Der Umsetzungsstand der Balanced Scorecard in deutschen Akutkrankenhäusern


Bachelorarbeit, 2018

96 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Formelzeichen und Abkürzungen

1 Einleitung
1.1 Zielsetzung
1.2 Methode
1.3 Begriffsabgrenzung

2 Theoretische Grundlagen
2.1 Modell der BSC nach Kaplan und Norton
2.2 BSC im Krankenhaus
2.3 Einordnung in den Stand der Forschung
2.4 Relevanz dieser Untersuchung

3 Datenerhebung
3.1 Erhebungsmethode
3.2 Aufbereitung und Auswertung der Daten

4 Ergebnisse
4.1 Bewertung der Ergebnisse
4.2 Einordnung der Ergebnisse in den Stand der Forschung
4.3 Ableitung von Handlungsempfehlungen

5 Zusammenfassung und Ausblick

6 Literaturverzeichnis

7 Anhangsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Bedeutende Gesetze mit Einfluss auf die Krankenhausfinanzierung

Abb. 2: Versorgungskette im Gesundheitswesen

Abb. 3: Kennzahlen-Portfolio

Abb. 4: Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton

Abb. 5: Beispiel Ursache-Wirkungskette Balanced Scorecard

Abb. 6: Modell der Wertkette nach Porter

Abb. 7: Balanced Scorecard als Strategisches Managementsystem

Abb. 8: Das Krankenhaus in seinem Umfeld

Abb. 9: Fallzahlen in deutschen Krankenhäusern

Abb. 10: Durchschnittliche Verweildauer in deutschen Krankenhäusern

Abb. 11: Anzahl Krankenhausbetten in Deutschland

Abb. 12: Ursache-Wirkungskette modifiziert im Krankenhaus

Abb. 13: Wertschöpfungskette im Krankenhaus

Abb. 14: Durchschnittlicher Auslastungsgrad in % (Bettenanzahl ab 600)

Abb. 15: Durchschnittlicher Auslastungsgrad in % (Bettenanzahl bis 600)

Abb. 16: Laufendes Jahresbudget in Mio. € (Bettenanzahl ab 600)

Abb. 17: Laufendes Jahresbudget in Mio. € (Bettenzahl bis 600)

Abb. 18: Krankenhäuser nach Betten und Trägerschaft

Abb. 19: Krankenhäuser nach laufendem Jahresbudget und Trägerschaft

Abb. 20: Einsatz der BSC im Unternehmen

Abb. 21: Einsatz der BSC im Unternehmen (1)

Abb. 22: Einsatz der BSC nach Trägerschaft

Abb. 23: Einsatz der BSC nach Größe

Abb. 24: Hauptgrund für das Nichteinsetzen der BSC

Abb. 25: Perspektiven der BSC

Abb. 26: Antworten Passus C Fragen 2 bis 5

Abb. 27: Einführungsprozess der BSC

Abb. 28: BSC-Anforderungen an Softwarelösungen

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Controllingverständnis ausgewählter deutscher Wissenschaftler

Tab. 2: Studienlage zur Balanced Scorecard

Tab. 3: Auswertung statistische Angaben (1)

Tab. 4: Auswertung statistische Angaben (2)

Tab. 5: Wozu dient die BSC im Unternehmen

Tab. 6: BSC Kennzahlen in den Perspektiven

Tab. 7: Beurteilung von Erfolg/ Misserfolg der BSC

Tab. 8: Fragebogen Passus C, Fragen 2 bis 5

Tab. 9: Frequenz der Zielüberarbeitung in der BSC

Tab. 10: Konsequenzen bei Abweichungen der Zielwerte

Tab. 11: Beantwortungspfade ausgewählter Studienteilnehmer

Tab. 12: Beantwortungspfade ausgewählter Studienteilnehmer (1)

Formelzeichen und Abkürzungen

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Präambel

Aus Gründen der Vereinfachung und der besseren Lesbarkeit wird im folgenden Text die männliche Form verwendet. Hiermit sind jedoch stets beide Geschlechter gleichermaßen ge- meint.

Kurzdarstellung

Im Rahmen dieser Bachelorarbeit an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu- Ulm soll aufgezeigt werden, inwieweit die Anwendung des Instruments der Balanced Score- card in deutschen Akutkrankenhäusern heute, 26 Jahre nach ihrer Entwicklung, umgesetzt ist. Die Relevanz dieser Analyse ergibt sich einerseits aus der finanziellen Ressourcenknappheit und der damit einhergehenden Notwendigkeit des Angebots kostengünstiger Leistungen auf dem Gesundheitsmarkt und andererseits aus dem qualitativen und quantitativen Mehrwert, welchen die Balanced Scorecard generieren kann. Um eine holistische Darstellung dieses Themas zu konstruieren, wurde zunächst der aktuelle, einschlägige Forschungsstand zu die- sem Thema in die Arbeit integriert und transparent gemacht. Darüber hinaus wurden zum Zweck einer Hypothesenprüfung mittels empirischer Befragungsmethoden eigenständig Da- ten zum Umsetzungsstand der Balanced Scorecard erhoben. Das Resultat dieser Erhebung bestätigt die Hypothesen, dass noch nicht alle Krankenhäuser die Balanced Scorecard einset- zen und dass jene Krankenhäuser, welche sie einsetzen dies nicht in einer vollumfänglichen Art und Weise tun. Jedoch wird die Hypothese widerlegt, dass die Größe der Einrichtung, ge- messen an der Bettenzahl, ein ausschlaggebendes Kriterium für den Einsatz der Balanced Scorecard ist. Aufbauend auf diesen Ergebnissen werden zum Abschluss der Arbeit konkrete Handlungsempfehlungen ausgesprochen.

Schlagworte: Balanced Scorecard, Controlling, Krankenhaus, Krankenhausmanagement, Strategisches Management.

Abstract

In the scope of this thesis, composed at the University of Applied Sciences Neu-Ulm, the state of implementation of the Balanced Scorecard tool in German acute care hospitals to the pre- sent day is to be analyzed, 26 years after its development. This analysis is highly relevant on the one hand because of the shortage of financial resources and thus the necessity of offering cost-effective services in the health care market, and on the other hand because of the quan- titative and qualitative added value, which can be generated by the Balanced Scorecard. To create a holistic image of this topic, the current state of scientific research relating to this sub- ject has been integrated and explained in this thesis. In addition to that, data about the state of development of the Balanced Scorecard has been accumulated by the means of empirical surveys, in order to perform a hypothesis testing. The result of this survey confirms the hypoth- esis that not all hospitals use the Balanced Scorecard yet, and that those hospitals that use them do not do so in a full-blown manner. However, the hypothesis that the size of the facility, measured by the number of beds, is a crucial criterion for the use of the Balanced Scorecard, was refuted. Based on these results, specific recommendations for action are made at the end of the work.

Keywords: Balanced Scorecard, Controlling, Hospital, Hospital Management, Strategic Management.

1 Einleitung

1.1 Zielsetzung

Das deutsche Gesundheitswesen und in diesem vorwiegend auch der deutsche Krankenhaus- markt sind seit Jahren geprägt von Kosten- und Wettbewerbsdruck, Ressourcenknappheit in finanzieller und personeller Hinsicht sowie fortschreitenden Privatisierungstendenzen[1]. Durch die zahlreichen vorherrschenden gesetzlichen Rahmenbedingungen, welche häufig Kosten- dämpfungen zum übergeordneten Ziel haben, sind Krankenhäuser dieser gesetzlichen Dyna- mik ausgesetzt und müssen sich demgemäß anpassungsfähig zeigen um auf dem Markt zu bestehen.

Das „Survival of the fittest“[2] auf dem deutschen Krankenhausmarkt zeichnet sich im Laufe der Zeit, vornehmlich seit den Umstrukturierungen im Rahmen des Krankenhausfinanzierungsge- setzes (KHG) 1972, der neuen einnahmeorientierten Ausgabepolitik in den 1970er Jahren und den darauf folgenden Gesetzesreformen, wie der Bundespflegesatzverordnung (BPflV), dem Gesundheitsstrukturgesetz (GSG 93), dem GKV-Gesundheitsreformgesetz und der daraus hervorgehenden Einführung der Diagnosis Related Groups (DRGs) im Jahr 2003 ab (siehe Abb. 1).[3] Auch der Anbruch des Informationszeitalters und die damit einhergehende Umstruk- turierung der Wirtschaft in all ihren Facetten provozierten gleichermaßen ein Umdenken auf dem Gesundheitsmarkt.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Bedeutende Gesetze mit Einfluss auf die Krankenhausfinanzierung

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Roth (2002), S. 40; Oberender et al. (2017), S. 69.

Krankenhäuser stehen infolgedessen vor der unaufschiebbaren Herausforderung trotz Budge- trestriktionen und somit knappen Ressourcen ein umfassendes Angebot an bezahlbaren Leis- tungen auf dem neuesten Stand im Sinne der bedarfsgerechten Versorgung nach §70 SGB V[4] zu gewährleisten. Im dabei herrschenden Wettbewerb unter den stationären Leistungser- bringern sind nur jene erfolgreich, die eine Strategie besitzen und dies auch umzusetzen wis- sen, um Wettbewerbsvorteile zu erringen und Nachteile zu vermeiden. Es gilt daher Möglich- keiten zu nutzen, welche Krankenhäusern den Weg zur Ergründung einer erfolgreichen Stra- tegie ebnen. Die Balanced Scorecard (BSC) ist ein Instrument, welches dem Management als Hilfe zur erfolgreichen Strategieumsetzung des Krankenhauses dienen kann.

Demgemäß ist es das übergeordnete Ziel der vorliegenden Abschlussarbeit, im Bachelorstudiengang Betriebswirtschaft im Gesundheitswesen an der Hochschule für angewandte Wissenschaften Neu-Ulm, den gegenwärtigen Umsetzungsstand der Balanced Scorecard, welche 1992 entwickelt wurde, in deutschen Akutkrankenhäusern abzubilden.

In diesem Zusammenhang soll eine Literaturrecherche und eine Hypothesenprüfung durch eine empirische Erhebung für drei zuvor aufgestellte Hypothesen zum Umsetzungsstand der Balanced Scorecard erfolgen. Die hieraus generierten Ergebnisse sollen finalisierend zu Handlungsempfehlungen abgeleitet werden. Um ein holistisches Bild der derzeitigen Situation zu kreieren wird zunächst literaturgestützt der Stand der einschlägigen Forschung skizziert um anschließend die eigene Forschung in diesem Nexus zu lokalisieren.

1.2 Methode

Bezüglich des forschungsmethodischen Vorgehens im Rahmen dieser Abschlussarbeit wurde eine Synthese aus theoretischen Methoden und empirischen Methoden gewählt. An welchem Punkt dieser Arbeit welche Methodik spezifisch ansetzt wird im Folgenden erläutert.

In Kapitel 2 werden zunächst einleitend die theoretischen Grundlagen zum Instrument der BSC nach ihren Entwicklern Robert S. Kaplan und David P. Norton erläutert, sowie die Besonderheiten hinsichtlich der Implementierung der BSC im Krankenhaus. Zur Informationsgewinnung wird an dieser Stelle die Methode der Literaturrecherche angewandt.

Anschließend folgt eine Einordnung in den aktuellen Stand der einschlägigen Forschung. Auch diesbezüglich wurde mit Hilfe einer Literaturrecherche ermittelt, welche Studien bereits zur BSC und deren Umsetzungsstand durchgeführt wurden. Diese Studien betreffend, wird die Gesamtheit aller Unternehmen in Deutschland berücksichtigt, jedoch ein Fokus insbesondere auf Akutkrankenhäuser gesetzt. Der generierte Aussageinhalt bezüglich der aktuellen Studienlage wird in Form einer Tabelle in die Arbeit integriert und transparent gemacht. Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen und der Einordnung in den aktuellen Stand der Forschung wird in Kapitel 2 abschließend die Relevanz der im Rahmen dieser Abschlussarbeit erfolgten Analyse zum Umsetzungsstand der BSC erläutert.

Die empirische Erhebung eigener Daten wurde mittels einer Fragebogenaktion durchgeführt. In diesem Rahmen wurden von den ca. 1950 Krankenhäusern in Deutschland [5] mit Hilfe des Deutschen Krankenhaus Verzeichnisses ca. 240 Krankenhäuser mit einer Mindestbettenzahl von 500 Betten selektiert und kontaktiert. Die Befragung wurde unterstützend durch eine Softwarelösung („SurveyMonkey“) online durchgeführt. Dies ist in Kapitel 3 Datenerhebung unter dem Punkt Erhebungsmethode eingehend dokumentiert. Im Rahmen dieses Kapitels erfolgt weiterhin insbesondere die statistische Auswertung und grafische Aufbereitung der er- hobenen Daten.

Kapitel 4 Ergebnisse wird zunächst durch eine Bewertung und kritische Analyse der Daten eingeleitet und geht im Anschluss daran in die Einordnung der Ergebnisse in den Stand der Forschung über. Die aus diesen vorangegangenen Punkten gewonnenen Erkenntnisse werden abschließend in Kapitel 4 fortsetzend zu konkretisierten Handlungsempfehlungen für die Krankenhäuser abgeleitet.

Die Arbeit schließt in Kapitel 5 mit einer Zusammenfassung der generierten Ergebnisse und einem zukunftsgerichteten Ausblick.

1.3 Begriffsabgrenzung

Unter diesem Gliederungspunkt erfolgt eine kompakte Auseinandersetzung hinsichtlich fachbezogener Termini, sowie zum Verständnis des nachfolgenden Textes essenzieller definitorischer Grundlagen und deren Einbettung in den thematischen Kontext dieser Arbeit.

Akutkrankenhäuser sind Einrichtungen der stationären Versorgung, welche eine ständige Behandlung von Patienten in akuten Zuständen gewährleisten. Charakteristika für ein Akut- krankenhaus sind des Weiteren ein umfassendes Behandlungsspektrum, die intensivmedizi- nische Versorgung und die Erbringung von Diagnose, Therapie, Pflege und Hotelleistung im Rahmen des Versorgungsprozesses im Krankenhaus (siehe Abb. 2). Von Akutkrankenhäu- sern zu unterscheiden sind Einrichtungen der Prävention, der Rehabilitation und sonstige Krankenhäuser, welche häufig ihren Schwerpunkt im psychiatrischen, psychotherapeutischen oder neurologischen Bereich haben (siehe Abb. 2).[6] Ein ebenfalls reichlich verwendeter Ter- minus für das Akutkrankenhaus ist allgemeines Krankenhaus. Mengenmäßig nehmen Akut- krankenhäuser von den insgesamt ca. 1950 Krankenhäusern in Deutschland ungefähr 1600 für sich in Anspruch.[7]

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Versorgungskette im Gesundheitswesen

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Straub (1997), S. 22 nach Güntert (1989), S. 35.

Den Begriff des Controllings gilt es keineswegs lediglich mit dem deutschen sprachlichen Pendant der Kontrolle zu übersetzen. Vielmehr ist der Begriff inhaltlich so umfassend und schwierig in Form einer Übersetzung in das Deutsche darstellbar, dass fachübergreifend die anglo-amerikanische Form beibehalten wird.[8] Aufgrund der Vielseitigkeit dieses Begriffs und seiner Definitionen werden nachfolgend in Tab. 1 in Anlehnung an Schirmer v ier verschiedene Definitionen in einer alphabetischen, wertungsfreien Reihenfolge dargestellt.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Controllingverständnis ausgewählter deutscher Wissenschaftler

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Schirmer (2017), S. 45.

Albrecht Deyle „Controlling ist der Prozess der Navigation zu wirtschaftlichen Zielen mit Fahrplan und Planverfolgung als Steuerung und als Ortsbestimmung“

Peter Horvàth „Controlling ist ein Subsystem der Führung, Planung und Kontrolle sowie Informationsversorgung, systembildend und systemkoppelnd und unterstützt auf diese Weise die Adaption und Koordination des Gesamtsystems.“

Hans-Ulrich Küpper „Controlling hat die Koordination im Führungssystem und damit eine eigenständige Problemstellung zu erfüllen.“

Elmar Mayer „Controlling ist als Führungskonzept für eine zukunftsorientierte Unternehmens- und Gewinnsteuerung zu verstehen und gibt über ein empfänger- und zukunftsorientiertes DV-gestütztes Berichtswesen wesentliche Entscheidungshilfen.“

Kennzahlensysteme sind strukturierte Gebilde aus alleinstehenden Kennzahlen[9], „wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind“[10].

In Kennzahlensystemen wird also der Synergieeffekt genutzt, welcher sich aus der Einbettung isolierter Kennzahlen in einen Kennzahlenkontext ergibt. Kennzahlen allgemein, könnte man als einen wichtigen Teil im Werkzeugkasten eines jeden Controllers beschreiben. Sie dienen der Analyse betriebswirtschaftlicher Sachverhalte und geben in quantitativer Form Auskunft über das Ergebnis zeitlicher, betrieblicher oder Plan-Ist-Vergleiche und tragen somit einen signifikanten Teil zur Unternehmenssteuerung bei.[11]

Da sich auch die BSC zu Teilen maßgeblich mit Kennzahlen und Kennzahlensystemen identifiziert, soll an dieser Stelle etwas detaillierter auf die Kategorisierung und den Charakter von Kennzahlen eingegangen werden. Kennzahlen lassen sich anhand verschiedener Kriterien in Kategorien wie absolute und relative Kennzahlen, Beziehungskennzahlen, externe und interne Kennzahlen oder vergangengheits- oder zukunftsbezogene Kennzahlen einordnen.[12]

Viel elementarer erscheint aber im Zusammenhang mit der BSC die Kategorisierung in diagnostische und strategische Kennzahlen, welche Engel im Rahmen seines Kennzahlenportfolios darstellt (siehe Abb. 3). In diesem Portfolio werden die Kennzahlen im Spannungsfeld von Wettbewerbsrelevanz und strategischem Handlungsbedarf positioniert. Hervorgehoben wird von Engel der strategische Charakter der Kennzahlen, welche in einer BSC Verwendung finden sollten. Diese beziehen sich nicht, wie die diagnostischen Kennzahlen auf das Aufzeigen von simplen Plan-Ist-Abweichungen, sondern viel mehr auf essenzielle Kennzahlen hinsichtlich einer erfolgssichernden Strategie.[13]

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Kennzahlen-Portfolio

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Engel (2006), S. 57.

Der Terminus Strategie geht ursprünglich auf die Strategie in einem militärischen Kontext zurück. Über die Spieltheorie etablierte sich der Strategiebegriff zunächst im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich und setzte sich ab den sechziger Jahren auch vorwiegend in der Betriebswirtschaftslehre durch.[14] Das klassische Strategieverständnis, welches dieser Arbeit zugrunde gelegt wird, definiert Strategie als „ein geplantes Maßnahmenbündel der Unternehmung zur Erreichung langfristiger Ziele […]. Bedeutsame Vertreter dieses klassischen Strategieverständnisses sind Ansoff und Chandler.“[15]

Im Hinblick auf die BSC ist es von fundamentaler Bedeutung an dieser Stelle ebenfalls den Begriff des strategischen Managements anzuführen, da ihre Entwickler Robert S. Kaplan und David P. Norton bereits 1996 die Verwendung der BSC als strategisches Managementsystem beschrieben. In ihrem diesbezüglich veröffentlichten Artikel im Harvard Business Review erklären sie, dass die BSC als strategisches Managementsystem einen überzeugenden Vorteil gegenüber herkömmlichen Systemen hat, die Fähigkeit langfristige Strategien der Unternehmung mit den Aktivitäten der Mitarbeiter auf der Arbeitsebene in Verbindung zu setzen und durch diese Synthese den Abstraktionsgrad einer unternehmensübergreifenden Strategie zu verringern und sie damit zu operationalisieren.[16] Kirsch führt das Sinnbild von strategischem Management als „geplante Evolution“ an, welches ursprünglich auf Rosove zurückgeht. Diese „geplante Evolution vollführt sich durch strategische, zukunftsgerichtete Entscheidungen unter der Berücksichtigung aller Handlungsoptionen.[17]

Der Begriff des Performance Measurements stammt aus dem Englischsprachigen und wird in der Wirtschaftswissenschaft aufgrund seiner vielseitigen Deutungs- und Übersetzungsmöglichkeiten nicht ins Deutsche übersetzt sondern in seiner englischen Form verwendet. Performance Measurement oder Performance Measurement Systeme legen die Messung und Beurteilung von erbrachter Leistung eines Unternehmens, welche über die Messung in monetären, diagnostischen Parametern hinausgeht, begrifflich dar.[18] Klingebiel definiert ein Performance Measurement System als „eine Zusammenstellung von monetären und nicht-monetären Leistungsindikatoren […], deren Auswahl sich aus der Betrachtungsebene (z.B. Gesamtunternehmen, Bereich, Mitarbeiter) bzw. aus dem jeweiligen Betrachtungssektor/Blickwinkel (z.B. kundenbezogene Anforderungen, innovationsbezogene Anforderungen) ergibt.“[19]

Diese Anforderungen an ein neuartiges Performance Measurement System ergaben sich zum Ende des 20. Jahrhunderts vornehmlich aus drei verschiedenen Impulsgebern, welche auch Kaplan und Norton zur Entwicklung der BSC als modernes Performance Management System veranlasste.[20] Impulsgeber dieser Entwicklungen waren nach Engel die vielseitigen Zielsysteme der Unternehmen, welche es zu operationalisieren galt, die Nachteile herkömmlicher, monetär geprägter Kennzahlensysteme und die avancierende Bedeutung immaterieller Potenziale, welche sich rückbezieht auf die Dringlichkeit eines „Improved Shareholder-value“.[21] Zu Letzterem ist schließend noch anzumerken, dass hiermit die überlebenswichtige Attraktivität des Unternehmens gegenüber Investoren auf dem hart umkämpften Kapitalmarkt gemeint ist, welche durch Unternehmenswertsteigerungen positiv beeinflusst wird. Beobachtet man die wachsende Entfernung zwischen Buchwert und Marktwert derzeit börsennotierter Unternehmen, wird hier der absolute und relative Wertzuwachs immaterieller Potenziale sichtbar.[22]

2 Theoretische Grundlagen

2.1 Modell der BSC nach Kaplan und Norton

Die BSC entstand im Rahmen einer zu Beginn der neunziger Jahre durchgeführten Studie unter der Leitung und akademischen Betreuung von David P. Norton und Robert S. Kaplan. An dieser Studie beteiligten sich 12 Unternehmen verschiedener Branchen, deren Vertreter sich einig waren, dass die bisherigen Kennzahlensysteme ihres Performance Measurements, welche schwerpunktmäßig auf monetären Kennzahlen basierten, unzeitgemäß sind.[23]

Wie ihr Name bereits vermuten lässt, haben Kaplan und Norton mit der BSC ein ausgewoge- nes Performance Measurement System entworfen. Diese Ausgewogenheit bezieht sich auf die Charakteristik der verwendeten Kennzahlen in der BSC. Somit soll, im Gegensatz zu her- kömmlichen Kennzahlensystemen, ein Ausgleich geschaffen werden zwischen Finanz- und Sachkennzahlen, vergangenheits- und zukunftsorientierten Kennzahlen sowie Kennzahlen ex- terner und interner Ausrichtung.[24] Kaplan und Norton selbst beschreiben die BSC als Syn- these, hervorgegangen aus der

„[…] Kollision zwischen dem Zwang zur Schaffung von Wettbewerbsvorteilen und dem unverrückbaren Ziel eines an historischen Werten orientierten Rechnungswesenmodells […].“[25]

Strukturell und inhaltlich leitet sich die BSC aus Vision und Strategie des Unternehmens ab. Diese wiederum induzieren die Zielformulierungen und Kennzahlen zur Leistungsmessung im polyperspektivischem Rahmen der BSC. Die Polyperspektivität meint die sinngemäße Über- setzung der zentralen Vision und Strategie in operative Ziele und Kennzahlen hinsichtlich der vier Perspektiven, welche die BSC umsäumen (siehe Abb. 4).[26] Die Konkretisierung dieser vier Perspektiven erfolgte im Rahmen empirischer Verfahren unter der Leitung von Kaplan und Norton, welche belegten, dass aufstrebende Unternehmen ihren Fokus verstärkt auf ihre Fi- nanzen, Kunden, internen Prozesse und ihr innerbetriebliches Lernen bzw. ihr Wachstum leg- ten.[27]

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Balanced Scorecard nach Kaplan und Norton

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Kaplan/Norton (1996), S. 39.

Die finanzwirtschaftliche Perspektive der BSC enthält weiterhin, wie auch herkömmliche Kenn- zahlen- und Performance Measurement Systeme, monetäre Kennzahlen und Zielformulierun- gen, welche sich in der Mehrzahl immer mit dem langfristigen Ziel der Rentabilitätssteigerung des Unternehmens in Bezug stellen lassen. Diese Kennzahlen stellen wie bisher vornehmlich traditionelle Finanzkennzahlen dar, wie bspw. ROCE[28], Cash Flow, Eigenkapitalrendite und zahlreiche andere.[29]

In Anbetracht der finanzwirtschaftlichen Perspektive könnte an der BSC die Kritik geübt werden, dass es kaum eine Weiterentwicklung im Vergleich zu bisher angewandten Systemen gibt. An dieser Stelle ist jedoch die signifikante Bilateralität der finanzwirtschaftlichen Kennzahlen und Zielformulierungen im Rahmen der BSC anzuführen. Zum einen schaffen sie Transparenz hinsichtlich des Erreichungsgrads finanzieller Ziele, welche von Strategie und Vision abgeleitet wurden, zum anderen stellen sie Endziele innerhalb einer Ursache-Wirkungs- kette dar, welche sich ihren Weg kausal durch alle Perspektiven bahnt.[30] Diese kausalen interperspektivischen Zusammenhänge werden in Abb. 5 an einem Beispiel dargestellt. Auf die weiteren drei Perspektiven wird im Anschluss detailliert eingegangen.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Beispiel Ursache-Wirkungskette Balanced Scorecard

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Kaplan/Norton (1996), S. 46.

Da inmitten bestehender Performance Measurement Systeme die Koexistenz von monetären und nicht-monetären Kennzahlen bereits bestand, ist die kausale Verknüpfung dieser Kenn- zahlenarten das Hauptmerkmal, durch welches sich die BSC von allen anderen, bisher beste- henden Systemen abhebt.[31] Das Konzept der BSC nach Kaplan und Norton zeichnet sich demzufolge durch die hieraus resultierende Integration aller individuellen Kennzahlen und Ziel- formulierungen in den strategischen Gesamtkontext des Unternehmens aus. Diese Integration bewirkt den Ersatz bisheriger Vermutungen hinsichtlich des Beitrags nicht-monetärer wert- schaffender Aktivitäten zum finanziellen Erfolg des Unternehmens durch konkrete, nachvoll- ziehbare Wirkungsketten von der nicht-monetären Kennzahl bis hin zu dem Punkt, an welchem ihr Einfluss auf der finanziellen Ebene in einer monetären Kennzahl quantifizierbar wird.[32] Demzufolge sollte jede Kennzahl der BSC an mindestens ein Ziel der finanzwirtschaftlichen Perspektive gekoppelt und in eine Ursache-Wirkungskette eingeflochten sein.[33] Im Jahr 2004 entwickelten Norton und Kaplan dieses Konzept weiter. Sie beließen die Ursache-Wirkungs- kette als zentrales Element in der neuen Struktur und konzipierten ein visuelles Konstrukt für die Eingliederung aller Zielformulierungen der vier Perspektiven der BSC. Dieses Konzept titulierten sie als Strategy Map.[34] Angesichts des inhaltlichen Rahmens und des begrenzten Umfangs dieser Arbeit werden die Strategy Maps nicht näher beschrieben.

Die Kundenperspektive bricht die Strategie und Vision des Unternehmens auf die spezifischen Ziele und Kennzahlen herunter, welche sich auf die maßgeblich erfolgsbeeinflussenden Kun- den- und Marktsegmente beziehen.[35] Durch die systematische Unterteilung der heterogenen Kundenmenge in Segmente wird der Kunde individuell in den Mittelpunkt gerückt, und die Be- deutung bzw. der Einfluss, welche Kennzahlen der Kundenperspektive auf die finanzwirt- schaftliche Perspektive haben, hervorgehoben. Unter Berücksichtigung der vorgenommenen Segmentierung werden zweierlei Kennzahlen in die Kundenperspektive mit aufgenommen. Ei- nerseits messen segmentübergreifende Kennzahlen, wie bspw. die generelle Kundenzufrie- denheit oder Kundentreue, die Performance des Unternehmens, während andererseits simul- tan segmentzugehöriges Performance Measurement durch Kennzahlen, wie bspw. die spezi- fische Lieferpünktlichkeit, erfolgt.[36]

Blickt man zurück auf das zuvor in Abb. 5 angeführte Beispiel einer Ursache-Wirkungskette, erkennt man, dass die interne Geschäftsprozessperspektive unterhalb der Kundenperspektive liegt. Diese Reihenfolge ist keineswegs zufällig gewählt, denn Kaplan und Norton heben her- vor, dass im Rahmen der internen Geschäftsprozessperspektive jene Prozesse in der BSC Aufmerksamkeit erfahren sollen, welche sich als kritischste für die Erreichung der zuvor iden- tifizierten erfolgsbeeinflussenden Kundenziele herausstellen. Durch diesen „Top-Down-Pro- zess“ stellt die BSC hinsichtlich der Prozessperspektive erneut ihren innovativen Charakter gegenüber herkömmlichen Performance Measurement Systemen heraus. Die bisherige isolierte Betrachtung innerbetrieblicher Prozesse eines Unternehmens konzentrierte sich zwangsweise lediglich auf bereits etablierte Prozesse. Im Rahmen des Ansatzes der BSC wird Unternehmen durch den kausalen Zusammenhang zwischen Kunden- und Prozessperspektive die Möglichkeit der Erkenntnis völlig neuartiger Prozesse geboten, welche sich aus bestehenden noch nicht befriedigten Kundenwünschen ableiten. Um diesen Gedanken die Abstraktheit zu nehmen, könnte man an dieser Stelle bspw. einen noch nicht etablierten Kundenservice oder andere Value Added Services[37] anführen.[38]

Hilfreich zur individuellen Kennzahlen- und Zielidentifikation in der internen Geschäftsprozessperspektive kann das Heranziehen der Wertschöpfungskette nach Porter sein (siehe Abb. 6), welche eine Übersicht über diverse innerbetrieblich primäre und unterstüt- zende Prozesse erleichtert.[39] Hieraus gilt es, wie zuvor beschrieben, die kritischen Prozesse zu identifizieren, freizulegen und anschließend die signifikantesten Kennzahlen und Zielformu- lierungen in die Ursache-Wirkungskette der BSC zu integrieren. Beispiele für Kennzahlen die- ser Perspektive sind die Innovationsrate, die Durchlaufzeit oder die Fertigungsstückkosten.[40]

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 6: Modell der Wertkette nach Porter

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Porter (2010), S.66.

Abschließend reiht sich auch die vierte Perspektive, die Lern- und Entwicklungsperspektive, in den Rahmen der BSC und deren Ursache-Wirkungskette ein. Da die finanzwirtschaftliche Perspektive zu Beginn als übergeordnetes Endziel der anderen drei Perspektiven beschrieben wurde, kann nun auch die Lern- und Entwicklungsperspektive als übergeordnete Quelle der anderen drei Perspektiven betrachtet werden.[41]

Sie umfasst vorwiegend Mitarbeiter- und Systempotenziale und stellt somit die Basisressour- cen und Infrastruktur, welche unbestreitbar notwendig sind, um die Ziele der anderen Perspek- tiven im Fortschreiten der Ursache-Wirkungskette zu erreichen. Kaplan und Norton betonen in diesem Zusammenhang besonders den signifikanten Einfluss, welchen Investitionen beson- ders in Personalressourcen und die Unternehmensinfrastruktur, auf den holistischen Unter- nehmenserfolg haben. Des Weiteren beschreiben sie drei in dieser Perspektive der BSC do- minierende Hauptkategorien: die Mitarbeiterpotenziale, die Systempotenziale und die Mitar- beitermotivation. Besonders hervorzuheben gilt es im Rahmen der Beschreibung der Lern- und Entwicklungsperspektive den Hintergrund des Bedeutungszuwachses der Mitarbeiterpotenziale in Performance Measurement Systemen wie der BSC. Dieser resultiert aus der Verlagerung von Mitarbeiteraktivitäten von der routinemäßigen Maschinenbedienung und Fließbandarbeit im Zeitalter der Industrialisierung hin zu von Kundenkontakt geprägten Dienstleistungs- und Kommunikationsprozessen.[42]

Unter Einbezug des heutigen technologischen Fortschritts und dessen substanzielle Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungsarten, trafen Kaplan und Norton bereits 1992 im Rahmen der Entwicklung der BSC die folgerichtige Entscheidung, den personellen Ressourcen in der Lern- und Entwicklungsperspektive besondere Bedeutung zukommen zu lassen. Kennzahlenbeispiele für diese Perspektive sind die Fluktuationsquote, die Mitarbeiterzufriedenheit oder auch der Umsatz pro Mitarbeiter.[43]

Ursprünglich ist die BSC als erweitertes Performance Measurement System entstanden als Antwort auf die neuen Anforderungen der Unternehmen an die herkömmlichen Kennzahlen- systeme. Kaplan und Norton haben es jedoch nicht dabei belassen die BSC im Vergleich zu bisherigen Systemen um die nicht-monetären Kennzahlen zu ergänzen und die kausalen in- terperspektivischen Zusammenhänge durch die Ursache-Wirkungsketten als Alleinstellungs- merkmal zu integrieren, sondern haben die BSC über das hinaus zu einem dynamischen stra- tegischen Managementsystem weiterentwickelt. Infolgedessen erweitern sich die vielseitigen Anwendungsmöglichkeiten der BSC um ein Vielfaches.[44] Die BSC ist als strategisches Mana- gementsystem somit auch fähig, „[…] die Funktionen der Strategieausformulierung bzw. -klärung, -kommunikation, -umsetzung und -aktualisierung im Sinne eines ganzheitlichen integrierten Führungskonzeptes zu überneh- men.“[45]

Dieser kontinuierlich dynamische Prozess der BSC als strategisches Managementsystem wird nachfolgend in Abb. 7 dargestellt.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Balanced Scorecard als Strategisches Managementsystem

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Straub (1997), S. 191; Kaplan/Norton (1996), S.40.

Eingebettet in ein Regelkreisprinzip dient die BSC zunächst der „Übersetzung der Vision“. Hiermit ist die Konkretisierung einer unternehmensspezifischen Vision gemeint, falls diese noch nicht vorhanden ist und das anschließende Übersetzen der Vision in eine greifbare Stra- tegie, welche unausweichlich durch Kommunikation Transparenz im Unternehmen erfahren muss. Demzufolge erfolgt in diesem ersten Prozessschritt eine Konsensfindung hinsichtlich Vision und Strategie in einem Top-Down-Prozess, um anschließend für jeden Mitarbeiter fass- bare Ziele zu formulieren.[46]

Nachfolgend findet das „Kommunizieren und Verbinden“ statt. Dies meint die zuvor bereits erwähnte Schaffung von Transparenz durch Kommunikation der Ziele an die Mitarbeiter und die Verknüpfung operativer, abteilungsspezifischer Ziele mit der Gesamtstrategie. Demgemäß soll ein ganzheitliches Verständnis der übergeordneten Unternehmensstrategie auf allen Un- ternehmensebenen generiert werden.[47] Im Anschluss an das „Kommunizieren und Verbinden“ erfolgt die „Strategische Planung und Budgetierung“. Explizit hervorzuheben gilt es im Rahmen dieses Prozessschritts die Verknüpfung der langfristigen strategischen Planung und Zielfor- mulierung und der erfahrungsgemäß kurzfristigen Budgetierung. Ziel ist es hierdurch eine stra- tegiekonforme Ressourcenverteilung im Rahmen der Budgetierung zu gewährleisten und folg- lich die Erreichung der gesetzten strategischen Ziele des Unternehmens zu ermöglichen. Fälschlicherweise wird die Wechselwirkung dieser beiden Komponenten der Planung oftmals nicht beachtet, was sukzessiv zu einer Hemmung der Zielerreichung führt.[48] Der Regelkreis des strategischen Managementsystems BSC schließt mit dem Schritt „Feedback und Lernen“, welcher die BSC in den Kontext einer kontinuierlich lernenden Organisation setzt. Kaplan und Norton unterscheiden das strategische Lernen des Unternehmens in zwei verschiedene Arten: das Single-Loop-Learning und das Double-Loop-Learning. Während das Single-Loop-Learn- ing konventionelle Soll-Ist-Vergleiche hinsichtlich des Zielerreichungsgrads meint, nimmt das Double-Loop-Learning sich der kontinuierlichen Prüfung der Strategie auf ihre Gültigkeit an. Durch die Verbindung dieser beiden Lernprozesse gewährleistet die BSC als strategisches Managementsystem nicht nur die frequentierte Überwachung der Zielerreichung, sondern auch ein regelmäßiges kritisches Hinterfragen der ausgearbeiteten Strategie vor dem Hinter- grund sich fortwährend ändernder Umwelt- und Rahmenbedingungen.[49]

2.2 BSC im Krankenhaus

Um das Modell der BSC nach Kaplan und Norton von einem privatwirtschaftlichen Unternehmen, welches vornehmlich das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgt, auf ein Krankenhaus zu übertragen gilt es einige Faktoren zu berücksichtigen. Hierzu sollten zunächst alle Überlegungen zum strategischem Management mittels der BSC bedarfsgerecht an ein Krankenhaus und dessen wirtschaftliches, rechtliches sowie politisches Umfeld angepasst werden. Sinnstiftend erscheint an dieser Stelle zunächst das Zielsystem eines Krankenhauses näher zu betrachten, worauf bereits in den vorangegangenen Sätzen hingedeutet wurde.

Durch die verschiedenen Ansprüche zahlreicher Share- und Stakeholder des Krankenhauses, findet sich dieses in einem komplexen Spannungsfeld vor, aus welchem sich ein multivariates Zielsystem ablesen lässt (siehe Abb. 8).[50] Demgemäß werden einem Krankenhaus allein aus rechtlicher Perspektive bereits vielerlei Ziele vorgeschrieben. So haben Krankenhäuser nach § 70 SGB V Satz 1

„[…] eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizini- schen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten. Die Versor- gung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.“[51]

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Das Krankenhaus in seinem Umfeld

Quelle: Eigene Darstellung (2018) in Anlehnung an Roth (2002), S. 243.

Durch die graphische Darstellung der Anspruchsgruppen im Umfeld eines Krankenhauses in Abb. 8, welche noch weitestgehend reduziert gehalten wurde, lässt sich bereits auf Konflikte schließen, die sich beim Versuch der Anspruchserfüllung der verschiedenen Gruppen erge- ben. So sind es zumeist ökonomische Ziele, die mit ethischen oder gesellschaftlichen Zielen in Widerspruch geraten.[52] An dieser Stelle muss gewiss auch genannt werden, dass die Aus- gestaltung und Gewichtung im Rahmen des Zielsystems des Krankenhauses ceteris paribus maßgeblich auch von der Trägerschaft beeinflusst ist, durch welche das Krankenhaus betrie- ben wird. Demzufolge entsteht fortdauernd der Konflikt zwischen Zugänglichkeit, Angebots- breite, Qualität und der Finanzierbarkeit bzw. Gewinngenerierung im Falle privater Träger- schaften.[53]

Eine weitere Besonderheit, welche hinsichtlich einer Anwendung der BSC im Krankenhaus angeführt werden muss, ist die Finanzierung der Krankenhäuser in Deutschland. Krankenhäu- ser, unabhängig in welcher Trägerschaft, werden seit der Einführung des KHG 1972 dual fi- nanziert. Diese duale Finanzierung meint die Trennung der Finanzierung von Investitionskos- ten durch öffentliche Förderung der Länder und die Finanzierung der Betriebskosten eines Krankenhauses durch die Erlöse aus Pflegesätzen erbracht durch die Kassen.[54] Anlässlich der finanziellen Ressourcenknappheit dieser Finanzierungsquellen und daraus resultierender Zu- stände, wie bspw. einem wachsenden Investitionsstau seitens der Bundesländer, beteiligen sich zwangsläufig auch die Krankenhausträger als dritte Instanz an der Finanzierung.[55]

Nennt man die Finanzierung der Krankenhäuser muss man unweigerlich auch die Einführung des DRG-Systems seit 2003 und dessen Auswirkungen auf den deutschen Krankenhausmarkt erklären. Durch den Beschluss der GKV-Gesundheitsreform im Jahr 2000 wurde die Einfüh- rung eines neuen Entgeltsystems im stationären Sektor angesetzt. Dieses neue Entgeltsys- tem, welches die bis 2003 geltenden tagesgleichen Pflegesätze durch leistungsorientierte Fall- pauschalen ersetzte, nahm eine ganzheitliche Umstrukturierung der Finanzierung der Be- triebskosten der Krankenhäuser vor und leitete so einen Paradigmenwechsel ein.[56] Die Kran- kenhäuser wurden infolgedessen in den Wettbewerb entlassen und auf diese Weise durch verschiedene Anreizmechanismen zu einer verstärkten Wirtschaftlichkeit motiviert. Ziele, wel- che hierdurch angestrebt werden sollten waren bspw. eine Verweildaueroptimierung, eine Fall- maximierung bzw. eine Optimierung des Case Mix Index[57] sowie Spezialisierungen auf be- stimmte Fallarten um mittels höherer Fallzahlen in bestimmten Bereichen effizienter wirtschaf- ten zu können.[58] Resümierend ist eine umfassende Ökonomisierung des stationären Sektors vonstattengegangen, deren Auswirkungen hinsichtlich der eben beschriebenen Anreizmecha- nismen in den Krankenhausstatistiken der vergangen Jahre deutlich erkennbar sind. So er- folgte in den Jahren von 2003 bis 2016 parallel zu einem Anstieg der jährlichen Fallzahl in deutschen Krankenhäusern um 2,2 Millionen eine drastische Reduktion der Verweildauer von 8,9 Tagen im Jahr 2003 auf 7,3 Tage im Jahr 2016 sowie eine intensive Reduktion der Bet- tenzahl von 2003 bis 2016 in Höhe von ca. 40.000 Betten landesweit (siehe Abb.9-11).

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Fallzahlen in deutschen Krankenhäusern

Quelle: Statistisches Bundesamt (2017), o.S.

Abbildung in dieser eseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Durchschnittliche Verweildauer in deutschen Krankenhäusern

Quelle: Statistisches Bundesamt (2017), o.S.

[...]


[1] Vgl. Herr et al. (2018), S.30.

[2] Allgemein bekannter Begriff der Evolutionstheorie Darwins, welcher häufig fälschlicherweise mit dem Überleben der Stärksten“ anstatt dem „Überleben der am besten Angepassten“ übersetzt wird; Vgl. Braun von Reinersdorff (2009) zit. nach Darwin.

[3] Vgl. Roth (2002), S. 240.; Vgl. Oberender et al. (2017), S. 69.

[4] Vgl. SGB V (2010), S. 81.

[5] Vgl. Statistisches Bundesamt (2017), o.S.

[6] Vgl. Bölt (2018), S. 343; Vgl. Straub (1997), S. 22; Vgl. Wirtschaftslexikon (o.J.), o.S.

[7] Vgl. Bölt (2018), S. 343.

[8] Vgl. Straub (1997), S. 71.

[9] Vgl. Engel (2006), S. 63.

[10] Reichmann (2006), S. 22 zit. nach Reichmann/Lachnit (1977).

[11] Vgl. Engel (2006), S. 53-58.

[12] Vgl. Schulte (1996), S. 406f.; Vgl. Straub (1997) S. 297.

[13] Vgl. Engel (2006), S. 56f.

[14] Vgl. Hungenberg (2014), S. 5.

[15] Engel (2006), S. 103.

[16] Vgl. Kaplan/Norton (1996), S. 37; Vgl. Kaplan/Norton (2004) S. 29.

[17] Vgl. Hungenberg (2014), S. 6; Vgl. Kirsch (1997), S. 286 nach Rosove (1967)

[18] Vgl. Engel (2006), S. 122f.

[19] Klingebiel (2000), S. 27.

[20] Vgl. Engel (2006), S. 122 zit. nach Klingebiel (1996), S. 79ff., S. 132.

[21] Vgl. Engel (2006), S. 119-122; Vgl. Klingebiel (2000) S. 33.

[22] Vgl. Engel (2006), S. 119; Vgl. Klingebiel (2001), S. 54.

[23] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. VII.

[24] Vgl. Erkollar/Oberer (2012), S. 97.

[25] Kaplan/Norton (1997), S. 7.

[26] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 8f.

[27] Vgl. Engel (2006), S. 133.

[28] Return on Capital Employed; Finanzkennzahl, welche angibt, wie effizient ein Unternehmen das ihm zur Verfügung stehende Kapital nutzt.

[29] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 24.

[30] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 28f., S. 46.

[31] Vgl. Weisner (2003), S. 67; Vgl. Engel (2006), S. 139f.

[32] Vgl. Engel (2006), S. 141.

[33] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 60.

[34] Vgl. Kaplan/Norton (2004), S. 29, S. 49.

[35] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 62.

[36] Vgl. Ehrmann (2007), S. 34.

[37] Allgemein bekannter Begriff des Dienstleistungsmanagements; Beschreibt die Wertmehrung eines Produkts oder einer Dienstleistung durch die Ergänzung einer Dienstleistung zum Kernangebot, welches der Kunde erwirbt.

[38] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 89f.

[39] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 92f.

[40] Siehe Anhang 3, Abb. 7-8.

[41] Vgl. Engel (2006), S.136.

[42] Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 121f.

[43] Siehe Anhang 3, Abb. 8.

[44] Vgl. Engel (2006), S. 148.

[45] Engel (2006), S. 148.

[46] Vgl. Georg (1999), S. 34ff.; Vgl. Weisner (2003), S. 68f.

[47] Vgl. Georg (1999), S. 36; Vgl. Weisner (2003), S. 69.

[48] Vgl. Engel (2006), S. 155f.

[49] Vgl. Engel (2006), S. 156ff.

[50] Vgl. Straub (1997), S. 24.

[51] SGB V (2010), S. 81.

[52] Vgl. Braun von Reinersdorff (2009), S. 42f.

[53] Vgl. Behar et al. (2016), S. 10.

[54] Vgl. SGB V (2010), S. 564; Vgl. Straub/Sperling (2016), S. 5.

[55] Vgl. Straub/Sperling (2016), S. 5.

[56] Vgl. Rau et al. (2009), S. 9.

[57] In der Gesundheitswirtschaft allgemein bekannter Terminus, welcher die durchschnittliche Fallschwere der behandelten Patienten über einen bestimmten Zeitraum angibt.

[58] Vgl. Goedereis (2009), S. 241ff.

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Der Umsetzungsstand der Balanced Scorecard in deutschen Akutkrankenhäusern
Hochschule
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Neu-Ulm; früher Fachhochschule Neu-Ulm
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
96
Katalognummer
V436290
ISBN (eBook)
9783668779693
ISBN (Buch)
9783668779709
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Balanced Scorecard, Krankenhausmanagement, Controlling, Strategisches Management
Arbeit zitieren
Yasmin Hoffmann (Autor:in), 2018, Der Umsetzungsstand der Balanced Scorecard in deutschen Akutkrankenhäusern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436290

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