Zur Systematik und Vollständigkeit der Herleitung der klassischen Syllogismen mit Hilfe von Zirkel-Diagrammen bei Euler


Trabajo Escrito, 2018

20 Páginas, Calificación: unbenotet


Extracto


Inhalt

Einführung

1 Klassische Syllogistik

2 Systematik der Euler-Diagramme

3 Eulers Herleitungen in den Briefen CIII und CIV

4 Untersuchung problematischer Schlussmodi

5 Die Modifikation der Methode in Brief CV

Zusammenfassung

Literatur

Einführung

Leonard Euler verfasst in den Jahren 1760 – 1762 insgesamt 234 Briefe, in denen diverse Kapitel aus der Philosophie und der Physik didaktisch gegliedert und entsprechend aufbereitet be­handelt werden. Adressatin dieser Briefe und somit eine „Fern“-Studentin Eulers ist eine bei Absendung des ersten Briefes erst 15-jährige brandenburgische Prinzessin. Einer der in diesen Briefen behandelten Lehr­­inhalte ist die klassische Syllogistik. Eulers Dar­stellung dieses Themas[1] bedient sich einer graphischen Methode, bei der die Extensionen von Begriffen durch Kreise („Zirkel“) re­prä­sentiert werden. Eulers Zirkel-Diagramme stellen einen wesentlichen Entwicklungsschritt in einer methodischen Tradition dar und sind daher Unter­suchungs­ge­gen­stand zahlreicher neuerer Arbeiten im Bereich der Philosophie­­geschichte[2]. Hier­bei werden u. a. Fragen bzgl. der Leistungs­fähigkeit, der Zweck­mäßigkeit und der Vollständigkeit der von Euler verwendeten Methode teil­weise kontrovers behandelt. Einige wesentliche Beiträge zu dieser Diskussion liefert Peter Bernhard[3], wobei der Aspekt, dass es sich bei Eulers Texten um Lehrbriefe, also um vor­rangig nach didaktischen Gesichtspunkten gestaltete Darstellungen handelt, allerdings kaum Be­achtung findet.

In Lehrvorträgen, Lehrbüchern oder Lehrbriefen sollen aus didaktischen Gründen generell nur solche Tatsachen als bekannt vorausgesetzt werden, die zuvor eingeführt und erläutert worden sind. In der hier vorgelegten Arbeit wird untersucht, ob und in wieweit derartige Aspekte für Euler und somit auch für der Beantwortung der aufgeworfenen Fragen von Bedeutung sind. Im ersten Kapitel werden grund­legende Tatsachen der klassischen Syllogistik zusammengestellt. Die Charakterisierung der von Leonard Euler verwendeten Diagramme und die Bereitstellung der Grundlagen für eine systematische algorithmische Untersuchung der Diagramme sind die Themen des zweiten Kapitels. Daran anschließend wird im dritten Kapitel Eulers wesentliche Vorgehensweise in den Briefen CIII und CIV analysiert und bewertet. Im vierten Kapitel wird eine auf den in Kapitel 2 eingeführten Grundlagen aufbauende systematische Untersuchungs­methode für syllogistische Schlussschemata vorgestellt und auf zwei besonders ausgewählte Fälle ange­wendet. Die so gewonnenen Erkenntnisse werden den entsprechenden Ergeb­nissen von Euler und Bernhard kritisch gegenübergestellt. Das fünfte Kapitel ist einer Modifikation der Diagramme gewidmet, die Euler in Brief CV einführt.

1 Klassische Syllogistik

Ein Syllogismus ist ein System aus drei Aussagen, die im Folgenden durch die Platz­halter P1, P2 und K repräsentiert werden und die sich auf insgesamt drei Begriffe, die im Folgenden durch die Variablen A, B und C dargestellt werden, beziehen. Jede der drei Ausagen stellt jeweils das Verhältnis der Extensionen zweier der drei Begriffe durch Verwendung einer Kopula klar. Hierbei sind vier Fälle zu unterscheiden, die durch die Buchstaben a, e, i und o repräsentiert werden. Die Bedeutung der Kopulae ist aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die in der obigen Tabelle angeführten Bedeutungen basieren auf einer extensionalen Inter­pretation der Begriffe. Hierbei werden die Begriffe als Bezeichnungen für Mengen aller Einzeldinge, die unter den jeweiligen Begriff fallen, aufgefasst. Die im Allgemeinen alter­nativ zu behandelnde intentionale Interpretation wird im Folgenden nicht berücksichtigt. Ebenfalls unberücksichtigt bleiben solche Fälle, in denen die Extension einzelner Begriffe leer ist. Das heißt, es wird vorausgesetzt, dass zu jedem Begriff auch Instanzen existieren.

In einem Syllogismus ist jeder der drei Begriffe A, B und C in genau zwei der drei Aussagen P1, P2 und K enthalten. Wenn hierbei aus der Wahrheit der beiden Aussagen P1 und P2, die Prämissen genannt werden, rein formal die Wahrheit der Konklusion K notwendigerweise und un­abhängig von den einzusetzenden Begriffen folgt, liegt ein gültiges syllogistisches Schluss­schema vor.

Die Suche nach gültigen Schlussschemata und die Bereitstellung von Verfahren zur Über­prüfung der Wahrheit vorgelegter Syllogismen sind Gegenstände der Syllogistik. Diese ist eine Teil­disziplin der Logik. Sie wird von Aristoteles in dessen „erster Analytik“[4] eingeführt und dort be­reits aus­führlich behandelt. Aristoteles unterscheidet je nach Anordnung der Variablen inner­halb der drei Aussagen drei „Figuren“. Diese drei Figuren sind in der folgenden Tabelle schematisch zusammengestellt. Das „*“-Symbol steht hierbei jeweils für die noch unbestimmte Kopula und ist im konkreten Fall jeweils durch a, e, i oder o zu ersetzen. In der Tabelle sind diejenigen Buchstaben eingetragen, die auch im griechischen Text Verwendung finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten[5] [6] [7]

Diese drei Figuren sind nur eine Auswahl aus einer Gesamtheit, die insgesamt acht mögliche Anordnungen der Begriffe umfasst. Diese Gesamtheit ist in der folgenden Tabelle dargestellt, wobei wieder die Buchstaben A, B und C Verwendung finden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Aufgrund der Tatsache, dass die beiden Prämissen P1 und P2 völlig gleichberechtigt nebeneinander stehen und somit bezüglich ihrer Reihenfolge austauschbar sind, kann die Anzahl der relevanten Figuren halbiert werden. Bei Vertauschung der Prämissen ist nämlich die Äquivalenz von a und h, b und f, c und g sowie d und e ersichtlich. Per Konvention wird festgelegt, dass der Begriff, der in der Konklusion K an erster Stelle steht, Bestandteil von P2 nicht aber Bestandteil von P1 sein soll. Somit bleiben nur die Tabellen­spalten a bis d übrig, die ebenfalls per Konvention als die Figuren 1 bis 4 bezeichnet werden. Die Figuren e bis h werden „indirekte Modi“ genannt. Dass Aristoteles Schluss­formen der vierten Figur nicht ausdrücklich behandelt, ist für das Folgende ohne Belang.

Prämissenpaare können sehr kompakt dargestellt werden, indem zu ihrer Identifikation zu­nächst die zugehörige Figur als Ziffer und dann nach einem Bindestrich die Kopulae der Prämissen P1 und P2 nacheinander als Großbuchstaben angegeben werden[8]. Das Prämissenpaar P1 = AiB, P2 = CoB wird hierbei z. B. kurz durch 2-IO repräsentiert.

2 Systematik der Euler-Diagramme

Euler verwendet in seiner Arbeit fünf verschiedene Diagrammtypen, die sich bezüglich der An­zahl der Elemente, aus denen sie aufgebaut sind, unterscheiden. Diese werden in der folgen­den Aufzählung beschrieben. Die in Klammern angegebenen Nummern sind hier und im Folgenden der englischsprachigen Ausgabe der Briefe entnommen. Eine derartige Nummerierung fehlt in den beiden anderen hier verwendeten Ausgaben.

1. Die Extension eines einzelnen Begriffs wird dargestellt durch ein Diagramm, das je­weils aus einem Kreis mit einem darin befindlichen Buchstaben besteht. Bsp. (Fig. 41):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Diagramme, die Aussagen repräsentieren, in denen zwei Begriffe durch eine Kopula ver­knüpft werden, bestehen aus zwei Kreisen, die jeweils einen unter­schiedlichen Buchstaben umschließen. Bsp. (Fig. 45):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3. Verknüpfungen zweier Aussagen werden dargestellt durch Diagramme, die die Ex­tensionen dreier verschiedener, sich gegebenenfalls ganz oder teilweise über­lappender Begriffe in Form von Kreisen mit unterschiedlichen umschlossenen Buchstaben repräsentieren. Bsp. (Fig. 59):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

4. Ferner verwendet Euler Diagramme, die Aussagen repräsentieren, in denen zwei Be­griffe verknüpft werden, wobei neben den zwei Kreisen und den zuge­hörigen Buch­sta­ben zusätzlich ein Stern innerhalb des Diagramms erscheint. Bsp. (Fig. 88):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

5. Schließlich gibt es Diagramme, die den Diagrammen des dritten Typs entsprechen, wobei abermals ein Stern als zusätzliches Diagrammelement auftritt. Bsp. (Fig. 90):

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Da Euler die aufgezählten Diagrammtypen in den Briefen mit Rücksicht auf die Adressatin nicht in einem strengen Sinne defi­niert, sondern lediglich anhand von Erklärungen der jeweils intendierten Be­deu­tung ein­geführt, kann zunächst nicht entschieden werden, welche poten­tiellen Diagramme aus der Vielzahl der insgesamt entsprechend konstruierbaren Dia­gramme als Instanzen der oben eingeführten Typen anzusehen sind. Eine solche Entscheidungs­mög­lichkeit ist nur für den trivialen Fall der Diagramme des 1. Typs unmittelbar gegeben.

Zur Klärung der oben aufgeworfenen Frage werden im Folgenden diejenigen Merkmale, die alle Diagramme, die Euler in seinen Briefen tatsächlich verwendet, gemeinsam haben, in Form von Regeln aufgelistet.

Regel 1: Als Buchstaben zur Bezeichnung der repräsentierten Begriffe treten aus­schließ­lich die ersten drei Großbuchstaben des Alphabets (A, B und C) auf.

Regel 2: Die Großbuchstaben sind generell derart im Diagramm angeordnet, dass eine ein­deu­tige Zuordnung zwischen dem jeweiligen Buchstaben und dem durch ihn benannten Kreis möglich ist. Dies bedeutet u. a., dass zwei Buchstaben nicht unmittelbar neben­ein­ander auftreten können.

Regel 3: Je zwei Kreise innerhalb eines Diagramms der Typen 2 bis 5 besitzen entweder keinen oder genau zwei gemeinsame Punkte. Dies bedeutet, dass Diagramme, in denen sich zwei Kreise lediglich in einem Punkt berühren, nicht auftreten. Es gibt genau eine Ausnahme von dieser Regel, die unten separat behandelt wird.

Regel 4: Die Diagramme können ohne Änderung der topologischen Eigenschaften, d. h. ohne Veränderung des Aussagegehalts bzgl. der Begriffe, Aussagen und Schlüsse, in eine Gestalt gebracht werden, in der die Mittelpunkte der Kreise, die Buchstaben und gegebenenfalls das Stern-Symbol sämtlich auf einer geraden horizontalen Linie, die im Folgenden „Basisgerade“ genannt wird, zu liegen kommen.

Diagramme, die nur einige nicht aber alle diese Merkmale aufweisen sind somit keine Euler-Diagramme im hier eingeführten strengen Sinne.

Problematisch ist der erwähnte Sonderfall, bei dem Regel 3 verletzt ist. Es handelt sich um Fig. 86. Dieses Diagramm ist in den unterschiedlichen Ausgaben der Briefe in deutlich voneinander abweichenden Versionen vorhanden, von denen zwei unten dargestellt sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In der linken Variante berühren sich die Kreise A und C auf der Basisgeraden ohne sich zu schneiden. In der rechten Variante ist der Kreis A unvollständig, d. h. er scheint an den Kreuzungs­punkten der anderen beiden Kreise zu enden. Keine der beiden Varianten ist geeignet, das darzustellen, was dargestellt werden soll. Euler beabsichtigt ein Diagramm, in dem der Kreis A jenen und nur jenen Teil von C beinhaltet, der nicht seinerseits den Stern be­in­haltet. Es ist klar, dass dieser komplexe Sachverhalt mit einem Diagramm der hier be­han­delten Art überhaupt nicht dargestellt werden kann. Aus diesem Grunde scheint es gerecht­fertigt, diesen Sonderfall nicht als relevante Ausnahme von den oben behandelten Regeln einzu­stufen sondern als Fehler. Diagramme dieser fehlerhaften Art bleiben im Folgenden unbe­rück­sichtigt.

Der Ausgangspunkt für Eulers Betrachtungen ist ein Katalog von vier Diagrammen des Typs 2 (Fig. 43 bis 46), die als Veranschaulichung der vier unterschiedlichen Aussagetypen dienen:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Aussageformen AaB und AeB verhalten sich zueinander konträr, d. h., sie können nicht beide wahr sein. Die Aussageformen AiB und AoB verhalten sich zueinander subkonträr, d. h. sie können nicht beide falsch sein. Zwischen den Aussageformen, die sich in obiger Ta­belle diagonal gegenüberstehen, besteht ein kontradiktorisches Verhältnis, d. h. es ist immer eine von beiden wahr und die andere falsch. Schließlich wird das Verhältnis zwischen den Aus­sage­­formen in der unteren Tabellenzeile zu den jeweils darüberstehenden Aussageformen als subaltern bezeichnet. Dies bedeutet, dass im Falle, dass eine allgemeine Aussageform wahr ist, auch die darunter stehende zugehörige partikuläre Aussageform wahr ist.

[...]


[1] Vgl. L. Euler, Lettres a une Princesse d’Allemangne, Mietau und Leipzig 1770, S 99 ff; Briefe an eine deutsche Prinzessin, Leipzig 1773, S. 87 ff; Letters of Euler on different Subjects, New York 1837, S. 337 ff

[2] Siehe J. Lemanski, „Periods in the Use of Euler-Type Diagrams“, in: Acta Baltica Historiae et Philosophiae Scientiarum 5:1 (2017), 50-69 und Moktefi, Amirouche; Shin, Sun-Joo: “A history of logic diagrams”, in: Dov M. Gabbay, Francis Jeffry Pelletier & John Woods (eds.), Logic: A History of its Central Concepts, series Handbook of the History of Logic, vol. 11, Amsterdam: North-Holland, 2012, pp. 611-682

[3] P. Bernhard: Euler-Diagramme, Paderborn 2001

[4] Arist. APr. 24a10-70b

[5] Siehe z. B.: Arist. APr. 25b37-39

[6] Siehe z. B.: Arist. APr. 27a9-10

[7] Siehe z. B.: Arist. APr. 28a26-27

[8] P. Bernhard führt entsprechende Kurzbezeichnungen mit drei Buchstaben für die Schlussmodi ein (a. a. O. Seite 21) und verwendet im Weiteren auch die auf zwei Buchstaben verkürzte Variante für Prämissenpaare.

Final del extracto de 20 páginas

Detalles

Título
Zur Systematik und Vollständigkeit der Herleitung der klassischen Syllogismen mit Hilfe von Zirkel-Diagrammen bei Euler
Universidad
University of Hagen  (Institut für Philosophie)
Curso
Präsenzseminar „Introduction to Logic Diagrams“
Calificación
unbenotet
Autor
Año
2018
Páginas
20
No. de catálogo
V438449
ISBN (Ebook)
9783668790582
ISBN (Libro)
9783668790599
Idioma
Alemán
Palabras clave
Euler-Diagramme, Syllogissmus, Kreisdiagramme, Zirkel-Diagramme
Citar trabajo
Joachim Schwarte (Autor), 2018, Zur Systematik und Vollständigkeit der Herleitung der klassischen Syllogismen mit Hilfe von Zirkel-Diagrammen bei Euler, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/438449

Comentarios

  • No hay comentarios todavía.
Leer eBook
Título: Zur Systematik und Vollständigkeit der Herleitung der klassischen Syllogismen mit Hilfe von Zirkel-Diagrammen bei Euler



Cargar textos

Sus trabajos académicos / tesis:

- Publicación como eBook y libro impreso
- Honorarios altos para las ventas
- Totalmente gratuito y con ISBN
- Le llevará solo 5 minutos
- Cada trabajo encuentra lectores

Así es como funciona