Autonomes Fahren. Ist die autonome Fahrzeugführung aus technischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht realisierbar?


Seminararbeit, 2018

23 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die 5 Stufen der Automatisierung
2.1. Stufe 0 - Keine Automatisierung
2.2. Stufe 1 – Assistiertes Fahren
2.3. Stufe 2 – Teilautomatisiertes Fahren
2.4. Stufe 3 - hochautomatisiertes Fahren
2.5. Stufe 4 - vollautomatisiertes Fahren
2.6. Stufe 5 – autonomes Fahren

3. Aktueller Stand der Technik, Forschung und Markt

4. Potentiale und Herausforderungen des autonomen Fahrens
4.1. Technische Herausforderungen
4.2. Politisch-rechtliche Faktoren
4.2.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen als Hemmnis der Implementierung
4.2.2. Haftbarkeit. Wer trägt die Verantwortung?
4.3. Gesellschaftliche und ethische Faktoren
4.3.1. Vision Zero
4.3.2. Analyse der Maschinenethik anhand des Trolley-Problems

5. Fazit

Quellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Automatisierungsgrade des automatisierten Fahrens

Abbildung 2: Main Stakeholder relationships

Abbildung 3: Menschliche und technische Fehler bei Vollautomatisierung

Abbildung 4: Das Trolley-Problem

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

Seit über 130 Jahren bewegt sich der Mensch nun schon „motorisiert“, wobei die gesamte Branche innerhalb dieses Zeitraums mehrere Metamorphosen durchlief und bewiesen hat, wie anpassungsfähig und innovativ sie sein kann. Derzeit befinden wir uns in einer Welle des Umbruchs: neben der Elektromobilität und der Vernetzung der Fahrzeuge, schreitet die Entwicklung des automatisierten Fahrens schnell voran. Diese rasche Entwicklung wird als wesentlicher Treiber für die technische Innovation und Wertschöpfung in der der Automobilbranche angesehen.[1]

Der Begriff des autonomen Fahrens beschreibt den Einsatz von künstlicher Intelligenz in der Fortbewegung eines Fahrzeuges und kann als fahrerloses Transportsystem verstanden werden. Man steigt morgens in das Fahrzeug, liest Zeitung und trinkt seinen Kaffee während das Auto selbstständig seinen Weg findet. Was bei einem Auto immer noch sehr revolutionär und mehr nach Science-Fiction klingt, ist heutzutage in der Luftfahrt oder bei U-Bahnen schon Alltag und kaum mehr wegzudenken, denn kein menschlicher Pilot ist in der Lage einen Autopiloten in puncto Präzision und Fehlerfreiheit zu übertreffen. Aber schon heute bieten die moderneren Fahrzeugmodelle mit ihren technischen Ausstattungen gewisse Möglichkeiten, um spezifische Verkehrssituationen autonom zu bewältigen. Mit Hilfe von Fahrerassistenzsystemen sollen die Fahrer in bestimmten Fahrsituationen unterstützt werden, um somit eine Erhöhung der Sicherheit auf den Straßen zu gewährleisten. Lange Zeit galt das komplett autonome Fahren, das ohne jede menschliche Einflussnahme funktioniert, als völlig absurd und unlösbar, aber nun haben Automobilkonzerne wie Audi, BWM, Daimler, Ford, GM, Volvo, aber auch Softwareunternehmen wie Google, Apple, Tesla unter Beweis gestellt, dass ihre Prototypen und Piloten inzwischen fähig sind, sich ohne jeglichen Input des Fahrers, fortzubewegen.[2]

Die vorliegende Seminararbeit möchte aufzeigen, welche gesellschaftlichen, rechtlichen sowie technischen Potentiale und Herausforderungen sich durch das autonome Fahren ergeben und mit dessen vollständiger serienmäßiger Implementierung einhergehen. Bei Betrachtung der zukünftig erwarteten flächendeckenden Einführung autonomer Fahrzeuge wäre die Untersuchung der folgenden Forschungsfrage interessant: Ist die autonome Fahrzeugführung aus technischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht realisierbar?

Um sukzessive auf das Thema hinzuführen, werden im Kapitel 2 zunächst die verschiedenen Automatisierungsgrade und darauffolgend der Status quo des Entwicklungsstands und des Marktes untersucht. Anschließend erfolgt auf Basis umfangreicher Literaturrecherche die Ermittlung von Potentialen und Herausforderungen innerhalb der oben genannten Untersuchungsfelder. Aufgrund des Umfangs konzentriert sich die Ausarbeitung hauptsächlich auf Personenkraftwagen.

2. Die 5 Stufen der Automatisierung

Obwohl das autonome Fahren ein aktuelles Thema ist, besteht kein einheitliches Begriffsverständnis.[3] Um ein einheitliches Verständnis zu schaffen, hat ein Expertengremium des Verbands der Automobilindustrie (VDA) eine Darstellung erarbeitet, in der die verschiedene Stufen der Automatisierung von Kraftfahrzeugen auf nationaler und internationaler Ebene in 5 Stufen klassifiziert werden. Diese technische Klassifizierung beschreibt, welche Aufgaben das Fahrzeug selbst wahrnehmen muss, sowie die Anforderungen, die an den Fahrer gestellt werden.[4]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Automatisierungsgrade des automatisierten Fahrens

Quelle: Verband der Automobilindustrie e.V. 2015, S.15

Abbildung 1 stellt die Segmentierung der Automatisierungsgrade, die sich in 5 Stufen unterteilen lassen, dar. Die folgenden Definitionen decken das gesamte Spektrum der Fahrzeugautomatisierung ab und beschreiben den Verlauf eines Fahrzeugs, welches keinerlei unterstützende Kontrollsysteme besitzt, bis hin zur vollständigen Automation.

2.1. Stufe 0 - Keine Automatisierung

Der Fahrer hat die vollständige und alleinige Kontrolle über die primäre Fahrzeugsteuerung, die sich unterteilt in Längsführung (=Geschwindigkeit halten, Bremsen und Gas geben) und Querführung (=Lenken). Das bedeutet der menschliche Fahrer ist jederzeit verantwortlich für die Überwachung der Fahrbahn und für den sicheren Betrieb aller Fahrzeugsteuerungen. Es gibt keine eingreifenden Systeme, lediglich umfasst die Stufe 0 Warnsysteme wie z.B. einen Totwinkelassistent, einen Spurwechselassistenten oder ein Kollisionswarnsystem.[5]

2.2. Stufe 1 - Assistiertes Fahren

Die Automatisierung auf dieser Ebene umfasst eine oder mehrere spezifische Steuerfunktionen; wenn mehrere Funktionen automatisiert sind, funktionieren diese unabhängig voneinander. Der Fahrer hat die Gesamtkontrolle und ist allein verantwortlich für den sicheren Betrieb. Er kann aber beschließen, über eine primäre Kontrolle wie beispielsweise den Tempomat, der die Geschwindigkeit automatisch fixiert, Kontrolle abzugeben. Der Assistent ersetzt jedoch niemals die Wachsamkeit des Fahrers und übernimmt keine Verantwortung, weshalb der Fahrer weiterhin permanent das Lenkrad in der Hand halten und auf den Verkehr achten muss[6]. Das automatisierte System kann entweder die Längs- oder die Querführung des Fahrzeugs übernehmen, jedoch niemals beide gleichzeitig, weshalb der Fahrer die jeweils andere Aufgabe ausführen muss. Beispiele für funktionsspezifische Automatisierungssysteme hierfür wären Tempomat, Notbremsassistent oder Spurhalteassistent,[7] jedoch sind sie innerhalb ihrer Funktionalität sehr eingeschränkt und zudem stark abhängig von guten Witterungsbedingungen.[8]

2.3. Stufe 2 - Teilautomatisiertes Fahren

Diese Stufe beinhaltet eine Automatisierung von mindestens zwei primären Steuerfunktionen, die so konzipiert sind, dass sie den Fahrer von der Kontrolle dieser Funktionen entlasten. Der Fahrer gibt in bestimmten eingeschränkten Fahrsituationen aktiv die primäre Kontrolle ab, jedoch ist er immer noch für die Überwachung der Fahrbahn und den sicheren Betrieb zuständig und muss jederzeit verfügbar sein. Das System kann bei Störung der Sensorik die Ausführung der Funktion ohne Vorwarnung aufgeben und der Fahrer muss darauf vorbereitet sein, das Fahrzeug sicher zu steuern. Ein Beispiel für teilautomatisiertes Fahren ist die adaptive Geschwindigkeitsregelung in Kombination mit Spurzentrierung/-haltung. Der Hauptunterschied zwischen Stufe 1 und Stufe 2 ist, dass nun Längs- und Querführung an das System abgegeben werden kann. Grundsätzlich ist dies aber nur in bestimmten Anwendungsfällen möglich. Ein Beispiel dafür wäre die Beschränkung auf Autobahnen, da es dort keine roten Lichter zu identifizieren oder Straßenschilder zu berücksichtigen gibt.

2.4. Stufe 3 - hochautomatisiertes Fahren

Fahrzeuge, welche diesem Automatisierungsgrad entsprechen, ermöglichen dem Fahrer die volle Kontrolle und Übergabe aller sicherheitskritischen Funktionen unter bestimmten Verkehrs- oder Umweltbedingungen. Das System erkennt selbstständig, wann die Umgebungsbedingungen nicht mehr dem Funktionsumfang des Assistenzsystems entsprechen und fordert daraufhin den Fahrer zur Übernahme der Fahraufgabe auf. Es wird zwar erwartet, dass der Fahrer für eine gelegentliche Kontrolle zur Verfügung steht, jedoch mit ausreichend Komfort und Zeitreserve, sodass der Fahrer eine gewisse Vorwarnzeit hat, bis er das Lenkrad wieder übernehmen muss. Das Fahrzeug ist so konstruiert, dass es während des autonomen Fahrmodus einen sicheren Betrieb gewährleistet, wodurch der Fahrer nicht mehr dauerhaft die Längs- und Querführung überwachen muss.[9]

2.5. Stufe 4 - vollautomatisiertes Fahren

In Stufe 4 kann der Fahrer die komplette Führung des Fahrzeuges dauerhaft an das System übergeben, da dieses so konzipiert ist, dass es alle sicherheitskritischen Fahrfunktionen und die Überwachung der Fahrbedingungen für die gesamte Fahrt übernehmen kann. Der Fahrer agiert in dieser Stufe als Passagier, der nur noch für die Zieleingabe erforderlich ist und nicht mehr für eine dauerhafte Überwachung des Systems bereitstehen muss. Das bedeutet, dass der sichere Betrieb ausschließlich auf dem automatisierten System beruht.[10]

2.6. Stufe 5 - autonomes Fahren

Als letzte Entwicklungsstufe, die Stufe 5, wird diese als fahrerloses Fahren beziffert. Ab dieser Stufe sind die Fahrzeuge imstande alle Straßentypen, Geschwindigkeitsbeschränkungen und verschiedenste Umweltbedingungen zu bewerkstelligen und sind dazu in der Lage die Fahraufgabe vollständig alleine auszuführen, sodass kein menschlicher Einfluss mehr benötigt wird.[11] Diese Fahrzeuge werden teils ohne Lenkräder ausgestattet, womit Google schon seit geraumer Zeit experimentiert. Dennoch treten noch etliche Probleme innerhalb dieser Stufe auf, weshalb es noch einige Jahre benötigen wird, bis diese Autos straßentauglich sind.[12]

3. Aktueller Stand der Technik, Forschung und Markt

Als Grundlage zur Bewertung des Status quo, wird das weltweit anerkannte fünfstufige Modell der Automatisierungsgrade des VDA zur Bewertung herangezogen. Nach diesem Modell lässt sich der aktuelle, marktreife Stand der Technik von autonomen Fahrzeugen der zweiten Stufe (Teilautomatisierung) zuordnen. Die Systeme sind zwar schon fortschrittlich genug, damit sie die Längs- und Querführung übernehmen können, dies jedoch nur in spezifischen Anwendungsfällen. Zudem sind Fahrzeugassistenzsysteme wie automatische Einparkhilfen, Spurhalteassistenten oder Abstandstempomat bereits gängige Praxis. Dabei ist nach wie vor das Vorhandensein eines Fahrers erforderlich, um die Systeme durchgängig zu überwachen und die Steuerung im Falle eines Ausfalls zu übernehmen. Somit obliegt die Verantwortung über jegliche Handlungen im Fahrzeug weiterhin dem Fahrer.[13]

Es existieren schon heute automatisierte Fahrzeuge, die sich einer höheren Stufe zuordnen lassen, welche aktuell nur auf privaten oder öffentlichen Straßen zu Testzwecken eingesetzt werden. Im folgenden Abschnitt wird eine Auswahl an ersten Prototypen autonomer Systemerprobungen näher beleuchtet, wo mittlerweile drei verschiedene Entwicklungsrichtungen zu erkennen sind. Die Automobilindustrie steht in Konkurrenz zu Unternehmen wie Google, Uber und Tesla, welche nicht die typischen Automobilhersteller sind und dennoch zu den Top-Entwicklern innerhalb der autonomen Technologie zählen.[14] Sie fordern die Automobilhersteller, welche auch als OEM[15] bezeichnet werden, heraus. Dadurch entstehen neue Kompetenzfelder im Rahmen der autonomen Systeme, wodurch große Technologieunternehmen wie Google und Intel zusätzlich zu ihrem herkömmlichen Aufgabengebiet mögliche Einstiegschancen sehen und bereits die entsprechende Fahrzeugsoftware sowie komplette Fahrzeuge entwickeln.[16] Googles selbstfahrendes Auto, welches derzeit unter dem Projekt namens „Waymo“ läuft , ist beispielsweise führend in der autonomen Technologieentwicklung. Während die OEMs sich größtenteils mit den Stufen 1 bis 4 beschäftigen, hat Google diese Stufen ausgelassen und sich ausschließlich auf ihre Kernkompetenzen, vorrangig auf die Softwareentwicklung und Implementierung der Stufe 5, konzentriert. Dies ist nämlich die komplexeste Herausforderung des vollautonomen Fahrens. Google hat im Jahr 2016 über eine Million Kilometer zurückgelegt und das erstaunlicherweise mit einer sehr geringen Fehlerquote von nur 0,2 manuelle Eingriffen pro 1000 Meilen, obwohl der Konzern über keinerlei praktische Erfahrung in der Fahrzeugherstellung verfügt. Im Jahr zuvor waren es noch 0.8 Eingriffe pro 1000 Meilen.[17] Aber auch Tesla hat mit seinen Fahrzeugen und seiner Technologie gezeigt, dass sie imstande sind, auf diesem konkurrierenden Markt mitzuhalten. Mit den Modellen X, S und 3, die jeweils einen integrierten Autopiloten besitzen, hat Tesla bereits unter Beweis gestellt, dass sie nur noch wenige Schritte von der hochautomatisierten Stufe entfernt sind.[18] Aber auch die großen, etablierten Automobilhersteller arbeiten an ihren Konzepten zum autonomen Fahren. Auf der IAA 2017 hat Audi seine vorläufigen Strategien offengelegt und verkündet, dass sie nun das hochautomatisierte Fahren auf Stufe 3 in Serie bringen wollen, was in etwa dem Niveau eines einfachen Stauassistenten entspricht.[19]

Audi arbeitet derzeit mit dem IT-Spezialisten Nvidia zusammen und plant für 2020 die Entwicklung des ersten fahrerlosen Audis auf Level 4.[20] Daimler hingegen kooperiert mit seinem Zulieferer Bosch, um gemeinsam bis 2020 vollautomatisiertes Fahren auf Level 4 und fahrerloses Fahren auf Level 5 zu erreichen. Technisch gesehen sind die Voraussetzungen für das autonome Fahren schon vorhanden, was Mercedes mittels seiner Prototypen wie der Mercedes-Benz S-Klasse „S 500 INTELLIGENT DRIVE“, der „F015 Luxury in Motion“ oder dem „Future Truck 2025“ schon unter Beweis gestellt hat.[21] Zudem haben Daimler und Bosch eine gemeinsame Vision entwickelt, in der Fahrsysteme vollkommen autonom in der Stadt fahren, was die Attraktivität von Car-Sharing steigern soll. Die Idee dahinter ist, dass das Auto zum Fahrer kommt und nicht andersherum. Diese Vision könnte dergestalt umgesetzt werden, das ein Carsharing-Fahrzeug oder Roboter-Taxi mittels einer mobilen Plattform geordert wird und dann fahrerlos zum Kunden kommt.[22] Dieses Konzept eröffnet neue Marktchancen für Unternehmen wie Uber und Lyft, welche zwar selbst keine Fahrzeuge entwickeln, aber Fahrdienste mit autonomen Fahrzeugen anbieten und somit die dritte Gruppierung der Anbieter darstellen. Denn auch Uber investiert in die autonome Technologie und pflegt neben Mercedes noch eine Partnerschaft mit Volvo, welche gemeinsam den Prototypen XC90 entwickelt haben.[23]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Main Stakeholder relationships

Quelle: Hucko 2017, S.104

Das neue Zusammenspiel zwischen den Automobilherstellern (OEMs), den Technologieunternehmen und den Fahrdienstleistern kündigt zwangsläufig starke Wettbewerbsveränderungen an. Folglich wird es zu einer neuen Verteilung von Macht, Rollen und Marktanteilen auf dem Automobilmarkt führen.[24]

4. Potentiale und Herausforderungen des autonomen Fahrens

Die Beweggründe für die Einführung des automatisierten Fahrens sind einerseits die Steigerung der Sicherheit und Effizienz im Straßenverkehr, sowie die Möglichkeit, mehr Komfort und eine erweiterte Mobilität zu schaffen. Jedoch bringt das automatisierte Fahren nicht nur Potenziale mich sich, sondern auch bestimmte Hürden, die es zu überwinden gilt, bevor es überhaupt zu einer offiziellen Markteinführung kommen kann. Anhand von gesellschaftlichen, rechtlichen und technischen Faktoren werden im folgenden Abschnitt die Möglichkeiten und Herausforderungen veranschaulicht.

4.1. Technische Herausforderungen

Die Einführung höherer Automatisierungsgrade bis hin zum autonomen Fahren verändern grundlegend die Rolle und Aufgaben des Fahrers im Fahrzeug, nämlich vom Führer des Fahrzeugs hin zum passiven Passagier. Die Anforderungen an die technische Umsetzung der Interaktion zwischen Fahrzeug und Fahrer werden zwar durch die Wünsche von Nutzern bestimmt, hauptsächlich aber entstehen sie zuallererst durch die Bedingung, dass die Verkehrssicherheit im Straßenverkehr mit autonomen Fahrzeugen gegeben sein muss.[25] Dieser Sicherheitsaspekt, sowie die Reduzierung der Unfallzahlen und die Vermeidung von menschlichen Fehlern stellen aus politischer Sicht die zentrale Motivation für die serienreife Einführung des autonomen Fahrens dar. Ob die erhoffte Verbesserung der Sicherheit durch den technologischen Fortschritt gewährleistet werden kann, ist derzeit noch abzuwarten. Denn Voraussetzung hierfür wäre eine fehlerfrei funktionierende Technologie. Die wesentliche Technik wird teils heute schon als „serienreif oder in einem seriennahen Entwicklungszustand“ beschrieben, dennoch existieren einige Entwicklungsherausforderungen, die es zu bewältigen gilt.[26] Bereits mehrere Unfälle mit Autopiloten spiegeln dies wider. Unter ihnen sogar Tesla, der aktuelle Vorreiter in Sachen Autopilot-Systemen, welcher im Mai 2016 den ersten Todesfall zu verzeichnen hatte. Bei diesem Unglück kollidierte das vom Autopilot-System gesteuerte Fahrzeug ungebremst mit einem weißen LKW-Anhänger, weil die Sensoren den Anhänger aufgrund schlechter Witterung und einer ungünstigen Verkehrskonstellation nicht eindeutig identifizieren konnte. Das System erkannte den Anhänger als Straßenschild.[27] Anschließende Untersuchungen bestätigten, dass der Fahrer während des Unfallhergangs keinerlei Reaktion zeigte und vermutlich aufgrund eines Entertainmentsystems zum Unfallzeitpunkt nicht auf die Fahraufgabe fokussiert war.[28] Es wird deutlich, dass die Problematik im Verhalten des autonomen Fahrzeuges liegt. Die Technologie muss so weit entwickelt sein, sodass sie in der Lage ist, jede erdenkliche Situation im Straßenverkehr selbstständig zu bewältigen. Technisch gesehen muss jede autonome Handlung des Fahrzeuges zuvor in Form eines Algorithmus einprogrammiert werden.[29] Bevor die Algorithmen eine Verwendung finden, müssen vorerst reale Strecken durch Menschen getestet werden. Denn auch die autonomen Fahrzeuge benötigen einen Input, der sich mit dem menschlichen Fahrverhalten vergleichen lässt, welches sich durch Erfahrungen und aus der Praxis erlerntem Wissen weiterentwickelt hat und dadurch später verschiedenste Situationen bewältigen kann.[30] Eine reine Programmierung von Basiswissen durch Algorithmen ist nicht ausreichend, um autonom agieren zu können. Es wird eine gewisse Lernfähigkeit des Fahrzeuges benötigt, die deutlich macht, dass das Thema künstliche Intelligenz zukünftig eine entscheidende Rolle spielen wird. Vor allem die Vielfältigkeit, die im Straßenverkehr herrscht, erfordert ein erweitertes Wissen. Es ist wichtig, dass die künstliche Intelligenz Erfahrungen sammelt, diese speichert und auswertet und im Idealfall anschließend mit anderen Fahrzeugen teilt, wodurch sich die Lernfähigkeit der Fahrzeuge kollektiv steigern ließe.[31]

Hinsichtlich der Entwicklung von künstlicher Intelligenz wird sich die Implementierung von vorhandenen ethischen Standards als weitere Herausforderung erweisen, da keine allgemeingültigen Vorschriften zum Thema Ethik existieren. Problematisch scheint vor allem der Diskurs über die künstliche Intelligenz und deren Anpassung an ethische Standards, die regional unterschiedlich sind, zu sein. Es unterscheiden sich nicht nur die ethischen Vorstellungen innerhalb der verschiedenen Länder, sondern auch die Straßenregeln und die Mentalität der Menschen.[32] Exemplarisch hierfür ist der Einsatz von Lichtsignalen zur Kommunikation untereinander, welche üblicherweise im Straßenverkehr genutzt werden. Allerdings werden sie nirgends konkret festgehalten und sind zudem nicht länderübergreifend. Das bedeutet, die künstliche Intelligenz müsste diese kulturellen Sitten erlernen.[33]

4.2. Politisch-rechtliche Faktoren

Um eine Einführung von autonomen Fahrzeugen zu ermöglichen, müssen vorerst diverse nationale und internationale Rahmenbedingungen bezüglich der rechtlichen Situation im Straßenverkehr wie beispielsweise das Wiener Übereinkommen von 1968 überarbeitet werden, ebenso das allgemeine Straßenverkehrsrecht. Die Berücksichtigung der rechtlichen Aspekte ist eine zwingende Voraussetzung für die Markteinführung, da es ohne Rechtssicherheit keine Grundlage für die gesellschaftliche Akzeptanz autonomen Fahrens geben wird. Das folgende Kapitel widmet sich daher der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung des autonomen Fahrens und deren rechtlichen Voraussetzungen.[34]

4.2.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen als Hemmnis der Implementierung

Für die Realisierung des autonomen Fahrens im öffentlichen Straßenverkehr stellen sich in erster Linie Rechtsfragen, die auf dem Straßenverkehrsgesetz (StVG) basieren. Die StVO regelt unter anderem die Zulassung von Kraftfahrzeugen, sowie das Verhalten des Fahrers. Man differenziert hierbei zwischen dem Zulassungs- und dem Verhaltensrecht, also einerseits geht es darum, welche technischen Voraussetzungen das Fahrzeug erfüllen muss und andererseits beschäftigt es sich hauptsächlich mit der Handhabung des Fahrzeuges. Auch die autonomen Fahrzeuge müssen strikt alle Regeln der Straßenverkehrsordnung (StVO) beherrschen und befolgen können.[35] Bislang hat sich die Frage nach autonomen Fahrzeugen jedoch nicht gestellt, da stets davon auszugehen war, dass hinter dem Steuer ein Fahrer sitzt und das Fahrzeug lenkt. Mitunter deshalb ist es so schwierig, unterschiedliche Rechtsfragen für selbstfahrende Fahrzeuge zufriedenstellend zu beantworten, da die heutige Rechtsgrundlage noch nicht weit genug entwickelt ist und es bislang nur abstrakte Überlegungen zur Rechtslage des automatisierten Fahrens gibt.[36] Grundsätzlich muss klargestellt werden, dass die Gesetzeslage ursprünglich auf den Menschen ausgelegt und im Wiener Übereinkommen so geregelt wurde, dass ein Fahrzeug immer einen qualifizierten Führer benötigt, der durchgehend die Fahrzeugsteuerung übernimmt.[37] Im März 2016 haben Anpassungen von Formulierungen stattgefunden, wodurch nun automatisierte Systeme erlaubt werden konnten, was zuvor nicht der Fall gewesen war.[38] Trotz dieser Änderung sind zwar nun fahrerlose Fahrzeuge auf den Straßen gestattet, jedoch muss weiterhin ein Fahrer vorhanden sein, der in Notfallsituationen eingreifen kann und die Steuerung vollständig übernimmt. Autonomes Fahren ist also momentan noch nicht mit dem geltenden Rechtsstand vereinbar.[39] Anhand dessen wird deutlich, dass nicht die technische Machbarkeit, sondern vielmehr die herrschenden rechtlichen Restriktionen Ursache für die Nicht-Einführung dieser Technologie sind. Um die Zulassung zu erlangen, muss zuerst eine Änderung der Rechtslage erfolgen. Primär müssen die rechtlichen Hemmnisse zwischen der Automatisierungsstufe zwei und der Stufe drei beseitigt werden, wodurch es dem Fahrzeugführer erstmals ermöglichen würde, sich nicht permanent auf den Verkehr konzentrieren zu müssen. Fakt ist, die rechtlichen Unklarheiten sind vermutlich die größte Hürde für die Einführung der neuen Technologie.[40] Erste große Veränderungen werden dennoch bald erfolgen, denn in Kalifornien ist es ab dem 02. April 2018 möglich, dass selbstfahrende Autos ohne Lenkrad und Pedale auf den Straßen fahren und somit die Anforderungen an einen menschlichen Fahrer, der im Notfall das Steuer übernimmt, wegfallen.[41]

[...]


[1] Vgl. Cacilo et al. 2015a, S.2

[2] Vgl. Roland Berger 2014, S.4

[3] Vgl. Maurer et al. 2015, S. 2

[4] Vgl. Verband der Automobilindustrie e.V. 2015, S.14

[5] Vgl. Verband der Automobilindustrie e.V. 2015, S.14

[6] Vgl. Don Dahlmann 2015, online

[7] Vgl. National Highway Traffic Safety Administration (Hrsg.) o.J., S.4

[8] Vgl. Don Dahlmann 2015, online

[9] Vgl. National Highway Traffic Safety Administration (Hrsg.) o.J., S.5

[10] Vgl. Verband der Automobilindustrie e.V. 2015, S.14

[11] Vgl. ebenda

[12] Vgl. Don Dahlmann 2015, online

[13] Vgl. Schön, Schützle 2017, S.6

[14] Vgl. Hucko 2017, S.9

[15] In der Automobilbranche werden die Hersteller als OEMs (Original Equipment Manufacture) bezeichnet, konkret sind das Unternehmen wie Audi, BMW, Opel, Porsche etc.

[16] Vgl. Kruse 2016, S.8

[17] Vgl. Waymo (Hrsg.) 2016, S.1

[18] Vgl. Knott 2016, online

[19] Vgl. Audi Media Center (Hrsg.) 2017, online

[20] Vgl. Dittberner 2017, online

[21] Vgl. Daimler AG: Autonom Unterwegs (Hrsg.) o.J., online

[22] Vgl. Daimler AG: Mobilität der Zukunft (Hrsg.) o.J., online

[23] Vgl. Etherington 2017, online

[24] Vgl. Dudenhöffer 2016, S.11

[25] Vgl. Winner, Bruder 2017, S.91f.

[26] Vgl. Cacilo et al. 2015a, S.3

[27] Vgl. Spiegel Online (Hrsg.) 2016, online

[28] Vgl. National Transportation Safety Board (Hrsg.) 2016, online

[29] Vgl. Nürnberger, Bugiel 2016, S. 503

[30] Vgl. Mainzer 2016, S.166

[31] Vgl. Maurer et al. 2015, S. 483

[32] Vgl. Maurer et al. 2015, S.88

[33] Vgl. Schön, Schützle 2017, S.7

[34] Vgl. Bach 2016, S.4

[35] Vgl. ebenda

[36] Vgl. Mauerer et al. 2015, S.552

[37] Vgl. Johanning, Mildner 2015, S. 73

[38] Vgl. Daimler AG: Automatisiertes und autonomes Fahren: Rechtlicher Rahmen (Hrsg.) o.J., online

[39] Vgl. Johanning, Mildner 2015, S. 73

[40] Vgl. Schön, Schützle 2017, S.8

[41] Vgl. Welt (Hrsg.) 2018, online

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Autonomes Fahren. Ist die autonome Fahrzeugführung aus technischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht realisierbar?
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen; Standort Nürtingen
Veranstaltung
Informationsmanagement und Digitalisierung
Note
1,3
Autor
Jahr
2018
Seiten
23
Katalognummer
V436512
ISBN (eBook)
9783668769250
ISBN (Buch)
9783668769267
Dateigröße
928 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
autonomes Fahren, zukunft, trolleyproblem, autonom, automatisierung, haftung, vision zero, Herausforderungen und Potenziale
Arbeit zitieren
Katharina Koch (Autor:in), 2018, Autonomes Fahren. Ist die autonome Fahrzeugführung aus technischer, rechtlicher und gesellschaftlicher Sicht realisierbar?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436512

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