Das deutsche Tarifsystem und die deutsche Tarifpolitik befinden sich in einer tiefen Krise. Nicht nur die Gewerkschaften, sondern auch die Arbeitgeberverbände haben einen zunehmenden Mitgliederschwund zu verzeichnen. Viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer sehen bei den gegenwärtig weltweiten wirtschaftlichen Strukturproblemen, oft verbunden mit den einzelnen existenzbedrohenden Konsequenzen, ihre Interessen durch die Tarifparteien und deren Tarifpolitik nicht mehr wirksam repräsentiert. Kritisiert werden vor allem die mangelnde Differenzierung der Tarifverträge nach der unterschiedlichen Belastbarkeit der Unternehmen und die Inflexibilität des Tarifsystems bei seiner notwendigen Anpassung an geänderte wettbewerbliche Parameter.
Dabei entfaltet sich die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien und der Betriebparteien in einer marktwirtschaftlichen Ordnung. Den Herausforderungen der Globalisierung in der Wirtschaft versucht man gerecht zu werden, indem man prüft, durch eine filigranartige Reglementierung Flexibilität herzustellen, ohne die Grundsatzfrage zu beantworten, ob man auf diesem Weg überhaupt zum Ziel gelangen kann. Einerseits wollen die Gewerkschaften untereinander fusionieren, ohne zu berücksichtigen, dass dadurch auch ein Wettbewerb unter den Gewerkschaften beseitigt wird. Auf der anderen Seite eröffnen die Arbeitgeberverbände eine OT- Mitgliedschaft, obwohl sie Partner in Tarifverhandlungen bleiben wollen. Als flexibles Anpassungsinstrument sollen sich dann Tariföffnungsklauseln erweisen, obwohl bei ihrer Nutzung durch die Betriebspartner ein Betriebskorporavitismus begründet wird, der den freien Arbeitsvertrag ersetzen wird. Letztlich soll im Bündnis für Arbeit ein Weg
eingeschlagen werden, den es lediglich in einer organisierten Wirtschaft geben kann. Angesichts einer anhaltenden Arbeitsmarktkrise und nachweislicher Erfolglosigkeit in der praktizierten Wirtschaftspolitik wächst daher die Gewogenheit aller Beteiligten, die Krisenursachen in den Strukturen des Arbeitsmarktes und seiner Regulierung zu suchen. Dabei beschränken sich die Fortschritte im Bereich der qualitativen Tarifpolitik bezüglich Rahmen- und Manteltarifverträgen auf wenige Themen und Tarifbereiche. Die Gewerkschaften verfügen jedoch auch über kein schlüssiges Konzept, auf dessen Grundlage sie zu einer wirkungsvolleren tarifpolitischen Interessenvertretung gelangen könnten.
Inhaltsverzeichnis
- A. Einleitung
- B. Wirkung von Tarifverträgen
- I. Rechtsnatur eines Tarifvertrages
- II. Wirtschaftliche Funktion des Tarifvertrages
- III. Zustandekommen von Tarifverträgen
- 1) Tariffähigkeit
- 2) Tarifzuständigkeit
- 3) Tarifvertragsabschluss
- a) Schriftform
- b) Bezugnahmeklauseln
- 4) Inhalt
- a) Normativer Teil
- (1) Normsetzungswille
- (2) Gegenstand der Normsetzungsbefugnis
- (a) Inhaltsnormen
- (b) Abschlussnormen
- (c) Beendigungsnormen
- (d) Betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Normen
- (3) Geltungsbereich der Rechtsnormen
- (4) Tarifgebundenheit
- (a) Gleichstellungsabrede
- (b) Allgemeinverbindlichkeitserklärung
- (c) Gebundenheit bei Betriebsnormen
- (d) Tarifkonkurrenz/ Tarifpluralität (Tarifkollision)
- (5) Zeitlicher Anwendungsbereich
- (6) Anmeldung zum Tarifregister/ Auslegen des Tarifvertrags
- (7) Wirkung der Tarifvertragsnormen
- (a) Unabdingbarkeit
- (b) Unverbrüchlichkeit
- (c) Grenzen der normativen Wirkung
- b) Schuldrechtlicher Teil
- (1) Friedenspflicht
- (2) Durchführungspflicht
- (3) Weitere Pflichten
- c) Fazit
- C. Flexibilisierungsmöglichkeiten
- I. Ausgangssituation
- II. Flexibilität von Tarifverträgen
- 1. Flexibilisierung durch Verbetrieblichung von Tarifverträgen
- a) Unternehmensbezogene Verbandstarifverträge
- b) Firmen- oder Haustarifverträge
- c) Ergänzungstarifverträge
- d) Tarifliche Modulsysteme
- sog. „Cafeteriasysteme“
- f) Zustimmungsvorbehalte
- g) Tarifvertragliche Öffnungsklauseln für Betriebsvereinbarungen
- (1) Allgemeine Öffnungsklausel
- (2) Korridorlösung oder auch Bandbreitentarifverträge
- (3) Optionslösung
- (4) Härte- und Notfallklauseln
- 2. Rechtliche Grenzen der Flexibilisierung
- a) Flexibilisierung durch Tariföffnungsklauseln
- b) Öffnungsklausel mit Zustimmungsvorbehalt
- c) Öffnungsklauseln mit eingeschränktem oder ohne Zustimmungsvorbehalt
- 3. Kollision mit dem Günstigkeitsprinzip und praktische Folgen
- III Flexibilisierungsalternativen
- 3. Folgen einer generellen Öffnung
- IV Fazit
- a) Auffassung
- b) Gegenauffassung
- D. Tarifvertragsanalyse
- 1. Verbetrieblichung
- 2. Öffnung von Gesetzes wegen
- I Branchen gleich und regional verschieden
- 1. Tarifvereinbarung 2004 für die Metallindustrie Mecklenburg-Vorpommern (TarifV MV)
- 2. Tarifvereinbarung 2004 für die Metallindustrie Nordrhein-Westfalen (TarifV NRW)
- II Branchen verschieden und regional gleich
- 3. Zwischenergebnis
- 1. Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für den Groß- und Außenhandel Mecklenburg-Vorpommern
- 2. Tarifvereinbarung 2004 zum MTV für die Metallindustrie Mecklenburg-Vorpommern
- 3. Zwischenergebnis
- III Fazit
- F. Ergebnis
- Die Rechtsnatur und die wirtschaftliche Funktion von Tarifverträgen
- Die Möglichkeiten der Flexibilisierung von Tarifverträgen durch Verbetrieblichung und Tariföffnungsklauseln
- Die rechtlichen Grenzen der Flexibilisierung
- Die Folgen der Flexibilisierung für das Günstigkeitsprinzip und die Tarifautonomie
- Die Analyse konkreter Tarifverträge im Hinblick auf Verbetrieblichung und Öffnung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit befasst sich mit der Flexibilisierung von Tarifverträgen im deutschen Kollektiven Arbeitsrecht. Sie analysiert die Herausforderungen, die die aktuelle Wirtschaftslage und Globalisierung für das Tarifsystem stellen, und untersucht verschiedene Möglichkeiten, wie Tarifverträge flexibler gestaltet werden können, um den Bedürfnissen der Unternehmen und Arbeitnehmer gerecht zu werden.
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik der Flexibilisierung von Tarifverträgen im Kontext der aktuellen Wirtschaftslage dar. Kapitel B beleuchtet die Wirkung von Tarifverträgen, ihre Rechtsnatur, ihre wirtschaftliche Funktion sowie das Zustandekommen von Tarifverträgen. In Kapitel C werden verschiedene Flexibilisierungsmöglichkeiten von Tarifverträgen, wie Verbetrieblichung und Tariföffnungsklauseln, ausführlich diskutiert. Kapitel D analysiert konkrete Tarifverträge, um die verschiedenen Ansätze zur Flexibilisierung zu veranschaulichen. Das Kapitel F fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen.
Schlüsselwörter
Tarifverträge, Kollektives Arbeitsrecht, Flexibilisierung, Verbetrieblichung, Tariföffnungsklauseln, Günstigkeitsprinzip, Tarifautonomie, Globalisierung, Wirtschaftslage, Tarifanalyse.
- Citation du texte
- Nadja Greve (Auteur), 2005, Flexibilisierung von Tarifverträgen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/43542