Anwendung der Grundsätze zur Haftung für Links auf urheberrechtswidrige Inhalte aus EuGH GS Media (C-160/15) auf Suchmaschinen?


Research Paper (undergraduate), 2018

41 Pages, Grade: 14 Punkte


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Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Grundlagen
I. Arten von Suchmaschinen und deren Funktionsweise
II. Tätigkeitsfelder der Suchmaschine

C. Bisherige Haftungsmaßstäbe
I. äterschaft und Teilnahme
II. Störerhaftung

D. Die Entscheidung EuGH GS Media (C-160/15)
I. Sachverhalt
II. Grundsätze
III. Begründung
IV. Konkretisierung der Gewinnerzielungsabsicht

E. Anwendung auf Suchmaschinen
I. ertungsgesichtspunkte
1) Menge der zu prüfenden Inhalte
2) Erfüllbarkeit der Prüfung
a) Manuelle und automatisierte Überprüfung
b) Wirtschaftliche Betrachtung
c) Möglichkeit der rechtlichen Bewertung
3) Rechtliche Prüfung durch private Unternehmen
4) Stellung der Suchmaschine
a) Anteil des Beitrages an der Rechtsverletzung
b) Möglichkeit der Verhinderung
c) Schutzwürdigkeit des Geschäftsmodells
5) Wertungen der E-Commerce-RL und des TMG
a) Anwendbarkeit auf Suchmaschinen
b) Übertragung der Grundgedanken
c) Vergleich mit anderen Providerarten
aa) Hostprovider
bb) Domainprovider
cc) Accessprovider
6) Effektiver Rechtsschutz
7) Zusammenfassung
I. Rezeption in der Rechtsprechung
II. Üechtsprechung des BGH
2) Rechtsprechung des LG Hamburg
II. Rezeption in der Literatur
V. Übertragung auf die Tätigkeiten von Suchmaschinen
utomatisch generierte Links
a) Vorabprüfung
b) Prüfung nach Hinweis
2) Sponsored Links
a) Vorabprüfung
b) Prüfung nach Hinweis
3) Reichweite der Haftung
a) Beseitigung
b) Unterlassung

F. Fazit

Literaturverzeichnis

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Internetquellen

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Statistiken

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A. Einleitung

„Quod non est in google, non est in mundo.“.1. Die Tätigkeit von Suchmaschinen ist von enormer Wichtigkeit für die Funktionsfähigkeit des World Wide Web. Auch der EuGH berücksichtigt in seiner Grundsatzentscheidung GS Media/Sanoma die besondere Bedeutung von Hyperlinks, wie sie von Suchmaschinen ausgegeben werden, für die Funktionsfähigkeit des Netzes mit seiner unüberschaubaren Informationsflut.2. iese Bewertung wird durch den BGH geteilt, wenn er in seiner Vorschaubilder-III -Entscheidung die Grundsätze des EuGH erstmals auf die Tätigkeit von Suchmaschinen anwendet.3. as Gericht bekräftigt in dem Urteil außerdem, dass ohne die Zuhilfenahme von Suchmaschinen ein effizienter Zugriff auf online zugängliche Quellen ausgeschlossen wäre.4. Auch in der Literatur ist man sich einig: Die Tätigkeit von Suchmaschinen stellt eine der wichtigsten Funktionen der gesamten Internettechnologie dar.5.

leichwohl darf dieses Argument nicht dazu dienen, Suchmaschinen generell von jeglicher Verantwortung freizustellen.6. chließlich stehen hinter den Suchplattformen mächtige Unternehmen, die über genügend Ressourcen verfügen, um ihren Beitrag im Kampf gegen Urheberrechtsverletzungen zu leisten. Es gilt vielmehr, verhältnismäßig abzuwägen zwischen den Interessen der Rechteinhaber, der Suchmaschinenbetreiber und dem Interesse der Nutzer an einem effizient funktionierenden Netz. Aus dem Spannungsfeld von Bedeutung und Verantwortung ergibt sich eine Grundfrage, welcher diese Arbeit nachgehen wird: Welche Haftungsmaßstäbe sind für Suchmaschinen im Urheberrecht angebracht? Hinweise bietet die richtungsweisende Entscheidung des EuGH (GS-Media/Sanoma), die sich mit der urheberrechtlichen Relevanz des Verlinkens, der Kerntätigkeit von Suchmaschinen, beschäftigt.

olgenden wird nach einer technischen Einführung die bisherige Haftung von Suchmaschinenbetreibern in Deutschland dargestellt, danach die Grundsätze der wegweisenden Entscheidung des EuGH aufgezeigt und anschließend untersucht, welche Auswirkungen das Urteil nach Ansicht der Verfassers auf das zukünftige Ausmaß der Haftung von Suchmaschinenbetreibern haben wird.

B. Grundlagen

evor die Tätigkeit von Suchmaschinen rechtlich beurteilt werden kann, ist es notwendig, sich deren Arten und einzelne Tätigkeitsfelder vor Augen zu führen, sowie deren Funktionsweise zu durchdringen.

I. Arten von Suchmaschinen und deren Funktionsweise

on den automatisiert arbeitenden Suchmaschinen zunächst abzugrenzen sind redaktionell gepflegte Suchkataloge.7. eispielsweise lieferanten.d.8. Bei diesen sog. redaktionellen Suchmaschinen werden Inhalte manuell katalogisiert.9.

ine andere Kategorie bilden Metasuchmaschinen wie metacrawler.co.10. Sie senden Suchanfragen an mehrere Suchmaschinen und erstellen aus den Treffern ihre eigene Ergebnisliste.11. hre praktische Bedeutung ist jedoch nur sehr gering.12. eshalb sie in dieser Arbeit keine gesonderte Rolle spielen werden.

ie größte Gruppe bilden die indexbasierten Suchmaschinen. Ihr populärster Vertreter ist der Suchdienst von Googl.13. 14. ndexbasierte Suchmaschinen durchsuchen ständig das Internet mit dafür vorgesehenen Programmen (Crawlern) und katalogisieren die Inhalte automatisch.15. ibt der Nutzer einen Suchbegriff ein, beantwortet die Suchmaschine die Anfrage mit einer Trefferliste. Dazu nutzt sie einen Schlüsselwortindex und ordnet die Treffer nach deren Relevanz. Die Liste enthält Hyperlinks auf relevante Webdokumente.16.

Die nachfolgende Analyse wird sich mit dieser Art von Suchdiensten beschäftigen.

II. Tätigkeitsfelder der Suchmaschine

uch innerhalb der Suchfunktion indexbasierter Suchmaschinen sind hinsichtlich der urheberrechtlichen Bewertung die Anzeige von Snippets und Thumbnails, der Cache und die angezeigten (sponsored.17. inks zu unterscheiden.18. nippets sind einzelne Worte oder Textausschnitte, die in der Trefferliste einer Suchmaschinenanfrage aneinandergereiht werden und eine Vorschau auf den Inhalt der verlinkten Webseite bieten.19. humbnails stellen eine Vorschau in Miniaturgröße auf ein Bild dar.20. m Cache einer Suchmaschine werden Webseiten oder Teile davon gespeichert. Dies dient – wie bei einem Archiv-Server – dazu, einen Ersatz für veränderte oder nicht mehr zugängliche Informationen zu schaffen und dem Nutzer zumindest den Abruf einer Kopie der gesuchten Information anbieten zu können.21. m die Grundsätze der GS-Media -Entscheidung tiefgehend analysieren zu können, sollen im Folgenden nur die von den Suchmaschinen in der Trefferliste angezeigten Hyperlinks im Vordergrund stehen.

abei ist zwischen automatisch generierten Suchergebnissen und den sog. sponsored Links zu differenzieren. Solche mittels Suchmaschinen geschalteten Werbeanzeigen werden mithilfe der vom Nutzer angegebenen Suchbegriffe ausgewählt. Der Werbekunde kann im Vorfeld Schlüsselwörter definieren, nach deren Eingabe durch Suchmaschinenbenutzer automatisch die entsprechende Werbung oberhalb oder neben den Suchergebnissen angezeigt wird.22. a häufig für einen Suchbegriff zahlreiche Werbeanzeigen geschaltet sind, wird die Reihenfolge anhand der Zahlungsbereitschaft der Werbenden bestimmt: Je mehr sie pro Klick auf die mit einem Link verknüpfte Werbung zahlen möchten, desto weiter oben erscheint ihre Werbeanzeige.23.

C. Bisherige Haftungsmaßstäbe

ögliche Veränderungen der Rechtslage zu verstehen, ist es notwendig, sich die bisherige Bewertung der Haftung von Suchmaschinenbetreibern für Hyperlinks auf urheberrechtsverletzende Inhalte bewusst zu machen. Ausgangspunkt hierfür soll die deutsche Rechtsprechung zur urheberrechtlichen Relevanz von Verlinkungen sein. In der Paperboy -Entscheidung von 2003 ging der BGH noch davon aus, dass das Setzen eines Hyperlinks eine urheberrechtlich neutrale Handlung und keine öffentliche Zugänglichmachung i. S. d. § 19 Abs. 1 Urh.24. ei.25.

iese Sichtweise konnte jedoch nach dem 2014 ergangenen EuGH-Urteil in der Sache Svensson.26. icht mehr aufrechterhalten werden.27. er Gerichtshof bewertete die Linksetzung unter bestimmten Voraussetzungen als öffentliche Wiedergabe gemäß Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-R.28. Dafür sei es erforderlich, dass das Werk einer neuen Öffentlichkeit zugänglich gemacht werde.29. ies sei bei der Verlinkung von frei zugänglichen Quellen, die legal im Internet stehen, nicht der Fall.30. ur wenn Schutzmaßnahmen umgangen werden, stelle das Verlinken eine öffentliche Wiedergabe dar.31. eitdem wurde die rechtswidrige Verlinkung auf urheberrechtlich geschützte Werke im deutschen Recht durch den BGH als Verletzung eines unbenannten Rechts der öffentlichen Wiedergabe gemäß § 15 Abs. 2 UrhG anerkannt.32. ie automatisierte Tätigkeit von Suchmaschinen ist ausgehend von diesen Grundsätzen zur Verlinkung zu beurteilen.33.

nbetracht der unterschiedlichen Rechtsfolgen sind einerseits die täterschaftliche und Teilnehmendenhaftung sowie andererseits die Störerhaftung zu unterscheiden. Störer haften lediglich auf Unterlassung und Beseitigung.34. äter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung können daneben auch auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, § 97 Abs. 1 UrhG.35.

I. Täterschaft und Teilnahme

unächst ist also zu klären, ob Suchmaschinenbetreiber als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommen.

rheberrecht sind für die Bewertung einer Haftung als Täter oder Teilnehmer die strafrechtlichen Grundsätze maßgebend.36. äter ist demnach, wer selbst ein geschütztes Recht verletzt.37. ür eine täterschaftliche Haftung ist Tatherrschaft erforderlich.38. ie bei Suchmaschinenbetreibern im Rahmen der automatisch erzeugten Linkverzeichnisse regelmäßig nicht vorliegt.39. chon deshalb haften Suchmaschinen regelmäßig nicht als Täter einer Urheberrechtsverletzung für von ihnen automatisch generierte Suchergebnisse.40.

uch Teilnehmer haften bei Vornahme einer unerlaubten Handlung gleich einem Mittäter, § 830 Abs. 1, 2 BG.41. Für eine Gehilfenhaftung ist die Förderung, Erleichterung oder Ermöglichung der Haupttat sowie ein doppelter Gehilfenvorsatz – gerichtet auf die konkrete Haupttat und die Beihilfehandlung – erforderlich.42. ine Haftung als Teilnehmer kommt deshalb nur bei positiver Kenntnis der konkreten Verletzungshandlung und deren Rechtswidrigkeit in Betracht.43. angels Kenntnis der verlinkten Inhalte fällt auch dieses Vorsatzelement bei den Suchmaschinenbetreibern zumeist weg.44.

II. Störerhaftung

nstelle einer täterschaftlichen Haftung kommt allerdings eine Unterlassungshaftung nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen der Störerhaftung in Betracht. Für eine Haftung als Störer ist neben einem willentlich und adäquat kausalen Beitrag zu einer Urheberrechtsverletzung auch die Verletzung von zumutbaren Prüfpflichten notwendig.45. ie Störerhaftung greift somit, nachdem die Suchmaschine von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Inhalte in Kenntnis gesetzt wurde.46. orher bestehen keine Prüfpflichten, die verletzt werden könnten. Nach einem ordnungsgemäßen Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung haftet der Suchmaschinenbetreiber wegen der von ihm geschaffenen Gefahrenquelle, der Internet-Suchmaschine, als Störer auf Unterlassung.47.

D. Die Entscheidung EuGH GS Media (C-160/15)

eptember 2016 äußerte sich der EuGH zum Recht der öffentlichen Wiedergabe und schuf damit grundlegend neue Anforderungen für das Setzen von Hyperlinks. Dieses Urteil und die nachfolgenden Entscheidungen Filmspeler.48. nd The Pirate Bay.49. ilden eine Rechtsprechungslinie, durch welche der EuGH versucht, im Wege einer haftungsrechtlichen Interpretation des Rechts der öffentlichen Wiedergabe ein einheitliches europäisches Haftungskonzept für Urheberrechtsverletzungen zu entwerfen.50. as Setzen von Links stellt wiederum die prägende Tätigkeit von Suchmaschinen dar, weshalb diese Entscheidung insbesondere für deren Haftung relevant ist.

I. Sachverhalt

as niederländische Unternehmen GS Media BV betreibt die Webseite „GeenStijl.51. Auf dieser Seite hat der Betreiber einen Link zu unberechtigt veröffentlichten Nacktfotos der niederländischen TV-Moderatorin Britt Dekker gesetzt, die in einer späteren Ausgabe des „Playboy“ erscheinen sollten. Die Verlegerin des Magazins und Inhaberin der exklusiven Nutzungsrechte an den Fotos, Sanoma Media Netherlands, forderte die Entfernung des Links. Dieser Aufforderung kam GS Media nicht nach. Im Gegenteil: Nach der Löschung der verlinkten Fotos auf der ursprünglichen Webseite setzte der Webseitenbetreiber weitere Links zu alternativen Quellen.52.

araufhin erhob Sanoma Klage. Der Oberste Gerichtshof der Niederlande setzte das Verfahren aus und legte die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.53.

II. Grundsätze

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass das Setzen von Links auf urheberrechtlich geschützte Werke den Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe i.S.d. Art. 3 Abs. 1 InfoSoc-RL erfülle.54. S Media haftet damit als Täter einer Urheberrechtsverletzung neben Unterlassung auch auf Schadensersatz.

em Urteil stellte der EuGH folgende Grundsätze für das Setzen von Hyperlinks auf: Das Bereitstellen eines Links stellt eine öffentliche Wiedergabehandlung dar, wenn der Verlinkende weiß oder hätte wissen müssen, dass der Link auf einen rechtswidrigen Inhalt verweist.55. andelt der Verlinkende mit Gewinnerzielungsabsicht, wird widerleglich vermutet, dass der Link in voller Kenntnis der fehlenden Erlaubnis des Rechteinhabers gesetzt wurde.56. ie Vermutung kann mit der Durchführung vorangehender Prüfmaßnahmen („erforderliche Nachforschungen“) widerlegt werden.57.

III. Begründung

eine weite Auslegung des Rechts der öffentlichen Wiedergabe begründet der EuGH mit dem durch die Richtlinie bezweckten erhöhten Schutzniveau für Urheber.58. ur Begründung der Privilegierung von Einzelpersonen gegenüber kommerziellen Linksetzern führt der Gerichtshof aus, dass es für Privatpersonen schwierig zu überprüfen sei, ob eine Erlaubnis des Urheberechtsinhabers vorliegt.59. on Linksetzern mit Gewinnerzielungsabsicht könne man die erforderlichen Nachprüfungen allerdings erwarten.60.

IV. Konkretisierung der Gewinnerzielungsabsicht

ach dem Urteil blieb unklar, in welchen Fällen eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt.61. ill man die Anwendbarkeit der Grundsätze auf Suchmaschinen untersuchen, ist dieses Kriterium aber von grundlegender Bedeutung, Der EuGH konkretisierte den Begriff in seiner späteren Entscheidung The Pirate Bay..62. ür die Annahme der Gewinnerzielungsabsicht sei entscheidend, ob die Webseite in ihrer Gesamtheit auf Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Dies sei bereits dann gegeben, wenn der Betreiber zwar nicht durch einen Klick auf den konkreten Link ein Entgelt erhält, sich jedoch über erhebliche Werbeeinnahmen finanziert.63.

E. Anwendung auf Suchmaschinen

ach dem Urteil drängt sich die Frage auf, ob die vorgenannten Grundsätze auf die Tätigkeit von Suchmaschinenbetreiber übertragbar sind. Einerseits sind die Betreiber Unternehmen, deren Geschäftsmodell das kommerzielle Setzen von Links darstellt. Andererseits ist ihre Tätigkeit, im Gegensatz zu der von GS Media, gesellschaftlich erwünscht.64. llein in Deutschland nutzen über 23 Millionen Personen täglich Suchmaschinen.65.

berträgt man die oben genannten Grundsätze ohne Modifizierung auf Suchmaschinenbetreiber, würde das zu einer strengen täterschaftlichen Haftung der Betreiber für jeden von der Suchmaschine angezeigten Hyperlink führen. Da das Geschäftsmodell von Suchmaschinen darauf abzielt, durch Linksetzung Gewinne zu erwirtschaften, würde die Kenntnisvermutung bezüglich der Rechtswidrigkeit der Inhalte greifen. Dadurch wären sie einem enormen Kostenrisiko ausgesetzt.66. m dem zu entgehen, müsste der Betreiber alle Inhalte einer rechtlichen Prüfung („erforderliche Nachprüfungen“) unterziehen, bevor er sie in seinen Index aufnimmt.

I. Wertungsgesichtspunkte

iese direkte Anwendung der durch den EuGH entwickelten Haftungsmaßstäbe auf Suchmaschinen letztlich sach- und interessengerecht ist, ergibt sich aus der Gewichtung verschiedener Wertungsgesichtspunkte.

1) Menge der zu prüfenden Inhalte

unächst müssen die erforderlichen Prüfpflichten in Relation zu den enormen Datenmengen betrachtet werden, welche Suchmaschinen verarbeiten. Im Jahr 2016 wurden allein bei Google weltweit über 3293,25 Milliarden Suchanfragen gestellt.67. uchmaschinen indexieren den überwiegenden Teil der im Netz verfügbaren Webseiten.68. ine Überprüfung jedes einzelnen Inhaltes vor der Überführung in den eigenen Datenbestand käme deshalb einer Pflicht zur Prüfung des gesamten Netzinhaltes nahe.69. e effektiver die Suche funktioniert, desto höher würde auch das Haftungsrisiko.70. urch mehr Verlinkungen, die von Suchmaschinen gefunden und angezeigt werden, steigt auch die Anzahl potenzieller Rechtsverletzungen, die von ihnen gelistet werden und mithin auch der Gesamtaufwand der Prüfung.71. n mehreren Entscheidungen haben Gerichte eine Haftung von Portalbetreibern genau wegen dieser großen Datenmengen, die bei einer Prüfung zu verarbeiten wären, abgelehnt.72.

er Umfang der Suchergebnisse wird zwar durch den Suchmaschinenbetreiber selbst gesteuert und ist für diesen auch gewinnentscheidend. Für die Nutzer sind jedoch gerade nur Suchhilfen mit einem breiten Index geeignet eine sinnvolle Nutzung des World Wide Web zu ermöglichen.73.

ei der Bewertung, ob die Grundsätze des EuGH-Urteils auf Suchmaschinen anwendbar sind, muss daher zunächst die zu verarbeitende Menge an Daten Berücksichtigung finden.

2) Erfüllbarkeit der Prüfung

eiterhin muss analysiert werden, welche Faktoren die Prüfung der Inhalte ermöglichen oder erschweren.

a) Manuelle und automatisierte Überprüfung

ine Option, die den Suchmaschinenbetreibern offenstünde, wäre eine manuelle Überprüfung der indexierten Webseiten auf Urheberrechtsverletzungen. Selbst eine Grobprüfung der eigenen Datenbank auf Rechtsverletzungen wäre angesichts von mehreren Milliarden Einträgen im Internet praktisch nur schwer durchführbar.74. egt man zehn Milliarden indexierte Webseiten, eine Rechtsabteilung mit zehntausend Angestellten und eine Jahresarbeitszeit von zweitausend Stunden pro Mitarbeiter zugrunde, würden, selbst bei einer Prüfdauer von nur einer Minute pro Webseite, über acht Jahre benötigt, um alle Seiten einmal zu sichten.75. uch eine manuelle Durchsuchung vor der Ausgabe der Suchergebnisse ist unpraktikabel.76. a der Internetnutzer gewöhnlich nicht dazu bereit ist, eine unbestimmte Zeit auf die Ergebnisse seiner Suche zu warten.77.

ine manuelle Prüfung realistischerweise nicht zu bewältigen ist, käme nur eine automatisierte Filterung der Einträge in Betracht.78. it der zunehmenden Qualität von Filtersoftware könnte deren Einsatz von Suchmaschinen gefordert werden.79. nsbesondere die Zuhilfenahme von Wiedererkennungstechnologien erscheint zunächst praktikabel.80. o verwendet Google bei seiner Videoplattform Youtube bereits ein System namens Content-ID, welches urheberrechtlich geschützte Inhalte automatisch blockiert.81. utomatische Filtersysteme können allerdings nur formal erfassbare Verletzungen erkennen.82. ine Filterung nach Suchbegriffen ist zudem in Bezug auf eine mögliche Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit riskant, da eine Maschine nicht unterscheiden kann, ob der Inhalt tatsächlich rechtsverletzend ist oder ein Beitrag nur über diese Inhalte berichtet.83. etztlich können auch automatisierte Filtersysteme nicht alle rechtswidrigen Inhalte zuverlässig erkennen.84. eitaus bedrohlicher für eine freie Informationsgesellschaft ist im Gegensatz dazu jedoch, dass auch nicht selten eigentlich legale Inhalte entfernt werden.85.

ine Vorabkontrolle aller verlinkten Inhalte ist mithin – manuell wie automatisiert – nur schwer durchführbar und mit erheblichen Risiken verbunden.

b) Wirtschaftliche Betrachtung

as Geschäftsmodell und damit die Existenz der Suchmaschinen nicht durch überzogene Anforderungen zu bedrohen, sind auch finanzielle Erwägungen zu berücksichtigen.

uchmaschinenbetreiber sind gewöhnlich keine uneigennützigen Unternehmen, sondern verfolgen wirtschaftliche Interessen.86. llein Google generierte im Jahr 2017 ca. 109,65 Milliarden US Dollar Umsatz.87. enn Suchmaschinen die Ressourcen haben, die Rechte der Urheber zu wahren, diese aber nicht nutzen, besticht auch das Argument der Bedeutung von Suchmaschinen für die Funktionsfähigkeit des Internets nicht mehr.88. iese Stellung sollte nicht zu Lasten der Rechtewahrnehmung durch die Urheberrechtsinhaber ausgenutzt werden können.89.

mfassende Vorabrecherchen scheinen jedoch selbst für außergewöhnlich liquide Suchmaschinenbetreiber wie Google unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zumutbar.90. ie unternehmerische Tätigkeit wird durch eine zeit- und kostenintensive Rechtsprüfung erschwer.91. nd Innovationen werden gehemmt. Die Suchmaschinenbetreiber ziehen zwar einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil aus der Wiedergabe und Verlinkung fremder Werke.92. ie profitieren allerdings nur mittelbar wirtschaftlich davon.93. a sie ihre Werbeeinnahmen nur wegen der Attraktivität ihres Gesamtangebotes generieren können.94.

Der Aufwand, der für Nachforschungen notwendig wäre, sollte somit in Bezug auf den durch die Verlinkung generierten wirtschaftlichen Vorteil verhältnismäßig sein.95.

c) Möglichkeit der rechtlichen Bewertung

bgesehen von den Wegen, auf denen eine Überprüfung durchgeführt werden könnte, ist bei der Frage, ob die Grundsätze aus GS Media auf Suchmaschinen angewendet werden können, auch zu berücksichtigen, inwieweit den Suchmaschinenbetreibern eine Bewertung der urheberrechtlichen Verhältnisse überhaupt möglich ist.

[...]


1. osef Bodat.

2. uGH GRUR 2016, 1152, 1154 – GS Media/Sanoma.

3. GH GRUR 2018, 178, 184 – Vorschaubilder III.

4. bd.

5. Dustmann, Die privilegierten Provider, S. 197; Heßeling, Internetsuchmaschinen, S. 113; Poche, MAH Urh- und MedienR, Kap. 30 Rn. 125; Rath, AfP 2005, 324; Sosnitza, CR 2001, 693, 703.

6. Jani, NJW 2018, 772, 781; Harte-Bavendamm/Jürgens, Suchmaschinen, in: FS Schricker, S. 51.

7. Stadler, Haftung, Rn. 233 ff.

8. ttps://www.lieferanten.de.

9. Paal, Haftung im Internet, Kap. 7 Rn. 2.

10. ttp://www.metacrawler.com.

11. Paal, Haftung im Internet, Kap. 7 Rn. 2; Hürlimann, Suchmaschinenhaftung, S. 7f.

12. Hürlimann, Suchmaschinenhaftung, S. 8.

13. ttps://www.google.com.

14. ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/225953/umfrage/die-weltweit-meist

genutzten-suchmaschinen/ (zugegriffen am 16.09.18).

15. Weidert/Molle, Urheberrecht und Internet, Kap. 7 Rn. 234; Lotze/Heinson, MAH GRS, § 30 Rn. 131.

16. Stieper/ Schricker/Loewenheim, § 87f Rn. 31; Poche, MAH Urh- und MedienR, Kap. 30 Rn. 138; Paal, Haftung im Internet, Kap. 7 Rn. 2.

17. ponsored = werbefinanziert.

18. Sieber/Höfinger, Handbuch MMR, 18.1 Rn. 109 f.

19. Mann /Spindler/Schuster, BGB § 823 Rn. 28.

20. Gey, Das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung i. S. d. § 19a, S. 166.

21. Hoeren/Sieber/Holznagel, Handbuch MMR, 18.1 Rn. 130.

22. Poche, MAH Urh- und MedienR, Kap. 30 Rn. 144.

23. Hürlimann, Suchmaschinenhaftung, S. 21.

24. esetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1273).

25. GH GRUR 2003, 958, 961 – Paperboy.

26. uGH GRUR 2014, 360 ff. – Nils Svensson ua/Retriever Sverige.

27. Jani/Leenen, NJW 2016, 3135, 3137.

28. ichtlinie 2001/29/EG des Europ. Parlaments u. des Rates i. d. F. vom 22.5.2001 zur Harmonisierung best. Aspekte des Urheberrechts u. der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001 L 167, 10).

29. uGH GRUR 2014, 360, 361 – Nils Svensson ua/Retriever Sverige.

30. bd.

31. bd.

32. GH GRUR 2016, 171, 172 – Die Realität II; BGH GRUR 2018, 178, 181 - Vorschaubilder III, Schierholz, ZUM 2018, 132, 135.

33. Ahlberg/Götting, BeckOK UrhR, § 97 Rn. 78; Spindler, GRUR 2016, 157.

34. GH GRUR 2004, 860, 864 – Internet-Versteigerung; BGH GRUR 2002, 618, 619 – Meißner Dekor.

35. Reber, BeckOK UrhR, § 97 Rn. 36.

36. GH GRUR 2015, 987, 988 – Trassenfieber.

37. Reber, BeckOK UrhR, § 97 Rn. 35; Weidert/Molle, Urheberrecht und Internet, Kap. 7 Rn. 235.

38. Nordemann J.B., Fromm/Nordemann, § 97 Rn. 147.

39. Bisges, Handbuch UrhR, Kap. 7 Rn. 40; Leistner, ZUM 2018, 286.

40. Wild /Schricker/Loewenheim, § 97 Rn. 198; Reber, BeckOK, § 97 Rn. 78.

41. ürgerliches Gesetzbuch (BGB) i. d. F. vom 2.1.2002 (BGBl. I S. 42, ber. S. 2909 und 2003 I S. 738).

42. GH GRUR 2007, 708, 711 – Internet-Versteigerung II.

43. Reber, BeckOK, § 97 Rn. 78.

44. Bisges, Handbuch UrhR, Kap. 7 Rn. 40.

45. GH GRUR 1999, 414, 415 – Möbelklassiker; BGH GRUR 2001, 1038, 1040 – ambiente.de.

46. LG München ZUM-RD 2012, 344, 347; Wild/ Schricker/Loewenheim, § 97 Rn. 202; Nordemann J.B., Czychowski/Nordemann, GRUR 2013, 986, 992.

47. Hoeren, Internetrecht, Rn. 1208; Weidert/Molle, Urheberrecht und Internet, Kap. 7 Rn. 238.

48. uGH GRUR Int. 2017, 527 – Filmspeler.

49. uGH GRUR 2017, 790 – The Pirate Bay.

50. Nordemann, GRUR Int. 2018, 536.

51. ttps://www.geenstijl.nl.

52. uGH GRUR 2016, 1152 – GS Media/Sanoma.

53. . a. O., 1153.

54. . a. O., 1155.

55. . a. O., 1154.

56. . a. O., 1155.

57. bd.

58. bd.; vgl. auch Erwägungsgrund 23 der RL.

59. bd.

60. . a. O., 1155.

61. Schmidt-Wudy, EuZW 2016, 785, 789.

62. uGH GRUR 2017, 790, 793 – The Pirate Bay.

63. bd.; ebenso LG Hamburg GRUR-RR 2017, 216, 219 – Architekturfotos.

64. Rauer/Ettig, WRP 2016, 1319, 1322.

65. ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/183133/umfrage/nachrichten-und-in-

ormationen---internetnutzung/ (zugegriffen am 14.09.18).

66. Volkmann, CR 2017, 46, 41; Jani/Leenen, NJW 2016, 3135, 3137.

67. ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/71769/umfrage/anzahl-der-google-

uchanfragen-pro-jahr/ (zugegriffen am 14.09.18).

68. Paal, Haftung im Internet, Kap. 7 Rn. 2.

69. G Hamburg GRUR-RR 2018, 97, 100 – Loulou; Kühne, Suchmaschinenhaftung, S. 76.

70. Nolte/Wimmers, GRUR 2014, 16, 25; Kühne, Suchmaschinenhaftung, S. 64.

71. Kühne, Suchmaschinenhaftung, S. 63.

72. GH GRUR 2004, 860 – Internet-Versteigerung; BGH NJW 2003, 3406, 3410 – Paperboy.

73. Kühne, Suchmaschinenhaftung, S. 64.

74. Stadler, Haftung, Rn. 244.

75. Hürlimann, Suchmaschinenhaftung, S. 111, Fn. 551.

76. VerfG NJW 2017, 147, 148.

77. LG Hamburg MMR 2012, 62, 63.

78. G MMR 2006, 817.

79. Kühne, Suchmaschinenhaftung, S. 171.

80. Jani/Leenen, NJW 2016, 3135, 3137.

81. ttps://support.google.com/youtube/answer/3244015?hl=de (zugegriffen am

3.10.18).

82. Reber, BeckOK, § 97 Rn. 78; OLG Hamburg MMR 2012, 62, 63.

83. Grisse, Internetangebotssperren, S. 523.

84. Hürlimann, Suchmaschinenhaftung, S. 110.

85. ttps://netzpolitik.org/2018/not-heidis-girl-wie-youtube-eine-kampagne-gegen-sexismus-ausbremste/; https://thenextweb.com/google/2012/02/27/a-copyright-claim-on-chirping-birds-highlights-the-flaws-of-youtubes-automated-system/ (zugegriffen am 20.09.18).

86. Rath, AfP 2005, 324.

87. ttps://de.statista.com/statistik/daten/studie/541785/umfrage/umsatz-von-google-weltweit/ (zugegriffen am 14.09.18).

88. Jani, NJW 2018, 772, 781.

89. Rau, K&R 2017, 60.

90. G Hamburg GRUR-RS 2017, 127832 Rn. 22 – Mops Foto.

91. Schmidt-Wudy, EuZW 2016, 785, 789; Abrar, GRUR-Prax 2016, 450.

92. Jani, NJW 2018, 772, 781.

93. Kühne, Suchmaschinenhaftung, S. 66.

94. . a. O ., S. 67.

95. G Hamburg GRUR-RR 2018, 97, 100 – Loulou.

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Details

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Anwendung der Grundsätze zur Haftung für Links auf urheberrechtswidrige Inhalte aus EuGH GS Media (C-160/15) auf Suchmaschinen?
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Humboldt-University of Berlin  (Rechtswissenschaftliche Fakultät)
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41
Catalog Number
V454645
ISBN (eBook)
9783668864078
ISBN (Book)
9783668864085
Language
German
Keywords
Suchmaschine, Haftung, Urheberrecht, Links, Hyperlinks
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Paul Schneider (Author), 2018, Anwendung der Grundsätze zur Haftung für Links auf urheberrechtswidrige Inhalte aus EuGH GS Media (C-160/15) auf Suchmaschinen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/454645

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Title: Anwendung der Grundsätze zur Haftung für Links auf urheberrechtswidrige Inhalte aus EuGH GS Media (C-160/15) auf Suchmaschinen?



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