Das Cappuccino-Modell. Ein Vergleich der Rentensysteme in den Niederlanden und in Deutschland


Trabajo Escrito, 2018

22 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Abkürzungsverzeichnis

2. Einleitung

3. Einordnung des niederländischen Wohlfahrtsstaatregimes
3.1. Die Definition des Wohlfahrtstaates
3.2. Einteilung von Wohlfahrtsstaaten
3.2.1. Bismarck versus Beveridge
3.2.2. Einordung der Wohlfahrtstaaten nach Esping-Anderson
3.3. Der niederländische Wohlfahrtsstaat – Eine einmalige Mischung

4. Das Rentensystem in den Niederlanden
4.1. Der niederländische Sozialstaat – ein historischer Abriss
4.2. Das Cappuccino-Modell als 3-Säulen-System
4.2.1. Die erste Säule
4.2.2. Die zweite Säule

5. Das deutsche- und niederländische Rentensystem im Vergleich
5.1. Gemeinsamkeiten und Unterschiede
5.2. Möglichkeiten der Übertragung

6. Schlussfolgerung

7. Literaturverzeichnis

1. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2. Einleitung

Einmal im Jahr bekomme ich von circa 4 bis 5 niederländischen Pensionsfonds Post. Ich habe von 2001 bis 2008 in Amsterdam gelebt und mittels verschiedener Nebenjobs meinen Lebensunterhalt als Studentin finanziert. Beispielsweise habe ich mal für 2 Tage auf einer Messe gestanden und interessierten Schüler*innen erklärt, warum man Kulturanthropologie studieren sollte. Der zuständige Pensionsfonds (Stichting Pensioenfonds ABP – für Mitarbeiter von Behörden und im Bildungswesen) hat mir vor Kurzem, so wie jedes Jahr, mitgeteilt, dass ich ab dem Renteneintrittsalter von 67 eine Pension von einem Euro brutto pro Jahr erhalten werde. Je nach Länge und Intensität der Nebenjobs, die ich zu meiner Studentenzeit in Amsterdam innehatte, informieren mich die betreffenden Pensionsfonds jährlich darüber, welche Beträge ich ab 67 erhalten werde.

Lange Zeit wusste ich nicht so richtig, was ich mit diesen Briefen anfangen sollte. Ein Niederländer hat mir mal geraten, dass ich die jeweiligen Pensionsfonds fragen könnte, ob sie mir den aktuellen Gegenwert meiner Pensionsansprüche ausbezahlen könnten. Ich habe mich bisher dagegen entschieden.

Das niederländische dreisäulige Renten- bzw. Pensionssystem wird oft als Cappuccino-Modell bezeichnet. Hiermit ist gemeint, dass den Kaffee in Form einer Grundrente jeder erhält, dass man für den Milchschaum in Form von betrieblichen Pensionen arbeiten muss und, dass sich jeder selbst um den Kakao in Form von privater Vorsorge kümmern muss (Schmid, 2010, S. 211). Seitdem ich dies weiß, hefte ich die Briefe von den verschiedenen Pensionsfonds im „Milchschaumordner“ ab.

Seit fast 10 Jahren bin ich wieder in Deutschland, ich hatte in dieser Zeit auch Nebenjobs als Studentin, aber ich habe mit diesen Nebentätigkeiten keine Pensions- oder Rentenansprüche aufgebaut. Nachdem ich 5 Jahre einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit nachgegangen bin, erhielt ich zum ersten Mal Post von der Rentenversicherung.

Ein Vergleich des niederländischen - mit dem deutschen Rentensystem ist somit für mich sowohl aus persönlichen, als auch aus sozialwissenschaftlichen Gründen äußerst interessant. Des Weiteren stimme ich der Ansicht zu, dass der internationale Vergleich „zu einem besseren Verständnis der Sozialpolitik des eigenen Landes beiträgt“ und „die Vorstellungen darüber erweitert, was im Hinblick auf bestimmte Fragen oder Probleme unternommen werden kann“ (Schmid, 2010, S. 35). Meine Einblicke in Gemeinsamkeiten und Unterschiede, wurden in jedem Fall erweitert, nachdem ich die Logik hinter dem niederländischen - und dem deutschen Sozialstaat oder mit anderen Worten das jeweilige Wohlfahrtsstaatregime verstanden habe.

Ziel dieser Hausarbeit ist es das niederländische Rentensystem umfassend zu beschreiben und mit dem deutschen Rentensystem zu vergleichen. Schlussendlich möchte ich nicht nur Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden Rentensystemen aufzeigen, sondern auch erörtern, ob man das niederländische Rentensystem auf das deutsche System übertragen kann.

Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werde ich im 3. Kapitel Einordnung des niederländischen Wohlfahtsstaatregimes zunächst den Wohlfahrtsstaat an sich definieren, dann auf zwei wichtige Typisierungen von Wohlfahrtsstaaten zu sprechen kommen und schließlich den niederländischen Wohlfahrtsstaat charakterisieren bzw. einordnen. Das 4. Kapitel Das Rentensystem in den Niederlanden beginnt zunächst mit einem historischen Abriss des niederländischen Sozialstaates, danach folgt eine ausführliche Beschreibung des niederländischen Rentensystems. Im 5. Kapitel Das deutsche – und das niederländische Rentensystem im Vergleich werde ich Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem niederländischen und dem deutschen Rentensystem beleuchten und erörtern ob man das niederländische Rentensystem auf Deutschland übertragen kann.

3. Einordnung des niederländischen Wohlfahrtsstaatregimes

3.1. Die Definition des Wohlfahrtstaates

In seinem Buch Wohlfahrtsstaaten im Vergleich. Soziale Sicherung in Europa: Organisation, Finanzierung, Leistungen und Probleme legt Joseph Schmid auch dar, das man nur dann etwas vergleichen kann, wenn man sich über den Begriff einig ist (Schmid, 2010, S. 42). „Den zu finden ist im Falle des Wohlfahrtsstaates schon sprachlich nicht einfach, da sich hier historische, politische und kulturelle Entwicklungsunterschiede widerspiegeln“ (Schmid, 2010, S. 42). Schmid konstatiert, dass es „den“ Wohlfahrtsstaat empirisch nicht gibt (Schmid, 2010, S. 42). Es ist nicht nur so, dass bei dem Begriff „Wohlfahrtsstaat“ im mehrsprachigen Kontext Übersetzungsschwierigkeiten bestehen, es bestanden auch seit „Beginn der wohlfahrtsstaatlichen Aktivitäten im 19. Jahrhundert erhebliche Definitionsunterschiede: In Deutschland wurde die Arbeiterfrage, in Frankreich die Familienfrage und in Großbritannien die Armenfrage in den Mittelpunkt des sozialpolitischen Diskurses gerückt – was sich bis heute noch auswirkt“ (Schmid, 2010, S. 42). Schließlich muss man beim internationalen Vergleich von Wohlfahrtsstaaten auch im Blick behalten, dass man zwar Daten von sozialstaatlichen Ausgaben erfassen und vergleichen kann, dass aber Aktivitäten und Hilfestellungen, wie sie beispielsweise in Familien, Selbsthilfegruppen, gemeinnützigen Vereinen und Verbänden geschehen, sehr schwer zusammengetragen werden können (Schmid, 2010, S. 40).

Im Wohlfahrtsstaat – so abschließend ein Definitionsvorschlag – besteht eine staatliche, über private Vorsorge und gemeinschaftliche Fürsorge hinausgehende Verpflichtung zur sozialen Sicherung und Förderung aller Bürger. Um dies zu gewährleisten, muss der Wohlfahrtsstaat umfangreiche Ressourcen an sich ziehen, die er wiederum in Form von monetären Transfers, sozialen Diensten und Infrastruktur zur Verfügung stellt. Auf diese Weise kommt es zu einer gesellschaftlichen Entwicklung, die als „sozialer Fortschritt“ bezeichnet wird und in deren Rahmen in den vergangenen 110 Jahren die Werte Sicherheit, Wohlfahrt, Freiheit und Gerechtigkeit in hohem Maße realisiert werden konnten. Dies ist auch ein Element des „Europäischen Modells“ und ein Spezifikum im Vergleich zu anderen Regionen der Welt. (Schmid, 2010, S. 45, meine Hervorhebung FJ)

3.2. Einteilung von Wohlfahrtsstaaten

Es gibt meine Ansicht nach zwei wichtige Modelle, welche die verschiedenen Wohlfahrtsstaaten in Kategorien einteilen. Einerseits unterscheidet man bei Wohlfahrtsstaaten zwischen Bismarck-Systemen und Beveridge-Systemen. Andererseits hat sich die Typisierung von Wohlfahrtsstaaten als liberal, sozialdemokratisch und konservativ, welche von dem dänischen Politikwissenschaftler Esping-Anderson entwickelt wurde, durchgesetzt.

3.2.1. Bismarck versus Beveridge

Das Bismarck-System geht auf Otto von Bismarck zurück. Bismarck hat im 19. Jahrhundert in Deutschland zunächst eine gesetzliche Krankenkasse (1883) eingeführt und hiermit den Weg für ein umfassendes Sozialversicherungssystem geebnet. Bismarck wollte einerseits soziale Unruhen und das Erstarken des Sozialismus verhindern, andererseits lag ihm viel daran den bereits bestehenden, freiwilligen Sozialversicherungen der Gewerkschaften und der kirchlichen Arbeiterverbände die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen (Rohwer, 2008, S. 26).

Das Beveridge-System wiederum lässt sich auf William Henry Beveridge zurückführen. Beveridge hatte dem britischen Unterhaus 1942 einen umfangreichen Report zur Sozialpolitik vorgelegt, worin er ein umfassendes Systems zur sozialen Sicherheit der Bürger vorschlug ((Rohwer, 2008, S. 26). Dreh- und Angelpunkt des Beveridge-Planes war die Einführung einer einheitlichen Volksversicherung mit einem Gesundheitsdienst für alle Bürger (National Insurance). Der Beveridge-Plan sah vor die gesamte Bevölkerung, unabhängig von der Frage der Erwerbstätigkeit, gegen bestimmten Risiken abzusichern (Schmid, 2010, S. 204).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Eigene Darstellung (Rowwer, 2008, S. 26)

Es ist ersichtlich, dass das Bismarck-System darauf abzielt den jeweiligen Lebensstandard zu sichern, während es beim Beveridge-System darum geht die Sicherung des Existenzminimums aller Bürger zu gewährleisten (Rohwer, 2008, S. 26).

Zu den Bismarck-Ländern zählen neben Deutschland auch Belgien, Frankreich, Italien, Österreich und Spanien. In der Gruppe der Beveridge-Länder befinden sich die nordischen Länder: Dänemark, Norwegen, Schweden und Finnland, außerdem die Schweiz, Großbritannien und die Niederlande (Meyer, 2013, S. 4). „Bei einem Vergleich der beiden Systeme innerhalb Europas ist auffällig, dass in keinem Land eines der beiden Systeme in reiner Form anzutreffen ist, wobei die Abweichungen bei den einzelnen Leistungszweigen mehr oder weniger stark zum Ausdruck kommen können“ (Rohwer, 2008, S. 26).

3.2.2. Einordung der Wohlfahrtstaaten nach Esping-Anderson

Gøsta Esping-Andersen geht davon aus, dass sich die Typisierung von Wohlfahrtsstaaten danach richtet, ob der Staat, die Familie oder der (freie) Markt als Hauptquelle für wohlfahrtsstaatliche Leistungen gelten. Man spricht in diesem Zusammenhang auch davon, dass wohlfahrtstaatliche Leistungen im Dreieck von Staat, Familie und Markt betrachtet werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Schmid 2010 (Schmid, 2010, S. 100)

Beim liberalen Wohlfahrtsstaat (z.B. USA, Kanada, Australien, Großbritannien) wird vor allem die Rolle des freien Marktes und der Familie betont. Soziale Sicherung gibt es nur auf einem niedrigen Niveau, nach eingehender individueller Bedürftigkeitsprüfung, meist ist ihr Bezug mit Stigmatisierung behaftet (Schmid, 2010, S. 101). Wie im Schema ersichtlich fällt der Dekommodifizierungs-Effekt insgesamt nur gering aus. Dekommodifizierung ist laut Esping-Andersen die relative Unabhängigkeit von den Zwängen und Risiken kapitalistischer (Arbeits-)Märkte (Schmid, 2010, S. 100) Der Staat mischt sich im liberalen Wohlfahrtsstaat so gut wie nicht ein, die Individuen sind selbst für sich verantwortlich. Die Absicherung sozialer Risiken auf niedrigen Niveau bezeichnet man als residualistisch. Der Kooperatismus, also die Beteiligung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen an politischen Entscheidungen, ist ebenfalls sehr schwach. Wie im Schema ersichtlich wird, ist der Grad der Umverteilung sehr gering und gibt es keine Vollbeschäftigungsgarantie.

Der konservative Typ des Wohlfahrtsstaates (Österreich, Frankreich, Italien, Deutschland) interveniert stärker als der liberale Wohlfahrtsstaat, dies geschieht aber vor allem aus paternalistischen Gründen (Schmid, 2010, S. 101). Beim konservativen Wohlfahrtsstaat ist der Einfluss der Kirche recht groß. Die Struktur der Sozialversicherungen im konservativen Wohlfahrtsstaat fördert das traditionelle Familienmodell. „Er ist ferner stark lohnarbeits- und sozialversicherungszentriert, d.h. soziale Rechte sind an Klasse und Status gebunden“ (Schmid, 2010, S. 101). Es gilt das Äquivalenzprinzip, das heißt die Leistungen werden anhand der eingezahlten Beiträge bemessen. Entsprechend ist der Dekommidifizierung-Effekte nur im mittlerem Maße gemildert. Statusunterschiede, so wie sie zwischen einem Arzt und einer Krankenschwester bestehen, sind ein integraler Teil des konservativen Wohlfahrtsstaates, das heißt die soziale Absicherung von Individuen orientiert sich an deren Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Schicht. Der Korporatismus/Etatismus, die Beteiligung von verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen an politischen Entscheidungen, ist im konservativen Wohlfahrtsstaat, der auch konservativ-korporatistischer Wohlfahrtsstaat genannt wird, sehr hoch.

„Die sozialdemokratischen Regimes (Schweden, Norwegen, Dänemark) sind universalistisch, es wird Gleichheit auf dem höchsten Niveau angestrebt und die Anspruchsgrundlage bilden soziale Bürgerrechte“ (Schmid, 2010, S. 101). Die Dekommodifizierungs-Effekte, die Vollbeschäftigungsgarantie und der Umverteilungsgrad sind hier am stärksten. Im internationalen Vergleich haben die öffentlichen sozialen Dienstleistungen der sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaaten eine überragende Bedeutung (Schmidt, Ostheim, Siegel & Zohlnhöfer, 2007, S. 259). Demzufolge ist der Privatisierungsgrad sehr niedrig. Außerdem sind Korporatismus und Residualismus nur schwach ausgeprägt.

An dieser Stelle sei noch kurz erwähnt, dass die von Esping-Anderson entwickelte Typisierung in den nachfolgenden Jahren um zwei weitere Einordnungen, nämliche den südeuropäischen und den osteuropäischen Wohlfahrtsstaat erweitert wurden. Die beiden Modelle werden auch als „rudimentäre Wohlfahrtsstaaten“ bezeichnet (Schmid, 2010, S. 107).

[...]

Final del extracto de 22 páginas

Detalles

Título
Das Cappuccino-Modell. Ein Vergleich der Rentensysteme in den Niederlanden und in Deutschland
Universidad
Neisse University Görlitz
Curso
Kulturvergleich alternder Gesellschaften
Calificación
1,0
Autor
Año
2018
Páginas
22
No. de catálogo
V448543
ISBN (Ebook)
9783668829732
ISBN (Libro)
9783668829749
Idioma
Alemán
Palabras clave
Rente, Sozialstaat, Kulturvergleich, Wohlfahrtsstaatregime, Niederlande, Deutschland, Bismarck, Beveridge
Citar trabajo
Franziska Jentsch (Autor), 2018, Das Cappuccino-Modell. Ein Vergleich der Rentensysteme in den Niederlanden und in Deutschland, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448543

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