Leseprobe
Inhalt
Einleitung – Gegenstand der Arbeit
I . Verben der sinnlichen Wahrnehmung mit Infinitivkonstruktion
II. Verben der sinnlichen Wahrnehmung mit gerundialer Konstruktion
III. Syntaktisch-semantische Gegenüberstellung der Infinitivkonstruktion und der gerundialen Konstruktion
IV. Der Relativsatz
1. Definition
1.1 Die drei Haupttypen von Relativsätzen
a) Der restriktive/spezifikative Relativsatz
b) Der explikative Relativsatz
c) Der prädikative Relativsatz in Verbindung mit Perzeptionsverben
1.2 Syntaktisch-semantische Funktion des prädikativen Relativsatzes
V. Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung- Gegenstand der Arbeit
In der folgenden Arbeit werden drei syntaktisch, bzw. semantisch verschiedene Konstruktionen präsentiert und funktional gegenübergestellt, die mit Verben der Wahrnehmung (Perzeption) angebunden werden. Bei der Definition der A. c. I.-Konstruktion (siehe Kapitel I) und ihrer funktionalen Gegenüberstellung mit der gerundialen prädikativischen Struktur (siehe Kapitel II) orientiere ich mich hierbei stark an der sprachwissenschaftlichen Auslegung von Sonja Jäger, die den Infinitiv nicht als prädikatives Attribut zum direkten Objekt des Hauptsatzes versteht, sondern mit dem Akkusativ als Gesamtkonstruktion das direkte Objekt konstituiert.
Andere sprachwissenschaftliche Deutungen sollen anhand dieser Arbeit mit ausgewählten Beispielen der spanischen Syntax relativiert werden. Hinsichtlich des behandelten Themas gibt es keinen allumfassenden Konsens hinsichtlich der syntaktisch-semantischen Einordnung der behandelten Konstruktionen, Sonja Jäger bietet jedoch einen soliden sprachwissenschaftlichen Ansatz.
I. Verben der sinnlichen Wahrnehmung mit Infinitivkonstruktion
Bei Verben der Perzeption (z.B. oír, ver, sentir, etc.)[1] die eine Infinitivstruktur anbinden, ist der Infinitiv als infinite Verbform nicht als prädikatives Attribut zum direkten Objekt des Hauptsatzes zu verstehen. Vielmehr bildet die A. c. I.- Konstruktion[2] aus Infinitiv und Akkusativ das direkte Objekt, wie folgendes Beispiel zeigt: (Vgl. Hernanz 1999 : 2236)
Oigo sonar las campanas
Die A. c. I.- Konstruktion ,,sonar las campanas“ bildet das direkte Objekt zum finiten Hauptsatzverb,,oír“. (Vgl. Jäger 1993 : 304)
Auch bei anderen Autoren, wie z.B. Vera Morales, wird deutlich, dass ein Infinitivsatz mit eigenem Subjekt Akkusativobjekt von Perzeptionsverben (z.B. oír oder ver) sein kann.
Beispielen
Oímos [gritar a la vecina].
Vi [cerrarse una puerta].
(Vgl. Vera Morales 2008 : 279)
Sentía [la cabeza llena de arena].
(Ebd. : 402)
Der Infinitiv wird fälschlicherweise häufig als prädikatives Attribut zum direkten Objekt verstanden. Ein prädikatives Attribut setzt jedoch das Vorhandensein eines direkten Objekts voraus. In der spanischen Sprache gibt es jedoch viele Beispiele, bei denen ein direktes Objekt nicht vorhanden ist, somit kann der Infinitiv nicht als prädikatives Attribut gedeutet werden (Vgl. Alcina Franch/Blecua 1988 : 870).
Beispiele
Oigo [llover].
Oí [hablar en el garaje].
Pedro oyó [caer al agua laz manzanas].[3]
Bei diesen spanischen Sätzen mit einem Infinitv eines agenslosen bzw. subjektlosen Verbs liegt eine andere syntaktische Struktur vor als beim vorherigen Beispielsatz ,,Oigo sonar las campanas“, bei dem ja ein Agens, nämlich ,,las campanas“, vorhanden war. Die vorliegenden Beispiele beweisen, dass der Infinitiv als Kern einer Konstruktion als Ganzes das direkte Objekt konstituiert (Vgl. Jäger 1993 : 305).
II. Verben der sinnlichen Wahrnehmung mit gerundialer Konstruktion
In der spanischen Sprache existiert eine weitere Konstruktion, die im Anshluss an Perzeptionsverben auftreten kann. Es handelt sich hierbei jedoch um eine gerundiale Struktur, die im Gegensatz zur bereits erwähnten Infinitivstruktur als prädikativisches Attribut zum direkten Objekt angesehen werden muss. Aus diesen syntaktischen Unterschieden zwischen Infinitivkonstruktion und gerundialer Konstruktion erwachsen auch semantische Differenzierungen die in Kapitel III vertieft werden (Vgl. Fernández Lagunilla 1999 : 3462ff.).
Beispiel
Juan vió a los niños jugando en el jardín.
In diesem Beispiel wird ,, jugando “ als prädikativisches gerundiales Attribut zum Agens ,,a los niños“ verstanden. Dieses Attribut kann man auch als eine Art sekundäres Prädikat zum direkten Objekt verstehen. Hierbei handelt es sich also nicht um eine Kernstruktur aus Akkusativ und Gerundium die ein direktes Objekt konstituiert, sondern um ein gerundiales prädikativisches Attribut, welches das direkte Objekt v. a. semantisch näher spezifiziert[4] (Vgl. Jäger : 306).
III. Syntaktisch-semantische Gegenüberstellung der Infinitivkonstruktion bzw. der gerundialen Konstruktion
Wie bereits in Kapitel I verdeutlicht worden ist, handelt es sich bei dem Beispielsatz ,,Pedro oyó [caer al agua las manzanas]“ um eine klassische A.c. I. -Konstruktion in der Funktion des direkten Objekts. Der Infinitiv ,,caer“ bildet hier kein prädikatives Attribut zum direkten Objekt ,,las manzanas“ und jenes ist auch kein direktes Objekt zum Hauptsatzverb ,, oír“. Diese Konstruktion ist folglich nicht in zwei Teile zerlegbar, die semantisch sinnvoll wären. Die Anwendung einer gerundialen Struktur wäre in diesem Fall folglich ungrammatisch: (Vgl. Alcina Franch/Blecua 1981 : 345).
- Pedro oyó las manzanas. Las manzanas cayeron al agua!?
- Pedro oyó cayendo al agua las manzanas!?
In der spanischen Sprache muss diese Konstruktion also infinitivisch ausgedrückt werden.
Bei Konstruktionen mit Gerundium als prädikativischem Attribut wird wie bereits erwähnt ein direktes Objekt vorausgesetzt, auf das sich das Attribut bezieht. In diesem Fall kann der Beispielsatz ,,Juan vio a als niños jugando en el jardín“ in zwei semantisch und grammatisch sinnvolle Einheiten zerlegt werden:
1) Juan vio a los niños.
2) Los niños estaban jugando en el jardín.
(Vgl. Jäger : 307).
Die sinnvolle Trennung des erwähnten Beispiels nach semantischen bzw. syntaktischen Kriterien ist eine von zahlreichen geeigneten Methoden (neben Fragetest und Passivierungstest), um eine A.c.I.-Konstruktion von einer gerundialen Konstruktion als prädikativischem Attribut abzugrenzen. Prinzipiell kann eine gerundiale Struktur auch infinitivisch ausgedrückt werden, wenn sie durch Verben der Perzeption (z.B. ver, oír, percibir, enterarse de) eingeleitet wird
(Vgl. Fernández Lagunilla : 3464).
Juan vio a los niños jugando en el jardín. (gerundial)
Juan vio a los niños jugar en el jardín. (infinitivisch)
Dennoch kann nicht jede Infinitivstruktur gerundial ausgedrückt werden, wie wir am Beispiel der agenslosen bzw. subjektlosen Verben sehen können.
Oigo llover.
- Oigo lloviendo.
Oí hablar en el garaje.
- Oí hablando en el garaje.
Aus der unterschiedlichen syntaktischen Struktur von Sätzen mit Infinitivkonstruktion bzw. gerundialen Attribut erwachsen vor allem semantische Unterschiede, die ein nicht-Muttersprachler als Auswahlkriterien für die eine oder andere Struktur heranziehen kann.
Im gerundialen Beispielsatz ,,Juan vio a los niños jugando en el jardín“ ist das direkte Objekt ,,a los niños“ das Ziel eines Wahrnehmungsgeschehens in aktueller Verfassung, aus der Sicht des Subjekts ,,Juan“. Die Kinder werden ,,in einer ganz bestimmten Verfassung, [...] nämlich als Spielende“ präsentiert (Jäger 1993 :306).
Wird also das direkte Objekt in seinem Wesen näher spezifiziert und von seiner aktuellen Seite präsentiert, wird ein Gerundium als prädikativisches Attribut zum Agens ,,a los niños“ verwendet. Wenn dieses Merkmal der Wesenscharakterisierung des Agens nicht gegeben ist, muß eine Infinitivstruktur verwendet werden.
Ein weiteres zentrales Kriterium für die Auswahl der gerundialen Konstruktion liegt in der ,,Durativität“. Hierbei ist das gerundiale Geschehen durativ, also eine zeitlich andauernde Handlung, bei der Anfang und Ende des Ereignisses keine Rolle spielen. Die Handlung wird also in ihrem Verlauf geschildert. Auch bei diesem Merkmal gilt, dass eine Infinitivkonstruktion appliziert werden muss, wenn man die Limitiertheit einer Handlung mit Anfang und Ende in den Vordergrund stellen möchte (Ebd. : 307).
Bei der Anwendung einer Infinitivkonstruktion wird die Handlung nicht in ihrem Verlauf, sondern in ihrem Vollzug dargestellt. Hierbei spielt der faktische Aspekt eine zentrale Rolle, d.h. der Agens wird nicht näher charakterisiert, sondern allein die Tatsache, dass die ,,Kinder spielen“ in den Mittelpunkt gestellt (Ebd. : 308).
Natürlich bietet unsere deutsche Grammatik auch die Möglichkeit eine Prozessualität bzw. Vorgänglichkeit auszudrücken, die sowohl den Infinitivkonstruktionen, als auch den gerundialen Konstruktionen innewohnt. Mit paraphrastischen wie-Nebensätzen kann die gerundiale Struktur des Spanischen auch im Deutschen wiedergegeben werden:
[...]
[1] Beispiele des Verfassers.
[2] A.c. I.-Konstruktion: Abkürzung aus dem Lateinischen A ccusativus c um I nfinitivo (Anm. Verfasser).
[3] Die Elemente in eckigen Klammern bilden jeweils als Kern mit infintem Verb das direkte Objekt zum finiten Hauptsatzverb ,,oír“.
[4] siehe Kapitel III.
- Arbeit zitieren
- Christoph Ervens (Autor:in), 2011, Ausgewählte Fragestellungen der spanischen Syntax, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/436834
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