Die Auffassung, der Mensch sei jederzeit „übernatürlichen“ Kräften ausgesetzt, ist bezeichnend für das Mittelalter. Auch die Minneentstehung wird dabei in Texten der mittelalterlichen Literatur häufig durch übernatürliche Mächte und Faktoren erzeugt, die den Menschen zur Liebe drängen beziehungsweise zwingen. Nicht der Mensch selbst wirkt, sondern eine transzendente Macht . Diese Ursachen sind dabei entweder religiös, mythologisch, astrologisch oder magisch.
In Gottfried von Straßburgs ‚Tristan‘ wird die lebenslange Verbundenheit zwischen Tristan und Isolde durch ein magisches Mittel, den Minnetrank, herbeigeführt. Doch Beginnt mit diesem tatsächlich die Liebe und erschafft somit ein Liebesverhältnis aus dem Nichts, oder kann ein wachsendes Interesse beider schon zuvor an verschiedenen Stellen des Textes nachgewiesen werden?
Im Wesentlichen gibt es zwei Meinungen auf diesem Gebiet. I. es gibt eine Liebe vor dem Liebestrank und II. es gibt keine Liebe vor dem Liebestrank. Vertreter der I. Position ist unter anderem Herbert Herzmann, der einen psychologisierenden Ansatz in der Deutung verschiedener Szenen verfolgt und die Meinung vertritt, dass an vielen Stellen des Textes ein Liebesverhältnis zumindest bewusst oder unbewusst angedeutet wird. Allerdings muss hierbei beachtet werden, dass eine solche Forschung auf Spekulationen zum Innenleben der Charaktere basiert und im Zusammenhang mit mittelalterlicher Literatur nur mit Vorsicht zu treffen sind, da die handelnden Charaktere keineswegs Individuen darstellen, sondern Rollenvorbilder für einen bestimmten Typus. So in etwa handelt der höfische Mann, so die höfische Dame. Herzmann selbst geht jedoch auf dieses Problem ein und vertritt die Auffassung, dass ein persönliches und individuelles Eigenleben auch im Minnesang nicht ausgeschlossen werden kann , weshalb seine Betrachtung des Tristanstoffes einen interessanten Gegenpart zur II: Position darstellen, welche hauptsächlich von Hans Furstner vertreten wird. Dieser betont ausdrücklich, Gottfried habe alles unterlassen, um ein bereits vorher bestehendes Liebesverhältnis auch nur anzudeuten, was am Text klar nachweisbar sei.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Das Problem der Minneentstehung in Gottfried von Straßburgs Tristan
- Die magische Wirkung des Minnetranks
- Die Frage nach der Bedeutung des Minnetranks
- Positionen zum Beginn der Liebe anhand verschiedener Szenen
- Die erste Irlandfahrt
- Der Spielmann Tantris und die erste Begegnung
- Der Lehrer Tantris/Tristan
- Zurück an Markes Hof
- Tristans Lobrede auf Isolde
- Der niuborne man
- Die Bereitschaft zur Brautwerbung
- Die zweite Irlandfahrt
- Der Drachenkampf und die Wiedererkennung
- Die Badszene
- Die Gerichtsszene
- Die Schifffahrt nach Cornwall
- Die erste Irlandfahrt
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Essay untersucht die Entstehung der Liebe zwischen Tristan und Isolde in Gottfried von Straßburgs Tristan. Im Fokus steht dabei die Frage, ob die Liebe durch den Minnetrank tatsächlich aus dem Nichts entsteht oder ob es bereits vorher Anzeichen für ein wachsendes Interesse zwischen den beiden Figuren gibt.
- Die Rolle des Minnetranks in der Entstehung der Liebe
- Die Interpretation des Minnetranks als magisches Mittel oder Symbol
- Analyse verschiedener Szenen im Text, um Hinweise auf eine mögliche Liebe vor dem Minnetrank zu finden
- Vergleich verschiedener Interpretationen der Minneentstehung
- Die Bedeutung des Mythos in der Konzeption der Minne bei Gottfried von Straßburg
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung stellt die Forschungsfrage nach der Entstehung der Liebe zwischen Tristan und Isolde in Gottfrieds Tristan und die verschiedenen Positionen der Forschung dar. Sie beleuchtet die mittelalterliche Vorstellung von der Rolle übernatürlicher Kräfte in der Liebesentstehung.
- Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Minnetrank und seiner magischen Wirkung. Es wird untersucht, wie der Trank hergestellt wird und welche Zutaten er enthält. Die Frage, ob der Trank eine tatsächlich magische Wirkung hat oder als Symbol für die zum Vorschein kommende Liebe zu interpretieren ist, wird aufgeworfen.
- Im dritten Kapitel werden verschiedene Szenen aus dem Text unter Berücksichtigung unterschiedlicher Interpretationen der Minneentstehung analysiert. So wird beispielsweise die erste Irlandfahrt, die Begegnung zwischen Tristan und Isolde an Markes Hof und die zweite Irlandfahrt mit dem Drachenkampf und der Badszene beleuchtet.
Schlüsselwörter
Minne, Minnetrank, Gottfried von Straßburg, Tristan, Isolde, Liebestrank, Mythos, Liebe, Mittelalter, Literatur, Interpretation, Forschung, Positionen, Szenenanalyse, Drachenkampf, Badszene.
- Citar trabajo
- Christian Schmitt (Autor), 2018, Aspekte zur Genese der Minne bei Gottfried von Straßburgs "Tristan", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448195