Dieses Skript mit dem Titel "Die Antipsychiatrie. Das neue Verständnis psychischer Krankheiten" enthält folgende Inhalte (in Stichpunkten):
- Begriffserklärung;
- das griechische „Anti“ bedeutet mehr als einfach nur „gegen“;
- es heißt auch „alternativ“, “gegenüber“ oder „unabhängig“;
- Als Anti-psychiatrie werden mehrere soziale u. politische Bewegungen bezeichnet, welche eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber der Psychiatrie haben;
- die Bewegung entwickelte sich zwischen 1955 - 1975 unter anderen in Italien, in Großbritannien, den USA u. Bundesrepublik Deutschland;
- David Cooper verwendete den Begriff „Antipsychiatrie“ erstmals 1967;
- Basaglia verwendete Begriffe, wie antiinstitutionelle, demokratische u. kritische Psychiatrie;
- Ronald Laing prägte den Begriff der existenzieller Phänomenologie;
- Thomas Szasz sah die Geisteskrankheit als einen modernen Mythos an;
- Peter Lehmann vertrat die Ansicht der humanistischen Antipsychiatrie;
- die Bewegung umfasste verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen;
- Kritikpunkte gegenüber der Psychiatrie bezogen sich auf:
- das Verhältnis Patient-Arzt;
- die Frage der sozialen Bedingtheit der Klassifizierung psychischer Krankheiten und des Umgangs mit diesen;
- die Einrichtungen der psychiatrischen Kliniken;
- dabei wurden nicht nur die Missstände in psychiatrischen Einrichtungen angeprangert, sondern die Psychiatrie als solche grundlegend in Frage gestellt;
- vor allem wurde die Erklärung der Schizophrenie als psychische Erkrankung kritisiert;
Die Antipsychiatrie – Das neue Verständnis psychiatrischer Krankheiten
1. Begriffserklärungp
– das griechische „Anti“ bedeutet mehr als einfach nur „gegen“
– es heißt auch „alternativ“, “gegenüber“ oder „unabhängig“
– Als Anti-psychiatrie werden mehrere soziale u. politische Bewegungen bezeichnet, welche eine kritische bis ablehnende Haltung gegenüber der Psychiatrie haben
– die Bewegung entwickelte sich zwischen 1955 - 1975 unter anderen in Italien, in Großbritannien, den USA u. Bundesrepublik Deutschland
– David Cooper verwendete den Begriff „Antipsychiatrie“ erstmals 1967
– Basaglia verwendete Begriffe, wie antiinstitutionelle, demokratische u. kritische Psychiatrie
– Ronald Laing prägte den Begriff der existenzieller Phänomenologie
– Thomas Szasz sah die Geisteskrankheit als einen modernen Mythos an
– Peter Lehmann vertrat die Ansicht der humanistischen Antipsychiatrie
– die Bewegung umfasste verschiedene Gruppen mit unterschiedlichen Hintergründen
– Kritikpunkte gegenüber der Psychiatrie bezogen sich auf:
– das Verhältnis Patient-Arzt
– die Frage der sozialen Bedingtheit der Klassifizierung psychischer Krankheiten und des Umgangs mit diesen
– die Einrichtungen der psychiatrischen Kliniken
– dabei wurden nicht nur die Missstände in psychiatrischen Einrichtungen angeprangert, sondern die Psychiatrie als solche grundlegend in Frage gestellt
– vor allem wurde die Erklärung der Schizophrenie als psychische Erkrankung kritisiert
2. Italien
2.1Franco Basaglia
– wurde 1924 in Venedig geboren
– wie kaum ein anderer steht er für den Kampf um die Vermenschlichung der Psychiatrie, d.h. für ihre Auflösung
– er ist einer d. prominentesten Vertreter der „Demokratische Psychiatrie“ Italiens
– diese hat im Gesetz Nr. 180 u. Nr. 833 vom 23.12.1978, die Möglichkeit der Auflösung der Großanstalten auch gesetzlich durchgesetzt
– von 1961-1971 leitetet Basaglia die Psychiatrische Klinik in Gorizia
– diese war der sichtbare Ausgangspunkt einer Verweigerung gegenüber der traditionellen Rolle der Psychiatrie als Institution der Gewalt
– als Institution, die d. Kranken ihrer Geschichtlichkeit beraubt, die sie als außerhalb d. Norm stehend negiert, indem sie sie zwingt, „sich der Geschichtlichkeit der Institution anzuschließen“ (Die negierte Institution, 1973, S. 166)
– des Weiteren übernahm er die Anstaltsleitung in Colorno u. Trieste
– er starb 1980 in Venedig an einem Hirntumor
2.2 Gesetz Nr. 180vom 13. 5.1978)
– Art. 1: Abs. 1: Einweisungen müssen dem Prinzip der Freiwilligkeit unterliegen
– Abs. 2: die obligatorische Behandlung hat als Ausnahme zu gelten, u. muss unter der Achtung von Menschenwürde, bürgerl. Rechten, verfassungsmäßiger Garantien erfolgen
– Abs. 4: der Patient hat d. Recht, mit jedem so zu kommunizieren, wie er es für richtig hält
– Abs. 5: alle Handlungen müssen im Konsens u. unter Beteiligung d. Patienten geschehen
– Art. 6: hier wird die Veränderung des psychiatrischen Systems festgelegt
– Art. 7: es ist in verboten, neue psychiatrische Kliniken zu konstruieren
–die gegenwärtig noch existierenden sind als psychiatrische Spezialabteilungen der allgemeinen Krankenhäuser zu benutzen, und in den allgemeinen Krankenhäusern sind psychiatrische Spezialabteilungen aufzubauen
3. England
3.1 David Cooper
– Leben: wurde 1931 in Kapstadt geboren
– beendete 1955 sein Medizinstudium in Südafrika
– er war Direktor des Institute of Phenomenological Studies
– plante im selben 1967 im Londoner Roundhouse den Kongress „Dialektik der Befreiung“
– ließ sich schließlich in Frankreich nieder, wo er seine letzten Lebensjahre verbrachte
– er starb 1986 in Paris
– Seine Ansichten und Theorien
– verlieh seinem Ansatz - eine deutlich gesellschaftskritische bzw. politische Ausrichtung
– Sozialisation eines jeden Menschen sei ein Lernprozess - Ziel „gesellschaftliche Normalität“ erlangen (Normalität geprägt durch die Gesellschaft)
– war der Überzeugung, dass Wahnsinn und Psychose gesellschaftliche Erzeugnisse seien, also die Folgen eines kapitalistischen Systems
– Lösung: es bedarf einer Revolution
– somit ist letztlich die ganze Gesellschaft krank, und einige, besonders wertvolle Individuen werden zu Symptomträgern
– dabei fungiert die Familie als zentrale Vermittlungsinstanz für Unterdrückung und Ausbeutung in der kapitalistischen Gesellschaft
– Sie ist eine Instrument zur Konditionierung der Individuen
– in der Gesellschaft/ Familie gibt es für das Individuum keinen Raum eigene Erfahrungen zu machen u. das eigene Leben danach zu gestalten
– die soziale Etikettierung von Betroffenen beginnt somit in der Familie
– im Verlauf sind sie gezwungen, dem Bild des Verrückten immer mehr zu entsprechen, bis schließlich ihre Aussonderung in der Anstalt gerechtfertigt erscheint
– Schlussfolgerung : die Art der Erziehung ist, die verrückt macht
3.2 Ronald D. Laing
– Leben: wurde 1927 im Glasgow geboren
– interessiert sich für Theologie, Philosophie und Psychologie
– dennoch studiert er Medizin u. lässt sich zum Psychiater ausbilden
– nach der Armee lernt er in London die Psychoanalyse kennen
– er entwickelte ein besonderes Interesse an „psychotischen“ Patienten
– Laing versucht einen verstehenden Zugang zu diesen zu gewinnen
– Ab 1965 lebte er eine Zeit lang in einer Wohngemeinschaft mit Schizophrenen
– 1989 starb er in St. Tropez
– Seine Ansichten und Theorien
– er lehnte die Bezeichnung „Antipsychiater“ für sich ab
– denn man darf der traditionellen Psychiatrie nicht das Monopol auf die Bezeichnung „Psychiater“ überlassen
– Schätzt Freud als Denker und trotzdem steht er der Psychoanalyse kritisch gegenüber
– denn - traditionelle Psychiatrie u. Psychoanalyse - arbeiten mit naturwissenschaftlich-medizinischen Modellen zur Erklärung u. Behandlung psychischer Krankheiten
– Psychiater sind sich einig bezüglich der „Uneinfühlbarkeit des schizophrenen Krankheitsgeschehens“
– Laing sieht Gründe für dieses Nichtverstehen eher beim Psychiater als beim Patienten
– dem Krankheitsverständnis der Psychiatrie hält Laing seine „existenzielle Phänomenologie“ entgegen
– und damit die Frage nach der Lebenswelt des Schizophrenen und dem biografisch bestimmten Sinn seiner Erkrankung
– Laing beschreibt Diagnose und Therapie eher als „Verstehen“
– sein existenziellen Verstehens erfordert vom Psychiater, sich nicht scharf als „normal“ vom „Verrückten“ abzugrenzen
– sondern mögliche eigene psychotische Verzerrungen zu akzeptieren u. zum Verständnis der Betroffenen zu nutzen
– „…während wir in unserer eigenen Welt bleiben und ihn mit unseren eigenen Kategorien beurteilen, wodurch er unvermeidlich zu kurz kommt, das ist es nicht, was der Schizophrene wünscht oder nötig hat. Wir müssen die ganze Zeit seine Eigenheit und Verschiedenartigkeit, sein Getrenntsein, seine Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit erkennen.“
– im Allgemeinen sind psychotische Symptome nach Laing ein verzweifeltes Bemühen, aus einer sinnlosen Situation etwas Sinnvolles zu machen (psychischer Überlebensversuch)
– Behandlung: transzendentale Erfahrung
– Laing spricht immer wieder von dem Problem der Entfremdung
– die Reise in den inneren Raum und die innere Zeit des Bewusstseins - dient dazu, diese Entfremdung wieder aufzuheben
– Nicht die Verwahranstalt tragen zur Gesundung bei
– sondern Orte, an denen die Kranken ungestört „bei voller sozialer Zustimmung und Unterstützung in den inneren Raum und die innere Zeit geleitet werden von Leuten, die bereits dort gewesen und zurückgekehrt sind“.
– so kann der Betroffene sein Ich langsam wiederherstellen u. aus d. Wahn herausfinden
3.3 Villa 21 und Network
– Cooper leitete ab 1962 eine therapeutische Gemeinschaft für psychisch erkrankte Jugendliche in einem Londoner psychiatrischen Krankenhaus
– betreut wurden 20 schizophrene Männer im Alter von 15 – 20 Jahren
– die allgemeine Rollenstrukturierung wurde reduziert
– es sollte mehr Raum für die Bedürfnisse und Impulse der Betroffenen gegeben
– Tagesprogramm war recht weit vorstrukturiert
a) geplante Gruppen = tägliche gemeinsame Zusammenkünfte von Personal und Patienten (hier wurden Probleme die alle betrafen diskutiert)
b) zwei therapeutische Gruppen, Arbeitsgruppen und Gruppentreffen des Personals
c) spontane Gruppen = bildeten sich um Themen des tägl. Lebens zu bearbeiten
– doch die Tagesstruktur wurde später als zu strukturiert wahrgenommen
– die Betroffenen sollten sich möglichst frei entfalten können
– so wurde die Strukturierung von Tag und Nacht zunehmend den Betroffenen überlassen
– Gründe für Beendigung: Druck durch die Verwaltung, die Ängste des Personals und interne Konflikte – Projekt wurde nach 4 Jahren beendet
– „Network“ war ein Netzwerk von therapeutischen Wohngemeinschaften
– von Cooper und Laing gegründet
– meisten Bewohner waren zwischen 18 – 30 Jahre alt
–Prinzip für Cooper: weiterhin keine psychiatrischen Diagnosen stellen
– dadurch sollten Etikettierung vermieden werden
– hier ebenfalls keine rollenstrukturelle Unterteilung vorhanden
– dazu zählt auch: keine Bezahlung für geleistete Arbeit und niemand musste für seinen Aufenthalt zahlen
– wechselseitigen Interessen sollten berücksichtigt werden
– Raum für gegenseitige Begegnungen geschaffen werden, aber auch Rückzugsräume
– Laing zufolge fanden hier auch Seminare und Vorträge statt
– bekannteste dieser Wohnprojekte war Kingsley Hall (1965 - 1970)
– Hier konnten 14 Menschen wohnen
– Gruppenangebote zu Themen wie Yoga, Tänze, Theater und Lesungen
– Behörden waren die WGs ein Dorn im Auge
– die WGs gerieten zunehmend in Isolierung und lösten sich nach und nach auf
4. USA
4.1 Thomas Szasz
– Leben: er wurde 1920 in Budapest geboren
– emigrierte 1938 in die USA
– dort studierte er Medizin u. machte eine Ausbildung zum Psychoanalytiker
– 1956 wurde er Professor für Psychiatrie der Universität New York
– gründete zusammen mit der Scientology-Organisation die amerikanische Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte
– distanzierte sich aber von dem Eindruck, dass die Zusammenarbeit mehr als ein Zweckbündnis sei und dass er selbst Scientologe wäre
– wird teilweise der Antipsychiatrie zugerechnet u. gilt als Mitbegründer dieser Bewegung
– er selbst stellt sich gegen diese Einordnung
– 2012 verstarb er in New York.
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- Manuela Merbach (Author), 2018, Die Antipsychiatrie. Das neue Verständnis psychischer Krankheiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448691
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