In der vorliegenden Arbeit soll in der Auseinandersetzung mit Jacques Ranciére und Jean Joseph Jacotot der Frage nachgegangen werden, inwieweit eine Unterwanderung der Wissenshierarchie zu einer intellektuellen Emanzipation führen kann.
Es gibt verschiedene Theorien und Sichtweisen über effektive Lehr- und Lernmethoden, da dieses ein vieldiskutiertes und strittiges Thema ist. Jedoch möchte ich mich in dieser Arbeit von den klassischen Lehrmethoden abgrenzen und eine andere Sichtweise anhand Rancierés Theorien bearbeiten, indem das aktuelle Lehrer-Schüler-Verhältnis und ihre Lerntheorien hinterfragt werden.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Aufbau der Arbeit
2.1 Ziel der Arbeit
3. Lehrer-Schüler-Verhältnis
3.1 Wissenshierarchie und Ungleichheiten zwischen Lehrendem und Lernendem
4. Joseph Jacotot und seine Methode des Universalunterrichts
5. Intellektuelle Emanzipation
6. Zusammenfassende Schlussfolgerung
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung:
Es gibt verschiedene Theorien und Sichtweisen über effektive Lehr- und Lernmethoden, da dieses ein vieldiskutiertes und strittiges Thema ist. Jedoch möchte ich mich in dieser Arbeit von den klassischen Lehrmethoden abgrenzen und eine andere Sichtweise anhand Rancierés Theorien bearbeiten, indem das aktuelle Lehrer-Schüler-Verhältnis und ihre Lerntheorien hinterfragt werden.
In der vorliegenden Arbeit soll in der Auseinandersetzung mit Jacques Ranciére und Jean Joseph Jacotot der Frage nachgegangen werden, inwieweit eine Unterwanderung der Wissenshierarchie zu einer intellektuellen Emanzipation führen kann.
2. Aufbau der Arbeit:
- Zunächst wird ein Überblick über das Lehrer-Schüler-Verhältnis gegeben. Darauf aufbauend wird auf die Wissenshierarchie und Ungleichheit zwischen Lehrendem und Lernendem eingegangen.
- Anschließend möchte ich anhand eines Experiments von Jacotot auf das Universalunterricht und seine Bedeutung für Rancierés Theorien eingehen, indem die Forschungsfrage detaillierter diskutiert wird.
- Ein Ausblick auf das Thema der intellektuellen Emanzipation und dessen Bedeutung in dieser Unterrichtsmethode wird aufgezeigt und ein kurzer Fazit beschließt meine Arbeit.
2.1 Ziel der Arbeit:
Diese Arbeit soll das derzeitige Lehrer-Schüler-Verhältnis und die gewöhnliche Unterrichtsmethode kritisch beleuchten und die Frage beantworten, ob durch eine Unterwanderung der Wissenshierarchie eine intellektuelle Emanzipation möglich ist.
3. Lehrer-Schüler-Verhältnis
Ranciére analysiert das Verhältnis zwischen Lehrendem und Lernendem als ein grundlegend autoritäres Verhältnis und meint, dass zwischen Schüler und Lehrer immer eine Wissensdifferenz vorhanden ist und aus diesem Grund beim Lehren niemals nur Wissen, sondern immer auch Gehorsam gelernt wird. (vgl. Sternfeld 2009, S. 28)
3.1 Wissenshierarchie und Ungleichheiten zwischen Lehrendem und Lernendem
Ranciére spricht in seinem Buch „Der unwissende Lehrmeister 2009“ von einem Prozess der Verdummung und meint damit, dass der erklärende Lehrmeister der seinen unwissenden Schüler lehrt - durch das Verhältnis der Unterordnung zu einer Zweiteilung der Gesellschaft führt.
„Die Erklärung ist nicht nötig, um einer Verständnisunfähigkeit abzuhelfen. Diese Unfähigkeit ist im Gegenteil die strukturierende Fiktion der erklärenden Auffassung der Welt. Der Erklärende braucht den Unfähigen, nicht umgekehrt. Er ist es, der den Unfähigen als solchen schafft. Jemandem etwas erklären heißt, ihm zuerst zu beweisen, dass er nicht von sich aus verstehen kann. Bevor die Erklärung ein Akt des Pädagogen ist, ist sie der Mythos der Pädagogik , das Gleichnis einer Welt, die in Wissende und Unwissende geteilt ist, in reife Geister und unreife Geister, fähige und unfähige, intelligente und dumme“. (Ranciére 2009, S.53)
Mit dem Prozess der Verdummung ist nicht das gemeint, was man für gewöhnlich darunter versteht. Damit ist viel mehr gemeint, dass das Vertrauen in die eigene Intelligenz untergräbt wird, indem der Lernende bei jedem Lernakt sich hilfesuchend an einen Lehrenden wenden muss, der ihm den Wissensgegenstand vermittelt.
4. Joseph Jacotot und seine Methode des Universalunterrichts
Jean Joseph Jacotot war ein französischer Erziehungstheoretiker und -praktiker. Er studierte am Collége in Frankreich. Nach seinem erfolgreichen Abschluss übte er verschiedene Berufe aus, wie Rechtsanwalt, Professor der Humanwissenschaften, Kapitän der Artillerie, Sekretär im Kriegsministerium, stellvertretender Direktor und Dozent für Mathematik einer École polytechnique und zuletzt war er Professor der französischen Sprache und Literatur an der Reichsuniversität Löwen. (vgl. Sternfeld S. 26)
Als Professor an der Universität Löwen in Niederlande sollte Jacotot französische Literatur unterrichten. Doch er selbst war der niederländischen Sprache nicht mächtig und seine Studenten wiederum konnten kein Französisch. Somit nahm Jacotot die zweisprachige Ausgabe des Telemach von Francois Fenélon zur Hilfe, damit seine Schüler sich den französischen Text mithilfe der niederländischen Übersetzung selbst aneignen konnten.Den Schülern war es tatsächlich möglich ohne einen anleitenden Lehrer eine neue Sprache zu erlernen. (vgl. Sternfeld 2009, S. 26f) Somit gelang Jacotot durch Zufall zu einer neuen Unterrichtsmethode, welche ausschlaggebend für die Entwicklung des Universalunterrichts war.
Mit dieser Methode wendete Jacotot sich komplett ab vom klassischen Unterricht, wo sonst immer nur vom Kleinsten zum Größeren unterrichtet wird. Wie zum Beispiel beim Sprachunterricht, wo Schüler zuallererst Buchstaben erlernen, dann Wörter und Sätze, anschließend die Grammatik usw. Doch Jacotots Universalunterricht lehrt sozusagen „Alles in allem“, hier beginnen Schüler mit dem Text und nicht mit den Buchstaben, Wörtern oder der Grammatik. Die Schüler bestimmen ihre einzelnen Schritte selbst, welche für ihr Lernen und Verständnis am besten geeignet ist . (vgl. Sternfeld 2009, S. 27)
„[ .] der kleine Mensch ist zunächst ein Wesen der Rede. Das Kind, das die Wörter wiederholt, und der flämische Student, der in seinem Telemach verloren ist, gehen nicht zufällig vor. All ihre Anstrengung, all ihre Erkundung ist darauf gerichtet: Eine menschliche Rede ist an sie gerichtet worden, die sie erkennen wollen und auf die sie antworten wollen, nicht als Schüler oder Gelehrte, sondern als Menschen; wie man jemandem antwortet, der zu einem spricht, und nicht jemandem, der prüft: unter dem Zeichen der Gleichheit“. (Ranciére 2009, S. 21)
Auch wenn diese Methode durch ein Zufall ermöglicht wurde, konnte Jacotot dadurch beweisen, dass das Lehren ohne eine Überlegenheit des Lehrers bzw. eine Unterlegenheit des Schülers möglich ist.
Doch wenn also die Erklärung des Lehrers für den Schüler nicht notwendig ist, um zum Beispiel eine neue Sprache zu erlernen, dann ist die Sinnhaftigkeit der ganzen Unterrichtssituation zu hinterfragen. Die Studenten Jacotots haben zwar etwas gelernt, sie bekamen jedoch keine Erklärungen. Wenn also der Schüler keine Erklärung braucht, um etwas zu lernen, wem nützen sie dann? Rancierés Antwort darauf lautet: dem Lehrer. Da der Lehrmeister die Distanz zwischen dem Lehrenden und dem Lernenden schafft, indem er dem Schüler die Kompetenz abspricht, sich Wissen ohne Hilfe des Lehrers anzueignen. Wobei diese Art von Unterricht vielmehr eine Enteignung darstellt.
„Das Geheimnis des Lehrmeisters ist es, die Distanz zwischen dem gelehrten Gegenstand und dem zu belehrenden Subjekt, die Distanz auch zwischen lernen und verstehen, erkennen zu können. Der Erklärende ist jener, der die Distanz einsetzt und abschafft, der sieinmitten seiner Rede entfaltet und auflöst“ (Ranciére 2009, S. 15). Sowohl Jacotot als auch Ranciére gingen davon aus, dass alle Menschen die gleiche Intelligenz besitzen, welches auch der Ausgangspunkt Jacotots Methode war. (vgl. Sternfeld 2009, S. 27)
Ranciére zufolge konnte Jacotot mit seiner Unterrichtsmethode auch den sogenannten Prozess der „Verdummung“ aufheben, indem er die Machtverhältnisse, somit auch die herrschende Ungleichheit zwischen Lehrmeister und Schüler unterwandern konnte. (vgl. Sternfeld 2009, S.31)
„Das Kind, das unter der Drohung von Schlägen stottert, gehorcht der Rute, das ist alles, und es wird seine Intelligenz zu etwas andere[m] verwenden. Aber der Kleine, dem erklärt worden ist, wird seine ganze Intelligenz in diese Trauerarbeit investieren: zu verstehen, das heißt, zu verstehen, dass er nicht versteht, wenn man ihm nicht erklärt. Er unterwirft sich nicht mehr der Rute, sondern der Hierarchie der Intelligenzen“ (Ranciére 2009, S. 18).
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- Esma Benli-Genc (Author), 2017, Inwieweit könnte eine Unterwanderung der Wissenshierarchie zu einer intellektuellen Emanzipation führen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/450930
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