Die Vorsorgevollmacht bei einwilligungsfähigen Volljährigen

Hindernisse und Lösungsmöglichkeiten


Thèse de Bachelor, 2017

88 Pages, Note: 1,2


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielstellung
1.3 Methoden und Material
1.4 Vorliegende Stadien
1.5 Aufbau der Arbeit

2 Informationen
2.1 Epidemiologie und demografischer Wandel
2.2 Selbstbestimmung
2.3 Begriff der Vorsorgevollmacht
2.3.1 Zweck und Wesen der Vorsorgevollmacht
2.3.2 Innen- und Außenverhältnis
2.3.3 Betroffener Personen kreis und zugrundeliegende Krankheitsbilder
2.3.4 Voraussetzung der Vorsorgevollmacht
2.3.5 Auswahl Bevollmächtigter
2.3.6 Aufgabenkreise
2.3.6.1 Vermögenssorge
2.3.6.2 Gesundheitssorge
2.3.6.3 Aufenthaltsbestimmung und Unterbringung
2.3.6.4 Sonstige Angelegenheiten
2.3.7 Wirksamkeitsbedingungen
2.3.8 Kosten der Vorsorgevollmacht
2.3.9 Abgrenzung zur Patientenverfügung
2.3.10 Abgrenzung zur Betreuungsverfügung
2.3.11 Formvorschriften der Vorsorgevollmacht
2.3.12 Aufbewahrung, Hinterlegung und Mitteilung
2.4 Rechtliche Betreuung
2.4.1 Betreuerbestellung
2.4.2 Betreuerauswahl
2.4.3 Betreuer: Pflichten, Rechte und Aufgaben
2.4.4 Grenzen der rechtlichen Handlungsbefugnisse

3 Darstellung der Teilnehmer der Befragung

4 Empirische Untersuchung zu möglichen Hindernissen bei der Vorsorge
4.1 Auswertung Fragebogen Teil 1
4.2 Auswertung Fragebogen Teil 2
4.3 Auswertung Fragebogen Teil 3
4.4 Übergreifende Auswertungen
4.5 Ergebnisse und Diskussion
4.5.1 Diskussion Teilffage 1
4.5.2 Diskussion Teilffage 2
4.5.3 Diskussion Teilffage 3:
4.5.4 Diskussion Teilffage 4:

5 Entwicklung einer Handlungsanleitung

6 Fazit und Ausblick

8 Literaturverzeichnis

9 Abbildungsverzeichnis

10 Tabellenverzeichnis

11 Anhang

Kurzfassung

Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, wo die Hindernisse zur Erstellung einer Vorsorgevoll­macht liegen und unter welchen Bedingungen diejenigen eine erstellen würden, die das bisher noch nicht getan haben.

Es bestehen für einen einwilligungsfähigen Volljährigen Möglichkeiten, die ihn im Falle einer psychischen Krankheit, einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung und einherge­henden Einwilligungsunfähigkeit in die Lage versetzen, seinen Willen für diese Zeit deutlich zu machen und willensgesteuerte Entscheidungen zu treffen. Diese Möglichkeit wird jedoch nur in einem geringen Maße wahrgenommen. Belegt wurde dies in einer vorangegangenen Projektstu­dienarbeit, bei der im Rahmen einer quantitativen Studie ermittelt wurde, dass nur 10,6 % aller Befragten eine Vorsorgevollmacht besitzen und daraus resultierend auf der Grundlage eigener Lebens- und Wertevorstellungen die Lebenszeit im Falle einer eintretenden Einwilligungsunfä­higkeit im Vorfeld gestalteten.

In einem krassen Gegensatz zu diesem Wert steht, dass jedoch nur 15,3 % der befragten Menschen Entscheidungen zu spezifischen Bedürfnissen im Falle einer mit einer Einwilligungsunfähigkeit einhergehenden Erkrankung einem rechtlichen Betreuer überlassen möchten.

Dieser deutliche Widerspruch stellt dar, dass 84,7 % der befragten Menschen diese Zeit auf der Basis eigener Lebens-und Wertevorstellung verbringen möchten, aber lediglich 10,6 % von ihnen dafür durch die Erstellung einer Vollmacht Vorsorge getroffen haben.

In einer Studie auf der Grundlage einer quantitativen Befragung werden fokussiert die Ursachen ermittelt, die für die Erstellung einer Fixierung dieser Wünsche hinderlich sind. Gleichzeitig wird nachgefragt, unter welchen Voraussetzungen diese Menschen eine Vorsorgevollmacht erstellen würden. Es werden Teilfragen und Thesen herausgearbeitet, die mit den Erkenntnissen dieser Arbeit bestätigt oder widerlegt werden.

Das geschieht in Begleitung der wesentlichen theoretischen Grundlagen zur Vorsorgevollmacht, Selbstbestimmung und rechtlicher Betreuung, um das Zusammenwirken dieser Informationsbe­reiche zu erläutern.

Die Ergebnisse, unterteilt nach Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und familiärem Status lie­fem einen Überblick über die derzeitige gesellschaftliche Sichtweise und dienen als Beratung- und Entscheidungshilfe.

Abstract

This paper examines where the obstacles to the creation of a preventive power of attorney are and under what conditions those who have not yet done so would create one.

There are possibilities for a consentable, adult child of age which, in the case of a mental illness, physical, mental or mental disability and the accompanying disability of consent, enable him/her to clarify his/her will for this time and to make volitionally controlled decisions. However, this possibility is only used to a limited extent. This was documented in a previous project study, in which it was determined in a quantitative study that only 10.6 % of all respondents had a preven­tive power of attorney and that, as a result, based on their own ideas of life and values, they had a lifetime in the event of incapacity for consent.

However, only 15.3 % of the people surveyed would like to leave decisions on specific needs in the event of a disability resulting in disability to a legal guardian.

This clearly defined contradiction shows that 84.7 % of the people surveyed would like to spend this time on the basis of their own ideas of life and values, and that only 10,6 % had made provi­sions for this.

In a study based on a quantitative survey, the causes that prevent the creation of a fixation of these wishes are determined in a focused way. At the same time, there is a demand for the conditions under which these people would create a preventive power of attorney for the provision of health care. Sub-questions and theses are worked out, which are confirmed or re filled by the findings of this work.

This is done in conjunction with the essential theoretical principles of preventive power of attor­ney, self-determination and legal support in order to explain the interaction of these areas of in­formation.

The results, subdivided according to age, gender, educational attainment and family status, pro­vide an overview of the current social perspective and serve as a counselling and decision-making aid.

Einleitung

1.1 Problemstellung

Es kann zu einem unbestimmten Zeitpunkt im Leben dazı; kommen, dass man vorübergehend oder auf Dauer nicht mehr in der Lage ist, sich selbst um seine Angelegenheiten zu kümmern. Das kann jeden Menschen unter Vorlage verschiedenster Gründe treffen: Unfall, Krankheit oder altersbedingte Gebrechlichkeit. Auch unter diesen Gegebenheiten muss das Leben weitergehen. Denn in den meisten Lallen muss eine Vielzahl von rechtlichen und tatsächlichen Dingen organi­siert und geregelt werden. Zimmermann zählt zu diesen alltäglichen Dingen die Verwaltung der Rente, die Zahlung von Medikamenten, Kleidung, Lebensmitteln und Miete, Aufgabe von Be­Stellungen, die Bezahlung von Rechnungen, Steuern und Versicherungen, die Verwaltung des Vermögens, die Suche eines Pflegeheims, der Abschluss eines Heimvertrages, die Organisation eines Umzuges und der Pflege und die Veranlassung ärztlicher Versorgung (Zimmermann 2017, s. 25). Es bedarf dieser Unterstützung, denn der betroffene Volljährige ist aufgrund eines alters­bedingten, physischen wie auch geistigen Abbaus, einer erworbenen oder angeborenen Behinde­rung, psychischen Erkrankung oder durch Unfall, ab einem bestimmten Schweregrad der Erkran­kung nicht mehr in der Lage, Entscheidungen nach seinem Willen zu treffen oder seinen Willen zu verdeutlichen (Kierig/Behlau 2011, s. 27).

Wurden im Vorfeld Maßnahmen getroffen und einer Person des Vertrauens eine Vorsorgevoll­macht erteilt, hat der Betroffene, vorsorglich einer alternativen Bestellung eines rechtlichen Be­treuers, selbstbestimmt diese gewählte Person ermächtigt, in seinem Sinne für diesen Lebensab­schnitt Entscheidungen zu treffen. Alternativ fällen ohne diese Porm der Vorsorge ab diesem Zeitpunkt dann Behörden, Gerichte und rechtliche Betreuer anstelle eines persönlichen Vertrau­ten Entscheidungen für sie, die möglicherweise aufgrund von Unkenntnis, durch den späten Ein­tritt der rechtlichen Vertretung, von ihrem Willen ab weichen. In der Folge können daraus erheb­liehe Beeinträchtigungen des betroffenen Menschen entstehen.

Die Möglichkeiten, einer derartigen Fremdbestimmung vorzubeugen, sind neben der Vorsorge­Vollmacht die Betreuungs- und die Patientenverfügung.

Die im Rahmen der Projektstudienarbeit im Januar 2017 durch den Autor erhobenen Daten erge­ben, dass nur 10,6 % aller Befragten eine Vorsorgevollmacht besitzen und daraus resultierend auf der Grundlage eigener Lebens- und Wertevorstellungen die Lebenszeit während einer, wie auch immer gearteten, Einwilligungsunfähigkeit damit im Vorfeld aktiv gestalten (Heinze 2017, s. 15). Bestätigt wird dieser Wert durch den Gesundheitsmonitor 2011, ein Kooperationsprojekt der BARMER GEK und der Bertelsmann Stiftung. Im Rahmen dieser Studie wurde ermittelt, dass ca. 84 % der Befragten noch keine Vorsorgevollmacht verfasst haben, ca. 42 % der befragten Personen sich dies noch vorgenommen haben (Böcken et al. 2012, s. 182).

Es wurde im Rahmen der Untersuchung herausgefunden, dass rund ein Fünftel ein solches Do­kument ablehnt oder noch nichts davon gehört hat (je 21 %). Bereits eine Vorsorgevollmacht erstellt hatte lediglich der kleinste Anteil der Befragten (16 %), wobei das mittlere Lebensalter derjenigen, die eine Vorsorgevollmacht verfasst haben, 63 Jahre und derjenigen, die keine besit­zen, 42 Jahre beträgt. Bei der Verteilung gaben die Männer in der Mehrzahl an, eine Vorsorge­Vollmacht zu besitzen (53 %), wogegen Frauen äußerten, es eher vorzuhaben (52 %). 53 % der Frauen hatten noch nichts von einer Vorsorgevollmacht gehört. Herausgefunden wurde ebenfalls, dass bei den Befragten, die von einer Vorsorgevollmacht noch nichts gehört haben, ein signifi­kanter Zusammenhang zum Alter und zu der Schichtzugehörigkeit besteht. Es handelte sich dabei um überwiegend jüngere Personen und Menschen mit einem niedrigen Sozialstatus (edb.).

Im Gegensatz zu diesem Wert steht, dass jedoch nur 15,3 % der im Rahmen der Projektstudien­arbeit befragten Menschen Entscheidungen zu spezifischen Bedürfnissen im Falle einer erhebli­chen, mit einer Einwilligungsunfähigkeit einhergehenden Erkrankung einem rechtlichen Betreuer überlassen möchten. Dieser deutlich herausgearbeitete Widerspruch stellt folgendes dar: 84,7 % der befragten Menschen möchten diese Zeit auf der Grundlage eigener Lebens-und Werte­Vorstellung verbringen, 10,6 % haben dafür lediglich Vorsorge getroffen (Heinze 2017, s. 15).

1.2 Zielstellung

Im Ergebnis der Projektstadienarbeit wurde auf der Grundlage der erhobenen Daten festgestellt, dass der überwiegende Teil der Menschen klare Vorstellung davon hat, wie die Vorsorge im Falle einer Einwilligungsunfähigkeit, im Sinne eines selbstbestimmten Lebens, auszusehen hat.

Als logische Konsequenz soll jetzt im Rahmen dieser Arbeit vertiefend untersucht werden, wo die Ursachen für einen solchen Widerspruch liegen, wo die Hindernisse für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht befinden und unter welchen Bedingungen die Befragten bereit wären, eine solche zu erstellen.

1.3 Methoden und Material

Im Rahmen einer Studie auf der Grundlage einer quantitativen Befragung werden fokussiert die Ursachen ermittelt, die an der Erstellung einer Fixierung dieser Wünsche hinderlich sind. Die Ergebnisse, unterteilt nach Alter, Geschlecht, Bildungsabschluss und familiären Status liefern dem Autor för seine tägliche Arbeit als rechtlicher Betreuer einen Überblick über die derzeitige gesellschaftliche Sichtweise und dienen als berufliche Beratungs- und Entscheidungshilfe. Adressaten der gewonnenen und im Schlussteil dargelegten Ergebnisse werden öffentliche Insti­tutionen sein, die sich mit der Weiterentwicklung digitaler Dienstleistungen för Bürger beschäf­tigen und diese im Rahmen kürzlich gefasster rechtlicher Reformen planen und Umsetzen. Wichtige und häufig zitierte Quellen in dieser Arbeit waren die Werke von Cordula Doleczik mit ״Selbstbestimmt mit Vorsorgevollmacht und вetreuungsVerfügung“ und Walter Zimmermann mit ״Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfögung, Patientenverfögung“, die mit ihren Darstellun­gen unterschiedliche Perspektiven auf das Thema der Vorsorgevollmacht einnehmen ein wichti­ger Wegweiser in der Arbeit sind. Ebenfalls besonders zu erwähnen sind die Autoren Jürgen Seichter mit ״Einführung in das Betreuungsrecht“ und Holger Ließfeld mit ״Betreuungsrecht in der Praxis“ für den Bereich der rechtlichen Betreuung.

In Deutschland bestehen für einen einwilligungsfähigen, volljährigen Menschen Möglichkeiten, die ihm im Falle einer psychischen Krankheit, einer körperlichen, geistigen oder seelischen Be­hinderung und einhergehenden Einwilligungsunfähigkeit in die Lage versetzen, seinen Willen für diese Zeit deutlich zu machen und willensgesteuerte Entscheidungen zu treffen. Diese Möglich- kehen werden jedoch nur, wie vorab belegt, in einem geringen Maße wahrgenommen und ange­wendet.

Es soll deshalb im Rahmen einer Studie die Frage beantwortet werden, wo die Hindernisse für das Erreichen einer höheren Zahl von Vorsorgevollmachten liegen.

Für die Entwicklung der Thesen wurden im Vorfeld der Arbeit Gespräche mit Menschen unter­schiedlichsten Alters, Geschlecht und Bildungsgrad geführt, um für den geplanten Fragebogen die unterschiedlichsten Argumente zur Vorsorgevollmacht zu sammeln und diese dann in einem Pretest zu präzisieren. Nach dem Pretest mit 10 Teilnehmern flossen die Ergebnisse in den end­gültigen Fragebogen ein.

Ebenfalls wurden aus den vorherigen Gesprächen zur Vorsorgevollmacht und den Testergebnis­sen folgende Teilfragen und die dazugehörigen Thesen herausgearbeitet:

1. Vorsorgevollmacht? Wozi; ist denn die Familie da?

These: Die Befragten gehen davon aus, die nächsten Angehörigen (Familie oder Partner) würden automatisch Entscheidungen für sie treffen dürfen, wenn sie aufgrund einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr selbst dazı; in der Lage sind.

2. Liegt dem aktuellen Zustand der geringen Verbreitung der Vorsorgevollmacht Unwis­senheit zugrunde?

These: Ein Teil der Befragten unterlässt aus Unwissenheit über die bestehenden Mög­lichkeiten die Erstellung einer Vorsorgevollmacht.

3. Haben die Menschen Angst davor, sich mit der eigenen Zukunft und den Folgen einer möglichen schweren Erkrankung auseinanderzusetzen?

These: Ein Teil der Befragten unterlässt aus persönlichen Vorbehalten die Erstellung ei­ner Vorsorgevollmacht.

4. Werden alternative Ideen, zum Beispiel die Integration der Vorsorgevollmacht in den digitalen Alltag, von den Menschen angenommen?

These: Im Zuge der digitalen Vernetzung wird es einem Bedarf in der Bevölkerung ge­ben, die Vorsorgeformen digital Zit erstellen und Zit pflegen.

Bei der Befragung in dieser Arbeit handelt es sich um eine empirische Forschungsmethode. Die Befragung wurde mittels eines Online- Fragebogens des Anbieters SurveyMonkey durchgeführt und mit dessen Hilfe die Teilnehmer eines sozialen Netzwerks befragt.

Bei der Art der Erhebung handelt es sich um eine eingeschränkte Zufallsstichprobe, bei der Teil­nehmer des sozialen Netzwerks Facebook befragt wurden. Ausschließlich Mitglieder dieses Netz­Werks, schwerpunktmäßig erreicht über die Verteilung in diversen rechtlichen und medizinischen Interessengruppen, hatten Zugang zu dem Fragebogen. Fertiggestellt wurde dieser am 01.07.2017 und zur Beantwortung im Netzwerk vom 07.07.2017 bis zum 17.07.2017 bereitgestellt. Insgesamt nahmen 93 Personen, deren genaue Zusammensetzung nach Altersgruppen, Geschlecht, Bil­dungsgrad, Herkunft und Religion in Kapitel 3 näher untersucht wird, teil.

Der Fragebogen bestand aus vier Teilen. Der erste Teil unterstellte dem Befragten eine bisherige Nichterstellung einer Vorsorgevollmacht und bot anschließend die Möglichkeit, 14 vorgegebenen Antworten mit Hilfe einer endpunktbenannten 7er- Punkteskala zu bewerten und in einem optio­nalen Freitextfeld eine eigene Antwort zu hinterlassen. Diese Form der Fragestellung schloss po­tentielle Personen aus, die bereits zum Zeitpunkt der Befragung eine Vorsorgevollmacht erstellt haben und für die gewählten Fragestellungen nicht weiter von Interesse waren.

Die niedrigste Bewertung der jeweiligen Antwort fand in Form eines Punktes stah, der als ״stimme überhaupt nicht zu“ benannt war. Die höchste Bewertung mit sieben Punkten wurde mit ״stimme voll und ganz zu“ benannt. Es wurde eine 7er- Punkteskala gewählt, um eine intuitive und schnelle Bewertung der Antworten zu ermöglichen. Der zweite Teil der Befragung unter­stellte dem Befragten Unkenntnis rund um die Vorsorgevollmacht und gab dem Befragten zehn vorgegebene Antwortmöglichkeiten, die er ebenfalls mit Hilfe der endpunktbenannten 7er- Punk­teskala und mit einem optionalen Freitextfeld für eine eigene Antwort zu bewerten waren.

Der niedrigste für die Antworten zu vergebene Wert war 1,0, der höchste zu vergebene Wert 7,0. Daraus ergibt sich bei den Diagrammen, die jeweils die Mittelwerte darstellen, ein mittiger Wert von 4,0 (4=(l+2+3+4+5+6+7)/7). Nach demselben Schema wurde im dritten Teil der Befragung vorgegangen.

Fünf vorgegebene Antwortmöglichkeiten und das Freitextfeld suchten nach Bedingungen, mit Hilfe derer die befragte Person bereit wäre, eine Vorsorgevollmacht zu erstellen. Im Anschluss an die 29 Bewertungen und die 3 Kommentarfelder wurden sieben allgemeine Fragen zur Person mit Antwortvorgaben als Multiple- Choice- Fragen an die Befragten gestellt.

Es ging bei der Abfrage persönlicher Daten dämm, Rückschlüsse aus diesen und den in den Fra­gebogenteilen eins bis drei abgegebenen Bewertungen zu ermöglichen. Ausgewertet wurde die Befragung nach Export der Daten aus der Umfrageplattform SurveyMonkey mit dem Office- Pro­gramm Microsoft Excel.

1.4 Vorliegende Studien

Neben dem in Punkt 1.1 angesprochenen Kooperationsprojekt der BARMER GEK und der Ber­tel sm ann Stiftung gibt es noch eine zeitlich nähere Studie speziell zur Vorsorgevollmacht, die vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mit dem Titel ״Patientenverfügungen und Vor­Sorgevollmachten bei Intensivpatienten“ im Jahr 2014 durchgeführt wurde.

Das Deutsche Ärzteblatt veröffentlichte die Ergebnisse der Untersuchung, bei der in einer mono­zentrischen Querschnittstudie erwachsene Patienten, die auf einer der 11 Stationen der Klinik für Intensivmedizin mit den Schwerpunkten Innere Medizin, Kardiologie, Neurologie, Neurochirur­gie, Kardiochirurgie, Operative Medizin sowie 5 interdisziplinäre Stationen des Klinikums be­handelt wurden, befragt und die Daten von 1004 Intensivpatienten ermittelt wurden. Untersucht wurden dabei Charakteristiken und Häufigkeiten von Patientenverfügungen und Vorsorgevoll­machten sowie deren Einflussfaktoren. (Kluge 2016).

Im Ergebnis der Studie lagen von 998 Patienten auswertbare Daten vor. Eine Vorsorgevollmacht bereits verfasst zu haben, gaben 51,3 % der Patienten an. 39,6 % gaben an, die Dokumente erst im Krankenhaus erstellt zu haben (ebd.). Die Differenz der beiden Werte ergibt die Anzahl derer (11,7 %), die bereits vor dem Krankenhausaufenthalt über eine Vorsorgevollmacht verfügten und bestätigt damit den Umfragewert aus der durchgeführte Projektstudienarbeit (10,6 %).

Kluge führte weiter aus, dass von 508 Patienten Daten zu den Gründen für eine Erstellung einer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung Vorlagen. Dabei wurde ermittelt, dass dafür der häu- rigste Grund (48 %) die Angst vor dem Ausgeliefertsein, fehlende Selbstbestimmung und medi­zinische Übertherapie war. Bereits über eine Erstellung der Dokumente nachgedacht, es aber noch nicht umgesetzt, hatte etwa die Hälfte der Patienten ohne Vorsorgedokumente.

Der Hausarzt oder ein Angehöriger ermutigte 134 (26,4 %) der Patienten, durch Informationsma- terrai und öffentliche Medien wurden 78 (15,4 %) Befragte motiviert, 52 (10,2 %) berichteten von prägenden Erlebnisse in ihrer Vergangenheit (ebd.).

Zu ihren Beweggründen wurden ebenfalls 486 Patienten ohne eine Vorsorgevollmacht befragt. Auseinandergesetzt mit der Erstellung hatten sich bereits 245 (50,4 %), dieses aber bis Zirm Zeit­punkt der Befragung noch nicht realisiert. Noch nie über diese Thematik nachgedacht hatten 191 (39,3 %) Patienten, 40 (8,2 %) lehnten es grundlegend ab, sich damit auseinanderzusetzen und 10 (2,1 %) Patienten hatten Angst, medizinisch unterversorgt zu werden (ebd.).

Weitere aussagekräftige Studien zur Vorsorgevollmacht konnten nicht ermittelt werden.

1.5 Aufbau der Arbeit

Die Arbeit ist in zehn Hauptabschnitte eingeteilt. Im ersten Abschnitt wird das vorliegende Prob­lern erläutert, dessen genauere Untersuchung Motiv dieser Arbeit ist. Es wird die Hauptthese in den Mittelpunkt gestellt, daraus abgeleitete Fragen entwickelt und dargelegt, mit welchen Metho­den und Materialien an der Beweis- und Antwortführung gearbeitet wird.

Anschließend werden in Abschnitt zwei die theoretischen Inhalte zur Vorsorgevollmacht und zur rechtlichen Betreuung beschrieben, deren Umfang immer unter Beachtung der in Abschnitt eins aufgeführten Problemfelder bestimmt wurde. Um die Ergebnisse der in Abschnitt vier beschrie­benen empirischen Untersuchung in einen gesellschaftlichen Kontext zu stellen, wurde vorab in Abschnitt drei die im Rahmen dieser Arbeit befragte Gruppe ausführlich untersucht und beschrie­ben. Die Lösung, eine praktische Übersetzung dieser Erkenntnisse in Form einer Handlungsan­leitung, wurde im Anschluss in Abschnitt fünf erarbeitet.

Das Fazit, eine zusammenfassende Bewertung der in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse schließt die Arbeit unter Abschnitt sechs ab, gefolgt von den Verzeichnissen zur verwendeten Literatur, Abbildungen und Tabellen.

2 Informationen

2.1 Epidemiologie und demografischer Wandel

Jox beschreibt in seinem Artikel, dass bis ins 20. Jahrhundert hinein die Menschen durch Seuchen oder Kriege oft jäh und unerwartet mit dem Tod konfrontiert wurden. Heutzutage, besonders bei neuropsychiatrischen Erkrankungen, sind durch die längere Lebenserwartung und die Fortschritte in der Medizin die Todesfälle meist Wo­chen, Monate oder Jahre im Vorfeld abseh­bar (Jox et al. 2008, s. 730). In der gegen­wärtigen Gesellschaft, mit einer erheblich gestiegenen Lebenserwartung und inmitten eines demographischen Wandels sind es in der überwiegenden Zahl ältere Menschen, die aufgrund von Altersmorbidität oft nicht mehr dazu imstande sind, ihre Wünsche durchzusetzen und ftir sich selbst zu spre­chen. Dabei ist eine nach eigenen Bedürft nissen gestaltete und selbstbestimmte Le­bensweise in der heutigen Zeit von zentra- 1er Bedeutung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland Vergleich 2013 und 2030 (Statistisches Bundesamt 2015, S. 18)

Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden weist in seiner 13. koordinierten Bevölke­rungsvorausberechnung aus, dass die ge­genwärtige deutsche Bevölkerung ״... zu 18 % aus Kindern und jungen Menschen besteht“ (Statistisches Bundesamt 2015, s. 17). Weiterhin fuhrt es aus, dass ״... bereits bis zum Jahr 2030 im Altersaufbau entscheidende Verschiebungen erfolgen, die sich anschließend noch verstärken werden. Bis zum Jahr 2060 wird, bei einer kontinuierlichen demografischen Entwick­lung und einer langfristigen Nettozuwanderung von 100.000 Personen pro Jahr, der Anteil der unter 20- Jährigen auf 16 % und der Anteil der Menschen im Erwerbsalter auf 51 % sinken“ (Statistisches Bundesamt, s. 18).

Es wird prognostiziert, dass entgegen dazu ein Drittel der Bevölkerung im Jahr 2060 älter als 65 Jahre ist und die Anzahl der 70- Jährigen doppelt so hoch ist wie die Anzahl der Kinder, die geboren werden (ebd). Diese Werte betragen nach der allgemeinen Sterbetafel 2010/2012 für 65- jährige Frauen 20,7 Jahre (+ 10,7) und für gleichaltrige Männer 17,5 Jahre (+ 7,9). Besonders ausgeprägt ist der Anstieg der Lebenserwartung in diesem Altersbereich etwa seit 1970. Beigetragen dazu haben positive Entwicklungen der Ernährung, der Hygiene, der medizinischen Versorgung, der Wohnverhältnisse, der Bedingungen im Arbeitsleben und der gestiegene materielle Wohlstand (Statistisches Bundesamt 2015, s. 33).

״Mit Blick auf die bisherige Entwicklung in Deutschland und die bereits deutlich höhere Lebens­erwartung in einigen räumlich nahe liegenden Staaten wird angenommen, dass die Auswirkungen der im Vergleich Zit früheren Generationen verbesserten Lebensumstände und weiteren Verbes- senmgen in der medizinischen Versorgung der Bevölkerung auch künftig in Deutschland Zit ei­nem Anstieg der Lebenserwartung führen wird“ (Statistisches Bundesamt 2015, s. 34).

Fakt ist, dass der demographische Wandel voranschreitet. Die Menschen in Deutschland werden immer älter, was zur Folge hat, dass eine deutliche Zunahme der Anzahl und Dauer alterstypi- sehen Krankheiten in der Gesellschaft stattfindet. Erkrankungen, auf deren Folgen sich alle Men­sehen vorbereiten sollten. Das gilt für jedes Lebensalter und für jeden Lebensbereich, denn be­troffen sein kann auch ein junger Mensch, beispielsweise in Folge eines schweren Unfalls. In der Folge treten Situationen auf, in denen ein Dritter stellvertretend für sie handeln muss und der im besten Falle so entscheidet, wie es vorher vom Betroffenen rechtzeitig und so präzise wie möglich festgehalten wurde.

2.2 Selbstbestimmung

Bevor die Ausführungen zur Vorsorgevollmacht beginnen, wird noch einmal dargestellt, was das eigentliche Ziel sämtlicher Vorsorgemaßnahmen ist.

Doleczik beschreibt es als das Recht zur eigenen, freien Lebensgestaltung und Mitspracherecht in alltäglichen Lebensbezügen. Sie bezieht es sowohl auf den persönlichen Bereich, Z. B. in der Wahl des Wohn- und Arbeitsortes, in der Auswahl der Kleidung, als auch im gesellschaftlichen Gebiet, zum Beispiel bei Wahlen. Weitere Beispiele dieser Freiheiten sind die Partnerwahl, die Berufswahl, die Religionswahl und die Art und Weise der persönlichen Lebensführung (Doleczik 2011, s. 11).

Weiterhin führt sie aus, dass auch Verständnis, Zielgerichtetheit und die Abwesenheit kontrollie­rende Einflüsse als Elemente der Selbstbestimmung gelten. Das Wirken der Selbstbestimmung findet dabei auf vier Ebenen statt und beinhaltet die freie Handlung an sich, eine effektive und rationale Überlegung, die Authentizität der Handlung, die in der inhaltlichen Ausgestaltung der Werte und Wünsche der betroffenen Person entsprechen und zuletzt die moralische Reflexion der eigenen Wünsche und Werte (Doleczik 2011, s. 12).

Es gehört zu den elementaren Grundrechten der freien Selbstbestimmung des Menschen, über die eigenen Belange oder Angelegenheiten zu entscheiden.

Ganner fährt explizit aus, dass das Selbstbestimmungsrecht ein Freiheitsrecht darstellt und auch das Recht beinhaltet, in eigenen Angelegenheiten frei, also ebenfalls auch ״unvernünftig“ zu ent­scheiden. Das stellt einen wichtigen Punkt im Bereich der Betreuung und Pflege alter und behin­derter Personen dar. Diesen Menschen wird in der Praxis oft das Recht auf subjektive und daher ״unvernünftige“ Entscheidungen zugunsten von körperlicher Sicherheit und medizinisch ״ver- nünftiger“ Handlungsweise verweigert, stellt es doch eine wesentliche Grundlage individueller Lebensqualität dar (Ganner 2005, s. 35).

Doleczik ergänzt dies und beschreibt die Selbstbestimmung als die Freiheit, autonome Entschei­dungen zu treffen. Die gegebene Handlungsfreiheit gibt auch die Möglichkeit zur Ausführung risikobehafteter Handlungen. Die Bestimmung riskanten Verhaltens beurteilt dabei jeder Mensch nach seinen eigenen Maßstäben. Es ist selbstverständlich, die Möglichkeit zu besitzen, zwischen verschiedenen Handlungsaltemativen zu wählen. Doleczik betont, dass diese Selbstbestimmung eines bewusst eingegangenen Risikos ein Stück Lebensqualität darstellt (Doleczik 2011, s. 20). Dass wesentliche Grundlagen des Selbstbestimmungsrechts das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz und die Menschenwürde gemäß Artikel 1 Abs. 1 Grundge­setz bilden, unterstreicht Ganner. Er betont weiter, dass die Menschenwürde dabei den obersten Wert in einer Demokratie stellt und nicht nur vor Übergriffen des Staates schützt, sondern diesen auch zu einem positiven Handeln verpflichtet, um Personen vor Angriffen auf die Menschen­würde zu schützen.

Artikel 1 Grundgesetz gehört nach seiner Auffassung zu den fundamentalsten Konstitutionsprin­zipien, die auch die allgemeine Handlungsfreiheit sowie alle anderen Bestimmungen des Grund­gesetzes beherrschen. Daher sind Selbstbestimmung und Privatautonomie auch nach dem Wür­dekonzept des Grundgesetzes zu bestimmen. Die Menschenwürde und die ihr zugrundeliegende persönliche Freiheit umfasst als unabdingbare Voraussetzung auch ein gewisses Ausmaß an Selbstverantwortung.

Ganners Auffassung nach ist der Mensch demnach eine mit der Fähigkeit zu eigenverantwortli- eher Lebensgestaltung ausgestattete Persönlichkeit, von der grundsätzlich gefordert wird, ״... seine Interessen und Ideen mit denen der anderen auszugleichen“ (Ganner 2005, s. 57). Voraussetzung für den Besitz eines Rechtes ist dabei die Rechtsfähigkeit des Menschen, d.h. selbst Träger von Rechten und Pflichten zu sein. Das Gesetz macht ihn durch diese Eigenschaft zu einem sogenannten ״Rechtssubjekt“ und begleitet ihn nach § 1 BGB von der Vollendung der Geburt bis zum Tod.

Doleczik präzisiert noch weiter. Die Rechtsfähigkeit ist unteilbar, kann nicht entzogen werden und wird durch die Handlungsfähigkeit ergänzt. Diese wiederum ist unterteilt in die Deliktfähig­keit, der Fähigkeit, eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung zu begehen und der Ge­schäftsfähigkeit, der Fähigkeit rechtsgeschäftlich wirksam zu handeln (Doleczik 2011, s. 13).

In diesem Zusammenhang nimmt die Geschäftsfähigkeit einen hervorgehobenen Stellenwert ein. Die Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, selbstständig am Rechtsverkehr teilzunehmen und durch eigenes Handeln Rechtswirkung hervorzubringen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch hat Stufen der Geschäftsfähigkeit nach einem bestimmten Alter vor­gegeben, wonach zuerst Geschäftsunfähigkeit vorliegt, solange das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet ist (§ 104 Nr. 1 BGB). Wirksame Willenserklärungen können bis dato keine abge­geben werden.

Äußert ein Geschäftsunfähiger einen rechtsgeschäftlichen Willen, so tritt ftir diese Rechtsge­schäfte Nichtigkeit ein (§ 105 Abs. 1 BGB). Geschäftsunfähige können ihre Rechte nicht selbst­ständig einfordem oder ihre Pflichten erfüllen, da die Willenserklärung Basis eines jeden Rechts­geschäftes ist. Sie benötigen dafür gesetzliche Vertreter in Form sorgeberechtigter Eltern oder eines rechtlichen Vormunds, die an seiner Stelle handeln.

Nach § 104 Nr. 2 BGB existiert auch eine Geschäftsunfähigkeit unabhängig des Alters. Nach der gesetzlichen Definition ist auch der geschäftsunfähig, der sich in einem nicht nur vorübergehen­den Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet und die freie Willensbildung aus­schließt. Laut dieser Definition kann die Geschäftsfähigkeit bei diesen Personen auch dann ent­fallen, obwohl bei ihnen neben dieser besonderen Entwicklung eine nach ihrer Altersstufe be­schränkte oder volle Geschäftsfähigkeit vorhanden wäre.

Doleczik beschreibt, dass infolge eines krankhaften Zustandes, wie einer geistigen Behinderung, die Freiheit zur Willensbestimmung fehlt und Betroffene ihre Angelegenheiten nicht selbst be­sorgen können (Doleczik 2011, s. 14).

Als beschränkt geschäftsfähig gelten Personen, die das siebente Lebensjahr vollendet haben und noch nicht volljährig sind. Das hat zur Folge, dass die Wirksamkeit von Rechtsgeschäften von der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters abhängt.

Mit der Vollendung des 18. Lebensjahres beginnt die volle Geschäftsfähigkeit, die beinhaltet, dass die Person eigenständig am Rechtsverkehr teilnehmen kann und es ftir die Wirksamkeit der Rechtsgeschäfte keine Zustimmung mehr benötigt. Eine automatische Abnahme der Geschäfts­fähigkeit aufgrund zunehmenden Alters und einhergehender Schwächung seiner Fähigkeiten gibt es nach Doleczik nicht (ebd.).

״Selbstbestimmung setzt Eigenverantwortlichkeit und damit eine bestimmte körperliche und in­tellektuelle Fähigkeit voraus, eigene Interessen zu erkennen, ihnen entsprechend zu handeln oder zu entscheiden sowie diese zu artikulieren“ (Ganner 2005, s. 235).

Nach Doleczik ist die Selbstbestimmung Kennzeichen einer formalen Kompetenz des Menschen zu autonomen Entscheidungen in einer pluralen und individualistischen Gesellschaft. Sie bedeutet für jeden Menschen Lebensqualität zu jeder Zeit. Abhängig ist dieses Recht lediglich von den Lebensphasen innerhalb von Ausübung und Wahrnehmung und der bestehenden Gesellschaft- und Werteordnung (Doleczik 2011, s. 22).

Das Prinzip der Selbstbestimmung ist die rechtliche Voraussetzung ftir Vorsorge Verfügungen, mit deren Hilfe die Selbstbestimmung betroffener Menschen weiterhin Bestand haben kann. Mit einer Vorsorge Vollmacht besteht die wirksamste Möglichkeit, die Selbstbestimmung auch für Zeiten der Krankheit oder das Alter zu bewahren, um die persönlichen Angelegenheiten eigenständig, nach den persönlichen Präferenzen zu regeln und die Würde zu bewahren (ebd.).

2.3 Begriff der Vorsorgevollmacht

Die Vorsorgevollmacht definiert sich in der Beauftragung einer festgelegten Person ftir den Fall einer Unfall- oder altersbedingten Gebrechlichkeit, um den Eintritt in eine gerichtliche Betreuung zu verhindern (§ 1896 Abs. 2 s. 2 BGB).

Spani fuhrt die Bezeichnung der Vorsorgevollmacht darauf zurück, dass, ״... der Bevollmächtigte in der Regel erst dann handeln soll, wenn beim Vollmachtgeber selbst Handlungsunfähigkeit ein­tritt, die Vollmacht somit vorsorglich erteilt wird“ (May et al. 2016, s. 141). Abzugrenzen ist diese von einer normalen Vollmacht, bei der der Bevollmächtigte sofort nach Erteilung zu einer Vertretungshandlung berechtigt ist. Der Gesetzgeber trennt diese Formen jedoch nicht, wenn die- servon Vollmacht spricht. (§§ 1896 Abs. 2, 1901, 1904 Abs. 5, 1906 Abs. 5 BGB).

Die Vorsorgevollmacht ist durch eine fehlende, eigenständige Regelung im BGB demzufolge eine Vollmacht, die dazı; bestimmt ist, eine rechtliche Betreuung zu verhindern. Ihr Wesen liegt darin, dass erst, wenn der Vollmachtgeber krankheits- oder altersbedingt außerstande ist, seine Angele­genheit selbst zu erledigen, der Bevollmächtigte dann von ihr Gebrauch macht. Sie ist demnach nach Zimmermann ״... kein eigener Vollmacht- Typus; sie folgt dem gewöhnlichen Recht der Vollmacht (§§ 164 ff. BGB), so dass ein weiterer Gestaltungsspielraum besteht“ (Zimmermann 2017, s. 38).

2.3.1 Zweck und Wesen der Vorsorgevollmacht

Rudolf fuhrt aus, dass die Vorsorgevollmacht originär der lebenszeitigen Absicherung der eige­nen, auch vorübergehenden, Handlungsfähigkeit absichert (Rudolf et al. 2015, s. 4). Diese kann ohne Bezug auf seine Hilfsbedürftigkeit vom Betroffenen erteilt werden, um eine künftige recht­liehe Betreuung zu vermeiden (Zimmermann 2017, s. 38).

״Zielgruppe dieser Vorsorgevollmachten sind demnach volljährige Menschen, die befürchten, ei­nes Tages geschäftsunfähig, einwilligungsunfähig, einsichtsunfähig und/oder handlungsunfähig zu sein. Für diesen Fall sorgen Sie eigenverantwortlich und eigenbestimmt vor“ (Doleczik 2011, s. 28).

Doleczik fokussiert dabei eher den älteren Menschen. Sie begründet das damit, dass vorhandene Lebenszüge im Alter gelockert werden. Das beginnt mit der Ablösung der Kinder aus dem El- temhaus und dem Ausscheiden aus dem Berufsleben. Der älter werdende Mensch entfernt sich aus der mittleren, tonangebenden Generation. Mitunter wird seine Lebensführung kritisiert, seine politische Ansicht belächelt oder er wird nicht mehr ernst genommen. Er verliert Einfluss, Ver­antwortung und die Möglichkeit, sich mit Veränderungen der Welt auseinanderzusetzen, erklärt Doleczik (ebd.). Der alte Mensch wird auf die Gestaltung seines privaten Lebens eingeengt, da die Vielfalt der Möglichkeiten öffentlicher Einflussnahme und die täglichen Kontakte abnehmen (ebd.).

Von Looz bestätigt diese Entwicklungen und stellt fest, dass auch diese letzte Form der Selbst­Verwirklichung bei himorganischen oder seelischen Erkrankungen in Gefahr gerät, sodass auch diese letzte Form der Autonomie abhandenkommen kann (von Looz 2012, s. 180).

״Im schlimmsten Fall wird der alte Mensch tatsächlich zum Vertriebenen: Zuerst aus Arbeit, fa- miliarer und öffentlicher Bedeutung, aus persönlichen Bindungen, später aus der Wohnung und Vermögen- womöglich aus dem eigenen Körper, wenn andere mit ihren Entscheidungen davon Besitz ergriffen haben“ (Doleczik 2011, s. 28).

Die Vorsorgevollmacht soll dazu dienen, die Selbstbestimmung Zit bewahren.

Zu bemerken sei dabei, dass jedem das Recht zur Erstellung einer solchen obliegt, jedoch kein Zwang besteht. Die Vorsorge Vollmacht wirkt vorrangig, da sich aus § 1896 Abs. 2 s. 2 BGB ergibt, dass es keiner Betreuung bedarf, wenn die Angelegenheiten genauso gitt von einem Be­vollmächtigten erledigt werden können (Erforderlichkeitsgrundsatz). Grund für eine Vorsorge­Vollmacht kann sein, dass der Betroffene keine staatliche Einmischung in die Familienangelegen­heiten will, d.h. eine rechtliche Betreuung unerwünscht ist.

Zimmermann führt aus, dass der §1896 Abs. 2 BGB die Entlastung der Betreuungsgerichte und damit der Staatskasse bezweckt und die Subsidiarität staatlicher Hilfe gegenüber dem Selbstbe­stimmungsrecht des Menschen, der sich nach Möglichkeit selbst versorgen soll, darstellt (Zim- mermann2017, s. 39).

Unterstrichen wird der Zweck einer Vorsorgevollmacht dadurch, dass es kein gesetzliches Ver­tretungsrecht zwischen Angehörigen gibt.

Seichter führt in seiner Einführung in das Betreuungsrecht aus, dass eine weit verbreitete Meinung existiert, ״... dass bei durch Unfall oder Krankheit eintretender Einwilligungsunfähigkeit die nächsten Angehörigen automatisch den Erkrankten zu vertreten befugt sind: ein Ehegatte für den andern, erwachsene Kinder für ihre alt gewordenen Eltern, Eltern für ihre erwachsenen Kinder in gewissermaßen wieder auflebender elterlicher Sorge“ (Seichter 2010, s. 56).

Er führt weiterhin aus, dass der Gesetzgeber dies auch so hätte regeln können, es aber nicht getan hat. Gründe dafür können sein: ״... Ehegatten können entzweit sein, auch sonst können unter Angehörigen Zerwürfnisse bestehen; gelegentlich stehen Interessenkollisionen im Raum, wenn etwa der verarmte Angehörige, der auf ein reiches Erbe hofft, vor der Frage steht, in eine lang­dauernde kostspielige Behandlung einzuwilligen“ (ebd.). Er ergänzt diese Aufzählung mit der Argumentation, dass ״... manchmal Angehörige, etwa wegen weit entfernten Wohnsitzes, über­lastung oder auch eigener Gebrechlichkeit nicht bereit oder in der Lage sind, eine Vertretung zu führen“ (ebd.).

In seiner weiteren Ausführung betont Seichter, dass es ftir einen Volljährigen auch innerhalb des engsten Familienkreises keinerlei von selbst eintretende gesetzliche Vertretung gibt. Eine rechts­wirksame Vertretung kann nur ein Bevollmächtigter oder ein gerichtlich bestellter Betreuer sein. An einer Betreuung führt kein Weg vorbei, wenn nicht eine Vorsorgevollmacht vorliegt (ebd.). Vertretungsberechtigt sind lediglich die Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern (§ 1626 BGB), der Betreuer gegenüber dem Betreuten (§ 1902 BGB), der Vormund gegenüber dem Mün­del (§ 1703 90 BGB) und der Nachlasspfleger gegenüber den Erben (§ 1960 BGB). Es handelt sich um einen weitverbreiteten Irrtum, dass der Ehepartner, die Eltern ihre volljährigen Kinder, die volljährigen Kinder ihre alten Eltern oder der Lebensgefährte/ Lebenspartner den jeweils an­deren vertreten können. Hierbei ist eine gesetzliche Vertretung nur denkbar, wenn vorab eine rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht eingeräumt wurde (Vorsorgevollmacht) oder eine rechili- che Betreuung durch das jeweilige Betreuungsgericht angeordnet wurde.

Ausgeschlossen von einer Vertretung sind die sogenannten höchstpersönlichen Angelegenheiten. Doleczik zählt diese wie folgt auf:“

-Abgabe des Eheversprechens Eheschließung
-Herstellung ehelichen Lebens
-Fahrprüfung
-Schulbesuch
-Vernehmung als Zeuge
-Aussage als Beschuldigte/ Angeklagter
-Vollstreckung von Freiheitsstrafe
-Ausübung des Sorgerechts als Eltern
-Wahrnehmung von Umgang mit dem Kind“ (Doleczik 2011, s. 30).

2.3.2 Innen- und Außenverhältnis

Speziell von einer Vorsorgevollmacht spricht man, wenn die künftige Hilfsbedürftigkeit des Be­troffenen der Anlass ftir eine Vollmachtserteilung ist (Rudolf et al. 2015, s. 6). Denn ftir die Wirksamkeit einer Vollmacht nach § 166 BGB ist es unerheblich, welcher Anlass oder welches Motiv der Erteilung der Vollmacht zu Grunde liegen. ״Wurde eine Vorsorgevollmacht erteilt, sind zwei Rechtsverhältnisse zu unterscheiden“ (Ramstetter/Hecker 2017, s. 20).

Burchardt betont durch das abstrakte Wirken der Vollmacht die Notwendigkeit, ״... im Innenver­hältnis die Rechte und Pflichten des Bevollmächtigten festzulegen, wodurch der Volimachtneh- mer grundsätzlich an die Wünsche des Vollmachtgebers gebunden ist (Burchardt 2010, s. 40). Das wird Innenvollmacht genannt, weil die eigentliche Bevollmächtigung dem Bevollmächtigen gegenüber erklärt wird. Es regelt und festigt die Rechtsbeziehung zwischen dem Bevollmächtig­tem und dem Vollmachtgeber (Abbildung 2). Es entsteht ein Auftragsverhältnis nach den §§ 662 ff. BGB mit Erteilung der Vollmacht. ״Wird die Vorsorgevollmacht entgeltlich geführt, liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB zugrunde“ (Ramstetter/Hecker 2017, s. 21).

Von Außenvollmacht spricht man, wenn gegenüber dem Dritten die Bevollmächtigung erklärt wird, zum Beispiel einer Bank.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Innen - und Außenverhältnis

Rechtlich bedeutsam ist der Unterschied deshalb, weil jeweils verschiedene Beendigungsvor­schriften gelten (entweder § § 168,169 IGB oder § 170 BGB). Erteilt wird die Vollmacht durch eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Annahmebedürftig ist die Erklärung nicht.

2.3.3 Betroffener Personenkreis und zugrundeliegende Krankheitsbilder

In § 1896 Abs. 1 BGB werden die möglichen Voraussetzungen ftir die Einrichtung einer rechtli­chen Betreuung, respektive Wirksamkeit der Vorsorgevollmacht, benannt. Das sind psychische Erkrankungen, eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung.

Zimmermann zählt zu den psychischen Erkrankungen körperlich nicht begründbare, sogenannte endogene Psychosen, seelische Störungen als Folge von Krankheiten oder Verletzungen des Ge- hims, von Anfallsleiden oder durch körperliche Beeinträchtigungen begründbare, exogene Psy­chosen. Hinzu kommen Abhängigkeitskrankheiten, wobei die Sucht in einem ursächlichen Zu­sammenhang mit der Behinderung oder der geistigen Erkrankung stehen muss oder ein Zustand eingetreten ist, der auf die Sucht zurückzuführen ist (Zimmermann 2014, s. 2).

Jurgeleit führt dazı; aus, dass eine fachpsychiatrische Konkretisierung erforderlich ist, um festzu­stellen, dass die Suchterkrankung zu einer psychischen Erkrankung wie einer Persönlichkeitsstö­rung geführt hat und eine eigenverantwortliche Willensbildung durch den Betroffenen nicht mehr möglich ist (Jurgeleit 2010, s. 288). Persönlichkeitsstörungen und Neurosen (Psychopathien) zäh­len ebenfalls zu den psychischen Erkrankungen (ebd.).

Nach Ließfeld gelten die als wissenschaftlich allgemein anerkannten Krankheitsbilder innerhalb der Psychiatrie als psychische Krankheiten. Er unterteilt in Fallgruppen psychischer Störungen, lässt jedoch auch Mischformen wie beispielsweise schizoaffektive Psychosen und weitere psy­chopathologische Varianten zu, die eine rechtliche Betreuung begründen können.

Der Fallgruppe der psychischen Krankheiten schreibt er die körperlich nicht begründbaren (en­dogenen) Psychosen und die verschiedenen Formen der Schizophrenie (ICD-10 Klassifizierung von F 20 bis F 29) mit differenzierter Symptomatik zu, wie beispielsweise Erregung, Halluzina­tionen, Wahn und Stupor. Dabei bezieht er die affektiven Störungen (manisch-depressive Erkran­kungen) hierbei mit ein (Ließfeld 2012, s. 87).

Er führt weiter aus, dass die körperlich begründbaren (exogenen) Psychosen psychische Krank­heiten als Folgeerkrankung oder Verletzungen des Gehirns sind oder von anderen Krankheiten sowie Anfallsleiden wie beispielsweise Epilepsien mit den daraus folgenden Wesensverändemn- gen. Dazu zählt er die senile Demenz (F 03 nach ICD 10) sowie andere degenerative Prozesse wie beispielsweise Chorea Huntington oder die Alzheimer- Krankheit. Persönlichkeitsstörungen wie Psychopathien (F 60 bis F 69 nach ICD 10) sowie Neurosen (F 40 bis F 48 nach ICD 10) sind ebenfalls psychische Krankheiten, die durch den § 1896 BGB umfasst sind (ebd.).

Unter seelischen Behinderungen, so beschreibt Ließfeld, werden langanhaltende oder bleibende psychische Beeinträchtigungen verstanden, die auf einem regelwidrigen seelischen, geistigen 0- der körperlichen Zustand beruhen. Intelligenzschwächen, durch Himschädigung erworben oder angeboren, werden unter dem Begriff der geistigen Behinderung zusammengefasst. Er benennt diese Form als mentale Retardierung, ein fmhkindlich erworbener oder angeborener Intelligenz­defekt mit unterschiedlichen Schweregraden in einer ICD-10 Klassifizierung von F 70 bis F 79. Er weist daraufhin, dass die Verminderung der Intelligenz durch Alter oder Erkrankung als De­menz bezeichnet wird und dadurch den exogenen Psychosen zuzuordnen ist. Fießfeld vertritt die Meinung, dass die durch Intelligenztests stattfindende Einteilung verschiedener Grade einer geis­tigen Behinderung umstritten ist, da eine eventuell funktionierende, wenn auch möglicherweise eingeschränkte Interaktion mit dem Betroffenen dabei kaum Eingang in die Bewertung findet. Weiterhin bemerkt Seichter, dass die Grenzen zwischen Lembehindenmg und geistiger Behinde­rung fließend verlaufen und dass die seelische Behinderung als psychische Beeinträchtigungen umschrieben werden, die infolge einer psychischen Erkrankung eingetreten sind (Ließfeld 2012, s. 88).

Körperliche Behinderungen stellen immer dann einen medizinischen Befund dar, ״... wenn sie die Fähigkeit des Betroffenen, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen oder deren Erledigung zu organisieren, auf Dauer erheblich beeinträchtigen“ (Jurgeleit 2010, s. 289). Jurgeleit be­schreibt weiter, dass dauerhafte Einschränkungen, insbesondere Taubheit, Blindheit, Stummheit, Lähmungen in verschiedenen Ausmaßen und längerfristige Erkrankungen wie etwa Arthrosen und schwere Herzleiden zu den körperlichen Behinderungen zählen (ebd.).

Zu unterscheiden sei in solchen Fällen jedoch, so Ließfeld, ״... ob ein Ende der funktionalen Störung zu erwarten sei (= langfristige Krankheit) oder nicht (= Behinderung)“ (Ließfeld 2012, s. 89). Auch dann, wenn nicht feststehe, ob es sich um eine irreversible Beeinträchtigung handele, kann im Interesse des Betroffenen eine rechtliche Betreuung eingerichtet werden (ebd.).

2.3.4 Voraussetzung der Vorsorgevollmacht

Zunächst gilt, ״... dass die Vorsorgevollmacht formlos erteilt werden kann“ (Säcker 2015, s. 226). Eine spezifische Form ftir die Vorsorgevollmacht wird nach § 176 Abs. 2 BGB vom Gesetz nicht verlangt. Grundsätzlich würde nach Rudolf jede Vollmacht genügen, ״... die erkennen lässt, dass die persönlichen Angelegenheiten des Vollmachtgebers durch den Bevollmächtigten besorgt werden sollen“ (Rudolf et al. 2015, s. 15). Lediglich in den §§ 1904 Abs. 5 und 1906 Abs. 5 BGB werden Formerfordemisse normiert. Danach darf ein Bevollmächtigte nur dann in Unterbrin- gungs- oder freiheitsentziehende Maßnahmen, in eine ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen einer Unterbringung oder in medizinische Behandlungen bzw. Untersuchungen einwilligen, wenn die Vorsorgevollmacht schriftlich erteilt wurde und die betreffenden Maßnahmen genau umfasst. Eine Vorsorgevollmacht muss den Namen des Vollmachtgebers enthalten. Eine schriftliche Ver­fassung ist ebenfalls angeraten, falls sie in das Zentrale Vorsorgeregister eingetragen werden soll. Notwendige Angaben sind die Anschriften, Geburtsort und Geburtsdatum, der Name des Bevoll­mächtigten und der Umfang der Vertretungsmacht. Weiterhin sollte sie das Datum, Angaben über den Wirkungsbeginn und über die Bestellung eines Ersatzbevollmächtigten enthalten. Der Voll­machtgeber muss dabei zum Zeitpunkt der Abfassung der Vollmacht geschäftsfähig sein, ״... ein späterer Wegfall der Geschäftsfähigkeit ändert nichts an der Wirksamkeit der Vollmacht“ (Bien­wald et al. 2013, s. 293). Rudolf begründet dies damit, dass die Vollmacht auf zeitlich nicht überschaubare Dauer wirkt und daher Einsichtsfähigkeit in die Zukunft voraussetzt (Rudolf et al. 2015, s. 16). Anders verhält es sich bei der Einwilligung in einzelne medizinische oder ffeiheits- beschränkende Maßnahmen. Hier kann es ausreichen, wenn eine natürliche Einsichtsfähigkeit vorliegt. Formal muss der Bevollmächtigte mindestens beschränkt geschäftsfähig sein (§ 165 BGB). Eine Bevollmächtigung in diesem Alter durch einen Vollmachtgeber ist nach Zimmer­mann ״... jedoch kaum vorstellbar und würde Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Vorsorgevoll­macht begründen (Zimmermann 2017, s. 48). Die Erklärung ist nur dann als Vorsorgevollmacht zu qualifizieren, wenn sie rechtsgeschäftlich eine Vertretungsmacht erteilt. Durch die Erteilung der Vollmacht durch ein Rechtsgeschäft muss bei dem Vollmachtgeber während der Erteilung Geschäftsfähigkeit vorliegen (§ 104 BGB). Kommt es bei dem Betroffenen zu einem Betreuungs­verfahren, hat das Betreuungsgerichts von Amts wegen die Vorlage und die Wirksamkeit einer Vorsorgevollmacht zu ermitteln.

2.3.5 Auswahl Bevollmächtigter

Die Bevollmächtigung kann gegenüber Bekannten, Freunden, Verwandten oder aber auch an Per­sonen aus geeigneten Berufsgruppen, beispielsweise einem Rechtsanwalt, erklärt werden. Der Vollmachtgeber entscheidet dabei aus eigenen Motiven. Voraussetzung für die Bevollmächtigung sollte ein tragfähiges, ein bereits über längere Zeit bestehendes Vertrauensverhältnis sein. Bes­tenfalls sollte der Bevollmächtigte Kenntnisse über die Wünsche und Werte des Vollmachtgebers besitzen. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit des Bevollmächtigten, diese Wünsche wirksam gegen­über Dritten durchzusetzen.

Zimmermann führt in seinem Werk Kriterien an, die ftir eine Auswahl eines Bevollmächtigten wichtig sind. Dazı; gehört, dass der ausgewähhe Bevollmächtigte ausreichend Zeit für seine Tä­tigkeit haben soll, möglichst in der Nähe wohnen und ausreichend Kenntnisse der wirtschaftlichen und rechtlichen Probleme besitzt, die er bewältigen soll. Weiterhin sollte er neben dem Vertrauen des Vollmachtgebers ein Alter haben, dass vermuten lässt, dass er diese Arbeit längere Zeit durch­führen kann (Zimmermann 2017, s. 91). Der Bevollmächtigte muss als solcher geeignet sein, den Vollmachtgeber zu vertreten. Wenn der Bevollmächtigte zu den in § 1897 Abs. 3 BGB bezeich- neten Personen gehört, so folgt nach § 1896 Abs. 2 s. 2 BGB, dass trotz der Vorsorgevollmacht dann eine rechtliche Betreuung erforderlich ist. Vermeiden soll diese Vorschrift mögliche Inte­ressenkonflikte, da diese Vorschrift Personen umfasst, die in einem Abhängigkeitsverhältnis oder in einer anderen engen Beziehung stehen. Beispielsweise Personen, die zu einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung, in der der Vollmachtgeber wohnt oder untergebracht ist, gehören.

2.3.6 Aufgabenkreise

Grundsätzlich ist es nach der aktuellen Rechtslage zulässig, die Vorsorgevollmacht als General­Vollmacht auszustatten, in Folge dessen sie eine uneingeschränkte Vertretung in allen Angelegen­heiten beinhaltet (Zimmermann 2017, s. 63). Kierig merkt dazu jedoch an, dass eine sehr kurz gehaltene Vollmacht, die pauschal alle Angelegenheiten des Vollmachtgebers umfasst, auf juris­tische Bedenken und gesetzliche Widerstände stößt (Kierig/Behlau 2011, s. 28). Es verlangt das Gesetz in § 1904 Abs. 5 BGB bei bestimmten ärztlichen Maßnahmen eine ausdrückliche Benen­nung in der Vollmacht, ebenso bei der Unterbringung des Vollmachtgebers nach § 1906 Abs. 5 BGB. Nach Zimmermann ist von der Erteilung einer Generalvollmacht abzuraten. Das Risiko für den Vollmachtgeber wird enorm erhöht, da der Bevollmächtigte keinen konkreten Einschränkun­gen in der Ausübung der Vollmacht unterliegt und er beispielsweise Bürgschaften zulasten des Vollmachtgebers eingehen, Schenkungen machen und Grundbesitz des Vollmachtgebers veräu- ßem kann (Zimmermann 2017, s. 64). Lediglich ausgenommen im Rahmen einer Generalvoll­macht sind bestimmte ärztliche Maßnahmen nach § 1904 Abs. 5 BGB und die Unterbringung des Vollmachtgebers nach § 1906 Abs. 5 BGB. Hierzu bedarf es einer Überprüfung und individuellen Genehmigung des zitständigen Betreuungsgerichtes.

Aus den genannten Gründen ist es geboten, solche besonderen Eingriffsrechte des Bevollmäch­tigten und die detaillierte, individualisierte Ausgestaltung der einzelnen Bereiche, auf die sich die Vollmacht erstrecken soll, ausdrücklich zu benennen. Diese Spezialvollmacht stattet nach Doleczik den Bevollmächtigten zum Vertreter nur bestimmter Rechtsbereiche aus und bietet die Möglichkeit, die Vorsorgevollmacht so zu gestalten, wie nach den Vorstellungen des Vollmacht­gebers die zukünftigen Aufgabenkreise erledigt werden und wer ftir diese bevollmächtigt werden soll (Doleczik 2011, s. 73).

[...]

Fin de l'extrait de 88 pages

Résumé des informations

Titre
Die Vorsorgevollmacht bei einwilligungsfähigen Volljährigen
Sous-titre
Hindernisse und Lösungsmöglichkeiten
Université
Steinbeis University Berlin
Note
1,2
Auteur
Année
2017
Pages
88
N° de catalogue
V438263
ISBN (ebook)
9783668785380
ISBN (Livre)
9783668785397
Langue
allemand
Annotations
Das Projekt beinhaltet die Ermittlung der Ursachen, die für die Erstellung einer Vorsorgevollmacht hinderlich sind. Die Ergebnisse der in der Arbeit durchgeführten Studie liefern einen Überblick über die derzeitige gesellschaftliche Sichtweise, dienen als Beratungs- und Entscheidungshilfe in der alltäglichen Arbeit als Berufsbetreuer und führen zu einer Entwicklung eines Konzepts zur Neugestaltung der Vorsorgevollmacht.
Mots clés
Vorsorgevollmacht, Hindernisse Lösungsmöglichkeiten, Familie, Unwissenheit, Automatismus, digitale Vorsorgevollmacht, Selbstbestimmung, Selbstbestimmungsrecht, Bürgerportal, Berufsbetreuer, rechtliche Betreuung, Ursache, Entscheidungshilfe
Citation du texte
Rene Heinze (Auteur), 2017, Die Vorsorgevollmacht bei einwilligungsfähigen Volljährigen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438263

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