Net Promoter Score (NPS) als qualitatives Steuerungsinstrument in der Finanzdienstleistungsbranche

Eine skalierbare Kennziffer als Allheilmittel für die Kundenzufriedenheit?


Diplomarbeit, 2007

94 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

1. EINLEITUNG
1.1 Motivation und Ausgangssituation
1.2 Ziel und Anspruch der Arbeit
1.3 Vorgehensweise

2. ENTWICKLUNGSTENDENZEN IM FINANZDIENSTLEISTUNGSSEKTOR״
2.1 Entwicklung von Finanzdienstleistungsinstituten - T rends
2.1.1 Aufteilung des Marktes
2.1.2 Wettbewerbssituation im Privatkundengeschäft
2.1.3 Preisherrschaft VS. Qualitätsführerschaft - ein Spannungsfeld
2.2 Veränderungen im Kundenverhalten - Herausforderung für Unternehmen
2.2.1 Ansprüche des Kunden
2.2.2 Konsumentenverhalten
2.2.3 Beziehung zwischen Kunde und Finanzdienstleistungsinstitut
2.3 Kundenbeziehungsmanagement - eine Erfolgsgeschichte
2.3.1 Neukundengewinnung
2.3.2 Kundenbindung
2.3.3 Kündigervermeidung

3. MESSUNG UND STEUERUNG VON KUNDENZUFRIEDENHEIT
3.1 Kundenzufriedenheit - das Thema Nummer eins
3.1.1 Definition
3.1.2 Komponenten
3.1.3 Kundenorientierung - ein unentbehrlicher Faktor
3.2 Net Promoter Score (NPS) - kleine Messmethode mit großem Erfolg
3.2.1 NPS als Methode
3.2.2 Die wirtschaftlichen Hebel des NPS
3.2.3 NPS als Steuerungsgröße
3.2.4 Grenzen des Modells

4. ANWENDUNGSBEISPIELE DES NPS
4.1 Erfahrungen anderer Unternehmen - Nutzen der selben Grundidee
4.1.1 Am Beispiel des Unternehmens Enterprise Rent-A-Car
4.1.2 Am Beispiel des Unternehmens DELL
4.2 Pilotierung am Beispiel der Berliner Volksbank eG
4.2.1 Einleitung und Projektbeschreibung
4.2.2 Pilotierung des NPS - der Unterschied zwischen Theorie und Praxis
4.2.3 Ergebnis und weitere Vorgehensweise

5. ZUSAMMENFASSUNG
5.1 Interpretation und Diskussion der Ergebnisse
5.2 Fazit und Ausblick

Anhang

Literaturverzeichnis

Vorwort

Was ist der Unterschied zwischen ״guten Gewinnen“ und ״schlechten Gewinnen“? Eine wesentliche Frage, die sich mir erst im Rahmen der Recherche für diese Diplomarbeit gestellt hat und mich seitdem ständig begleitet.

Gibt es überhaupt schlechte Gewinne? Eine sehr interessante Frage, die aus Kundensicht eindeutig mit ״Ja“ beantwortet werden kann. Diese entstehen immer dann, wenn Kunden sich ignoriert, unfair behandelt, getäuscht oder unter Druck gesetzt fühlen. Schlechte Gewinne entstehen auch, wenn die Preisgestaltung von Unternehmen irreführend oder schlichtweg ungerecht ist.[1]

In der Wirtschaft werden branchenübergreifend viele schlechte Gewinne durch Unternehmen erzielt. Die Vertragsverlängerung für einen Bestandskunden eines Mobilfunkanbieters bietet schlechtere Konditionen, als ein Vertrag für Neukunden, der dem Unternehmen noch nicht so lang die Treue hält. Der Bestandskunde wird oft nicht darauf hingewiesen, dass man mit einem Neuvertrag günstiger telefoniert. Demzufolge bekommen also die loyalen Kunden nicht die besten Konditionen. Unternehmen, die Fahrzeuge vermieten, stellen ihren Kunden eine doppelte Tankfüllung in Rechnung, sollte das Auftanken versäumt worden sein. Auch in der Finanzdienstleistungsbranche verbergen sich möglicherweise vermeidbare Kosten, wie Z.B. Gebühren für Geldanlagen, die im Kleingedruckten versteckt sind oder Gebühren für das Nutzen fremder Geldautomaten.

Aus Unternehmenssicht sind schlechte Gewinne bislang schwer zu identifizieren, weil die einfache kaufmännische Überlegung: ״Gewinn ist die positive Differenz aus Ertrag und Aufwand“ auf den ersten Blick nicht viel Platz für das primäre Interesse nach Kundenloyalität zulässt. Die gefühlte, lückenhafte Kundenorientierung ist kein Mangel an dem richtigen Messsystem, sondern vielmehr ein grundlegendes Einstellungsproblem vieler Vorstandsetagen sowie vieler Mitarbeiter. Ich bin der Meinung, dass dies zum größten Teil gar nicht bekannt ist bzw. noch nicht in der angemessenen Tiefe thematisiert wurde. Daraus ergeben sich ״Baustellen“, damit verbunden, aber auch große Potenziale in der Philosophie deutscher Unternehmen. US-amerikanische Unternehmen zeigen, dass es funktioniert.

Teilweise haben auch hiesige Unternehmen die Vorteile guter Gewinne erkannt und forcieren entsprechende Maßnahmen. Um dem Image der ״Servicewüste Deutschland“ entgegenzuwirken, gilt es jetzt mehr denn je, fortan daran festzuhalten.

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Tabelle 1 : Anzahl der Verträge für das Handlungsfeld ״Zukunftsvorsorge“

Abbildung 1: Bankenkonzentration im Euroland

Abbildung 2: Non- und Nearbanks ״Finanzideen zum Tchibo Tarif“

Abbildung 3: Durchschnittliches Geldvermögen pro Kopf

Abbildung 4: Zukünftige Kundenanforderungen

Abbildung 5: Übersicht der Vertriebswege von Versicherungen

Abbildung 6: Priorisierung der Handlungsfelder

Abbildung 7: Meilensteine der erfolgreichen Kundenkommunikation

Abbildung 8: Erhöhung der Profitabilität durch Kundenloyalität

Abbildung 9: Herkunft der zugewanderten Neukunden Berliner Volksbank eG

Abbildung 10: Ausschnitt ״Kontolöschungsauftrag der Berliner Volksbank eG“

Abbildung 11: Kundenzufriedenheit in Deutschland 2007

Abbildung 12: Confirmation/ Disconfirmation-Paradigma

Abbildung 13: Internet-Werbung eines Finanzdienstleisters

Abbildung 14: Berechnung des Net Promoter Score

Abbildung 15: Ausgewählte NPS-Stars

Abbildung 16: Die wirtschaftlichen Hebel des NPS am Beispiel Banken USA

Abbildung 17: Die wirtschaftlichen Hebel des NPS durch Umsatzwachstum

Abbildung 18: Anwendung des NPS in zwei verschiedenen Perioden

Abbildung 19: Wachstum durch effektive Promoter

Abbildung 20: NPS-Ökonomie

Abbildung 21 : Aufkleber Bonusprogramm zur Kundenbindung

Abbildung 22: Die wirtschaftlichen Hebel des NPS am Beispiel Kreditinstitute

Abbildung 23: Der NPS-Prozess der Pilotierung in der Berliner Volksbank eG

1. EINLEITUNG

1.1 Motivation und Ausgangssituation

Die Berliner Volksbank eG ist mit 175 Filialen und Beratungscentern die größte regionale Genossenschaftsbank in Deutschland. Das Kreditinstitut wurde 1946 neu gegründet und fusionierte 1999 mit der Grundkredit-Bank eG - Köpenicker Bank. Die Bilanzsumme des Unternehmens weist rund 10,42 Milliarden Euro auf und aktuell sind 2.840 Mitarbeiter in den Vertriebs- und Servicebereichen tätig. Die Berliner Volksbank eG ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor in der Region Berlin/ Brandenburg. Der Marktanteil in der Division Privatkunden beträgt ca. 12 Prozent und in der Division Firmenkunden 29 Prozent.[2]

Die strategische Unternehmensführung befindet sich seit einigen Jahren in einem Prozess der Veränderung, der mit der Globalisierung, dem steigenden Wettbewerbsdruck und der beliebigen Austauschbarkeit von Finanzdienstleistungsprodukten begründet ist. Einhergehend damit ist der umfassende Managementansatz ״Customer Relationship Management“ (CRM) in der Praxis bedeutend in den Mittelpunkt gerückt. CRM hilft bei der Steigerung von Kundenbindung-, Kundentreue und Kundenrentabilität.[3] Um die Notwendigkeit der strategischen Kundenausrichtung in der kompletten Finanzdienstleistungsbranche aufzuzeigen, werden neben dem Beispiel der Berliner Volksbank eG, auch andere Finanzdienstleister betrachtet.

Durch die Berliner Volksbank eG als Arbeitgeber besteht ein persönlicher Bezug zu einem Finanzdienstleistungsunternehmen. Das Unternehmen hat lokale Präsenz, Kundennähe und eine kompetente Kundenbetreuung als ihre Markenzeichen definiert. Die Motivation besteht darin, neue Erkenntnisse zu erlangen und mögliche Veränderungen im Unternehmen anzuregen, um dem Strategieziel ״kurzfristiges Wachstum im Privatkundensegment“ gerecht werden zu können.

In der hiesigen Finanzwirtschaft gibt es viel Potenzial in der Kundendurchdringung, welches es zu erschließen gilt. Am Beispiel der Berliner Volksbank eG kann man sehr gut erkennen, dass dieses Potenzial zweifelsfrei gegeben ist (siehe Tabelle 1). Für das Handlungsfeld[4] ״Zukunftsvorsorge“ wurde die Anzahl der Produkte ermittelt, die der Vermögensbildung dienen und zur Jahreshälfte 2007 im Bestand der Bank waren. Kumuliert ergibt sich im Verhältnis zum Kundenbestand eine Quote von ca. drei Prozent.

Tabelle 1 : Anzahl der Verträge für das Handlungsfeld ״Zukunftsvorsorge“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung, Datenmanagement der Berliner Volksbank eG

Die Ursachen liegen darin, dass Kunden der Berliner Volksbank eG Lösungen für dieses Handlungsfeld nicht nachfragen oder bereits bei Mitbewerbern abgeschlossen haben. Ein im Vertrieb häufig anzutreffendes Phänomen ist das PARETO-Prinzip[5]. Hierbei handelt es sich um die Aussage, dass zwischen Ursache und Wirkung ein klares Missverhältnis besteht: 80״ Prozent der Erträge werden mit 20 Prozent der Kunden erwirtschaftet“.[6] Wenn man das Potenzial erschließen könnte, bedeutet das langfristig nicht nur Mehrertrag, sondern auch zufriedene Kunden für das Unternehmen. Sind die Kunden zufrieden, ist das die beste Voraussetzung dafür, dass sie aktiv weiterempfehlen und somit möglicherweise einen weiteren Vertriebskanal darstellen.

1.2 Ziel und Anspruch der Arbeit

In der Wirtschaftspraxis ist die Verbreitung von Kundenzufriedenheit bzw. Kundenunzufriedenheit bekannt. Diese Art Leistungsbewertung durch den Kunden nach einem Kauf hat häufig eine Kommunikation zur Folge, die eine Empfehlung oder ein Abraten zum Inhalt hat.[7] Sprichwörter wie ״Zufriedene Kunden sind die beste Werbung“ kursieren am Markt, doch konnte man diese These nie wissenschaftlich belegen.[8]

Vor diesem Hintergrund wird das Ziel verfolgt, sich mit der Messmethode “Net Promoter Score” (NPS) auseinanderzusetzen. Es wird untersucht, inwieweit diese ein geeignetes Instrumentarium für ein Finanzdienstleistungsunternehmen darstellen kann, die Kundenzufriedenheit und Weiterempfehlungsbereitschaft zu messen. Dabei nimmt der analytische Teil dieser Messmethode einen wesentlichen Teil der Arbeit ein. Hinsichtlich der ״vermeintlichen Unkompliziertheit“ des NPS soll herausgearbeitet werden, inwieweit eine Übertragung auf andere Finanzdienstleis­tungsinstitute möglich ist. Im Zusammenhang mit der vorliegenden Diplomarbeit ergibt sich folgende Fragestellung:

Ist der NPS ein qualitatives Steuerungsinstrument für erfolgreichen Finanzvertrieb?

Weiterhin besteht das Ziel der Arbeit darin, die Bedeutung von CRM und Kundenzufriedenheit als elementare Aufgabe der Unternehmensführung von Finanzdienstleistungsinstituten zu verstehen. Des Weiteren besteht Anspruch auf einen starken Praxisbezug und Aktualität im Bezug auf die Finanzdienstleistungsbranche.

1.3 Vorgehensweise

Vor diesem Hintergrund werden im zweiten Kapitel Grundlagen dargelegt, Begrifflichkeiten definiert und Entwicklungstendenzen im deutschen Finanzdienstleistungssektor aufgezeigt. Daneben findet die Beschreibung von Veränderungen im Kundenverhalten Berücksichtigung. Den Abschluss des Kapitels bilden die nähere Betrachtung des Kundenbeziehungsmanagements sowie dessen permanent wachsende Bedeutung für die Praxis. Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit wesentlichen Aspekten zur Messung und Steuerung von Kundenzufriedenheit. Weiterhin werden in diesem Kapitel neben der Definition von Kundenzufriedenheit auch die Grundlagen des Net Promoter Score (NPS) als Steuerungsgröße herausgearbeitet. Diese Betrachtung dient als Fundament für das vierte Kapitel. Dort finden Beispiele der Anwendung des NPS, respektive dem Messen von Kundenzufriedenheit, aus drei verschiedenen Branchen Beachtung. Die Analyse bezieht sich auf Unternehmen der Branchen Autovermietung,

Informationstechnologie und Finanzdienstleistung. Ferner wird das mögliche Ableiten von Maßnahmen auf Grundlage der Messergebnisse fokussiert. Im Anschluss wird in Kapitel fünf, nach einer Ergebnisbetrachtung, ein Fazit gezogen und basierend auf der aktuellen Situation ein Ausblick für die deutsche Finanzdienstleistungsbranche gegeben.

Zugunsten der Praxisorientierung erfolgt im Rahmen der Arbeit hauptsächlich eine Betrachtung des Privatkundensegments. Die Hintergrundinformationen über die Berliner Volksbank eG sind durch das Vertriebsmanagement des Unternehmens zur Verfügung gestellt worden.

2. ENTWICKLUNGSTENDENZEN IM DEUTSCHEN FINANZ­DIENSTLEISTUNGSSEKTOR

Bevor dieses Kapitel einen Überblick über die Entwicklung von Finanzdienstleistungsinstituten, die Marktaufteilung, die Wettbewerbssituation und dem Spannungsfeld Preisherrschaft VS. Qualitätsführerschaft verschafft, ist es wichtig zu klären, was unter Finanzdienstleistung verstanden wird. Nach § 1 Abs. 1aKWG werden Abschlussvermittlungen, Anlagevermittlungen, Drittstaateneinlagenvermittlungen, Eigenhandel für andere, Finanzportfolioverwaltungen, Finanztransfergeschäfte und Sortengeschäfte als Finanzdienstleistungen definiert. Der Begriff ist jedoch von dem englischen Wort ״Financial Services“ abgeleitet und subsumiert Dienstleistungen von Banken, Versicherungen und Wertpapierhäusern, die privaten Haushalten angeboten werden. In Form einer Beratung ist die Finanzdienstleistung als Dienstleistungsgut immateriell. Diese Komponente kann aber durch ein materielles Gut, wie einem klassischen Sparbuch, ergänzt werden. Das Ergebnis aus der Kombination der Leistungsmerkmale wie Beratungsleistung, Vertragsinhalte und Konditionen ist ein Leistungsverbund, der einen bestimmten Kundennutzen verspricht.[9]

2.1 Entwicklung von Finanzdienstleistungsinstituten - Trends

Die Definition von Finanzdienstleistungsinstituten beinhaltet den Begriff Finanzintermediär. Als Finanzintermediäre haben Finanzdienstleistungsinstitute auf der einen Seite die Aufgabe, Zahlungsmittel von Geldgebern entgegenzunehmen und sich zu einer späteren Rückzahlung zu verpflichten. Diese Aufgabe kann man als eine Anlageleistung betrachten. Auf der anderen Seite stellen Finanzintermediäre Geldnehmern benötigte Zahlungsmittel zur Verfügung. Da sich diese ebenfalls zu einer späteren Rückzahlung verpflichten, kann man diese Aufgabe als Finanzierungsleistung bezeichnen. Des Weiteren unterscheidet man hierbei zwischen Finanzintermediären im engeren und im weiteren Sinne. Finanzintermediäre im engeren Sinne treten als Geldgeber und Geldnehmer zugleich auf. Darunter sind Kreditinstitute einschließlich Realkreditinstituten, Bausparkassen, Kapitalanlagegesellschaften, Leasing- und Factoring Unternehmen, Kapitalbeteiligungsgesellschaften sowie Versicherungen zu verstehen. Finanzintermediäre im weiteren Sinne richten ihre Geschäftstätigkeit darauf aus, Kontrakte kostengünstiger und einfacher herbeizuführen bzw. zu ermöglichen. Es ist dabei unerheblich, ob man hierbei selbst als Partner eines solchen Vertrages auftritt. Die Finanzdienstleistungen sind beschränkt auf Vermittlungsleistungen, Informationsleistungen oder Risikoübernahmen. Unternehmen, die dieses Feld bedienen, sind Z.B. Finanzmakler, Kreditvermittler, Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler.[10]

Im Finanzdienstleistungsmarkt kommt es zu einer zunehmenden Auflösung der originären, gewachsenen Branchengrenzen. Dies hat weitere Impulse zur Folge, die sich wettbewerbsstimulierend auswirken. Aufgrund der Globalisierung, stetig anwachsender Kundenanforderungen und dem Fortschritt in der Informations- und Kommunikationspolitik kommt es zu Konzentrationsbewegungen. Die herkömmliche Arbeitsaufteilung zwischen Versicherungen, Bausparkassen und Kreditinstituten löst sich mehr und mehr auf.[11]

Wenn man die Entwicklung der Bankenwelt betrachtet fällt auf, dass sich in Deutschland die Zahl der Kreditinstitute in den letzten 16 Jahren fast halbiert hat (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Bankenkonzentration im Euroland

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Deutsche Bundesbank - Finanzstabilitätsbericht 2006, s. 95.

Der Grund dafür ist im Wesentlichen ein beachtlicher Fusions- und Übernahmeprozess, der sich innerhalb des deutschen Bankensektors vollzogen hat. In Europa weist der deutsche Bankenmarkt die geringste Konzentration auf. Zudem lassen sich Konsolidierungseffekte erkennen, die verschiedene Ursachen haben. Anzuführen sind hierbei Rationalisierungen innerhalb von Kreditinstituten, Fusionen oder Übernahmen, Out- und Insourcing von Bereichen oder die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Kreditinstituten.[12]

Bei vielen Banken ist das Verkünden von Filialschließungen, verbunden mit Stellenabbau zur Routine geworden. Gründe sind rückläufige Erträge und ungünstige Kostenstrukturen. Zum Teil wird auch mit den eingesparten Kosten in neue Vertriebskanäle investiert. Exemplarisch sind telefonische Service-Zentralen oder das Internet zu nennen, die als kostengünstige Alternative im standardisierten Massengeschäft forciert werden. Viele Experten der Branche bezeichnen die aktuelle Situation in Finanzdienstleistungsinstituten als eine der größten Umbruchphasen der Branchengeschichte. Dies trifft insbesondere auf kleine und mittlere Finanzinstitute zu. Bestehende Prozesse und Strukturen werden durch technologische Entwicklungen und marktbedingte Veränderungen in zunehmendem Maße in Frage gestellt. Seitens der Unternehmensführung ist eine intensive Auseinandersetzung mit internen Strukturen notwendig. Eine tragende Rolle nimmt die Förderung von Innovationsprozessen und die Weiterentwicklung der sich im Vertrieb befindlichen Geschäftsmodelle ein, um die Unternehmen auf zukünftige Märkte und Marktgegebenheiten optimal einstellen zu können.[13]

2.1.1 Aufteilung des Marktes

Bei der Betrachtung der Geschäftsbanken wird zwischen Universalbanken und Spezialbanken entschieden. Universalbanken bieten grundsätzlich alle landesüblichen, bankbetrieblichen Leistungen an. Zu den Universalbanken zählen private Geschäftsbanken, die Banken des Sparkassensektors und die Banken des Genossenschaftssektors. Spezialbanken konzentrieren sich im Gegensatz zu den Universalbanken lediglich auf bestimmte Bankgeschäfte, die sie ausschließlich oder überwiegend betreiben. Zu den Spezialbanken zählen Wertpapiersammelbanken, Kapitalanlagegesellschaften, Realkreditinstitute, Bausparkassen und Kreditinstitute für Sonderaufgaben.[14]

Marktteilnehmer sind auch so genannte Non- und Nearbanks, Handelsunternehmen, wie Z.B. Tchibo, die sich vermeintlich stärker an ihren Kunden orientieren und diese zunehmend direkt erreichen (siehe Abbildung 2). Dabei werden mittels Kooperationen mit Kreditinstituten zusätzlich Finanzdienstleistungen angeboten.

Abbildung 2: Non- und Nearbanks ״Finanzideen zum Tchibo Tarif“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Entnommen aus URL: http://www.tchibo.de.

Auch die Hamburg-Mannheimer Versicherungs-AG hat seit Anfang Oktober 2007 mit der Drogeriekette Schlecker einen Kooperationspartner gefunden, dessen Vertriebspotenzial genutzt werden soll. Mit der Präsenz von 10.800 Filialen und einer Anzahl von monatlich 16 Millionen Kunden hat das Versicherungsunternehmen starke Argumente für das Arrangement mit Schlecker, die nebenher auch noch monatlich drei Millionen Besucher auf ihrer Internetseite begrüßen.[15]

Es ist unerheblich, um welchen Marktteilnehmer es sich bei dem jeweiligen Anbieter handelt. Die zentrale Frage, die den gesamten Finanzdienstleistungssektor betrifft, lautet: ״Bei wem, wo und wie wickelt der Kunde in Zukunft seine Finanzgeschäfte ab?“. Die herkömmliche traditionelle Ordnung von Teilmärkten löst sich durch Grenzen (organisatorischen, rechtlichen oder physischen Ursprungs) mehr und mehr auf und findet durch neue strategische Allianzen Ersatz. Daher nehmen Kooperationen eine wesentliche Rolle ein. So hat Z.B. der Konzern ״Talanx“ unlängst verkündet, über drei große internationale und nationale ״Bancassurance-Kooperationen“ zu verfügen. In Deutschland bilden beispielsweise neben der Postbank mit ihren Anbietern ״PB-Versicherungen“ und ״BHW-Leben“, die Citibank mit ihrem Anbieter ״CiV Versicherungen“ und viele Sparkassen mit dem Anbieter ״Neue Leben Versicherungen“ die Kooperationspartner. Mit Bancassurance werden Geschäftsmodelle bezeichnet, die eine Verbindung von Kreditinstitut und Versicherungsgesellschaft zur Grundlage haben. Talanx sieht aufgrund der langfristigen Kooperationen eine Stärkung des Bankvertriebs als gegeben an. Die Postbank allein verfügt über 4.300 mobile Berater und 850 Geschäftsstellen.[16]

Ziel dieser Kooperationen ist eine Vereinheitlichung und Bündelung der Geschäftsprozesse, Verwaltung sowie der Produkt- und Markenstrategie. Eine gleiche Strategie hat der Finanzdienstleister ARAG - Allgemeine Rechtsschutz - Versicherungs - AG. Aktuell ist eine Vertriebskooperation mit dem Rewe- Discounter Penny in der Abstimmung, wovon man sich einen innovativen Verkaufsansatz verspricht.[17] Es haben sich verschiedene strategische Zusammenschlüsse entwickelt. Als Beispiel ist hier die ״Cash Group“ zu nennen, die entstand, um den aus Kundensicht teuren Verfügungen an Fremdgeldautomaten entgegenzuwirken. So können Kunden der Commerzbank, Deutschen Bank, Dresdner Bank, HypoVereinsbank, der Postbank und deren Tochterunternehmen im Inland an über 7.000 Geldautomaten kostenfrei Geld abheben.[18]

2.1.2 Wettbewerbssituation im Privatkundengeschäft

Durch das zunehmende Auflösen der Branchengrenzen zwischen Kreditinstituten und Versicherungen, ist zu beobachten, dass sich Kreditinstitute strategisch neu positionieren. So sind Kreditinstitute bestrebt, für eine Verbesserung des Leistungsprofils permanent Sorge zu tragen. Zunehmend richten sich Kreditinstitute nach attraktiven Vertriebs- und Kundensegmenten aus. Weiterhin erkennt man bei Betrachtung von Bankgeschäften mit dem Privatkunden eine zunehmende Spaltung in die Segmente Retail- und Private Banking.[19] Mit Retail Banking bezeichnet man alle Geschäftstätigkeiten, die sich unmittelbar mit klassischen Privatkunden auseinandersetzen, während Private Banking sich vorrangig um eine qualifizierte Vermögensberatung gehobener Privatkunden bemüht.[20]

Die Beratung zur reinen Information über ein Produkt ist überholt, denn das Wissensgefälle zwischen Kunden und Beratern hat sich deutlich reduziert. Der Kunde hat die Möglichkeit, neben der Produktinformation auch aktuelle Anbieter­und Konditionsvergleiche aus dem Internet zu erhalten. Möchte man einem informierten Kunden einen Mehrwert liefern, kann das künftig nur aus dem optimalen Zusammenspiel von Servicequalität und Problemlösungskompetenz geschehen.[21]

Während in den vergangenen Jahrzehnten die Kundenbedürfnisse über den persönlichen Kontakt zwischen Berater und Kunden eingeholt wurden, ist heute eine spürbare Wissenslücke entstanden. Grund dafür sind die direkten Vertriebswege, wie Z.B. Telefonservices, Internet oder auch SB-Terminals, die für rückläufige Spontankontakte in den Geschäftsstellen sorgen. Derzeit richten sich die Unternehmen verstärkt auf ihre Kunden, d.h. deren Interaktionsverhalten und Präferenzen, aus. Für einen problemlösungsorientierten Dialog zwischen Berater und Kunde gewinnt dieses Wissen immer mehr an Bedeutung.[22]

Die derzeitige Wettbewerbssituation zeigt auch eine Professionalisierung der Nischenanbieter. Exemplarisch sollen hier Automobilbanken genannt werden, denen lange Zeit wenig Beachtung entgegengebracht worden ist. Inzwischen beherrschen diese Anbieter komplett den Autofinanzierungsmarkt. Hinzu kommt eine systematische Ausweitung ihrer Geschäftsaktivitäten auf das Einlagengeschäft (siehe Anhang 1, s. 67 und s. 68).[23]

Der Trend geht dahin, dass die Erwartung des Kunden im Bezug auf die Dienstleistungen einer Bank stetig ansteigen. Um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, entwickeln Universalbanken segmentspezifische Leistungspakete für ihre Zielgruppen. Das angestrebte Ziel ist auf der einen Seite das Individualisieren von Dienstleistungen. Auf der anderen Seite sollen durch eine verstärkte Standardisierung einzelner Produkte Kosten für Transaktionen etc. gesenkt werden.[24]

Deutsche Finanzdienstleister verdeutlichen ihre noch zu erschließenden Optimierungspotenziale in den Wertschöpfungsprozessen durch nicht zufriedenstellende Produktivitätskennziffern. Man gewinnt den Eindruck, dass der Finanzdienstleistungssektor industrialisiert wird. Denn durch die Reduzierung der Wertschöpfungstiefe sollen die Fixkosten gesenkt und eine Optimierung der Prozesskosten sowie der Prozessqualität hergestellt werden. In Bankinstituten wurden damit erste Erfolge im Zahlungsverkehr, der Wertpapierabwicklung und der Kreditbearbeitung erzielt. Um eine erfolgreiche Umsetzung unternehmensübergreifender Wertschöpfungsketten zu gewährleisten, sind standardisierte Prozesse, entsprechende Steuerungs- und Führungsinstrumente und Datenverarbeitungsschnittstellen notwendig.[25]

Essenziell stellt sich die Gestaltung der Geschäftsprozesse dar, da diese zu einem unbestrittenen Wettbewerbsfaktor avanciert sind. So haben Direktbanken als neue Anbieter den traditionellen Anbietern neue Wettbewerbsplätze und Geschäftsmodelle aufgezeigt. Zwischen der Implementierung neuer Geschäftsmodelle und der Verbesserung bestehender Geschäftsprozesse besteht jedoch ein Spannungsfeld.[26]

Die aktuelle Situation in der Finanzbranche verlangt auch nach Modellen der Mitarbeiterentwicklung, um auf die Umsetzung künftiger Vertriebskonzepte vorbereitet zu sein. Auf der einen Seite werden Mitarbeiter benötigt, die hoch spezialisierte Ansprechpartner für einzelne Fachgebiete sind. Auf der anderen Seite benötigt man Berater, die eine Art Vermittler zwischen Kunden und Spezialisten darstellen. Nur so kann gewährleistet werden, dass für den Kunden ein optimales Portfolio aus Leistungen und Produkten individuell zusammengestellt werden kann. Um die Mitarbeiter zu motivieren, ihnen die Möglichkeit zu geben, sich weiter zu qualifizieren und die nachhaltige Innovationskultur zu leben, ist die Etablierung von neuen Vergütungsmodellen und Laufbahnen angeraten. Die Aufgaben der Führungskräfte verändern sich von einer rein fachlichen Führungstätigkeit hin zum Coaching der Mitarbeiter des zugehörigen Teams.[27]

Unter dem Stichwort ’Vermögen’ besteht durchaus Potenzial, denn das Geldvermögen der privaten Haushalte ist in 2006 um fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Die meisten Gelder sind in Form von Festgeldkonten, Spareinlagen, Sparbriefen und Giroguthaben bei Banken deponiert und stellten im Vorjahr mehr als ein Drittel des Geldvermögens dar. Versicherungen besaßen in etwa ein Viertel des Vermögens der Deutschen. Was die Anlage in Wertpapieren betrifft, so war die Anlage in Aktien mit 8,1 Prozent und in Investmentfondsanteilen mit 11,3 Prozent trotz zuletzt starker Wertanstiege unterpräsentiert (siehe Abbildung 3).[28]

Abbildung 3: Durchschnittliches Geldvermögen pro Kopf

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Compass 04/07, Reich wie noch nie, s. 11.

2.1.3 Preisherrschaft VS. Qualitätsführerschaft - ein Spannungsfeld

“It is unwise to pay too much, but it is also unwise to pay too little. When you pay too much, you lose a little money, that is all. When you pay too little, you sometimes lose everything because the thing you bought is incapable of doing the thing you bought it to do. The common law of business balance prohibits paying a little and getting a lot... It can't be done. If you deal with the lowest bidder it is well to add something for the risk you run. And if you do that you will have enough to pay for something better.”[29]

Der englische Sozialkritiker John RUSKIN (1819 - 1900) hat in seinem Zitat zum Thema ״billig einkaufen“ aufgeführt, dass es unklug ist zu viel zu bezahlen, es aber auch unklug sei, zu wenig zu bezahlen. Wenn man zu viel bezahlt, liegt der Verlust in dem zu viel bezahlten Geld. Wenn man zu wenig bezahlt, ist es möglich, dass man alles verliert, wenn das Erkaufte nicht den Wünschen entspricht. Dieses über 100 Jahre alte Zitat von RUSKIN spiegelt den Zwiespalt wider, den es zwischen dem Kundenwunsch nach einem niedrigen Preis und dem nach einer ansprechenden Qualität auch noch heute gibt. Auf die Situation der Finanzdienstleistungsinstitute lässt sich diese These Z.B. auf die konträre Betrachtung ״Filialbank“ VS. ״Direktbank“ oder ״Investmentfonds mit Ausgabeaufschlag in Höhe von drei Prozent“ VS. ״Investmentfonds mit Ausgabeaufschlag in Höhe von fünf Prozent“ beziehen.

Betrachtet man die wettbewerbsorientierte Preisbildung, so bezeichnet man die aktuelle Marktsituation als Polypolfall. Diese ist gegeben, wenn der Markterfolg eines Marktteilnehmers von dem eigenen Verhalten und vom Verhalten der Konkurrenten abhängt. Der Marktteilnehmer erwartet jedoch nicht, dass eine Änderung seines Verhaltens ausschlaggebend für Gegenreaktionen seiner Konkurrenten ist bzw. diese dazu veranlasst.[30] Auch bei Finanzdienstleistern orientiert sich die Preispolitik an einem systematischen, entscheidungsorientierten Planungsprozess. Dieser kann sich auf eine Preisentscheidung bei neuen Produkten, aber auch auf Preisentscheidungen bei bereits bestehenden Produkten beziehen. Die Preispolitik von Finanzdienstleistungsinstituten wird geprägt durch eine permanente Beobachtung und Untersuchung von Veränderungen, die am Markt bei den Konsumenten, der Konkurrenz und des eigenen Unternehmens geschehen.[31]

Dass der Preis eine wesentliche Rolle spielt, zeigt die momentane Rabattschlacht um den potenziellen Kfz-Versicherungs-Kunden. Der Abschluss einer Kfz- Versicherung bringt im Gegensatz zu Lebens-, Renten- oder Krankenvollversicherungen verhältnismäßig wenig Provision für den Vermittler. Potenzielle Kunden sind deshalb so interessant, weil ״Einsparen bei der Kfz- Versicherung“ einen idealen Einstieg gegenüber den Zielen und Wünschen eines Kunden darstellt. Derzeit spricht man von einem ״scharfen Wettbewerb“. Da die Gesellschaften ein enormes Finanzpolster aufweisen, rechnen Experten mit weiter fallenden Prämien in den nächsten Jahren.[32]

Die Preispolitik steht auch bei den Kreditinstituten im Vordergrund. Die interessanten Angebote für Geschäfte der Passivseite sind diversen Medien zu entnehmen und scheinen sich in den aus Kundensicht attraktiven Produkteigenschaften, wie Z.B. der Höhe der Guthabenzinsen permanent zu übertreffen (siehe Anhang 1, s. 64-69). Einige Unternehmen können nur bis zu einem gewissen Punkt über den ״Preis“ gehen, da ihre Organisation und Situation nichts anderes zulässt. Daher können Universalbanken den Kampf um den Kunden gegen Direktbanken nicht über den Preis gewinnen und die Direktbanken werden in naher Zukunft keine Filialstandorte errichten. Der Kunde wird das Angebot nehmen, welches ihm aus seinem subjektiven Empfinden heraus die meisten Vorteile bringt, aber auch wo er sich gut aufgehoben fühlt. Ob Kunden affin für die Angebote einer Universalbank oder Direktbank sind, lässt sich möglicherweise an den einzelnen verschiedenen Kundentypen nachvollziehen, auf deren nähere Betrachtung hier verzichtet wird.

2.2 Veränderungen im Kundenverhalten - Herausforderung für Unternehmen

Im Allgemeinen spricht man davon, dass sich das Kundenverhalten von einem “Verkäufermarkt” zu einem “Käufermarkt” entwickelt hat. Die Inhalte des Wandels werden unter Punkt 2.2.1 dargestellt, bevor auf das derzeitige Konsumentenverhalten eingegangen wird. Neben den Veränderungen des Verhaltens von Kunden haben auch die Berater Veränderungen erfahren. Laut einer aktuellen Studie sind Vermittler von Finanzdienstleistungen zunehmend als Psychologen gefragt.[33] Bei der Vermittlung von Geldanlagen besteht offenkundig ein deutlicher Nachholbedarf. Im Gegensatz zu den angelsächsichen Staaten, sorgte der deutsche Staat durch steuerliche Begünstigungen und Zulagen zur Altersvorsorge großen Lebensrisiken der Bürger vor. Für den Kauf eines Neuwagens benötigt der Deutsche Bürger durchschnittlich 37 stunden Bedenkzeit. Im Bezug auf die Altersvorsorge wird sich seitens des Kunden jedoch nur knapp die Hälfte dafür genommen.[34] Ein Vertrag zur Absicherung des Lebensabends ist in der Regel ein weitaus längerfristigerer Kontrakt als der Kauf eines Neuwagens, der für viele Menschen ein Luxusgut darstellt. Ein Altersvorsorgesparplan ist für jeden Bürger obligatorisch geworden, daher gilt es unter der Betrachtung des Kundenverhaltens ebenso das Beraterverhalten anzupassen.

2.2.1 Ansprüche des Kunden

Die Kundenanforderungen an Finanzdienstleister sind in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Heutzutage fällt es Kunden schwerer, einem Unternehmen schnell Vertrauen zu schenken. Da Kunden sich häufiger durch Testberichte oder das Internet informieren, ist der Wunsch nach etwas schönerem, besserem, größerem, schnellerem und preisgünstigerem etwas Alltägliches geworden.[35]

Für den Kunden sind nicht nur die eigentlichen Produkte interessant, vielmehr sind die dahinter stehenden Leistungen eines Finanzdienstleisters entscheidend. Komponenten wie Z.B. Öffnungszeiten, Verfügbarkeit oder auch Modulangebote können Kriterien sein, weshalb Kunden Cross-Selling-Angebote nachfragen. Möchte man sich diesen Herausforderungen stellen, so ist ein gut ausgebildetes Kundenmanagement unabdingbar. Künftig wird es diverse Trends im Kundenverhalten geben (siehe Abbildung 4).[36]

Abbildung 4: Zukünftige Kundenanforderungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an: Biesel, H., Kundenmanagement im Multi-Channel­Vertrieb, 2002, s. 16.

Die Ablösung des Verkäufermarktes durch den Käufermarkt wird auch von Kunden wahrgenommen. In der täglichen Praxis des Bankgeschäfts kommt es vor, dass Kunden einen angeboten Termin nicht vereinbaren wollen, weil sie auf der Suche nach einer Bank seien, die auch ohne Terminvereinbarung Zeit für sie hätte. Um einen privaten Ratenkredit zu erhalten, muss der Kunde heutzutage kein aufwendiges Kreditprüfungsprozedere über sich ergehen lassen. In Zeiten von vielen Anbietern sucht sich der Kunde unter den Finanzdienstleistern den Anbieter aus, der seinem selbst definierten Anforderungsprofil am ehesten zu Teil wird.

Somit wird der Vertriebskanal mitunter selbst ein Teil der Kaufentscheidung.[37] Der Kunde nutzt daher auch die vielen Vertriebskanäle, die ihm durch sein Kreditinstitut zur Verfügung Stehen. Unter dem Stichwort Multi-Channel-Management versteht man auch den Multikanalvertrieb. Dieser bezeichnet den Vorgang, wenn eine definierte Kanaleinheit (z.B. ein Call Center) auf einem bestimmten Weg (z.B. per Telefon) bestimmte Aufgaben (z.B. Einrichten eines Tagesgeldkontos) übernimmt. Beim Implementieren eines solchen Systems besteht die Herausforderung, Vertriebskanäle strategisch richtig auszuwählen. Ebenso besteht die Aufgabe entsprechende Kanalkonzepte zu entwickeln.[38] So sind Call Center mittlerweile oft zentrale Unternehmensbereiche, die mit Aufgaben der Kommunikation sowie weiteren Dienstleistungen betraut werden. Bei vielen Finanzdienstleistern werden durch Call Center vollständige Vertriebsprozesse bearbeitet.[39]

Die Marktteilnehmer, die mit ihren Beratern in Filialen präsent sind, müssen die Leistungen vor Ort und Kenntnisse über die Kunden als klaren und effektiven Qualitätsvorteil zu nutzen wissen. Oft kann das Argument ״Qualität hat seinen Preis“ überzeugen, denn laut Umfragen nehmen Kunden, die beispielsweise die Möglichkeit der Informationsbeschaffung über Z.B. das Internet nicht nutzen, für eine individuelle und kompetente Beratung gern Entgelte in Kauf.[40]

2.2.2 Konsumentenverhalten

Hervorgerufen durch Werbung und Massenmedien findet beim potenziellen Kunden eine Informationsüberlastung statt. In den USA und Deutschland haben empirische Studien ergeben, dass diese Überlastung teilweise ein Ausmaß von bis zu 99 Prozent einnimmt. Das bedeutet, dass lediglich ein Prozent der in den Medien transportierten Informationen vom potenziellen Kunden aufgenommen wird.[41] In diese Flut von Botschaften reihen sich die Angebote und Informationen von Finanzdienstleistungsunternehmen ein.

Betrachtet man exemplarisch das Finanzdienstleistungsprodukt ’Versicherungen’, konkret den Vertragsabschluss, wird ein verändertes Kundenverhalten sichtbar. Zwar hat der Distributionsweg ’Vertreter’ immer noch den größten Anteil der Abschlüsse, doch der Trend geht weg vom Abschluss zu Hause direkt beim Kunden. Als zweithäufigster Vertriebsweg wird Büro- oder Geschäftsstelle einer Versicherung benannt, an dritter stelle folgen bereits die Banken. Den vierthöchsten Wert bei Versicherungsabschlüssen verbuchten Versicherungsmakler vor den Annexvertrieben, wie zum Beispiel Autohäuser oder Reisebüros. Mit sechs Prozent der generierten Vertragsabschlüsse unter den Befragten rangiert der Vertriebsweg Internet auf dem letzten Platz. Aufschlussreich ist auch das angebotene Informationsinteresse verbunden mit der tatsächlichen Informationsnutzung. Es zeigt eine breite Streuung über viele Kanäle sowie das Potenzial auf, dass sich hinter jedem einzelnen verbirgt (siehe Abbildung 5).[42] [43]

Dass die Rahmenbedingungen aus Kundensicht noch nicht optimal zu sein scheinen, zeigt das konkrete Beispiel Vertrieb von Riester-Sparplänen. Dieses ist ausschließlich in speziellen Bankspar- bzw. Fondssparplänen und speziellen Rentenversicherungen möglich. Dies ist Grundlage, um von der staatlichen Riesterförderung zu profitieren. Riesterangebote gibt es bei Banken, Fondsgesellschaften und Versicherungen. Stiftung Warentest führt in seiner Oktober-Ausgabe ״Riester-Banksparpläne“ an, dass diese preiswert, gut kalkulierbar und flexibel sind. Aufgrund einer ordentlichen Rendite sind Riester­Banksparpläne für Vorsorgesparer genau das Richtige.[44]

Doch sieht Stiftung Warentest im Vertrieb dieser Produktsparte klare Nachteile. Denn nicht alle Banken bieten diese Lösung für den Kunden an. Selbst große Banken, wie die Deutsche Bank, die Dresdner Bank, die Commerzbank oder die Hypovereinsbank haben Riester-Banksparpläne nicht in ihrem Angebot. Auswärtige Sparkassen und Volksbanken nehmen gern ortsfremde Kunden an, obwohl ein Kontakt ausschließlich per Telefon oder Brief erfolgt. Die Abwicklung der Vertragsabschlussmodalitäten erfolgt über das Postidentifizierungsverfahren.[45]

Damit einhergehend wird die traditionelle Hausbankfunktion mehr und mehr aufgelöst. Man spricht von einer hybriden Verhaltensweise in der Kundenbeziehung. Experten gehen davon aus, dass der durchschnittliche Bankkunde heute 14 Produkte bei sieben verschiedenen Finanzdienstleistern besitzt.[46]

Das eben genannte Beispiel zeigt, dass informierte Verbraucher gezwungen werden, Kunde einer Bank zu werden, die sie nicht durch persönlichen Kontakt kennengelernt haben. Die regionalen Sparkassen und Volksbanken haben durch diese Nischenplayerfunktion die Möglichkeit neue Kunden zu gewinnen, die nicht im unmittelbaren Einzugsgebiet beheimatet sind. Sie haben so über Jahre hinweg die Möglichkeit, per Mailing oder Telefon mit den Kunden in den Kontakt zu treten und möglicherweise weitere Handlungsfelder der privaten Finanzplanung zu bedienen und zusätzliche Abschlüsse zu generieren.

Die Bedeutung von Direktmarketing steigt. Deutschland ist ein Land mit einer hohen Mailingdichte. Zielgerichtete Mailings per Post oder E-Mail, welche ein Produktinteresse beim Zielkunden hervorrufen und dazu noch einen hohen Personalisierungsgrad aufweisen, können nennenswerte Erfolge erzielen. Im Jahr 2005 besaßen von 38,9 Mio. Haushalten 18,2 Mio. einen Internetanschluss, was ein mögliches Potenzial an Empfängern für Mailings aufzeigen kann.[47]

Ein weiterer interessanter Aspekt ist die Wechselbereitschaft von Kunden. Diese kann auch ohne vorherige schlechte Erfahrung erzeugt werden und verschiedene Ursachen haben. Als Gründe sind Heirat und damit verbunden ein Wechsel zu der Bank des Partners, Umzug oder ungünstige Konditionen oder zu hohe Kosten aufzuführen.[48]

2.2.3 Beziehung zwischen Kunde und Finanzdienstleistungsinstitut

Im derzeitigen Veränderungsprozess besteht für Finanzdienstleistungsinstitute die Hauptaufgabe im Halten von Bestandskunden, der Zurückgewinnung von Kunden und dem Erschließen neuer Kundenpotenziale. Diese drei bedeutenden Faktoren werden gerade in jüngster Zeit enormen Belastungen ausgesetzt. Das bedeutet, die Beziehung zwischen Kunde und einem Finanzdienstleistungsinstitut wird auf eine harte Probe gestellt, denn die wachsenden Ansprüche an Finanzdienstleistungen können zu einer schnellen Erosion der entstandenen Kundenbeziehung führen.[49]

Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass es immer neue Anbieter und Leistungsangebote geben wird, gilt es bedacht und gut vorbereitet mit den immer anspruchsvoller werdenden Kunden umzugehen. Es muss erkannt werden, dass Kunden mit zunehmendem Maße selbstverständlich viele von den zur Verfügung stehenden Vertriebskanälen nuzten werden. In der heutigen Kundenbeziehung reicht das reine Bereitstellen von Finanzdienstleistungsprodukten ohne ein enges Beziehungsmanagement nicht mehr aus.

[...]


[1] Vgl. Reichheld, F.; Seidensticker, F. J., Die ultimative Frage, München/Wien, 2006, s. 14.

[2] Vgl. https://www.berliner-volksbank.de/diebank/zahlen_und_fakten/kurzprofil/kurzprofil.jsp.

[3] Vgl. Brunner, w. L, Erfolgsfaktoren im Bankmarketing, Wiesbaden, 2004, s. 4.

[4] Im Rahmen eines strukturierten, ganzheitlichen Martkbearbeitungsprozesses wurden für die Kundenbedarfsanalyse so genannte Handlungsfelder definiert.

[5] benannt nach Vilfredo Pareto, Nationalökonom, Italien (1848-1923).

[6] Vgl. http://www.kundennutzen.ch/pareto-prinzip.php.

[7] Vgl. Helm, s., Kundenempfehlungen als Marketinginstrument, Wiesbaden, 2000, s. V.

[8] VgL ebd., s. 3.

[9] Vgl. Schulz, B., Senioren als Bankkunden, Wiesbaden, 2005, s. 153 ff.

[10] Vgl. Bitz, M., Finanzdienstleistungen, 6. Auflage, München, Wien, 2002, s. 15 f., 25 f.

[11] Vgl. Swoboda, Uwe c., Retail-Banking und Private Banking, 3. Auflage, Frankfurt am Main, 2004, s. 22.

[12] Vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzstabilitätsbericht 2006, Frankfurt am Main, s. 93 f.

[13] Vgl. Spath, D. et al., Zukunft von Filialbanken, 2. Auflage, Stuttgart, 2003, s. 2 f.

[14] Vgl. Bitz, M., Finanzdienstleistungen, 6. Auflage, München, Wien, 2002, s. 19.

[15] Vgl. http://www.versicherungsjournal.de:80/mehr.php?Nummer=94691.

[16] Vgl. http://www.versicherungsjournal.de:80/mehr.php?Nummer=94636.

[17] Vgl. http://www.versicherungsjournal.de:80/mehr.php?Nummer=94712.

[18] Vgl. http://www.cashgroup.de.

[19] Vgl. Swoboda, Uwe c., Retail-Banking und Private Banking, 3. Auflage, Frankfurt am Main, 2004, s. 23, 63.

[20] Vgl. Effert, D.; Köhler, V. [Hrsg.], Wettbewerb der Vertriebssysteme, Wiesbaden, 2004, s. 26.

[21] Vgl. Spath, D., et. al., Zukunft von Filialbanken, 2. Auflage, Stuttgart, 2003, s. 4 f.

[22] Vgl. ebd.

[23] Vgl. ebd.

[24] Vgl. Spath, D., et. al., Zukunft von Filialbanken, 2. Auflage, Stuttgart, 2003, s. 4 f.

[25] Vgl. ebd.

[26] Vgl. ebd.

[27] Vgl. Spath, D., et. al., Zukunft von Filialbanken, 2. Auflage, Stuttgart, 2003, s. 4 f.

[28] Vgl. O.V., Reich wie noch nie, Compass-Das Magazin von comdirect, 04/07, s. 11.

[29] Originaltext zitiert nach http://wcsgconsultants.com/services.html.

[30] VgiT Pepels, w., Kundendienstpoiltik, München, München, 1999, s. 86.

[31] Vgl. Bruhn, M., Marketing - Grundlagen, 7. überarbeitete Auflage, Wiesbaden, 2004, s. 168.

[32] Vgl. Jost, s., Rabattschlacht der Autoversicherer, WELT KOMPAKT, 12.10.2007, s. 17.

[33]

Im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge wurde durch das Marktforschungsunternehmen Empirica 2007 eine Studie über Anlegerpsychologie durchgeführt.

[34] Vgl. Pfeifer, H., Vorsorgestraße nach nirgendwo, portfolio international/Versicherungen, Ausgabe 8, Oktober 2007, S.44.

[35] Vgl. Scheuer, T., Marketing für Dienstleister, Wiesbaden, 2005, s. 87.

[36] Vgl. Biesel, H., Kundenmanagement im Multi-Channel-Vertrieb, Wiesbaden 2002, s. 14 f.

[37] Vgl. Wiedemann, et al., Ertragsorientiertes Zielkundenmanagement für Finanzdienstleister, Wiesbaden, 2003, s. 521.

[38] Vgl. Winkelmann, p., Vertriebskonzeption und Vertriebssteuerung, 3. Auflage, München, 2005, s.548.

[39] Vgl. Schümann, T., Call Center Controlling, Wiesbaden 2006, s. 17.

[40] Vgl. Effert, D.; Ronzal, w. (Hrsg.), Erfolgreiche Vertriebsstrategien in Banken, Wiesbaden, 2005, s. 113.

[41] Vgl. Meffert, H., Marketing, 9. Auflage, Wiesbaden, 2000, s. 108.

[42] Vgl. http://www.versicherungsjournal.de/mehr.php?Nummer=94540.

[43] Es wurden 1.000 Konsumenten für private Versicherungen durch das Marktforschungs­institut Psychonomics AG befragt. Die Befragungen fanden in 2007 statt.

[44] Vgl. http://www.test.de/themen/versicherung-vorsorge/test/-/1574040/1574040/1578730.

[45] Vgl. Finanztest 11/2006, Geldanlage + Altersvorsorge, s. 28 f.

[46] Vgl. Spath, D. et al., Zukunft von Filialbanken, 2. Auflage, Stuttgart, 2003, s. 16.

[47] Vgl. Krafft, M., et al., Internationales Direktmarketing, 2. Auflage, Wiesbaden, 2006, s. 259.

[48] Vgl. Biesel, H., Kundenmanagement im Multi-Channel-Vertrieb, Wiesbaden 2002, s. 14.

[49] Vgl. Schäfer, B., Handbuch Regionalbanken, Wiesbaden 2004, s. 113.

Ende der Leseprobe aus 94 Seiten

Details

Titel
Net Promoter Score (NPS) als qualitatives Steuerungsinstrument in der Finanzdienstleistungsbranche
Untertitel
Eine skalierbare Kennziffer als Allheilmittel für die Kundenzufriedenheit?
Hochschule
FOM Hochschule für Oekonomie & Management gemeinnützige GmbH, Berlin früher Fachhochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
94
Katalognummer
V442648
ISBN (eBook)
9783668815261
ISBN (Buch)
9783668815278
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Vorgelegt zur Erlangung des akademischen Grades eines Diplom-Kaufmanns (FH) am Standort Berlin der Fachhochschule für Oekonomie und Management. Carsten Giebe war mit dieser Arbeit Top-Ten Finalist beim Karrierepreis der DZ-Bank Gruppe 2009 (Höchstdotierter Hochschulpreis der Deutschen Wirtschaft im Bereich "Banking and Finance" mit 168 Teilnehmer/innen).
Schlagworte
Kundenzufriedenheit, Net Promoter Score
Arbeit zitieren
Carsten Giebe (Autor:in), 2007, Net Promoter Score (NPS) als qualitatives Steuerungsinstrument in der Finanzdienstleistungsbranche, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/442648

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