folgen sollte. 1940 erfolgte zunächst die Einberufung in die Wehrmacht, von der er von Ende 1942 bis Ende 1944 freigestellt wurde, um die kriegswichtige Kalksandsteinfabrik seines Vaters in Simmersdorf bei Forst zu übernehmen. Aus der kurz vor der erneuten Einberufung im Dezember 1944 geschlossenen Ehe mit der Studienkollegin Riesa, geb. Lieder gingen 3 Kinder hervor.

Im Mai 1945 kam er in sowjetische Gefangenschaft und wurde erst Ende 1948 entlassen. In der nachfolgenden Zeit als Assistent an der Universität Leipzig befasste er sich wissenschaftlich mit Fragen der Korrosion und des Oberflächenschutzes von Metallen und promovierte 1952 mit dem Thema „Über den Einfluss von alizarinsulfonsaurem Natrium auf Armco-Eisen in saurer und neutraler Lösung und die

Möglichkeit der Erzeugung unselbständiger Zwischenschichten durch Behandeln von Eisenblech mit alizarinsulfonsaurem Natrium“ zum Dr. rer.nat. Nach der Promotion trat Dr. Frischbutter als Technologe in die Entwicklungsabteilung des Karbid-Werkes des SAG-Betriebes Stickstoffwerke Piesteritz ein, wo er erstmalig Kontakt mit den Wissenschaftlern des IfaS hatte, die dort ihre Schmelzversuche durchführten. Ab September 1955 übernahm Dr. Frischbutter die Leitung der Abteilung Forschung im VEB Elektrokohle Berlin-Lichtenberg, bis er 1961 als Leiter der Abteilung „Feuerfeste Materialien“ an das Institut für Silikatforschung berufen wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Dr. Eberhard Frischbutter (Foto 1965)

(*13.05.1915 in Spremberg, †03.01.1993 in Berlin)

(Foto: Archiv ZIAC/HTW/Kley 1980)

Unter Dr. Frischbutter wurden die Kontakte mit der Herstellerindustrie von Feuerfestmaterialien sowie der Anwenderindustrie (Glas-, Stahl und chemische Industrie) erweitert und intensiviert. Auch nach seiner Berentung im Herbst 1980 stand Dr. Frischbutter seiner Abteilung, die er in Abteilung „Hochtemperaturwerkstoffe“ umbenannt hatte, mit seinem großen Erfahrungsschatz zur Verfügung

Eine der ersten Aufgaben, die vor der Abteilung von Dr. Frischbutter stand, war, mit verfügbaren Rohstoffen den in der Welt führenden SG-Stein Corhart-ZAC „nach zu erfinden“. Der Originalstein aus den USA hielt damals schon Glasschmelzen über 1500° C bis zu 27 Monate aus. Er bestand aus einem geeigneten Gemisch von SiO2, Al2O3 und ZrO2.

Am 1. Januar 1965 konnte der Institutsteil Adlershof mit der Messhalle und dem Laborgebäude im ehemaligen Windkanal der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt (DVL, erbaut 1932-1934) bezogen werden. Mit der großen Messhalle war nun eine Voraussetzung dafür geschaffen, dass die bestehenden Abteilungen des IfS ihre kleintechnischen Versuche im eigenen Hause aufbauen und durchführen konnten. Damit war nun eine geeignete Kapazität vorhanden, mit der die Überführung von Forschungsergebnissen in die Produktion leichter wurde.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11:Ehemalige Messhalle und Laborgebäude der DVL in Berlin-Adlershof

(Foto: Archiv DVL/Kley 1935)

Später kam auf dem AdW-Gelände Adlershof das Technikum Nord und ein Gebäude für die Physikalische Analytik dazu.

Dessen ungeachtet musste die Bezeichnung „angewandte“ am 08.07.1966 aus dem Institutstitel gestrichen werden (IfS), obwohl die „politische Linie“ damals geradezu eine totale Ausrichtung der Grundlagenforschung an der Akademie auf die Belange der Industrie forderte.

Am 1. September 1971 ging das „Institut für Silikatforschung“ im Rahmen der sgn. Akademiereform als „Bereich Glas/Keramik“ unter Leitung von Prof. Wilhelm Hinz in das neu gebildete Zentralinstitut für anorganische Chemie der Akademie der Wissenschaften (ZIAC der AdW) ein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Prof. Dr. Wilhelm Hinz (Foto um 1963)

(*02.05.1921, † 14.03.1986 in Berlin)

(Foto: Archiv IfaS/Kley 1960)

Wilhelm Hinz wurde am 2. Mai 1921 in Berlin geboren. Wie bei vielen Männern seines Jahrgangs war seine berufliche Entwicklung durch Kriegsdienst und Gefangenschaft behindert und verzögert. Nach dem Kriege studierte er Chemie an der Humboldt-Universität Berlin und trat danach 1951 als erster wissenschaftlicher Mitarbeiter – Prof. Franck kannte den strebsamen jungen Mann schon vom Studium - in das Institut für angewandte Silikatforschung ein. Hier baute er die Glasabteilung auf und leitete sie bis zur Übernahme der Bereichsleitung 1971. Seine erste wissenschaftliche Arbeit betraf die Entwicklung von Glasfasern. Mit einem entsprechenden Thema promovierte er 1954 an der Humboldt-Universität („Über systematische Eigenschaftsänderungen von Glasfasern“). Ein wichtiger Punkt seiner Untersuchungen war die Neigung des Glases zur Kristallisation. Daraus wurde sein zweites Schwerpunktthema, die Kristallisation von Gläsern und Schlacken. Damit habilitierte er sich im Jahre 1966 („Über spezielle Entwicklungen von Vitrokeramstoffen“). Die Arbeiten von Wilhelm Hinz zur Struktur von Phosphatgläsern, zur Charakterisierung von Silikat- und Kieselgelen, zur Entwicklung von Lotgläsern, zu Ionenaustauschvorgängen an Glasoberflächen und zur chemischen Verfestigung von Gläsern, zur Untersuchungen der Mikrorissbildung und Mikroplastizität und schließlich zur gesteuerten Kristallisation von Gläsern, die zur Entwicklung einer neuen Werkstoffgruppe, den temperaturwechselbeständigen Vitrokeramen führte, fanden ihren Niederschlag in über 150 Veröffentlichungen und 40 Patenten. Wenn heute keine Küche mehr ohne die Ceram-Felder auf dem Herd auskommt, denkt kaum jemand mehr an die grundlegenden Arbeiten von Prof. Hinz und seinen Mitarbeitern. Ihr Handicap war die wirtschaftliche Schwäche der DDR, die das notwendige Lithium-Oxid nicht beschaffen konnte und der geringe Mut der Industrie, ein Entwicklungsrisiko einzugehen („Es kann nicht gut sein, weil es der Westen auch nicht hat“). Corning und Schott/Mainz kamen dann ganz schnell mit ihren Produkten auf den Weltmarkt und die eigentlichen Erfinder hatten das Nachsehen.

Die 1963 und 1970 erschienenen 2 Bände des Standardwerkes „Silikate – Einführung in Theorie und Praxis“ stellen noch heute eine Arbeit dar, ohne die Silikatwissenschaftler nicht auskommen. Das gilt auch für das mit Prof. Petzold/Weimar 1971 herausgegebene Lehrbuch „Silikatchemie“. Schon früh begann Prof. Hinz, der dem Redaktionsbeirat der Zeitschrift „Silikattechnik“ angehörte, mit Hilfe vieler Fachleute, Begriffe aus der Silikattechnik zu definieren bzw. präzise zu beschreiben (Silikat-Datei). Daraus wurde dann sein bekanntes „Silicat-Lexikon“, das er – schon von einer furchtbaren Krankheit gezeichnet – unter Aufbietung seiner letzten Kräfte zusammenstellte und einige Wochen vor seinem Tode Ende 1985 herausgab [14][15][16][17].

Die Leitung des Bereiches Glas/Keramik hatte inzwischen Prof. Fred-Gustav Wihsmann übernommen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 13: Prof. Dr. Fred-Gustav Wihsmann (*19.03.1934 in Berlin, † 06.11.2010 in Berlin)

(Foto: Archiv ZIAC/HTW/Kley 1991)

Fred-Gustav Wihsmann wurde am 19.03.1934 in Berlin-Adlershof geboren. Er erlebte als Junge die Zerstörung des Geländes der DVL in Adlershof. In Berlin machte er an der Heinrich-Hertz-Oberschule sein Abitur und absolvierte ein einjähriges Berufspraktikum in Betrieben der Glas-, Keramik, Feuerfest und Zementindustrie, bevor er vom Herbstsemester 1954 an als einer der ersten Studenten an der Bergakademie Freiberg ein Studium der Fachrichtung Silikathüttenkunde begann.

Hier hatte er so hervorragende Lehrer wie den Physiker und Silikatforscher Theodor Haase, den Aufbereiter Helmut Kirchberg und den Mathematiker Alfred Kneschke. Schon während seiner Diplomarbeit befasste er sich mit einem Thema, das ihn auch später in der AdW verfolgte: „Untersuchungen über die Entglasung von Gläsern des Systems MgO-Al2O3-SiO2“. Nach Abschluss des Studiums trat er im August 1959 als wissenschaftlicher Mitarbeiter in die Glasabteilung des IfS ein. In dieser Zeit verteidigte er seine Promotion an der Bergakademie, die sich mit der Verwertung von Schlacken aus der Metallurgie auseinandersetzte („Beitrag zur Gefügegenese von Formkörpern aus Kupferschlacke der Mansfelder Rohhütten“). Im IfS befasster er sich weiterhin mit Problemen der chemischen Verfestigung von Gläsern sowie der gesteuerten Kristallisation und der Entwicklung von Spezialgläsern. Gemeinsam mit dem Mineralogen Manfred Hähnert verteidigte er 1979 seine Habilarbeit mit dem Titel: „Grundlagen der chemischen Verfestigung von Glas durch Tieftemperatur-Ionenaustauschprozesse unter Berücksichtigung technologischer Aspekte“.

Im Jahre 1971 löste er Prof. Hinz als Leiter der Abteilung Glas ab, ebenso um 1979 in dessen Funktion als Bereichsleiter Glas/Keramik, als Prof. Hinz durch seine Krebserkrankung nicht mehr arbeitsfähig war. 1982 wurde er an der AdW zum Professor ernannt. Als Vorstandsmitglied der Berliner „URANIA“ und der Sektion Glas der „Kammer der Technik“ setzte er sich für die Popularisierung von wissenschaftlichen Ergebnissen ein.

Prof. Wihsmann hat sich insbesondere um die Kontakte zur Industrie und um die Überführung von Forschungsergebnissen in die Glasindustrie verdient gemacht. Auch als Mitglied der der Havariekommission des Ministeriums für Glas- und Keramik war er ständig mit Problemen dieses Industriezweiges konfrontiert.

Nach der Auflösung der AdW Ende 1991 wurde er von der Bundesanstalt für Materialforschung und –Prüfung (BAM) als Leiter des Labors für „Emission aus anorganischen Materialien“ übernommen. Als wissenschaftlicher Geschäftsführer der WITEGA Angewandte Werkstoff-Forschung GmbH verhalf er vielen arbeitslos gewordenen AdW-Mitarbeitern zu einer Beschäftigung. 1999 schied er aus dem Arbeitsprozess aus [18].

Zu den bestehenden Abteilungen kam 1972 die Abteilung „Analytik“ neu hinzu. Angestrebt war eine nun engere Zusammenarbeit mit der im alten Institut für anorganische Chemie (Prof. Erich Thilo) beheimateten Abteilung „Anorganische Polymere“ (Prof. Wolfgang Wieker). Die Abteilung „Analytik“ (Dr. Gerhard Dümecke) hatte sich vorwiegend damit zu befassen, Rohstoffe für Glas, Keramik und Feuerfestprodukte hinsichtlich ihrer chemischen und mineralogischen Zusammensetzung, ihres Kornaufbaus und ihrer Kornverteilung zu charakterisieren, um die vom Handel in das rohstoffarme Land DDR eingeführten, oft unregelmäßig in Herkunft und Qualität wechselnden Rohstoffe, gegebenenfalls den idealen Rohstoffen für die Produkte anzupassen. Die zu entwickelnde Herstellungstechnologie musste ein Übriges tun.

Das Gesagte galt insbesondere für die Feuerfest-Materialien, deren Rohstoffe fast ausschließlich mit knappen Valuta oder konvertierbarem Rubel importiert werden mussten.

Die Abteilung „Feuerfest“ war in den kommenden Jahren zunehmend damit befasst, die Verschleißmechanismen zwischen Schmelze und Auskleidungsmaterial zu erforschen, um gezielt neue SG-Materialien entwickeln zu können.

Um die Schmelzprozesse während der Herstellung von SG-Materialien besser untersuchen zu können, wurde im Jahre 1974 gemeinsam mit einer Projektierungsgruppe des VEB LEW Hennigsdorf ein geschlossener kleintechnischer dreiphasigen Lichtbogenofen für 300 kVA entworfen und im Ratiomittelbau der VVB Feuerfest in Meißen gebaut. Seine Dimensionierung (ca. 90 cm Durchmesser des wassergekühlten Schmelzgefäßes) und seine Leistung reichten für die Herstellung von ca. 100 kg Versuchsmaterial pro Stunde aus. Die hiermit gewonnenen Ergebnisse konnten bei dieser Dimensionierung ohne große Probleme auf Produktionsbedingungen übertragen werden.

Dieser kleintechnische Lichtbogenofen wurde nun das wichtigste Forschungsgerät der Abteilung. Er hat sich bei der Lösung vieler thermochemischer Fragestellungen bewährt. Die bei der Herstellung von reinen Hochtemperaturmaterialien und Hartstoffen gewonnenen Erfahrungen konnten nach Auflösung der AdW 1991 auf umwelttechnische Fragestellungen erfolgreich übertragen werden. Das Gerät ist heute noch im Einsatz und wird voraussichtlich Ende 2014 mit neuer Hydrauliksteuerung und neuer elektrischer Peripherie von der alten DVL-Messhalle in ein neues Laborgebäude der Bundesanstalt für Materialforschung und –Prüfung (BAM) in Adlershof umgesetzt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 14: Geschlossener dreiphasiger Lichtbogenofen mit kippbaren Ofengefäß

(Zeichnung Peter Köcher, Foto: Archiv BAM/Kley 1993)

Im September 1980 übernahm der Physiker Dr. Gerd Kley die Leitung der Abteilung „Hochtemperaturwerkstoffe“. Er konnte auf den bisherigen Erfahrungen der Mitarbeiter und den bestehenden Industriekontakten aufbauen, ebenso auf dem Erfahrungsschatz seines Vorgängers Dr. Frischbutter.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 15: Dr. Gerd Kley (Foto: Archiv BAM/Kley 2005)

Gerd Kley wurde am 23. Januar 1943 in Mühlhausen geboren. Nach Besuch der Grundschule und der Erweiterten Oberschule in Mühlhausen und einem Praktischen Jahr im VEB Geophysik Leipzig studierte er von 1962 bis 1967 Physik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Von 1967 bis 1968 arbeitete in einem physikalischen Labor der Akademie für Landwirtschaftswissenschaften (AdL-Institut Müncheberg), bevor er zum Wehrdienst eingezogen wurde. Im Mai 1970 trat er in das Zentralinstitut für Physikalische Chemie der AdW in Berlin ein, an dem er am 17. Juni 1974 mit dem informationstheoretischen Thema “Untersuchung von Methoden der Daten-Reduktion zur Anwendung auf digitalisierte Infrarot- und Raman-Spektren“ promovierte (Prof. Schirmer, Prof. Kriegsmann). Danach befasste er sich mit der Methode der Photo-Elektronen-Spektroskopie (ESCA). Von 1976 bis 1980 war Kley im Forschungsbereich Chemie (FBC, Prof. Keil) für die Zusammenarbeit mit und zwischen den Instituten ZIPC und ZIAC und der Koordinierung der Industrieverbindungen zuständig. In dieser Funktion kam es zu engen Kontakten mit den Mitarbeitern der Abteilung HTW, die zeitweise wegen ihrer starken Industriebindung unter „ideologischem Beschuss“ durch Vertreter der Akademieleitung und des FBC stand. Im September 1980 übernahm er die Leitung dieser Abteilung. Er behielt sie bis zur Auflösung der AdW Ende 1991. Unter Kley, der ab 1983 Mitglied des Zentralen Arbeitskreises „Keramtechnologie“ (ZAK) des Forschungsministeriums wurde, konnten weitere intensive Verbindungen zu Forschungseinrichtungen der Industrie aufgebaut werden. Hier waren Vertreter aller einschlägigen Unternehmen und Institute vertreten.

Nach Auflösung der AdW-Institute am 31.12.1991 arbeitete die frühere Abteilung HTW zunächst 3 Monate gemeinsam mit Forschern der TU Berlin (dem späteren Prof. Dr.-Ing. Martin Faulstich) an der umwelttechnischen Aufrüstung der Versuchanlagen für die spätere Bearbeitung von gefährlichen Abfällen, z.B. von Filterstäuben aus der Müllverbrennung, die bislang aus westlichen Bundesländern auf die Deponien der DDR gelangten. Die bei Feuerfestmaterialien praktizierte Vorgehensweise – die Abtrennung unerwünschter Bestandteile durch thermochemische Behandlung im Lichtbogenofen - wurde nun im Rahmen einer Forschungsgruppe der Bundesanstalt für Materialforschung und Prüfung auf schadstoffbelastete Rückstände übertragen und erfolgreich auf internationaler Ebene weitergeführt. Ende 1992 erhielt die Forschungsgruppe zusammen mit den Partnern der TU Berlin für diese Arbeiten eine Auszeichnung im Rahmen des Innovationspreises Berlin-Brandenburg. Weitere Themen, die von Gerd Kley akquiriert und betreut wurden, waren u.a. die Gewinnung von Eisen und Chrom aus Schlacken der Edelstahl-Industrie, die Gewinnung von Phosphor-Düngemitteln aus Klärschlammasche sowie die Verwertung von gesundheitlich bedenklichen Abfall-Fetten zu Industrie-Produkten. Im Jahre 2008 schied Gerd Kley mit 65 Jahren als Leiter der Projektgruppe „Thermochemische Stofftrennung und Verwertung schadstoffhaltiger Abfälle“ aus der BAM aus. Die damalige Projektgruppe ist heute (2014) der selbständige BAM-Fachbereich „Thermochemische Reststoffbehandlung und Wertstoffrückgewinnung“.

Bei der Übernahme der Abteilungsleitung fand Dr. Kley eine hoch-motivierte Forschungsgruppe vor, die innerhalb des Instituts und mit den Forschungsgruppen der Partnerindustrie gut vernetzt war. Zu den Mitarbeitern gehörten Chemiker, Mineralogen/Kristallografen, Chemie-Ingenieure, Chemotechniker, Probenpräparatoren und Chemie-Laboranten. Später kamen noch Verfahrenstechniker dazu.

Schwerpunkt war nach wie vor die Entwicklung von schmelzgegossenen Feuerfestmaterialien für die Stahl- und Glasindustrie der DDR, die Untersuchung von thermochemischen Methoden zur Gewinnung von reinen Werkstoffen aus relativ komplizierten und auf dem Weltmark billig zu beschaffenden Rohstoffen sowie die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen Feuerfestmaterial und den darin „behandelten“ Schmelzen (Glas, Stahl usw.), um die Prozesse des Verschleißes beeinflussen zu können. Für die Entwicklung und Produktionseinführung von speziellen schmelzgegossenen Feuerfestmaterialien für die Glasindustrie erhielt die AdW-Forschungsgruppe gemeinsam mit der Forschungsabteilung des VEB Elektroschmelze Zschornewitz (ESZ) 1983 den Orden „Banner der Arbeit“.

Zu den traditionellen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Entwicklung und dem Einsatzverhalten von Feuerfestmaterialien kamen neue Fragestellungen hinzu, so auch der Einsatz von basischen kohlenstoffgebundenen Hochtemperaturmaterialien im Bereich der Stahlindustrie und die Entwicklung von chromoxidhaltigen SG-Materialien. Auch die Einsatzmöglichkeiten plasmagespritzter Schutzschichten zur Verbesserung von Zustellungsmaterialien sowie temperaturbeanspruchter Metallteile (z.B. Motorkolben) wurde, wenn auch mit geringer Kapazität, zeitweilig bearbeitet.

[...]

Excerpt out of 101 pages

Details

Title
Entwicklung von Hochtemperaturwerkstoffen an der Akademie der Wissenschaften der DDR von 1949-1991
Subtitle
Eine Bilanz der Forschungsarbeiten und der Zusammenarbeit mit der Hersteller- und Anwenderindustrie
Author
Year
2014
Pages
101
Catalog Number
V430956
ISBN (eBook)
9783668773707
ISBN (Book)
9783668773714
File size
6796 KB
Language
German
Notes
Nachträgliche Bilanz einer Abteilung, die von 1949 bis zur Auflösung der AdW 1991 sowohl Grundlagenforschungs als auch Anwendungsforschung für bestimmte Industriezweige der DDR, in denen Hochtemperaturwerkstoffe benötigt wurden (Glasindustre, Stahlindustrie, chemische Industrie, Feuerfest-Industrie, Schleifmittelhersteller usw.), durchgeführt hat.
Keywords
entwicklung, hochtemperaturwerkstoffen, akademie, wissenschaften, eine, bilanz, forschungsarbeiten, zusammenarbeit, hersteller-, anwenderindustrie
Quote paper
Gerd Kley (Author), 2014, Entwicklung von Hochtemperaturwerkstoffen an der Akademie der Wissenschaften der DDR von 1949-1991, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/430956

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