Entwicklung des Infotainments in der Tagesschau


Hausarbeit (Hauptseminar), 2017

18 Seiten, Note: 1,3

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Ursprung und Entwicklung des Begriffs Infotainment

3. Analyse zweier Sendungen der Tagesschau 1960 und
3.1 Infotainment als Inszenierung
3.2 Wirkung auf den Zuschauer
3.3 Gründe für die Veränderung

4. Nachrichtenformate verschiedener Fernsehsender

5. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Wenn informative Fernsehformate immer mehr Unterhaltungselemente aufweisen, wird vermehrt vom sogenannten ‚Infotainment‘ gesprochen. Der Begriff Infotainment ist eine Kontamination aus den englischen Wörtern Information und Entertainment (vgl. Wittwen 1995, 16). Er umfasst die Vermittlung von Nachrichten und Bildungsinhalten auf unterhaltsame Art und Weise. Der Duden bezeichnet Infotainment als „durch Showeffekte und unterhaltsame Elemente aufgelockerte Präsentation von Fakten, Nachrichten oder Ähnliches“.

Neben dieser Bedeutung wird der Begriff auf weitere, ganz verschiedene, Weisen interpretiert und ist deshalb nicht ganz eindeutig zu definieren (vgl. Wittwen 1995, 15). Der Medienwissenschaftler Andreas Dörner bezieht sich mit dem Begriff ‚Politainment‘, also der „Vermischung von politischer Berichterstattung mit den formalen Methoden der Unterhaltungsindustrie“ (Dörner 2001 zit. n. Klöppel 2008, 61), spezifischer als das Infotainment auf politische Formate. Außerdem können auch Unterhaltungsformate mit Informationscharakter unter den Begriff Infotainment fallen. Zudem haben Wörter wie Edutainment und Boulevardisierung ganz ähnliche Bedeutungen. Edutainment bezeichnet dabei jedoch eher die spielerische Vermittlung von Wissen (vgl. Mikos 2000, 30), während Boulevardisierung noch mehr in Richtung Gebrauchs-/Funktionsjournalismus geht (vgl. ebd. 25). In dieser Arbeit werde ich mich jedoch auf die zuvor genannte Auslegung von Infotainment beschränken.

Infotainment lässt sich leicht in Fernsehformaten wie Doku-Soaps und Talkshows ausmachen. Schwieriger wird es bei Nachrichten- und Informationsssendungen. Doch auch diese sind einem Wandel unterworfen (vgl. Wittwen 1995, 13).

Deshalb möchte ich in dieser Hausarbeit untersuchen, wie sich die Funktion von Nachrichtensendungen von reiner Informationsübermittlung zu Nachrichtensendungen mit Unterhaltungswert verändert hat. Dabei werde ich mich sowohl auf formale als auch auf inhaltliche Auffälligkeiten konzentrieren. Die Entwicklung zum Infotainment hat natürlich einerseits mit dem Einfluss des Digitalen zu tun, aber andererseits auch mit einer veränderten Erwartungshaltung der Zuschauer gegenüber der Sendung. Dazu möchte ich eine Nachrichtensendung der Tagesschau von 1960 einer Sendung von heute gegenüberstellen und diese miteinander vergleichen. Meine These ist, dass die Sendung aus dem Jahr 1960 gegenüber der heutigen Sendung deutlich weniger Infotainment-Elemente beinhaltet.

Die zu erwartbare Schlussfolgerung ist, dass der Grund für den verstärkten Einsatz von Infotainment in Nachrichtensendungen darin liegt, dass es heutzutage viele Alternativen für den Zuschauer gibt, sich über die Geschehnisse des Tages zu informieren. Außerdem gibt es viele andere mediale Angebote, die rezipiert werden können. Deshalb müssen Nachrichtenformate wie die Tagesschau darum kämpfen, dass ihre Inhalte überhaupt noch angesehen werden. Abschließend werde ich beurteilen, ob die Tagesschau schon unter den Begriff Infotainment gefasst werden kann oder ob sie sich im Vergleich zu anderen Formaten nicht stark genug verändert hat, um als Infotainment bezeichnet zu werden. Schließlich möchte ich herausfinden, ob Infotainment per se negativ beurteilt werden muss oder ob es auch positiv bewertet werden kann.

Zunächst werde ich die Ursprünge und die Herkunft des Begriffs Infotainment untersuchen. Der Hauptteil der Arbeit soll dann aus dem Vergleich und der Analyse der beiden Nachrichtensendungen der Tagesschau bestehen. Anschließend möchte ich die Wirkung des Infotainments auf die Zuschauer untersuchen sowie die Inszenierungsstrategien der Journalisten offenlegen. Im Anschluss daran werde ich die Gründe für die Veränderung der Sendungen erläutern Zuletzt möchte ich auf die sehr unterschiedlichen Nachrichtenformate der verschiedener Fernsehsender in der heutigen Fernsehlandschaft aufmerksam machen.

2. Ursprung und Entwicklung des Begriffs Infotainment

Erste Spuren von Infotainment entdeckte Elke Maar (1993) bereits im 18. Jahrhundert in den ‚Moralischen Wochenschriften‘. Dort wurde zum ersten Mal das Prinzip der Unterhaltung zur Vermittlung von Themen genutzt. (vgl. Maar, 1993) Besonders in der Spätphase der ‚Moralischen Wochenschriften‘ wird der Zusammenhang von Journalismus, Unterhaltung und Verkaufsmarketing deutlich (vgl. ebd., 100). In der Aufklärung galten die heute unter Infotainment bekannten Stilmittel als „legitime und kommerziell erfolgreiche Mittel“, um Themen für das Publikum ansprechend zu gestalten und auch die „einfachen Leute“ zu erreichen. (Pöttker 2002 zit. n. Schicha/Brosda 2002, 23f.).

Der Begriff Infotainment kam vermutlich in den späten 70er Jahren auf und wurde in den 80er Jahren einer breiteren Öffentlichkeit bekannt. Werner Wirth beschreibt, dass die „Entwicklung zum Infotainment etwa Mitte der 80er Jahre einsetzte“ (Wirth 2000, 64). Als Grund nennt er vor allem den „Boom der Musikvideoclips“ (ebd.) Ab 1989 wurde der Begriff zu einer Art Modewort, das auch viele Kritiker anzog. Seit dem Ende der 1980er Jahre wird in Deutschland ebenfalls verstärkt über Infotainment diskutiert. (vgl. Wittwen 1995, 17 f.) Dazu muss man erst einmal wissen, was Unterhaltung überhaupt ist. Dies ist gar nicht so einfach zu definieren, da die Rezipienten entscheiden, welche Inhalte unterhaltsam sind und welche nicht. Dadurch, dass jeder Rezipient einen unterschiedlichen Erfahrungshorizont und unterschiedliche Erwartungen an eine bestimmte Fernsehsendung hat, kann man die Gruppe der Rezipienten nicht pauschalisieren. Dennoch gibt es einen allgemeinen Konsens darüber, was unter Unterhaltung verstanden werden kann. (vgl. Schischa/ Brosda 2002, 11) Information wird gemeinhin als das Datenmaterial oder die ‚Ware‘ verstanden, während Unterhaltung als die ‚Verpackung‘ von Informationen bezeichnet werden kann (vgl. ebd.).

Zunächst wurden die Begriffe Information und Unterhaltung dichotomisch voneinander getrennt (vgl. Klöppel 2008, 15). Wissenschaftler wie Postman (1985, 133 zit. n. Klöppel 2008, 16) oder Schenk (1987) grenzten die Begriffe sehr stark voneinander ab. In der neueren Forschung gilt diese Dichotomie-These jedoch als überholt. Es gibt weder Sendungen, die ausschließlich unterhalten, noch Sendungen, die ausschließlich informieren. (vgl. Klöppel 2008, 16f.)

Der Kommunikationswissenschaftler Werner Wirth fasst Infotainment als „Verschmelzung von Information und Unterhaltung“ auf (Wirth 2000, 62). Unterhaltung kann dabei sowohl als spannend, als auch als entspannend empfunden werden (vgl. ebd, 63).

Claudia Wegener weist daraufhin, dass die privaten Sender sich durch Werbung finanzieren müssen und daher hohe Einschaltquoten benötigen, die sie nicht durch nüchterne Bildungsformate erreichen können (vgl. Wegener 2000, 46). Die öffentlich-rechtlichen Sender haben dementsprechend einen deutlich höheren Anteil an Informationssendungen als die Privatsender, die zum Teil fast ausschließlich Unterhaltungsformate anbieten (vgl. Schischa/Brosda 2003, 8).

Im Jahr 2016 waren ARD und ZDF beim Gesamtpublikum mit einem Marktanteil von 13% und 12,1% zwar noch führend, RTL und Sat1 sind ihnen aber mit einem Markanteil von 9,7% und 7,3% dicht auf den Fersen. In der Altersgruppe 14 bis 49 Jahre holen RTL mit 12,7% und ProSieben mit 10,4% sogar klar den Sieg, wohingegen ARD und ZDF nur auf 7,4% bzw. 6,8% kommen. (vgl. statista.com) Zum Vergleich: Im Jahr 2005 hatten ARD und ZDF noch mit einem Marktanteil von jeweils 13,5% einen größeren Abstand zu den Infotainment-Sendern (vgl. Klöppel 2008, 10).

Der private Rundfunk wurde 1984 in Deutschland zugelassen (Wittwen 1995, 27). Wenige Jahre später trat der Begriff Infotainment erstmals auf. Die Entwicklung zum vermehrten Einsatz von Unterhaltungselementen steht also mit dem Start der Privatsender und der damit einhergehenden Kommerzialisierung des Fernsehprogramms in Zusammenhang (vgl. bpb.de 2009).

3. Analyse zweier Sendungen der Tagesschau 1960 und 2017

Auch wenn ARD und ZDF insgesamt tendenziell an Zuschauern verlieren (vgl. Wittwen 1995, 13), war das 20-Uhr-Nachrichtenformat der ARD ‚die Tagesschau‘ im ersten Halbjahr von 2016 immer noch die erfolgreichste Nachrichtensendung und konnte mit über zehn Millionen Zuschauern sogar einen Zuwachs verzeichnen (vgl. NDR.de 2017). Trotzdem hat die Tagesschau hauptsächlich ein älteres Publikum (vgl. Wirth 2000, 81). Im Jahr 2000 lag die durchschnittliche Altersgruppe der öffentlich-rechtlichen Sender bei 46 bis über 60 Jahren (vgl. Schnatmeyer 2000, 106). Die privaten Sender setzen stärker auf Infotainment, welches vor allem das jüngere Publikum anspricht (vgl. Klöppel 2008, 68). Doch auch vor den öffentlich-rechtlichen Sendern macht die Entwicklung nicht halt (vgl. Wittwen 1995, 13).

Aus diesem Grund möchte ich mir im Folgenden zwei Ausgaben der Tagesschau ansehen und unter dem Aspekt des Infotainments vergleichen. Die Sendungen wurden am 16.11.1960 und am 22.08.2017 ausgestrahlt.

Im direkten Vergleich der beiden Aufnahmen fallen sofort einige formale Unterschiede ins Auge. Zunächst einmal fällt auf, dass die Sendung von 1960 in schwarz-weiß aufgezeichnet wurde. Außerdem ist schon beim Intro zu erkennen, dass die Technik sich sehr stark weiterentwickelt hat. Die Schnitte und Animationen der Sendung aus dem Jahr 1960 wirken sehr grob und nüchtern, während sie im Jahr 2017 vergleichsweise verspielt und aufwendig wirken. Dies wird durch computergesteuerte Videoanimation möglich. Allein das Intro hat eine Entwicklung hin zum Infotainment durchlaufen. Es soll die Zuschauer an das Format binden. (vgl. Wittwen 1995, 51)

Auch die Ansprache zu Beginn bzw. die Begrüßung hat sich verändert. Während früher ein einfaches „Guten Abend“ gereicht hat, heißt es heute „Guten Abend, meine Damen und Herren. Ich begrüße Sie zur Tagesschau.“ Die Zuschauer werden damit unmittelbar angesprochen und miteinbezogen. So sollen sie emotional an die Sendung gebunden werden. Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass der Nachrichtensprecher im Video von 1960 auf einem Stuhl sitzt, während die Moderatoren in heutigen Sendungen stehen. Das Studio sieht farbiger und aufwendig gestalteter aus, aber im Vergleich zu anderen Nachrichtenformaten wie den RTL2-News wirkt das Blau immer noch dezent. Des Weiteren sieht man, dass 1960 die Nachrichten noch vom Blatt abgelesen wurden, während die Moderatoren heute während der gesamten Sendung in die Kamera schauen.

Die Stimme des Moderators aus der Sendung von 1960 wirkt nüchtern, monoton und distanziert. Beim Betrachten weiterer Nachrichtensendungen aus dieser Zeit fällt auf, dass die Moderation ausnahmslos von Männern ausgeführt wurde. Dies änderte sich erst im Jahr 1976 als mit Dagmar Berghoff die erste Frau die Tagesschau moderieren durfte. (Sagatz 2017) Insofern besteht ein großer Unterschied darin, dass die Nachrichten in der Sendung von 2017 von einer Frau verlesen werden. Außerdem wirkt die Stimme einer Frau oft weicher und angenehmer (vgl. Köhler 2017). Die Nachrichtensprecherin wirkt freundlicher und dies wirkt sich auf die gesamte Sendung aus, da die Moderatoren eine wichtige Funktion haben (vgl. Wittwen 1995, 65). Allein dieser Faktor erhöht schon den Unterhaltungscharakter der Sendung.

Technische Veränderungen lassen sich während der gesamten Sendung feststellen. Die Bildqualität und Kameraführung sowie Grafiken (z.B. Landkarten) und Überblendungen sehen in der Sendung von 1960 im Vergleich zu 2017 amateurhaft aus und sind sehr einfach gehalten. Inserts, also Einblendungen zur Orientierung der Zuschauer, wie sie in heutigen Sendungen vorkommen, waren in der Sendung von 1960 überhaupt nicht vorhanden. Genauso sieht es mit Überschriften aus, die in der heutigen Sendung auf dem Bildern hinter der Moderatorin eingeblendet werden. Diese Überschriften geben den Inhalt, über den gerade gesprochen wird, wieder und erleichtern dem Zuschauer damit den Überblick. Die Rezipientenforschung stimmt dem zu, da sie „positive Auswirkungen auf Verstehens- und Erinnerungsleistung“ nachweisen konnte (Wittwen 1995, 100). In der Sendung von 1960 erkennt man kaum die Übergänge der einzelnen Themen. Dies wird heute deutlich übersichtlicher und einfacher dargestellt.

Längere Überblendungen, wie sie 1960 verwendet wurden, sind heute kaum noch vorhanden. Früher waren die Einstellungen in Bildern und Videos oft statisch, während heute mehr Zooms und Kameraschwenks genutzt werden, um mehr Bewegung ins Bild zu bekommen (vgl. Wittwen 1995, 109).

Außerdem ist die Menge von Schnittbildern stark gestiegen. Des Weiteren gibt es mehr Interviews mit Experten oder Politikern. Durch den Fortschritt der Technik sind auch Live-Moderationen aus den entsprechenden Gebieten möglich (Wittwen 1996, 65). Dies macht die Sendung lebendiger und gleichzeitig auch unterhaltsamer.

Die Wetteraussichten sind in meiner Quelle der Sendung von 1960 leider nicht mit aufgezeichnet worden und ich konnte auch sonst nirgendwo eine vollständige Aufzeichnung der Sendung finden. Dennoch können wir sicher sein, dass die Wetteraussichten am Ende der Sendung erwähnt wurden, da der Nachrichtensprecher diese am Anfang der Sendung ankündigt. In der Sendung aus dem Jahr 2017 geschieht dies nicht mehr. Vermutlich liegt es daran, dass die Zuschauer inzwischen davon ausgehen, dass die Wetteraussichten im Anschluss an die Sendung erwähnt werden.

Inhaltlich gesehen, ist zu beobachten, dass vermehrt Themen betrachtet werden, die die Lebenswelt des Verbrauchers betreffen. Dafür werden teilweise politische Themen zurückgestellt. Schon durch diese einfachen Selektionsmechanismen findet eine Inszenierung der Nachrichten statt (vgl. Klöppel 2008, 21). Inszenierungsstrategien hängen hingegen stark mit Infotainment zusammen (vgl. ebd., 19). Auf diesen Zusammenhang werde ich später noch näher eingehen werde Allgemein lässt sich sagen, dass insgesamt eine stärkere Orientierung am Rezipienten stattfindet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Entwicklung des Infotainments in der Tagesschau
Hochschule
Universität Siegen
Veranstaltung
Einführung in die Medienwissenschaft
Note
1,3
Jahr
2017
Seiten
18
Katalognummer
V436457
ISBN (eBook)
9783668773608
ISBN (Buch)
9783668773615
Dateigröße
529 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Infotainment Tagesschau, Medien, Nachrichten, Doku, Politainment, Information
Arbeit zitieren
Anonym, 2017, Entwicklung des Infotainments in der Tagesschau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436457

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Entwicklung des Infotainments in der Tagesschau



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden