Was beeinflusst die Intention, ein Hochschulstudium abzubrechen?

Untersuchung anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels (Neps)


Thèse de Bachelor, 2018

51 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition Studienabbruch und Abbruchintention

3. Theorie
3.1 Perspektive des kulturellen Kapitals
3.2 Psychologische Perspektive
3.3 Interaktionistische Perspektive
3.4 Perspektive der rationalen Wahl

4. Forschungsstand: Faktoren des Studienabbruchs
4.1 Startbedingungen der Studierenden
4.2 Studienwahlmotive
4.3 Studienbezogene Faktoren
4.4 Externe Faktoren

6. Design und Methode
6.1 Datengrundlage und Stichprobenwahl
6.2 Wahl des Untersuchungsgegenstandes
6.3 Datenaufbereitung
6.4 Methode

7. Deskriptive Statistik
7.1 Mittelwertvergleiche

8. Empirische Ergebnisse
8.1 Logistische Regression: Demographische Merkmale und kulturelles Kapital
8.2 Logistische Regression: Akademisches Selbstkonzept und Motivationen
8.3 Logistische Regression: Integration und Studienfach
8.4 Logistische Regression: Rational-Choice Ansatz
8.5 Vergleich der Erklärungsansätze

9. Diskussion

Literaturverzeichnis Anhang

Zusammenfassung

Die Erklärungsansätze für einen Studienabbruch innerhalb der Bildungsforschung sind so unterschiedlich wie die tatsächlichen Gründe selbst, die von Studierenden angegeben werden. Ökonomische, soziologische, psychologische als auch pädagogische Ansätze versuchen zu erklären, wieso Studierende ein Studium ohne Abschluss beenden. Auch der aktuelle Forschungsstand zeigt, dass die Ursachen nicht nur sehr vielfältig sind, sondern sich auch gegenseitig und untereinander beeinflussen. Die vorliegende Arbeit untersucht anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels, was die Intention beeinflusst, ein Hochschulstudium abzubrechen. Weibliche Studierende neigen seltener und Studierende mit Migrationshintergrund häufiger zum Studienabbruch. Mit steigendem Lebensalter, so die empirischen Ergebnisse, steigt auch die Wahrscheinlichkeit für eine Studienabbruchintention. Weiterhin neigen gut integrierte und Personen, die ihre Erfolgswahrscheinlichkeit bezüglich des Studiums hoch einschätzen und zudem über ein hohes akademisches Selbstkonzept verfügen, seltener zum Studienabbruch. Des Weiteren hat ein geschlechtsuntypisches Studienfach einen negativen Effekt bei den männlichen Studierenden. Sprich Männer in sprach-, kultur- und sozialwissenschaftlichen Fächern neigen seltener zum Abbruch als Männer in Ingenieur- und naturwissenschaftlichen Fächern.

1. Einleitung

Mit der Bologna Reform und dem damit eingeführten Bachelor-Master-System sollte unter anderem die Studienabbruchquote gesenkt werden. Aktuelle Ergebnisse zeigen jedoch einen gegenteiligen Trend. Seit 2008 haben mehr Studierende, verglichen mit den alten Diplom- und Magisterstudiengängen, ihr Studium vorzeitig beendet (vgl. Mühlenweg et al. 2010: 40). Bricht jemand sein Studium ab, bedeutet das sowohl auf individueller als auch auf institutioneller Ebene, dass zeitliche und finanzielle Ressourcen falsch investiert wurden. Darüber hinaus ist auch die finanzielle Fehlinvestition von Seiten des Staates aufgrund von Bafögzahlungen relevant. Weiterhin dient die Studienabbruchquote zur Messung der Effektivität und allgemeinen Qualität deutscher Hochschulen (vgl. Sarcletti & Müller 2011: 235) . Aufgrund von stetig steigenden Zahlen von hochschulzugangsberechtigten Personen ist folglich die Analyse der Ursachen von Studienabbrüchen zum einen ein wichtiger Bestandteil der Bildungsforschung. Zum anderen ist es eine Aufgabe des Qualitätsmanagements der Hochschulen, Ursachen zu erforschen und darauf aufbauend Präventivmaßnahmen zu entwickeln (vgl. Bargel 2003: 1). Bisherige Arbeiten zu dem Thema basieren größtenteils auf empirischen Ergebnissen von Studierendenbefragungen einerseits und Exmatrikuliertenbefragungen andererseits. Letztere weisen aufgrund der zeitlichen Differenz zwischen der Abbruchintention, dem tatsächlichen Abbruch und der Befragung einige Schwächen auf. Rationalisierungseffekte bei den bereits exmatrikulierten Studierenden können so die Ergebnisse zu den Ursachen des Abbruchs teilweise verfälschen oder gar unbrauchbar machen (vgl. Sarcletti und Müller 2011: 244). Des weiteren werden kurz angelegte Längsschnitt- oder gar Querschnittsstudien nicht dem Anspruch gerecht, die zeitliche Entwicklung abbruchrelevanter Faktoren zu berücksichtigen. Ein weiterer wichtiger Untersuchungsgegenstand für die Studienabbruchforschung, das Geschlecht der Studierenden, wird zwar in der Literatur empirisch untersucht. Jedoch fehlt es, bis auf wenigen Studien (vgl. Mischau & Blunk 2006; Fellenberg & Hannover 2006), den meisten Arbeiten an einer Berücksichtigung des jeweiligen Studienfachs bei der Untersuchung des Geschlechts als möglichen Prädikator für den Studienabbruch. Die vorliegende Arbeit wird anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels (kurz: Neps) diese Lücke füllen bzw. auf einen aktuellen Stand bringen. Die Arbeit beginnt mit einer Definition des Studienabbruchs beziehungsweise der Studienabbruchintention. Weiterhin werden vier theoretische Ansätze zur Erklärung des Studienabbruchs vorgestellt und sodann diese Überlegungen auf den Untersuchungsgegenstand "Studienabbruchintention" übertragen. Zu jedem der Ansätze werden Forschungshypothesen zum Zusammenhang der jeweiligen unabhängigen Variablen und der Abbruchintention aufgestellt. So soll die Frage beantwortet werden, durch was und wie stark die Abbruchintention von Studierenden beeinflusst wird. Abschnitt 4 gibt einen theorieüb ergreifenden Überblick zu dem aktuellen Forschungsstand, wobei sich einige Überschneidungen hinsichtlich der vorgestellten Theorien zeigen. Im zweiten Teil dieser Arbeit werden die verwendeten Variablen, das Design der Studie, die Datengrundlage als auch die Methode vorgestellt. Um die Relevanz der unabhängigen Variablen für die Studienabbruchneigung zu verdeutlichen, werden im Kapitel 7 statistische Verteilungen und Mittelwertvergleiche zwischen Studienabbruchgeneigten und Befragten, die weiter studieren wollen, vorgenommen.

Anschließend werden mit insgesamt vier multiplen logistischen Regressionsmodellen die Vorhersagewerte der unabhängigen für die zu erklärende Variable geschätzt, die empirischen Ergebnisse dargestellt und mit den eingangs aufgestellten Hypothesen verglichen. Nach einem kritischen Vergleich der Erklärungsansätze anhand ihrer jeweiligen Varianzaufklärung folgt eine abschließende Diskussion und Zusammenfassung der Ergebnisse.

2. Definition Studienabbruch und Abbruchintention

Eine einheitliche Definition für Studienabbruch (englisch: drop-out in higher education) ist in der Forschung zwar vorhanden, hat aber aufgrund unterschiedlicher methodischer Herangehensweisen einige Schwächen. Dieser Abschnitt gibt einen Überblick über die verschiedenen Definitionsansätze, um sodann eine Überleitung zur Studienabbruchintention zu erläutern. Die gängigste Definition beschreibt einen Studienabbruch als eine vorzeitige Beendigung des Studiums, ohne dass dieses zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgenommen wird (vgl. Heublein & Wolter 2011: 216). Insbesondere Querschnittsstudien können nach dieser Definition nicht unterscheiden, ob eine Person das Studium tatsächlich endgültig abgebrochen, oder stattdessen einen Fach- und/oder Hochschulwechsel vorgenommen haben. Zudem wird daraufhingewiesen, dass die begrenzte Laufzeit von Längsschnittstudien teilweise nicht ausreichend ist und Personen, die nach längerer Unterbrechung, beispielsweise aufgrund einer Schwangerschaft oder gesundheitlicher Probleme, ebenfalls nicht mehr für die Studie erreichbar sind und somit als Abbrecher gelten (vgl. Lewin 1999: 19). Darüber hinaus zeigen mehrere Studien, dass Teilnehmer in Längsschnittstudien nach einem Studienabbruch häufig ihre Panel-Bereitschaft aufgeben und somit nicht mehr für die Studie erreichbar sind (vgl. Rickenbrock 2015: 7). Somit führen die niedrigen Fallzahlen in solchen Längsschnittstudien selten zu repräsentativen Ergebnissen bezüglich der Studienabbruchgründe. Die sogenannten "Non-Starter" und "pro-forma Studenten" werden ebenfalls fälschlicherweise in der Literatur, und vor allem in den Medien zu der Gruppe der Studienabbrecher gerechnet, sind es aber de facto nicht (vgl. Gesk 1999: 9). Erstere haben sich zwar für ein Studium immatrikuliert, legen aber keine Prüfungen ab und werden nach kurzer Zeit wieder exmatrikuliert. Letztere haben zudem Statusvorteile in Form von Vergünstigungen, einem Semesterticket usw. zum Ziel. "Doch handelt es sich bei beiden Teilpopulationen nicht um Studienabbrecher im eigentlichen Sinn, da ja nur de jure endet, was de facto gar nicht begonnen hat" (Gesk 1999: 10).

Eine Analyse der Studienabbruchintention macht also aus mehreren Gründen Sinn. Einerseits kann durch den nicht endgültigen Abbruch der Intention entgegen gewirkt werden, aber dazu noch mehr in Abschnitt 6.2. Des weiteren ergeben sich dadurch, dass die Abbruchintention vor einem möglichen Abbruch erhoben wird größere Fallzahlen, womit eine bessere Übertragung der Ergebnisse auf die Gesamtheit der Studierenden ermöglicht wird. Darüber hinaus ist es erheblich einfacher, eine einheitliche Definition zu finden. So wird die Studienabbruchintention teilweise erhoben und definiert als ein übermäßig häufiges Nachdenken über den Abbruch. Andere Studien, so auch das Neps erheben die Abbruchintention bzw. den Gedanken nicht nur in seiner quantitativen Form, sondem noch mit einem weiteren Item, welches die Qualität dieses Gedankens erfasst. Auf der vierstufigen Antwortskala in der Neps-Studie konnten die Studierenden angeben, inwiefern es zutrifft, dass sie ernsthaft über eine Studienabbruch nachdenken. ln der vorliegenden Arbeit wird die Studienabbruchintention folgendermaßen definiert: Jeder Studierende, der auf diese Frage mindestens mit "trifft eher zu" oder "trifft völlig zu" geantwortet hat, gilt definitorisch als Studienabbruchgeneigter. Der folgende Abschnitt gibt einen Überblick über vier theoretische Perspektiven. Insgesamt folgt die vorliegende Arbeit sowohl bei der Beschreibung der Daten als auch in der Analyse der hier verwendeten Reihenfolge der Ansätze.

3. Theorie

Die Forschung zum Studienabbruch zeichnet sich vor allem durch ihre Interdisziplinarität aus. Es finden sich Modelle und Theorien aus den Bereichen Psychologie, Ökonomie, Pädagogik und Soziologie. Dieser Abschnitt stellt die bekanntesten Theorien und Modelle zur Erklärung eines Studienabbruchs vor, wobei sämtliche theoretische Überlegungen direkt auf den Untersuchungsgegenstand "Studienabbruchintention" übertragen werden. Darüber hinaus werden anhand der Theorien Forschungshypothesen bezüglich des Zusammenhangs der unabhängigen und der abhängigen Variable aufgestellt.

3.1 Perspektive des kulturellen Kapitals

Bourdieu's Arbeit zu den drei Kapitalarten ist in der Studienabbruchforschung einer der gängigsten Erklärungsansätze. Unter Kulturkapital versteht Bourdieu summa summarum die individuellen kulturellen Inhalte. Dabei unterteilt er das kulturelle Kapital weiter in institutionalisiertes, objektiviertes und inkorporiertes kulturelles Kapital (vgl. Bourdieu 1992: 60). Institutionalisiertes Kulturkapital besteht beispielsweise in Form von akademischen Titeln, welche dem Träger einen Beweis seines inkorporierten Kulturkapitals ermöglicht, denn " der schulische Titel ist ein Zeugnis für kulturelle Kompetenz, das seinem Inhaber einen dauerhaften und rechtlich garantierten konventionellen Wert überträgt" (Bourdieu 1992: 63). Objektiviertes kulturelles Kapital existiert nach Bourdieu in Form von materiellen Dingen wie Büchern oder Bildern, wobei sich die Fähigkeit diese zu verstehen oder zu deuten nicht wie die Dinge selbst durch ökonomisches, sondern nur durch inkorporiertes kulturelles Kapital erlangen lässt (vgl. Bourdieu 1992: 58). Beim inkorporierten Kulturkapital lässt sich mit spezifischem Blick auf ein Hochschulstudium hier somit von Bildung sprechen (vgl. Bourdieu 1992: 53). Diese muss über die Zeit durch Arbeit und Lernen erworben werden. Zudem ist eine Weitergabe dieser Kapitalart nicht möglich, da es mit der Zeit untrennbarer Teil des Habitus wird (vgl. Bourdieu 1992: 55). Ausgehend von Bourdieu 'S Hauptthese: „In der engsten Beziehung zum Schulerfolg des Kindes steht - mehr noch als die vom Vater erzielten Abschlüsse und mehr als des von ihm absolvierten Bildungsgangs - das allgemeine Bildungsniveau der Eltern“ (Bourdieu 2001: 26), entwickelte Berger einen Erklärungsansatz, bei dem der Studienabbruch mithilfe der Sozialisation bzw. der Menge des Kulturkapitals der Studierenden erklärt werden soll. Dabei ist die Grundannahme, dass Studierende aus nicht akademischen Haushalten aufgrund ihrer Sozialisation größere Anpassungsleistungen im universitären Umfeld vornehmen müssen (vgl. Berger 2000: 110). Des Weiteren lässt sich der Habitus nach Bourdieu noch weiter unterteilen. Der schichtspezifische Habitus und der institutionelle Habitus. Ersterer wird erworben durch die Sozialisation im Herkunftsnetzwerk. Dagegen umfasst der institutionelle Habitus Werte und Normen einer Institution bzw. der Hochschule (vgl. Reay 2001: 861). Da der schichtspezifische und der institutionelle Habitus in enger Verbindung miteinander stehen, wird davon ausgegangen, dass sich durch eine mangelnde Übereinstimmung mit den Werten und Normen der jeweiligen Universität das Risiko für einen Studienabbruch erhöht. Auf der anderen Seite erhöht ein höheres kulturelles Kapital die Chance für Erfolge (vgl. Thomas 2002: 428). Des weiteren umfasst dieser Ansatz in der vorliegenden Arbeit unabhängig von einer spezifischen Theorie auch das Geschlecht und das Alter der Studierenden als mögliche Prädikatoren für die Studienabbruchintention. Während der Anteil weiblicher Studierender an den bundesweiten Universitäten und Fachhochschulen mittlerweile ausgeglichen ist, unterscheiden sich die Geschlechter vor allem in puncto Familienplanung. So kann eine Schwangerschaft und der damit verbundene Mutterschaftsurlaub das Risiko für einen Studienabbruch erhöhen (vgl. Heublein et al 2009: 44). Bezogen auf die Abbruchintention gehe ich daher davon aus, dass Frauen eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, ernsthaft über eine vorzeitige Beendigung des Studiums nachzudenken (Hl). Weiterhin ist auch das Lebensalter der Studierenden relevant für den Studienabbruch. Die Befünde von Heublein et al. (2009) zeigen, dass Personen, die ihre Hochschulzugangsberechtigung über den zweiten Bildungsweg erworben haben aufgrund von finanziellen und familiären Problem ein erhöhtes Abbruchrisiko aufweisen. Da diese Probleme in einem engen Zusammenhang mit dem Alter der Studierenden stehen (vgl. Heublein et al. 2009: 45), wird für die vorliegende Arbeit ein positiver Zusammenhang zwischen dem Lebensalter und der Studienabbruchintention angenommen. Oder anders gesagt: Umso älter ein Studierender, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit ernsthaft über einen Studienabbruch nachzudenken (H2). Der Maßstab für das kulturelle Kapital ergibt sich aus den Daten durch den Bildungshintergrund der jeweiligen Studierenden. Gemeint ist zum einen der höchste allgemein bildende Abschluss der Eltern. Zweitens ist in diesem Kontext auch ein Migrationshintergrund von Bedeutung. Dementsprechend wird angenommen, dass Studierende mit geringerem kulturellen Kapital vermittelt über einen niedrigen Bildungsstand der Eltern und einen Migrationshintergrund eine stärkere Abbruchneigung haben (H3 und H4).

Der folgende Abschnitt zeigt verschiedene Theorien und Konstrukte zur Erklärung des Studienabbruchs aus psychologischer Perspektive.

3.2 Psychologische Perspektive

Innerhalb der psychologischen Perspektive wird der Studienabbruch nicht durch äußere Umstände, sondern durch Persönlichkeitsmerkmale und Motivationen der Studierenden selbst erklärt (vgl. Sarcletti und Müller 2011: 238). Es werden das Konstrukt des akademischen Selbstkonzept, Kanter's Token-Theorie und die Selbstbestimmungstheorie vorgestellt und'auf deren Grundlage Forschungshypothesen bezüglich der Studienabbruchintention formuliert.

1. Das Selbstkonzept nach Shavelson et al. (1976): Die Autoren sehen das Selbstkonzept als eine mehrdimensionale und hierarchische Struktur. Es entsteht durch Erfahrungen und Interpretationen der Umwelt. An erster Stelle der Hierarchie steht das allgemeine Selbstkonzept, welches wiederum in das akademische und nicht- akademische Selbstkonzept untergliedert ist. Die Mehrdimensionalität besteht aufgrund der weiteren Unterteilung in fächerspezifische Facetten, welche sich auf bestimmte Fähigkeiten in den Fächern Englisch, Geschichte, Mathe und Wissenschaft beziehen (siehe Abbildung 1). Das nicht- akademische Selbstkonzept wird weiter untergliedert in das emotionale, soziale und physische Selbstkonzept (vgl. Shavelson et al. 1976: 410 ff). Weiterhin wird davon ausgegangen, dass das Selbstkonzept strukturiert ist, da Personen ihre Alltagserfahrungen bestimmten Strukturen zuordnen und diese auch in Beziehung miteinander setzen können (vgl. Zeinz 2006: 8). Bezogen auf die Stabilität der selbstbezogenen Kognitionen wird angenommen, dass die situativen Schwankungen der Wahrnehmungen bestimmten Verhaltens in der Hierarchie nach oben hin abnehmen. "Es müssten also erhebliche selbstkonzeptdiskrepante Situationen auftreten, um an der Spitze der Hierarchie eine Veränderung herbeizufuhren" (Zeinz 2006: 9). Zudem hat das Lebensalter Einfluss auf die Bildung des Selbstkonzepts.

Abbildung in dieser Leseprob nicht enthalten

Mit der Entwicklung und steigendem Lebensalter lernen Personen ihre Stärken und Schwächen kennen, sodass die eingangs beschriebenen Facetten stärker ausdifferenziert werden (vgl. Zeins 2006: 9). Bezogen auf die

Studienabbruchintention ist die Untersuchung des akademischen Selbstkonzepts von besonderem Interesse. So kann, in Abgrenzung zum allgemeinen Selbstkonzept, das akademische Selbstkonzept "als die Gesamtheit der kognitiven Repräsentationen eigener Fähigkeiten in akademischen Leistungssituationen (etwa in Schule oder Universität) definiert werden" (Dickhäuser et al. 2002: 394). Marsh und Hau (2003) sehen das Konstrukt des Selbstkonzept trotz umfassender Forschungen und Studien wegen seiner theoretischen und praktischen Relevanz als eines der grundlegendsten Konstrukte in der sozialwissenschaftlichen Forschung (vgl. Marsh & Hau 2003: 364). Bezogen auf den Studienabbruch kommen viele Studien zu dem Ergebnis, dass das Selbstkonzept maßgeblichen Einfluss auf den Studienabbruch hat (vgl. u.a Bargel 2003; Marsh & Hau 2003 ). Zudem wird davon ausgegangen, dass bei einer Verwendung eines spezifischen akademischen und nicht allgemeinen Selbstkonzepts der Zusammenhang zwischen den akademischen Leistungen und dem Selbstkonzept am stärksten ist. Erhebt man die akademische Leistung und das akademische Selbstkonzept in nur einem Fachbereich, sei die Korrelation am höchsten. (Marsh et al. 1988: 371). Im Neps wurde das akademische Selbstkonzept mit vier Items erfasst, welche in Abschnitt 6.3 noch näher beschrieben werden. Ausgehend von den theoretischen Überlegungen, wird ein negativer Zusammenhang angenommen. Folglich neigen Studierende mit einem höheren akademischen Selbstkonzept seltener bzw. mit geringerer Wahrscheinlichkeit zum Studienabbruch (H5).

2. Kanter's Token-Theorie: Grundsätzlich passt diese Theorie in die psychologische Perspektive, wobei die Handlungen nicht auf individueller, sondern auf der Ebene einer Gruppe vollzogen werden. Es wird davon ausgegangen, dass Mitglieder von kleinen Gruppen nicht als Individuen, sondern als Vertreter ihrer Gruppe gesehen werden und somit verschiedenen Problemen, so ausgesetzt sind (vgl. Mastekaasa und Smeby 2008: 192). Diese Problematik sei umso stärker, desto kleiner - in Relation zur Mehrheit - die Minderheit ist. Darauf aufbauen liefert Blalock einen ähnlichen Ansatz: Ihm zufolge fühlen sich privilegierte Mehrheiten von einer Minderheit in ihrer Position bedroht und bringen dieser Gruppe entsprechend feindseliges Verhalten entgegen (vgl. Mastekaasa und Smeby 2008: 193). Bezogen auf die Studienabbruchintention ist dieser Ansatz besonders für geschlechtsuntypische Studienfächer relevant. Studierende, die ein solches Studienfach belegen, neigen aufgrund des feindseligen Verhaltens der Mehrheit mit höherer Wahrscheinlichkeit zu einem Studienabbruch. Folglich nehme ich sowohl für Männer in Sosp- Fächern, als auch für Frauen in Mint-Fächem1 hypothetisch eine stärkere Abbruchneigung an als für ihre entsprechende Vergleichsgruppe (H6).

3. Die Selbstbestimmungstheorie nach Deci und Ryan (1985). Der Sozialpsychologe Abraham Maslows ging mit seiner Pyramide der menschlichen Bedürfnisse bereits davon aus, dass diese der Antrieb jeglicher menschlicher Motivation sei. Darauf aufbauend entwickelten Deci und Ryan die Selbstbestimmungstheorie, bei der zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation unterschieden wird. Wird eine Handlung aufgrund eines inneren Anreizes, beispielsweise dem Suchen von Herausforderungen oder dem verdeutlichen der eigenen Fähigkeiten vollzogen, handelt es sich dabei um eine intrinsisch motivierte Handlung. Die Selbstbestimmtheit ist dabei umso höher je stärker die Handlung durch inne Anreize motiviert ist. Wird hingegen eine Handlung vollzogen um eine äußere Belohnung zu erhalten oder einer äußeren Bestrafung zu entgegen, so beispielsweise eine Bezahlung oder im Falle der Bestrafung eine Kündigung, spricht man von einer extrinsisch motivierten Handlung (vgl. Deci und Ryan 1993: 224ff). Der sogenannte Korrumpierungseffekt beschreibt, wie durch extrinsische Anreize eine intrinsische Motivation aufgrund fehlender Selbstbestimmung vermindert werden kann bis hin zu vollständigen Auflösung innerer Motivation für eine Handlung (vgl. Deci und Ryan 1993: 226). Bezogen auf die Studienabbruchintention wird daher angenommen, dass Studierende, dessen Handlungen bzw. Leistungen durch äußere Anreize in Form von Geld oder anderen Sachleistungen motiviert werden, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben zum Studienabbruch zu neigen, oder anders gesagt: Umso stärker jemand extrinsisch motiviert ist, desto eher neigt er/sie zum Studienabbruch (H7).

Dagegen sinkt die Wahrscheinlichkeit für eine Studienabbruchintention bei steigender intrinsischer Motivation (H8).

3.3 Die interaktionistische Perspektive

Tintos interaktionistisches Modell zur Erklärung des Studienabbruchs ist eine Weiterführung der Theorie von Durkheim zum Selbstmord (vgl. Sarcletti & Müller 2011: 243). Durkheim unterscheidet zwischen drei Formen der Selbsttötung (der egoistische, der altruistische und der anomische Selbstmord). Die Ursachen des Selbstmords lassen sich ihm nach nicht durch geographische, ökonomische oder psychologische, sondern nur durch soziologische Faktoren hinreichend erklären. So ist laut Durkheim die Ursache für den egoistischen Selbstmord eine mangelhafte soziale Integration (vgl. Durkheim 1951: 89f). Diese Annahme hat Tinto übertragen auf sein Modell zum Studienabbruch, bei dem die Ursache des Studienabbruchs eine mangelhafte Integration der Studierenden in das akademische und soziale Umfeld ist (vgl. Tinto 1975: 91). Dabei wird zudem zwischen zwei Prädikatoren für die Abbruchneigung unterschieden. Zum einen die soziale Integration der Studierenden. Diese entsteht, wenn der Aufbau von Kontakten zu anderen Studierenden gut gelungen bzw. in umfangreichem Maße vorhanden ist. Die akademische Integration bezieht sich in erster Linie auf das Verhältnis der Studierenden zu den Lehrenden der jeweiligen Hochschule. Es umfasst sowohl die subjektiv empfündene Anerkennung und faire Behandlung durch die Lehrenden, als auch das subjektiv empfundene Interesse der Lehrenden gegenüber den Studierenden.

Darüber hinaus spielen der familiäre Hintergrund, die Teilnahme an Vorbereitungskursen für die Universität als auch individuelle Attribute für die Abbruchentscheidung eine Rolle (siehe Abbildung 2). Bezogen auf die Integration neigen laut Tinto Studierende dann eher zu einem Abbruch, wenn sie nicht hinreichend in das akademische System und die soziale Umwelt an der Hochschule integriert sind.Weiterhin geht Tinto davon aus, dass ein Studienabbruch nicht plötzlich, sondern ein sich über die Zeit entwickelnder Prozess ist (vgl. Tinto 1988: 99 ff). In einem dreiphasigen Modell beschreibt er die Integration der Studierenden in das akademische Umfeld im zeitlichen Verlauf des Studiums.2

Auch in den Daten des Neps wird bezüglich der Integration zwischen akademischer und sozialer unterschieden. Erstere bezieht sich hier ebenfalls auf die Kontakte bzw. das Verhältnis zu den Lehrenden, letztere auf das Verhältnis zu den Kommilitonen. Ausgehend von den theoretischen Überlegungen von Tinto wird auch in der vorliegenden Arbeit ein negativer Einfluss beider Integrationsvariablen auf die abhängige Variable Abbruchneigung angenommen. Das heißt, umso höher die soziale bzw. akademische Integration eines Studierenden, desto geringer die Wahrscheinlichkeit ernsthaft über eine Beendigung des Studium ohne Abschluss nachzudenken (H9). Der zeitliche Aspekt wird in der vorliegenden Arbeit aufgrund eines begrenzten Rahmens jedoch nicht berücksichtigt.

Abbildung 2: Tintos Modell des College-Dropouts (aus Henecka & Gesk 1996:31).

Abbildung in dieser Leseprob nicht enthalten

[...]


1 Sosp- Sozial- und sprachwissenschaftliche Fächer / Mint- Mathematik, Ingenieur und naturwissenschaftliche Fächer

2 Da der zeitliche Aspekt in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt wird, wird an dieser Stelle nicht näher auf die von Tinto beschriebenen Phasen eingegangen.

Fin de l'extrait de 51 pages

Résumé des informations

Titre
Was beeinflusst die Intention, ein Hochschulstudium abzubrechen?
Sous-titre
Untersuchung anhand der Daten des Nationalen Bildungspanels (Neps)
Université
University of Siegen  (Philosophische Fakultät)
Cours
Empirische Sozialforschung
Note
1,3
Auteur
Année
2018
Pages
51
N° de catalogue
V448711
ISBN (ebook)
9783668838246
ISBN (Livre)
9783668838253
Langue
allemand
Mots clés
Studienabbruch, Statistik Neps
Citation du texte
Tim Krause (Auteur), 2018, Was beeinflusst die Intention, ein Hochschulstudium abzubrechen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/448711

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