Nach einer Zeit wirtschaftlicher, kultureller und politischer Verirrung durch den Dreißigjährigen Krieg war der Westfälische Frieden, der 1648 in Münster und Osnabrück geschlossen wurde, für das Heilige Römische Reich quasi Symbol für einen geordneten Neuanfang. Die Menschen erhofften sich eine Zeit der Gerechtigkeit, der Versöhnung und Ruhe. In den Augen der Staatsrechtler stellte der Frieden außerdem das wichtigste Grundgesetz des Reiches dar . Er bildete bei Verhandlungen über die Wahlkapitulationen oder in den Kurien des Regensburger Reichstages die oberste Richtschnur. Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die Verträge sowohl in Deutschland wie auch außerhalb maßgebendes Vorbild für die Beilegung von internationalen Konflikten .
Der Westfälische Frieden brachte für die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation etliche Neuerungen. Auch das Verhältnis der Konfessionen zueinander wurde durch den Frieden neu geordnet. Das Vertragswerk ergänzte den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Dabei wurden die bis dahin offen ausgetragenen konfessionellen Gegensätze politisch entschärft und durch die lange verhandelten Vertragsformeln juristisch überlagert. Vielfach gilt der Westfälische Frieden damit als Endpunkt des sog. „Konfessionellen Zeitalters“.
Allerdings trat der konfessionelle Gegensatz als politische Kategorie allein aufgrund des Friedens nicht zurück. Vielerorts wurden gegenreformatorische Bewegungen erst nach 1648 abgeschlossen. In manchen Regionen wurden Protestanten noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Emigration gezwungen . Die Bedeutung der konfessionellen Identität für die Menschen und das Zusammenleben unterschiedlicher religiöser Gruppen in der damaligen Zeit ist aus heutiger Sicht nicht immer einfach nachzuvollziehen. In der folgenden Seminararbeit wird dem Leser die konfessionelle Situation im Reich unter anderem mit Hilfe der Ausarbeitungen des Staatsrechtlers Johann Jacob Moser nähergebracht.
INHALTSVERZEICHNIS
A. Einleitung
B. Johann Jacob Moser: der Reichsjurist
I. Biographie
II. Werk
III. Bedeutung und Würdigung
C. Die konfessionelle Situation im Reich
I. Die Entstehung der Konfessionen im Deutschen Reich
II. Die Religionsbestimmungen im Westfälischen Frieden
III. Die konfessionelle Wirklichkeit im Deutschland des 18. Jahrhunderts
D. Resümee
E. Literaturverzeichnis
A. Einleitung
Nach einer Zeit wirtschaftlicher, kultureller und politischer Verirrung durch den Dreißigjährigen Krieg war der Westfälische Frieden, der 1648 in Münster und Osnabrück geschlossen wurde, für das Heilige Römische Reich quasi Symbol für einen geordneten Neuanfang. Die Menschen erhofften sich eine Zeit der Gerechtigkeit, der Versöhnung und Ruhe. In den Augen der Staatsrechtler stellte der Frieden außerdem das wichtigste Grundgesetz des Reiches dar[1]. Er bildete bei Verhandlungen über die Wahlkapitulationen oder in den Kurien des Regensburger Reichstages die oberste Richtschnur. Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren die Verträge sowohl in Deutschland wie auch außerhalb maßgebendes Vorbild für die Beilegung von internationalen Konflikten[2].
Der Westfälische Frieden brachte für die Verfassung des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation etliche Neuerungen. Auch das Verhältnis der Konfessionen zueinander wurde durch den Frieden neu geordnet.[3] Das Vertragswerk ergänzte den Augsburger Religionsfrieden von 1555. Dabei wurden die bis dahin offen ausgetragenen konfessionellen Gegensätze politisch entschärft und durch die lange verhandelten Vertragsformeln juristisch überlagert. Vielfach gilt der Westfälische Frieden damit als Endpunkt des sog. „Konfessionellen Zeitalters“.[4]
Allerdings trat der konfessionelle Gegensatz als politische Kategorie allein aufgrund des Friedens nicht zurück. Vielerorts wurden gegenreformatorische Bewegungen erst nach 1648 abgeschlossen. In manchen Regionen wurden Protestanten noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur Emigration gezwungen[5]. Die Bedeutung der konfessionellen Identität für die Menschen und das Zusammenleben unterschiedlicher religiöser Gruppen in der damaligen Zeit ist aus heutiger Sicht nicht immer einfach nachzuvollziehen. In der folgenden Seminararbeit wird dem Leser die konfessionelle Situation im Reich unter anderem mit Hilfe der Ausarbeitungen des Staatsrechtlers Johann Jacob Moser nähergebracht.
Zunächst wird in Kapitel B der Jurist Johann Jacob Moser, der heute keinem größeren Publikum mehr bekannt ist, vorgestellt. Im Mittelpunkt stehen neben seinem ereignisreichen Lebensweg das umfangreiche Werk und die Bedeutung Mosers für die Rechtswissenschaft. Moser lebte und wirkte im Jahrhundert nach dem Friedensschluss. Er hat also die Auswirkungen des Vertragswerkes in den unterschiedlichen Gebieten unmittelbar erlebt. In seinem beruflichen Anspruch, die im Deutschen Reich geltende Verfassungswirklichkeit abzubilden, beschäftigte er sich auch grundlegend mit den Konfessionen sowie den Gesetzen und Verträgen, die ihr Zusammenleben regelten. In Kapitel C werden anschließend die konfessionellen Gegebenheiten im Alten Reich nachgezeichnet. Nach einer kurzen Übersicht über die Entstehung der Konfessionen in Deutschland werden die Religionsbestimmungen des Westfälischen Frieden aufgeführt. Anschließend erfolgt auf der Grundlage von Mosers reichsrechtlichen Darstellungen ein Überblick über die konfessionelle Realität nach dem Friedensschluss im Reich. Kapitel D schließlich fasst die wichtigsten Punkte dieser Darstellung noch einmal zusammen.
B. Johann Jacob Moser: der Reichsjurist
Der von 1701 bis 1785 lebende Jurist Johann Jacob Moser ist heute fast vergessen, obwohl er noch im 19. Jahrhundert eine bekannte historische Persönlichkeit war, für die sich insbesondere das aufstrebende Bürgertum interessierte.[6] Liberale und nationale Publizisten, württembergische Patrioten und evangelische Schriftsteller bezogen sich auf ihn und trugen oftmals zu einer unkritischen Verklärung seiner Person bei. Bei der Beschäftigung mit Johann Jacob Moser stand zumeist die Auseinandersetzung mit seiner auffälligen Biographie im Mittelpunkt, weniger die Bezugnahme auf sein juristisches (und sonstiges) Werk.[7] Im Folgenden wird daher neben dem Lebensweg das umfangreiche Werk Mosers vorgestellt sowie seine Bedeutung für die deutsche Staatsrechtswissenschaft hervorgehoben.
I. Biographie
Der Lebensweg Johann Jacob Mosers ist von einer nahezu unverständlichen Rastlosigkeit geprägt. In seinem Berufsleben hat er die unterschiedlichsten juristischen Ämter bzw. Verwaltungsstellen bekleidet, jedoch immer nur für einen kurzen Zeitraum. Zu einem großen Teil resultierte dies aus seiner Kompromisslosigkeit[8] und den Ansprüchen, die er an sich selbst stellte. Moser versuchte stets gegen Dinge, die in seinen Augen das Recht verletzten, anzukämpfen und seine eigene Position nicht aufzugeben, so dass er bisweilen starrsinnig wirkte[9]. Er verfolgte einen eigenen, sehr speziellen Weg, durch den er stets versuchte, den Grundsätzen seines tiefen evangelischen Glaubens gerecht zu werden. Der häufige Wechsel seiner Anstellungen führte bereits bei Zeitgenossen zu Missverständnissen und Verleumdungen. Um diesen entgegenzutreten, verfasste Moser 1768 seine Autobiographie.[10]
Der 1701 in Tübingen geborene Johann Jacob Moser entstammte einer traditionellen württembergischen Familie. Die männlichen Vorfahren waren als Schreiber und Räte für den württembergischen Fürsten tätig gewesen[11]. Seit 1573 trug die Familie den Adelstitel „von Filseck und Weilersberg“. Auf die Nutzung des Titels verzichtete Johann Jacob Moser ab 1733, da er ihn als reine Äußerlichkeit verstand, die nicht zu seiner Persönlichkeit und seiner Glaubensüberzeugung passte.[12] Zudem verknüpfte sich mit der Familie auch eng das Leben im evangelischen Glauben[13]. Viele seiner Vorfahren mütterlicherseits standen seit der Reformation in Kirchendiensten[14]. Mosers Mutter beispielsweise war die Tochter eines schwedischen Konsistorialrats[15].
Bereits zu Schulzeiten zeigte sich ein unvorstellbarer Fleiß des jungen Mosers[16]. Nach dem Tode des Vaters begann er 1717 mit dem Jurastudium in Tübingen, das er drei Jahre später mit der Lizentiatenprüfung abschloss. Er wurde außerordentlicher Professor der Rechte sowie herzoglich-württembergischer Regierungsrat. Um sich in der juristischen Praxis weiterzubilden, ging er im selben Jahr nach Wien.
Durch ein Gutachten über die Rechte des Reiches in der Toskana erreichte Moser die Aufmerksamkeit des Reichsvizekanzlers Friedrich Karl von Schönborn und bekam Zutritt zu den Reichsbehörden.[17] Er kehrte allerdings nach eineinhalb Jahren wieder in seine alte Heimat zurück und heiratete seine Verlobte. Da sich in Württemberg keine beruflichen Perspektiven auftaten, ging Moser 1724 erneut zurück nach Wien. 1726 nahm er die Berufung zum wirklichen Regierungsrat in Stuttgart an. Allerdings legte er dieses Amt bereits ein Jahr später nieder, weil die Residenz nach Ludwigsburg verlegt wurde und er Bedenken gegen die Regierungspolitik Eberhard Ludwigs hatte. Von 1729 bis 1733 führte er den Titel eines Professors am „Collegium Illustre“ in Tübingen[18]. In diesen Zeitraum fällt auch seine Hinwendung zum Pietismus. Diese evangelische Glaubensrichtung prägte seitdem seine Lebenseinstellung nachhaltig[19]. Der Pietismus war eine religiöse Erneuerungsbewegung innerhalb der protestantischen Kirche. Die Anhänger dieser Bewegung hatten zumeist tiefe Glaubenserfahrungen (so auch Moser) erlebt und betonten die individuelle Frömmigkeit, die sie von den übrigen Gemeindemitgliedern unterschied. Die Pietisten trafen sich zum Lesen und Interpretieren der Bibel und erwarteten die Entstehung einer neuen Welt auf Erden. Damit rückten sie die tatsächlichen irdischen Verhältnisse in den Blickwinkel des Glaubens, so dass im Pietismus häufig auch praktische Reformideen entstanden.[20] Im Jahr 1734 wurde Johann Jacob Moser vom neuen württembergischen Herzog Karl Alexander in den Regierungsrat zurückgeholt. Auch in dieser Position blieb der vielseitige Jurist nur für einen kurzen Zeitraum. 1736 wurde er zum Direktor der Universität und Ordinarius der juristischen Fakultät in Frankfurt/Oder berufen. Für die Hochschule erarbeitete er ein großes Reformkonzept, das allerdings bei seinen Kollegen und der zuständigen Obrigkeit keinen Zuspruch fand. Auch seine Vorlesungen waren nicht gut besucht, so dass er die Universität 1739 verließ. Bis 1747 zog er sich in das Privatleben zurück und lebte in einer pietistischen Gemeinde um den Grafen Reuß im vogtländischen Ebersdorf.
In diesen Jahren, die er selbst als die glücklichste Zeit seines Lebens bezeichnete, arbeitete er vor allem an seinem umfangreichen wissenschaftlichen Werk und nahm politische Beraterverträge von Reichsständen an. So beriet er 1741/42 und 1745 Kurtrier und Kurmainz bei den Wahlbotschaften für die Kaiserwahlen. Aus der religiösen Gemeinschaft in Ebersdorf zog er sich wegen zunehmender Glaubensunstimmigkeiten zurück. Von 1747 bis 1749 ging Moser als leitender Geheimer Rat und Chef der Kanzlei nach Hessen-Homburg. Auch hier wurden seine Reformvorschläge nicht angenommen, so dass er die Position von sich aus wieder aufgab, um in Hanau nach eigenem Konzept eine Staats- und Kanzleiakademie zu eröffnen.[21] Bereits im Jahr nach der Gründung war diese Akademie erfolgreich. Trotzdem gab Johann Jacob Moser auch diese Schule auf und übernahm 1751 das Amt des württembergischen Landschaftskonsulenten. In dieser Stellung geriet er in die Auseinandersetzung um die absolutistische Politik des Herzogs, die von der Landschaft als Ständevertretung bekämpft wurde[22]. Moser verteidigte die Rechte der Landschaft intensiver als diese selbst und wurde innerhalb des Konflikts 1759 verhaftet. Rund fünf Jahre verbrachte er in entbehrlicher Festungshaft auf dem Hohentwiel[23]. 1764 wurde er wieder in das Amt des Landschaftskonsulenten eingesetzt. Nach Differenzen mit der Landschaft, die ihn nur noch selten um Rat bat, zog sich der Jurist 1770 von den öffentlichen Aufgaben zurück. Bis zu seinem Tode 1785 arbeitete er jedoch stets an seinem umfangreichen wissenschaftlichen Werk weiter.[24]
II. Werk
Johann Jacob Moser hat der Nachwelt ein ausgesprochen umfangreiches Werk hinterlassen. Als einer der größten Vielschreiber der Weltgeschichte publizierte er hunderte von Büchern (!) und 25 Zeitschriften[25]. Es gibt wahrscheinlich keine Bibliothek, die seine mehr als 500 Publikationen vollständig besitzt[26]. Der größte Teil seiner Schriften besteht aus rechtswissenschaftlichen Arbeiten.
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[1] Dickmann, Fritz: Der Westfälische Frieden, Münster 71998, S. 1
[2] Schmidt, Georg: Der Dreißigjährige Krieg, München 52002, S. 101
[3] Stolleis, Michael: Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd.1: Reichpublizistik und Policeywissenschaft 1600 – 1800, München 1988
[4] s. z. B. Schilling, Heinz: Die Konfessionalisierung im Reich. Religiöser und gesellschaftlicher Wandel in Deutschland zwischen 1555 und 1620, in: HZ Bd. 246, 1988, S. 28, Klueting, Harm: Das konfessionelle Zeitalter 1525 - 1648, Stuttgart 1989, S. 347
[5] Klueting (Zeitalter, 1989), S. 351, S. 354
[6] Gestrich, Andreas/ Lächele, Rainer: Einleitung, in: Gestrich/Lächele (Hrsg.): (Politiker, 2002), S. XIII
[7] Rürup, Reinhard: Johann Jacob Moser. Pietismus und Reform, Wiesbaden 1965, S. VII
[8] Wilson, Peter Hamish: Johann Jacob Moser und die württembergische Politik, in: Gestrich/Lächele (Hrsg.): (Politiker, 2002), S. 6
[9] Bader, Karl Siegfried: Moser, Johann Jakob. Staatsrechtslehrer und Landschaftskonsulent. 1701 – 1785, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken, Stuttgart 1960, S. 94
[10] Röder, Siegfried: Johann Jacob Moser – ein schwäbischer Patriot. „Lebens-Geschichte Johann Jacob Mosers, von ihme selbst beschrieben“, in: Christmann, Helmut (Hrsg.): Schwäbische Lebensläufe Bd. 8, Heidenheim 1971, S. 16
[11] Laufs, Adolf: Johann Jakob Moser, in: Stolleis, Michael (Hrsg.): Staatsdenker im 17. und 18. Jahrhundert: Reichspublizistik. Politik. Naturrecht, Frankfurt/Main 21987, S. 284
[12] Röder (Patriot, 1971), S. 21
[13] Rürup (Pietismus, 1965), S. 17
[14] Schulze, Hermann: Johann Jacob Moser, in: ADB Bd. 22, Leipzig 1885, S. 372
[15] Röder (Patriot, 1971), S. 22
[16] Stolleis; Michael: Johann Jacob Moser oder: Der Erzpublizist des Alten Reiches, in Gestrich/Lächele (Hrsg.): (Politiker, 2002), S. 61
[17] Kleinheyer, Gerd: Johann Jacob Moser, in: Kleinheyer, Gerd/Schröder, Jan (Hrsg.): Deutsche und europäische Juristen aus neun Jahrhunderten: Eine biographische Einführung in die Geschichte der Rechtswissenschaft, Heidelberg 41996, S. 302
[18] Rürup (Pietismus, 1965), S. 8 – S. 9
[19] Kleinheyer (Johann Jacob Moser, 41996), S. 302
[20] Maurer, Michael: Kirche, Staat und Gesellschaft im 17. und 18. Jahrhundert, München 1999, S. 24 – S. 26
[21] Rürup (Pietismus, 1965), S. 9 – S. 10
[22] Kleinheyer (Johann Jacob Moser, 41996), S. 303
[23] Gestrich, Andreas: Johann Jacob Moser als politischer Gefangener, in: Gestrich/Lächele (Hrsg.): (Politiker, 2002), S. 48
[24] Kleinheyer (Johann Jacob Moser, 41996), S. 303
[25] Stolleis (Reichspublizistik, 1988), S. 260
[26] Röder (Patriot, 1971), S. 15
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