Soziale Akzeptanz von Kindern in Abhängigkeit der Einstellungen ihrer Eltern zur Inklusion


Bachelorarbeit, 2016

43 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Der Inklusionsbegriff und seine Entwicklung
2.2 Heterogenitat als Ausgangspunkt fur Inklusion
2.3 Inklusion in Abgrenzung von Integration
2.4 Relative Einflusse von der Familie auf die Sozialisation Personlichkeitsentwicklung
2.5 Empirische Ergebnisse zur Inklusionsdebatte
2.5.1 Empirische Ergebnisse zu der Frage: Welche Einstellungen haben Eltern zur Inklusion
2.5.1.1 Erfahrungen der Eltern
2.5.1.2 Einstellungen von Lehrern und Eltern

3. Forschungsdesiderate

4. Empirische Studie
4.1 Stichprobe
4.2 Aufbau der empirischen Studie
4.3 Untersuchungsmethode

5. Ergebnisse
5.1 Explorative Faktorenanalyse und Reliabilitatsanalyse
5.1.1 Forderschwerpunkt Lernen
5.1.2 Forderschwerpunkt sozial-emotionale Entwicklung
5.1.3 Wahrgenommenes Elternverhalten
5.2 T-Test in Bezug auf den Kontakt
5.3 T-Test in Bezug auf das Geschlecht
5.4 Korrelationen zwischen dem wahrgenommenen Elternverhalten und den Einstellungen zum Forderschwerpunkt Lernen sowie sozial- emotionale Entwicklung

6. Diskussion

Literatur

Darstellungsverzeichnis

Zusammenfassung

Die vorliegende empirische Arbeit erforscht die soziale Akzeptanz von Kindern in Abhangigkeit der Einstellungen ihrer Eltern zum Thema Inklusion. Im Rahmen des Projekts „Bedingungen der sozialen Teilhabe in der Grundschule“ wurde eine quantitative Umfrage unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Frank Hellmich durchgefuhrt. Es nahmen dritte und vierte Klassen deutscher Regelgrundschulen im naheren Umkreis von Paderborn an der Untersuchung teil. Die Umfrage zielte darauf ab, Aspekte der vier Forderschwerpunkte Lernen, sozial - emotionale Entwicklung, geistige Entwicklung sowie korperliche Entwicklung zu beleuchten. Bei einer StichprobengroRe von N = 244 wurden Fragen zu personlichen Einstellungen, Wahrnehmung der Elterneinstellungen, Selbstbild und Klassenzusammenhalt gestellt, wobei in dieser Arbeit der Schwerpunkt auf den Forderschwerpunkten Lernen und sozial-emotionale Entwicklung, sowie den Einstellungen der Eltern liegt. Anhand von t-Tests fur unabhangige Stichproben konnte herausgefunden werden, dass Madchen signifikant positivere Einstellungen zu Kindern mit sonderpadagogischem Forderbedarf haben als Jungen. Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass Kinder, die das Elternverhalten bezuglich Inklusion als positiv wahrnehmen, auch signifikant positiver eingestellt sind.

Stichworte: soziale Teilhabe, soziale Akzeptanz, Inklusion, Grundschule, wahrgenommenes Elternverhalten

Abstract

The purpose of this quantitative study was to examine the social acceptance of children depending on the attitudes of their parents towards inclusion. In the context of the project “Conditions of social participation in elementary schools” questionnaires were given to a sample of 244 (N = 244) third- and fourth graders of regular education schools around Paderborn in Germany. The survey contained questions concerning the four focus areas learning, social emotional development, cognitive development and physical development. The children were asked concerning personal opinions, awareness of attitudes of their parents, self-image as well as class cohesion. Nevertheless, the focus of this thesis lies on learning and the social emotional development. T-tests for independent samples showed significant differences between the attitudes of female participants and male participants of this sample. Girls had significant more positive attitudes towards children with special educational needs than boys. Furthermore, children who perceived their parents attitudes towards inclusion as positive, had a more positive attitude themselves.

Keywords: social participation, social acceptance, inclusion, elementary school, awareness of parental attitudes towards inclusion

1. Einleitung

Die Forderung, dass alle Menschen ein Recht auf Bildung haben und an Bildungsprozessen gleichberechtigt teilhaben durfen, ist nicht erst seit der UN- Behindertenrechtskonvention 2008 unbestritten. Hier heiRt es:

„Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen auf Bildung. Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewahrleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen mit dem Ziel, a) die menschlichen Moglichkeiten sowie das Bewusstsein der Wurde und das Selbstwertgefuhl des Menschen voll zur Entfaltung zu bringen und die Achtung vor den Menschenrechten, den Grundfreiheiten und der menschlichen Vielfalt zu starken; b) Menschen mit Behinderungen ihre Personlichkeit, ihre Begabungen und ihre Kreativitat sowie ihre geistigen und korperlichen Fahigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu lassen; c) Menschen mit Behinderungen zur wirklichen Teilhabe an einer freien Gesellschaft zu befahigen.“ (UN-Behindertenrechtskonvention, Artikel 24)

In der UN-Behindertenrechtskonvention bezeichnet der Begriff „Inklusion“ die soziale Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Fur Schulen und Kindertageseinrichtungen bedeutet dies, dass das Leitbild der Inklusion im Sinne einer umfassenden und selbstbestimmten Teilhabe nicht mehr prinzipiell infrage gestellt wird. Vielmehr stellt sich die Frage, auf welche Art und Weise Inklusion in qualitatsorientierter Weise in der Praxis umsetzen lasst (vgl. Friedrich, 2013). Fraglich ist, wie in diesem Kontext die Bedingungen fur Kinder mit sonderpadagogischem Forderbedarf aussehen. Werden sie von ihren Mitschulern akzeptiert und welchen Eindruck zum Thema Inklusion vermitteln Eltern ihren Kindern ohne sonderpadagogischem Forderbedarf? Da man bisher nur wenig in der Forschung zu den Bedingungen der sozialen Teilhabe speziell von Kindern mit sonderpadagogischem Forderbedarf in Grundschulklassen findet, soil diese Arbeit zum Anlass genommen werden, herauszufinden, wie die soziale Akzeptanz von Kindern aussieht. Hierzu soil die quantitative Sozialforschung in Form von Fragebogen herangezogen werden, um die empirischen Sachverhalte zum Thema „Soziale Akzeptanz von Kindern in Abhangigkeit der Einstellungen der Eltern“ naher zu betrachten. Wie das Thema bereits impliziert, werden die Fragebogen an Kinder ausgeteilt. Diese befanden sich zum Zeitpunkt der Erhebung in der dritten und vierten Klasse einer Regelschule. Der Fragebogen beinhaltet Fragen zu den vier Forderschwerpunkten „Lernen“, „sozial-emotionale Entwicklung“, „geistige Entwicklung“, sowie „korperliche Entwicklung“. Im Rahmen dieser Arbeit werden allerdings nur die Ergebnisse der Forderschwerpunkte Lernen und sozial- emotionale Entwicklung naher beleuchtet, da eine umfassende Analyse und Interpretation aller Forderschwerpunkte den Umfang vorliegender Arbeit ubersteigen wurde. AuRerdem ist davon auszugehen, dass Kinder in deutschen Regelschulen mehr Erfahrungen mit insbesondere den ersten beiden Forderschwerpunkten gemacht haben und somit aussagekraftige Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. Hollenbach-Biele/ Klemm, 2014). Zu den zwei Forderschwerpunkten sowie zu dem wahrgenommenen Elternverhalten wurden im Rahmen der Auswertung Faktorenanalysen und t-Tests fur unabhangige Stichproben mit der Statistik- und Analysesoftware SPSS durchgefuhrt, welche die zuvor festgelegten Hypothesen und Forschungsfragen beantworten sollen.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Der Inklusionsbegriff und seine Entwicklung

Die Recherche zum Thema Inklusion bringt die umfassende Diskussion und mehrdimensionale Entwicklung rund um den Inklusionsbegriff zum Ausdruck. Er wurde durch den angloamerikanischen Raum gepragt und ist seit 1990 auch Teil der deutschen erziehungswissenschaftlichen Fachdebatte (vgl. Franz, Trumpa & Hinz, 2014). Der UNESCO - Konferenz Padagogik fur besondere Bedurfnisse: Zugang und Qualitat in Salamanca im Jahr 1994 gelang mit der Nennung der Inklusion ein wesentlicher Meilenstein (vgl. Allemann-Ghionda, 2013).

In die deutsche Debatte zog der Begriff Inklusion mit der Ubersetzung der UN- Behindertenrechtskonvention ein, welche 2006 unter Beteiligung von 192 Mitgliedsstaaten ratifiziert wurde (vgl. Franz, Trumpa & Hinz, 2013). In der UN- Behindertenrechtskonvention bezeichnet der Begriff Inklusion die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung. Diese Definition stellt einen Ausschnitt aus dem Inklusionsbegriff dar, der in aktuellen erziehungswissenschaftlichen Diskursen in erweiterter Form verstanden wird (vgl. Friedrich, 2013). Um den Begriff Inklusion prazise zu definieren und ihn von anderen Begrifflichkeiten abzugrenzen, gilt es Definitionsansatze aufzuzeigen und ggf. zu erweitern. Biewer (2009, S.124) spricht im Zusammenhang von Inklusiver Bildung von „Theorien zur Bildung, Erziehung und Entwicklung, die Etikettierungen und Klassifizierungen ablehnen, ihren Ausgang von den Rechten vulnerabler und marginalisierter Menschen nehmen, fur deren Partizipation in allen Lebensbereichen pladieren und auf strukturelle Veranderungen der regularen Institutionen zielen, um der Verschiedenheit der Voraussetzungen und Bedurfnisse aller Nutzer/innen gerecht zu werden“. Diese Definition wird durch Moser (2013, S.9) dahingehend erganzt, „dass Inklusion eine menschenrechtsbasierte, an sozialer Zugehorigkeit orientierte Perspektive ist.“ Prengel (vgl. 2010) konkretisiert hier, dass Inklusion auch die Abkehr von zielgruppenspezifischen Etikettierungen (z.B. Behinderung) beinhalte. Ferner stellt sie die Einzigartigkeit des Individuums in den Mittelpunkt. Gefordert wird die gesellschaftliche Teilhabe unabhangig von ihren individuellen Heterogenitatsmerkmalen wie Schicht bzw. Milieuzugehorigkeit, kulturelle bzw. ethnische Zugehorigkeit, Gender, sexuelle Orientierung und Religion.

International findet der Inklusionsbegriff ublicherweise in einem umfassenderen Verstandnis Verwendung, den Hinz (vgl. 2009) in vier Merkmale unterteilt. Erstens wird die Heterogenitat bzw. Verschiedenheit in Gruppen als positiv gewertet. Es werden zweitens alle Dimensionen von Heterogenitat in den Blick genommen: soziale Milieus, Religionen, Nationalitaten, Geschlecht, Begabung, Behinderungen und viele mehr. Drittens besteht die Zielsetzung der Inklusion darin, die Teilhabe aller Menschen in und an sozialen Gemeinschaften auszubauen und erlebte Barrieren zu beseitigen. Inklusion beansprucht somit viertens eine diskriminierungsfreie Gesellschaft. In Deutschland hingegen wird eher ein sonderpadagogischer Blickwinkel eingenommen und nicht, wie in den Definitionen oben, ein allgemeinpadagogischer, da in Deutschland noch die Sonderschule als separates Forderschulwesen existiert (vgl. Killus, 2014).

2.2 Heterogenitat als Ausgangspunkt fur Inklusion

Die Grundlage des Inklusionsgedankens besteht in menschenrechtlichen Normen und ethnischen Prinzipien. Die Heterogenitat der Individuen, welche im Kontext der Weiterbildungsinitative Fruhpadagogische Fachkrafte (kurz WiFF) als „verschieden, ohne einander untergeordnet“ verstanden wird, bildet den Ausgangspunkt fur die Forschung nach gleichberechtigter gesellschaftlicher Teilhabe (vgl. Friedrich, 2013, S.20).

Im offentlichen Diskurs werden die unterschiedlichen Lebensbedingungen von Kindern fur Bildungsungleichheiten verantwortlich gemacht (vgl. Huf, 2015). Betz (2008) und Allmendinger (2012) weisen darauf hin, dass Lebensbedingungen jedoch nicht nur unterschiedlich, sondern auch ungleich sind. Ungleiche Lebensbedingungen erfordern ein Heterogenitatsverstandnis, das nicht nur die ungleichen Startchancen in den Blick nimmt, sondern auch Moglichkeiten der gleichberechtigten Teilhabe hinterfragt. Insofern ist auch die MaRgabe der Selbst- und Mitbestimmung der Kinder uber ihr Lernen in sich widerspruchlich. Kinder sollen auf der einen Seite als Akteure in ihrem eigenen Leben ernst genommen werden und auf der anderen Seite stellt die Offnung des Unterrichts fur die Selbst- und Mitbestimmung der Kinder auch Anforderungen an das Treffen eigener Entscheidungen. Hierdurch entstehen erneut Ungleichheiten (vgl. Pongratz, 2004).

Entscheidend ist, dass der Umgang mit einer heterogenen Lerngruppe ein grundlegendes Phanomen ist, welches mit der Arbeit in der Grundschule einhergeht. Die Beschreibung von Heterogenitat hat sich allerdings laut Kurcharz (vgl. 2007) sehr gewandelt. Sie beschreibt in ihrem Beitrag, dass der Begriff sich sukzessive erweitert hat. Zuerst waren es in den 1960er Jahren die Arbeiterkinder, in den 1960er und 1980er Jahren die Madchen, seit 1990 Kinder mit Migrationshintergrund und seit der Unterzeichnung der UN- Behindertenrechtskonvention die Kinder mit sonderpadagogischem Forderbedarf, welche gemeinsam mit alien anderen in einer Regelschule unterrichtet werden sollten.

2.3 Inklusion in Abgrenzung von Integration

Zunachst einmal steht fest, dass der Begriff Inklusion auch in padagogischen Diskussionen mit dem Begriff Integration gleichgesetzt wird (vgl. Friedrich, 2013). Tatsachlich wurde in den ersten Integrationstheorien die Integration im Sinne der Inklusion verstanden. Integration wurde Ende der 1980er Jahre als „Verzicht, das von uns Ungewohnte, das Andere zu diskriminieren, stattdessen menschliche Verschiedenheiten anzuerkennen, ohne Werthierarchien aufzustellen und nach dem zu suchen, was gemeinsam moglich ist“ (Kron, 2006, S.30). Um Diskriminierung zu vermeiden, sollte Integration auf allen Ebenen erfolgen. Nach einiger Zeit hat sich die integrative Praxis von dieser Leitlinie entfernt und auf die institutionelle Integration von Kindern mit sonderpadagogischem Forderbedarf konzentriert. Die ursprungliche Zielsetzung ging dabei verloren und wurde erst mit dem Inklusionsbegriff wieder aufgegriffen (vgl. Prengel, 2010). Inklusion nimmt laut Friedrich (vgl. 2013) im Gegensatz zu den fruheren Integrationstheorien alle Kinder in den Fokus. Nach diesem Verstandnis erfordert Inklusion einen Wechsel der Perspektive. Bislang stand ausschlieRlich die Forderung des Individuums im Zentrum, die durch geeignete Einrichtungen und MaRnahmen erfolgte. Inklusion bedeutet dagegen am System anzusetzen, Barrieren abzubauen und durch Hilfestellungen das System fur alle zuganglich zu gestalten. Dabei soll jedoch auch die Einzigartigkeit des Individuums nicht vernachlassigt werden. Wagner/Sulzer (vgl. 2011) fugen hinzu, dass besondere Aufmerksamkeit dabei den Kindern gilt, die von Marginalisierung und Diskriminierung betroffen sind.

2.4 Relative Einflusse von der Familie auf die Sozialisation Personlichkeitsentwicklung

Da in der vorliegenden Arbeit nicht nur erforscht werden soll, wie die soziale Akzeptanz von Kindern aussieht, sondern auch ob und inwiefern Eltern Einfluss auf die Einstellungen der Kinder ausuben, findet sich im Folgenden eine kurze Zusammenfassung aktueller Studien zu den Einflussen der Familie auf die Personlichkeitsentwicklung:

Zunachst lasst sich festhalten, dass Eltern sowie Peers das psychosoziale Wohlbefinden pragen (vgl. Noack, 1996). Dabei sind Eltern im Gegensatz zu den Peers als Ratgeber zu Fragen bezuglich der eigenen Entwicklung in die Erwachsenenwelt hinein gefragt. Darunter fasst Noack (vgl. 1996) hauptsachlich die Schule und Ausbildung, sowie Werthaltungen. Die Einflussnahme der Freunde beziehe sich hingegen eher auf Freizeit, Freundschaft und Sexualitat.

Auch beim Umgang mit Problemen konnte der Familie, sowie den Freunden eine bedeutsame EinflussgroRe nachgewiesen werden.

Des Weiteren wurde herausgefunden, dass die Personlichkeitsentwicklung durch erblich bedingte Ahnlichkeiten zwischen Eltern und Kindern gepragt ist. Diese nimmt Einfluss auf die Wahl sozialer Kontexte, sowie Einstellungen zum Werteempfinden (vgl. Scarr & McCartney, 1983).

Eltern uben daruber hinaus eine soziale Referenzierung aus, die Interaktions- und Gesellungsformen ihrer Kinder beeinflusst. Grundschuler orientieren sich somit sehr stark an den elterlichen Freundschaftsbeziehungen hinsichtlich der Wahl und der Anzahl ihrer eigenen Freunde (vgl. Uhlendorff, 1997).

2.5 Empirische Ergebnisse zur Inklusionsdebatte

2.5.1 Empirische Ergebnisse zu der Frage: Welche Einstellungen haben Eltern zur Inklusion

Da in der vorliegenden Arbeit hauptsachlich das wahrgenommene Elternverhalten im Mittelpunkt steht, ist es besonders wichtig zu erfahren, wie Eltern zum Thema Inklusion stehen. In dem nachfolgenden Teil werden verschiedene empirische Ergebnisse dargestellt.

Die erste Studie, die herangezogen werden soll, ist die JAKO-O Bildungsstudie uber die Sichtweisen der Eltern im Hinblick auf die gemeinsame Beschulung mit und ohne sonderpadagogischen Forderbedarf in Deutschland aus dem Jahr 2014 von Dedering und Horstkemper.

Im Jahr 2012/2013 wurde bei insgesamt 449.744 (6,6%) Schulerinnen und Schulern in Deutschland in den Klassenstufen 1-10 ein sonderpadagogischer Forderbedarf diagnostiziert (vgl. Hollenbach-Biele/ Klemm 2014). 40,7% von ihnen wurden dem Forderschwerpunkt „Lernen“ zugeordnet. Der Rest verteilt sich auf die Forderschwerpunkte „Geistige Entwicklung“ (16,4%), „sozial- emotionale Entwicklung“ (14,5%), „Sprache“ (11,3%), „korperliche und motorische Entwicklung“ (6,9%), „Horen“ (3,6%), „Sehen“ (1,5%) und „Kranke“ (2,4%) (vgl. ebd.).

Derzeit werden Kinder mit einem diagnostizierten sonderpadagogischen Forderbedarf zu 71,8 % im seperaten Forderschulsystem unterrichtet. Dies bedeutet andererseits, dass bereits 28,2% auf eine Regelschule gehen (vgl. Hollenbach-Biele/ Klemm 2014). Aufgrund der Unterzeichnung der UN- Behindertenrechtkonvention ist dieser Inklusionsanteil in den letzten Jahren stetig gestiegen: Von 18,4% im Schuljahr 2008/09 auf die besagten 28,2% im Schuljahr 2012/13 (vgl. ebd.). Man kann jedoch aufgrund dieses Ergebnisses noch nicht zweifelsfrei von einer gemeinsamen Beschulung ausgehen, da es innerhalb der Schulen die Moglichkeit gibt, Kinder mit sonderpadagogischem Forderbedarf separat zu unterrichten. Entscheidend fur eine gelungene Inklusion ist nicht der Inklusionsanteil, sondern der Separationsanteil. Dieser muss zunehmend minimiert werden.

2.5.1.1 Erfahrungen der Eltern

Um von den Einstellungen der Eltern zum Thema Inklusion zu berichten, ist es zunachst interessant, wie viele Eltern bereits Erfahrungen mit Inklusion gemacht haben. Insgesamt 34% der Eltern (N = 3001) geben an, dass in der Grundschule ihres altesten schulpflichtigen Kindes behinderte und nicht-behinderte Kinder bereits gemeinsam unterrichtet werden (vgl. Dedering/ Horstkemper, 2013); mit zunehmender Klassenstufe sinkt dieser Wert auf 27%.

Zur elterlichen Bewertung der Auswirkungen gemeinsamen Lernens von behinderten und nicht-behinderten Kindern[1] lasst sich sagen, dass auf die Aussage „Nicht behinderte Kinder werden im fachlichen Lernen gebremst“ 46 % der Eltern mit „Stimme sehr zu“ oder „Stimme eher zu“ geantwortet haben. 71% der Eltern stimmten der Aussage „Behinderte Kinder werden in Sonderschulen besser gefordert“ zu und 88% sind der Uberzeugung, dass „soziale Fahigkeiten nicht behinderter Kinder gefordert werden.“ (Dedering & Horstkemper, 2013, S.54) Zusammenfassend sind sich die Eltern, unabhangig ihres Wohnortes in Ost- oder Westdeutschland, ihres Alters, ihres Bildungsabschlusses und ihres Einkommen, daruber einig, dass die nicht behinderten Kinder durch das gemeinsame Lernen in ihrem Sozialverhalten profitieren. Die beiden inklusionskritisch formulierten AuRerungen erhalten hingegen deutlich weniger Zustimmung.

Die nachste Auswertung der JAKO-O Bildungsstudie zeigt, inwieweit Eltern das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne sonderpadagogischem Forderbedarf bezuglich der unterschiedlichen Beeintrachtigungen befurworten. 91% der Eltern sind der Meinung, dass korperlich beeintrachtigte Kinder mit anderen Kindern zusammen lernen sollten. Ein geringerer, aber dennoch hoher Anteil (71%) der Eltern wunschen sich ein gemeinsames Lernen mit Kindern, die unter Lernschwierigkeiten leiden. Das gemeinsame Unterrichten von Kindern mit Verhaltensauffalligkeiten sowie von Kindern mit geistiger Behinderung wurden jedoch nur noch 45 % bzw 43% befurworten.

Dabei ist der Zusammenhang zwischen Inklusionserfahrung und Inklusionsbefurwortung signifikant. 60% der Eltern, dessen altestes schulpflichtiges Kind auf eine inklusive Schule geht, geben eine hohe Befurwortung einer inklusiven Beschulung an. 47% der Eltern, die keinerlei Inklusionserfahrungen haben, befurworten Inklusion eher niedrig.

Eine zweite Studie mit dem Titel „Parental Attitudes Toward the Inclusion of Children With Profound Intellectual and Multiple Disabilities in General Primary Education in the Netherlands[1]' von de Boer & Munde (2014) beschaftigt sich ebenfalls mit den Einstellungen der Eltern zum Thema Inklusion von Kindern mit Behinderung in niederlandischen Grundschulen. Hier wurde ebenfalls der Zusammenhang zwischen Inklusionserfahrung und Haltungen erforscht. In Form von Fragebogen wurden die Ergebnisse von 190 Eltern von Kindern allgemeiner Grundschulen im Norden der Niederlande berucksichtigt. Um die Einstellungen der Eltern gegenuber der Inklusion von Kindern mit Behinderungen und Kindern mit PIMD (Profound Intellectual and Multiple Disabilities) vergleichen zu konnen, beschranken sich de Boer und Munde (vgl. 2014) in der Studie auf drei Arten von Behinderungen. Auf Schuler mit einer geistigen Behinderung, diejenigen mit einer motorischen Behinderung und auf Schulerinnen und Schuler mit PIMD. Insgesamt berichten de Boer und Munde (vgl. 2014) von uberwiegend positiven Haltungen der Eltern gegenuber der Inklusion behinderter Kinder. Allerdings unterscheiden sich laut de Boer und Munde (vgl. 2014) die Einstellungen je nach Art der Behinderung. Eltern waren demnach positiver gegenuber einer Inklusion von Kindern mit motorischen Einschrankungen eingestellt, als einer Inklusion von Kindern mit PIMD, welche uberwiegend negative Einstellungen hervorriefen. AuRerdem berichten sie von geschlechtsspezifischen und altersspezifischen Unterschieden. Folglich sind die Einstellungen der Mutter positiver als die der Vater und die Einstellungen von jungeren Eltern sind ebenso positiver, als die der Alteren. Daruber hinaus unterstreichen de Boer und Munde (vgl. 2014), dass die negativen Einstellungen der Eltern leicht denen zugeordnet werden konnen, welche keinerlei Erfahrungen mit Menschen mit Behinderungen haben. De Boer und Munde (vgl. 2014) konnen jedoch nur von einem signifikanten Ergebnis berichten: Eltern, die ein Kind mit Verhaltensauffalligkeiten haben, zeigten die positivsten Einstellungen gegenuber der Inklusion von Kindern mit

[...]


[1] Das Wort „Behinderter“ ist politisch fragwurdig, wird jedoch so beibehalten, insofern die Studie der Begrifflichkeit folgt.

Ende der Leseprobe aus 43 Seiten

Details

Titel
Soziale Akzeptanz von Kindern in Abhängigkeit der Einstellungen ihrer Eltern zur Inklusion
Hochschule
Universität Paderborn
Note
1,3
Autor
Jahr
2016
Seiten
43
Katalognummer
V436021
ISBN (eBook)
9783668794016
ISBN (Buch)
9783668794023
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inklusion, Grundschule, Bildungswissenschaften, Einstellungen, Eltern, Sonderpädagogik, Grundschulpädagogik, Förderbedarf, Bachelorarbeit, Bachelorthesis, empirisch, Untersuchung, Forschung
Arbeit zitieren
Kathleen Bing (Autor:in), 2016, Soziale Akzeptanz von Kindern in Abhängigkeit der Einstellungen ihrer Eltern zur Inklusion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436021

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