Excerpt
GLIEDERUNG
1. Einleitung
2. Das Modell vom Inneren Team
2.1. Aus kommunikationspsychologischer Sicht nach Schulz von Thun
2.1.1 Die innere Pluralität des Menschen
2.1.2. Die innere Führung durch das Oberhaupt
2.1.3. Inneres Konfliktmanagement
2.1.4. Aufbau der Persönlichkeit
2.1.5. Variation innerer Aufstellungen
2.1.6. Gehalt einer Situation
2.2 Die therapeutische Sichtweise von Dagmar Kumbier
2.2.1. Einbeziehung kindlicher Teammitglieder
2.2.2. Störung der inneren Dynamik
3.Ein Praxisbeispiel aus der Kommunikationspsychologie
4.Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Das Thema dieser Hausarbeit handelt über das Modell vom ״Inneren Team“ nach Friedemann Schulz von Thun, welches in der Kommunikationspsychologie eine große Bedeutung erlangt hat. Obwohl seine Gedanken über die innere Pluralität nichts wirklich Neues in der Psychologie darstellen (Horsch, 1999), versteht es Schulz von Thun sehr gut, seine Ausführungen verbal und bildlich so aufzubereiten, dass sie beispielsweise in der Wirtschaft bei der Beratung von Führungskräften populär sind und häufig angewendet werden. Auch wenn er sein Modell hauptsächlich im beruflichen Kontext beim Coaching und Training von Führungskräften anwendet, so bietet es auch einige Schnittstellen für den Einsatz im therapeut¡- schen Bereich. Daher verwundert es nicht, dass Dagmar Kumbier, langjährige Mitarbeiterin von Schulz von Thun an der Universität Hamburg, intensiv mit diesem Modell in ihrer psychotherapeutischen Praxis arbeitet. Auf ihre therapeutische Perspektive zum ״Inneren Team“ wird in dieser Hausarbeit zurückgegriffen.
Zunächst wird das Modell des ״Inneren Teams“ nach Friedemann Schulz von Thun ausführlich vorgestellt und bereits einige Schnittstellen zum therapeutischen Bereich angedeutet, bevor anschließend ein paar Ausführungen zum Inneren Team aus der therapeutischen Sicht von Dagmar Kumbier erfolgen. Abschließend werden die praktische Handhabung des ״Inneren Teams“ in der Kommunikationspsychologie an einem konkreten Beispiel aufgezeigt und in einer Zusammenfassung noch einmal die wesentlichen Aussagen kurz gewürdigt.
2.Das Modell vom ״Inneren Team“
2.1. Aus kommunikationspsychologischer Sicht nach Schulz von Thun
Ausgangspunkt für die Entwicklung seines Modells vom Inneren Team war sein Hinterfragen des Ideals einer Kommunikation (Roth, 2012, s. 75). Für Friedemann Schulz von Thun gab es kein ideales Kommunikationsverhalten. Vielmehr glaubte er, dass Authentizität viel wichtiger sei mit dem Ziel, eine stimmigkeit zu erreichen. Als Vertreter der humanistischen Psychologie verband er dabei die Sicht auf den Menschen als autonome und sich selbst verwirklichende Persönlichkeit mit systemischen Gedanken. Die Suche nach der stimmigkeit im Kommunikationsverhalten richtet sich seiner Meinung nach sowohl nach innen, auf das System im Menschen, als auch nach außen auf den Menschen im System (Schulz von Thun, 2013, s. 47) bzw. auf den situativen Kontext.
Für die Suche nach der stimmigkeit im System Mensch entwickelte er das Modell vom ״Inneren Team“ als Blick in die menschliche Seele. Die Metapher bzw. den Begriff ״Inneres Team“ wählte er aufgrund seiner Faszination von der Parallelität zwischen dem menschlichen Seelenleben und dem Arbeitsleben (Schulz von Thun, 2013, s. 52), insbesondere der inneren Dynamik von Arbeitsteams. In diesem Zusammenhang ist es auch nicht verwunderlich, dass der Einsatz des Modells vom ״Inneren Team“ bei Kommunikationstrainings und beim Coaching von Führungskräften eine hohe Akzeptanz findet. Für Führungskräfte aus der Wirtschaft stellt die Methode des ״Inneren Teams“ ein attraktives Anwendungsmodell dar, welches sie nicht in eine Psychoecke drängt (Kumbier, 2008, s. 244).
Weitere Merkmale, die das Modell vom ״Inneren Team“ nicht nur für Klienten aus der Wirtschaft, sondern auch für Klienten im therapeutischen Rahmen attraktiv macht, listet Dagmar Kumbier (2008, s. 241 ff.) wie folgt auf:
- Das Modell arbeitet intensiv mit der Visualisierung von Sachverhalten, Eindrücken, Emotionen. Die innere Dynamik bzw. die Dynamik des inneren Teams wird aufgemalt und damit dem Betrachter sehr anschaulich vor Augen geführt. Zusammenhänge werden sichtbar gemacht und entfalten eine unmittelbare Wirkung.
- Der Erklärungsgehalt ist ״enorm“, d. h. das Modell vom ״Inneren Team“ liefert sowohl einfache, plausible Erklärungen für inneres Erleben, Konflikte und Problemlagen als auch differenzierte Erläuterungen zu hochkomplexen psychischen Vorgängen (z. B. unbewusste Phänomene) und zu Möglichkeiten der Veränderung und Entwicklung.
- Gekennzeichnet ist das Modell vom ״Inneren Team“ durch eine ״konsequente Entpathologisierung“, d. h. die die innere Dynamik in Form von Konflikten wird nicht als krankhaft oder unnormal, sondern - im Gegenteil - als völlig normal betrachtet. Damit einher geht auch die Vorstellung, dass innere Konflikte, sofern sie in konstruktive Bahnen gelenkt werden, zu einer positiven Entwicklung und Bereicherung führen können.
- Die Blickrichtung des Modells ist nicht einseitig auf eine Problemorientierung ausgelegt, sondern berücksichtigtauch die Ressourcen, die in der inneren Dynamik eines Teams bzw. in der Vielstimmigkeit eines Menschen stecken.
2.1.1. Die innere Pluralität des Menschen
Der Hinweis auf eine innere Pluralität bzw. Vielstimmigkeit im Menschen, die zumeist als ״zerstrittener Haufen“ (Schulz von Thun, 2003, s. 17) auftreten, geht auf Freud zurück und stellt den Ursprung der Psychotherapie dar (Kumbier, 2008, s. 239). Freud’s Grundgedanke, dass der Weg zur Heilung in der Bewusstmachung der inneren streitenden Anteile mit anschließendem Ausgleich zwischen diesen Anteilen der Psyche liegt, prägte viele therapeutische Denkrichtungen. Auch die Personalisierung der inneren Anteile ist nicht neu, sondern als ״innere Familie“ (Schwartz, 2003), als ״Ego-States“ (Watkins & Watkins, 2003) usw. in verschiedenen Ansätzen verarbeitet worden. Während jedoch die meisten dieser Ansätze die innere Vielstimmigkeit im Menschen als Ausdruck von Störungen, Traumatisierungen ansehen, sieht Schulz von Thun die innere Pluralität im Rahmen seines Modells vom ״Inneren Team“ als völlig normales Phänomen und potentiellen inneren Reichtum an (Kumbier, 2008, s. 241).
Die ״innere Pluralität als menschliches Wesensmerkmal“ besagt nach Schulz von Thun (2003, s. 16), dass im Menschen eine pluralistische Gesellschaft wohnt. Diese Gesellschaft wird von vielen Personen (z. B. Vater und Mutter), Werten, Situationen usw., die im Laufe der Lebensgeschichte eines Menschen auf seine Seele einwirken, geprägt (Schulz von Thun, 2003, s. 39 ff). Um diese Pluralität greifbar zu machen, setzt er die inneren Anteile, die sich als stimme, Stimmung, Anliegen, Regung bemerkbar machen können, mit Personen in der Funktion von Teammitgliedern gleich (Schulz von Thun, 2003, s. 31 ff). Diese Teammitglieder haben in uns jeweils einen Sitz und eine stimme und arbeiten in der Regel miteinander, gegeneinander und durcheinander. Zu einem Team, welches innerer Reichtum bedeutet, müssen diese Mitglieder zumeist noch entwickelt werden. Schulz von Thun (2003, s. 28 ff.) unterscheidet die Mitglieder seines ״Inneren Teams“ nach verschiedenen Funktionen, nach der Kontextabhängigkeit, nach dem zeitlichen Auftreten, nach der Art ihres Auftretens und nach dem Grad ihrer Er- wünschtheit. Dementsprechend gibt es Mitglieder im Außendienst, die sich zu Wortführern in der zwischenmenschlichen Kommunikation machen und den Ton angeben. Mitglieder im Innendienst sorgen eher für Stimmungen, Gefühle, Motive und Gedanken. Kontextabhängig treten je nach Person, Situation und Thema immer wieder die gleichen Mitglieder - die Stammspieler - auf, die für einen Mensehen eine charakteristische Mannschaftsaufstellung bilden. Ebenso können die Teammitglieder zeitlich in Früh- und Spätmelder, nach der Art ihres Auftretens in laute und leise Teammitglieder und nach der Grad ihrer Erwünschtheit in willkommene und unwillkommene Mitglieder unterschieden werden.
Allen Mitglieder gemein ist, dass sie ״Urheber innerer Botschaften“ (Schulz von Thun, 2003, s. 32 ff) sind, deren Kommunikation eine quadratische Struktur aufweist. Die Seiten des Quadrats setzen sich
- aus der Selbstkundgabe-Seite (das innere Teammitglied zeigt seine Identität),
- aus der Sachinhalts-Seite (das innere Teammitglied drückt seine Sicht der Welt aus),
- aus der Beziehungs-Seite (das innere Teammitglied zeigt seine Beziehung zum Teamchef (Oberhaupt), zum inneren Teamkollegen oder zum äußeren Gegenüber des Menschen) und
- aus der Appell-Seite (das innere Teammitglied drückt aus, wozu es den TeamChef (Oberhaupt), den inneren Teamkollegen oder das äußere Gegenüber des Menschen) bewegen will zusammen.
2.1.2. Die innere Führung durch das Oberhaupt
Eine besonders offensichtliche Parallelität zwischen der Metapher des ״Inneren Teams“ und der Situation in Arbeitsgruppen zeigt sich in der Führung durch das Oberhaupt (Inneres Team) bzw. dem Teamchef (Arbeitsgruppe).
Schulz von Thun (2003, s. 68) vertritt die Annahme, dass es dort, wo ein Team arbeitet, auch einen Chef geben muss. Er bezeichnet diesen Chef für das innere Team als Oberhaupt und verortet ihn als ״Instanz, die über dem Ganzen steht und die Einheit stiftet“ (Schulz von Thun, 2003, s. 68). Es behält das letzte Wort, entscheidet, was nach außen dringt und ist ״Herr im eigenen Hause“ (Schulz von Thun, 2003, s. 68). Trotzdem ist das Machtverhältnis zwischen Oberhaupt / Chef und Teammitgliedern sehr kompliziert und schwierig und von permanenter, wechselseitiger Einflussnahme geprägt. Daher ist jedes Oberhaupt / jeder Chef gut beraten (sowohl im ״Inneren Team“ als auch in der Arbeitsgruppe), die Mitglieder an einen Tisch zu bringen und seinen Entscheidungen die ״versammelte Weisheit und Energie der einzelnen“ (Schulz von Thun, 2003, s. 69) koordiniert zugrunde zu legen.
Zu den (Führungs-)Aufgaben des Oberhauptes gehören - analog den Aufgaben der Führungskraft im beruflichen Kontext - (Schulz von Thun, 2003, s. 70):
- Kontrolle (im Sinne von Selbstkontrolle, aber auch Kontrolle der Gruppendynamik soweit möglich)
- Moderation (der (inneren) Teambesprechung)
- Integration (aus einem zerstrittenen Haufen von Mitgliedern ein Team formen)
- Konfliktmanagement (verfeindete Mitglieder aus ihren Streitecken heraushelfen und miteinander in Kontakt bringen)
- Personal- und Teamentwicklung (Förderung einzelner Mitglieder und des Gesamtklimas)
- Personalauswahl und Einsatzleitung (je nach Aufgabe oder Situation die rieh- tige Mannschaftsaufstellung festlegen)
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- Quote paper
- Petra Bessel-Zaubzer (Author), 2016, Schulz von Thuns "Innere Team" an der Schnittstelle von Kommunikationspsychologie und Therapie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/451705
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