Die Schuld bei Hartmanns "Gregorius" und "Iwein". Schlüsselbegriffe und Emotionen vom Hereinbrechen der Schuld bis zum Weg der Läuterung


Hausarbeit, 2011

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Hereinbrechen der Schuld

1. Gregorius - vürgedanc und zwîvel als Gefahr des ewigen Verderbens

2. Iwein - mangelnde mâze als Ursache des Schuldhereinbrechens

3. Die Gewalt der Schuld - Schuldgefühle und Emotionen

1. Gregorius - Sünde als zwîvaltiger tôt

2. Iwein - Selbsthass und Wahnsinn

4. Der Weg der Läuterung

1. Gregorius - die kolossale Buße als Weg zu Gott

2. Iwein - Aventiurefahrt als Rückkehr zu Laudine

5. Schluss

1.Einleitung

Die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts ist in der deutschsprachigen Literatur vor allem durch das aufkommende Rittertum geprägt. Auch Hartmann von Aue greift in seinen Werken diese Thematik auf und bietet durch sie die Möglichkeit zur Verstrickung des Helden in Schuld. „Dem Gedanken, mit Schuld beladen zu sein, kommt […] eine besondere Bedeutung zu“1, da laut Jacques Le Goff die Ewigkeit für den mittelalterlichen Menschen ganz nah sei und Hölle oder Paradies schon morgen eintreten könnten2. Die Elemente der Schuld und Läuterung werden unter anderem im „Gregorius“ und im „Iwein“ verwendet und dienen als Grundlage dieser Arbeit.

Im Folgenden wird auf das Hereinbrechen der Schuld und auf den Weg der Läuterung außerhalb der kirchlichen Sphäre eingegangen.

Zunächst wird die jeweilige Schuldquelle herausgestellt und die Ursachen des Schuldhereinbrechens unter Berücksichtigung der Schlüsselbegriffe mâze, zwîvel und vürgedanc, in Verbindung mit den zwei Todsünden desperatio und praesumptio, erläutert. Hier wird auch eine Festlegung der Definition des Schuldbegriffs erfolgen.

Anschließend werden die Schuldgefühle und Emotionen beider Protagonisten nach Schuldeinbruch unter Berücksichtigung des Emotionsmodells nach Maria Helena Oestreicher dargestellt. Die Akzeptanz und Aufsichnahme dieser Schuld dienen als erster Schritt auf dem Weg zur Läuterung. Abschließend wird der Weg der Läuterung beschrieben. Hierbei werden vor allem die Begriffe der buoze und aventiure verwendet und ein Zusammenhang mit der riuwe und mâze hergestellt.

Der Schlussteil fasst die Ergebnisse zusammen und soll Anregungen für weitere Fragestellungen bieten, die sich aus der vorher behandelten Thematik ergeben.

2. Das Hereinbrechen der Schuld

Sowohl bei Iwein als auch bei Gregorius tritt die Schuld plötzlich und ohne Vorwarnung ein. Hierbei findet besonders der Begriff der mâze Beachtung, die als „richtig gemessene, gehörige grösse, abgegränzte ausdehnung in raum, zeit gewicht […]“3 gilt. Die mâze zählt seit dem Eintreten der höfischen Dichtung zur ritterlichen Grundtugend und ist bedeutend als Gegenkraft zu übermäßigen Emotionen und Gemütsbewegungen. Auch bei den Werken Hartmann von Aues hat die mâze eine große Bedeutung. Besonders im Iwein findet sie im Zusammenhang mit der Minne Beachtung, da die unmâze von aventiure und minne Iwein zur Begehung seiner Sünden führt.

2.1 Gregorius - vürgedanc und zwîvel als Gefahr des ewigen Verderbens

Bei „Gregorius“ gibt es verschiedene potentielle Schuldquellen - die inzestuöse Geburt, der Auszug aus dem Kloster, der unabsichtliche Inzest mit der Mutter. Inwiefern die inzestuöse Geburt wirklich eine Schuldquelle darstellt ist umstritten, da hier beachtet werden muss, dass „zum Wesen der Sünde […] nicht nur der objektive Tatbestand, sondern der subjektive Wille des Täters“4 gehört. Dieser ist in diesem Fall durch seine Unwissentlichkeit nicht vorhanden. Dennoch wird die inzestuöse Geburt in dieser Arbeit als Schuldquelle angesehen, da bei Gregorius durch die Erbsünde die überpersönliche Schuld vorliegt.5

Da Gregorius als Kind von zwei Fischern vor einer Klosterinsel gefunden und vom Abt in seine Obhut genommen wird, wächst er im Kloster auf. Nach einem Kräftemessen mit seinem Stiefbruder, bei dem Gregorius ihn unabsichtlich verletzt, erfährt Gregorius von seiner bis dahin für ihn „echten“ Mutter, daz er ein vuntkint ist (V.1323). Durch diese plötzlich hereinbrechende Wahrheit ist er in seinem tiefsten Inneren erschüttert und sucht den Abt auf um die Wahrheit über seine Herkunft zu erfahren. Nach diesem Gespräch entsagt Gregorius sofort dem Klosterleben, denn er mac gotes rîter gerner wesen danne ein betrogen klôsterman (V.1534-1535).

Hier werden nun die zwei Todsünden praesumptio und desperatio thematisiert. Die praesumptio gilt als „anmaßende Vorwegnahme des Heils auf Erden“6, die desperatio als „finale Verzweiflung am Heil“7. Indem Gregorius nun aus dem Kloster aufbricht, droht er der praesumptio zu verfallen. Er zeigt mangelnden vürgedanc (V.21). welches als Synonym für die praesumptio gilt und den unüberlegten Aufbruch aus dem Kloster, immer verbunden mit einem großen Vertrauen in Gottes Gnade, verdeutlicht. Gregorius denkt zu dem Zeitpunkt nicht über die Konsequenzen seines Tuns nach, sondern zeigt ein, teilweise fast verhängnisvolles, Urvertrauen in Gott.

Als Ritter tut Gregorius nur Gutes und hilft anderen Menschen. Sein Ziel ist jedoch, seine Herkunft herauszufinden. Er wil iemer varnde sîn, mir entuo noch gotes gnâde schîn von wanne ich sî oder wer (V.1803-1805). Durch die Leitung des Windes gerät er nach Aquitanien, das Land seiner Mutter, und verliert nun sein eigentliches Ziel aus den Augen (V.1832). Er verstrickt sich in die zweite Schuld: der Inzest mit der Mutter. Als dies der Mutter deutlich wird, droht sie der desperatio, also dem zwîvel an Gott, zu verfallen. Sie sagt verfluochet was diu stunde von unsers herren munde, dâ ich inne wart geboren (V.2563- 2565). Außerdem spricht sie vom heize gotes zorn (V.2678). Gregorius verfällt nicht dem zwîvel, sondern leitet seine Mutter zur Buße an (V.2698-2735). Dies ist ein wichtiger Schritt, da der zwîvel als mortgalle (V.167) gilt, der ze dem êwigen valle den niemen mac gebüezen noch wider got gesüezen (V.168-170) führt. Gregorius behält auch in der schwierigen Zeit seine Treue zu Gott bei und legt somit den Grundstein für die spätere Läuterung.

Im Gegensatz zu Iwein gilt Gregorius als Vorbild für den Umgang mit der mâze:

nû wolde aber er der mâze pflegen: durch die gotes êre

sô engerte er nihtes mêre wan daz im dienen solde: vürbaz er niene wolde. (V.2272-2276)

Er hat bereits die Bedeutung der mâze verstanden und als ritterliches Ideal verinnerlicht. Dennoch keimt mit dem Verlust des eigentlichen Ziels ein kurzer Augenblick der unmâze auf, da das Ausfindigmachen seiner Herkunft vor lauter Minne, Ruhm und Ehre in den Hintergrund tritt (V.1966-1969).

2.2 Iwein - mangelnde mâze als Ursache des Schuldhereinbrechens

Bei Hartmanns „Iwein“ liegt die Schuldquelle darin, dass Iwein der Aufgabe als Artusritter eine größere Bedeutung zumisst als der Aufgabe des Landesherrn.8 Für ihn geht es hauptsächlich darum, Keie sîn ungevüegez schelten unde sînen tägelîchen spot (V.2562- 2563) heimzuzahlen und des andern êre (V. 2578) zu erlangen. Durch diese Prioritätenverschiebung kommt es dazu, dass Iwein die von Laudine gesetzte Jahresfrist versäumt (V.3084-3087) und infolgedessen den Ring zurückgeben muss, da dieser nicht länger an einer ungetriuwen hant sein soll (V.3095). Es ist der slac sîner êren (V. 3204), der ihn schließlich dazu bringt, die Freude und den Verstand zu verlieren (V.3214 -3215).

Im Gegensatz zu Gregorius kann sich Iwein nicht der praesumptio oder desperatio schuldig gemacht haben, da er keine monastische Bildung besitzt und somit die Voraussetzungen, wie Bildung, Erziehung, Tugendideal und adlige Gesellschaft, zur Erfüllung einer der beiden Todsünden nicht vorhanden sind9. Bei Iwein greift eher das vorher genannte Konzept der Nichtbeachtung der mâze, das auch im Zusammenhang mit der superbia, der Arroganz und Überheblichkeit des Protagonisten, steht. Iwein stellt sich über die Beachtung des maßvollen Verhältnisses zwischen minne und âventiure, indem er nicht berücksichtigt, dass die Aufgabe des Landesherrn vor allem der Schutz der Frau und des Volkes ist und begeht somit seine Schuld durch „Verrittern“10.

3. Die Gewalt der Schuld - Schuldgefühle und Emotionen

Nachdem es zum plötzlichen Hereinbrechen der Schuld gekommen ist, müssen beide Protagonisten ihr Leben neu ordnen. Sie müssen ihr altes Leben aufgeben um das Ansehen, das sie bisher besaßen, wiederbekommen zu können bzw. sich neu zu legimitieren. Dieser Existenzverlust geht mit vielen Emotionen einher.

„Emotionen sind komplexe, in weiten Teilen genetisch präformierte Verhaltensmuster, die sich im Laufe der Evolution herausgebildet haben, um bestimmte Anpassungsprobleme zu lösen und dem Individuum ein schnelles und der Situation adäquates Handeln zu ermöglichen“11.

Emotionen lassen sich in acht große Bereiche gliedern (s. Abb. 1), wobei es drei verschiedene Ebenen gibt, unter denen sich Emotionen betrachten lassen: die subjektive Ebene (Erlebnismitteilung auf Grund von Introspektion), die Verhaltensebene (Ausdrucksverhalten) und die physiologisch-biochemische Ebene (zentrales und vegetatives Nervensystem, endokrines Nervensystem).12

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.113

In dieser Arbeit wird ausschließlich auf sichtbare Emotionen eingegangen, die sowohl durch körperliche Reaktionen erkennbar werden als auch durch Äußerungen des jeweiligen Protagonisten oder Erzählers.

3.1 Gregorius - Sünde als zwivaltiger tôt

Nachdem bei Gregorius die Wahrheit über seine Herkunft ans Licht gekommen ist, fühlt er sich betrogen (V.1402) und ist enttäuscht, dass er nicht der ist, der er wânde sîn (V.1403). Er fühlt sich fremd und verbannt, wie ein ellender kneht (V.1408). Sô sêre vürhtet [er] den spot (V. 1422) von den Menschen, die mit ihm aufgewachsen sind, denn er schämt sich für seine Herkunft (V.1426). Die Wahrheit versetzt Gregorius in tiefe Trauer, die in Tränen ihren Ausdruck finden:

er weinde von der sünde, dâ inne was geborn. dâ wider hâte er im erkorn guote freude dar abe, von hôher geburt, von rîcher habe, der er ê niht enweste (V. 1750-1755).

[...]


1 Leibinnes, Christian: Die Problematik von Schuld und Läuterung in der Epik Hartmanns von Aue. Frankfurt am Main 2008. S.ϭ. KüŶftig zitiert als „LeibiŶŶes: HartŵaŶŶ voŶ Aue ϮϬϬ8“.

2 Le Goff, Jacques: Der Mensch des Mittelalters. Frankfurt/New York 1989. S.37.

3 http://www.woerterbuchnetz.de/Lexer/wbgui_py?lemid=LA00001

4 Wapnewski, Peter: Hartmann von Aue. Stuttgart 1976. S.91.

5 Hallich, Oliver: Poetologisches, Theologisches. Studien zum Gregorius Hartmanns von Aue. Frankfurt am Main 1995. S.89.

6 http://www.bistum-augsburg.de/index.php/bistum/layout/set/print/Referat-Schule-und- Bildung/Akademisches-Forum/Chronik/JUDAS-ISKARIOT-eine-offene-Biografie_id_100000

7 http://www.bistum-augsburg.de/index.php/bistum/layout/set/print/Referat-Schule-und- Bildung/Akademisches-Forum/Chronik/JUDAS-ISKARIOT-eine-offene-Biografie_id_100000

8 Leibinnes: Hartmann von Aue 2008. S.19.

9 Leibinnes: Hartmann von Aue 2008. S.87.

10 Leibinnes: Hartmann von Aue 2008. S.15.

11 http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/

12 http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Emotion.shtml#Plutchiks Emotionsmodell

13 http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/EMOTION/Emotion.shtml#Plutchiks Emotionsmodell Dies ist das Modell nach Maria Helena Oestreicher.

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Details

Titel
Die Schuld bei Hartmanns "Gregorius" und "Iwein". Schlüsselbegriffe und Emotionen vom Hereinbrechen der Schuld bis zum Weg der Läuterung
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
13
Katalognummer
V435286
ISBN (eBook)
9783668762497
ISBN (Buch)
9783668762503
Dateigröße
575 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
schuld, hartmanns, gregorius, iwein, schlüsselbegriffe, emotionen, hereinbrechen, läuterung
Arbeit zitieren
Laura Marie Ehlert (Autor:in), 2011, Die Schuld bei Hartmanns "Gregorius" und "Iwein". Schlüsselbegriffe und Emotionen vom Hereinbrechen der Schuld bis zum Weg der Läuterung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/435286

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