Lessings "Ernst und Falk". Zwischen Bejahung und Kritik der deutschen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts


Dossier / Travail, 2018

20 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Freimaurerei der Aufklärung in Deutschland

3 Lessing, der Freimaurer?

4 Lessings „Ernst und Falk“
4.1 Form und Charakter des Werkes
4.2 Zentrale Kritik- und Programmpunkte

5 Zeitgenössische Rezeption

6 Schlussbemerkungen

7 Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Gotthold Ephraim Lessing gilt heute nicht nur als wohl berühmtester Vertreter der deutschen Aufklärung und unerschütterlicher Verfechter des Toleranz- und Humanitätsideals - seit den 1850er Jahren wurde er, trotz seines mangelnden freimaurerischen Engagements, fortwährend zur Schlüsselfigur der deutschen Freimaurerei stilisiert. 1 Für Robert Fischer, der damalige Oberbürgermeister Geras und Mitglied der Freimaurerloge Archimedes zum ewigen Bunde war Lessing „der leuchtende Stern geworden, der seiner Zeit voraus, noch heute glänzt und Klarheit verbreitet“. 2, er sei sogar „in seinem ganzen Geist und Wirken ein größerer Freimaurer als tausend Andere“ 3. Dem Internationalen Freimaurerlexikon von 1932 zufolge, sei Lessing der „Künder der philosophischen und sozialethischen Gedankeninhalte der Freimaurerei“ 4, ja nahezu der „eigentliche Begründer der freimaurerischen Humanitätslehre“ 5 und der „lebendige Beweis für die Absolutheit des freimaurerischen Gedankens, der auch losgelöst vom Logenleben bestehen und wirken kann“ 6. Den Aufstieg zum Schutzpatron diverser Freimaurerlogen schaffte Lessing während der 1860er Jahre, in welchen sich erste „Lessing-Logen“ etablierten. Die erste Loge war dabei die 1866 gegründete Lessing-Loge in Barmen. Die Mitglieder dieser, und auch folgender Lessing-Logen, würdigten nicht nur den heroisierten Freimaurer, sondern verpflichteten sich auch, nach seinen freimaurerischen Prinzipien und Arbeitszielen zu leben und zu schaffen. Ebendiese Prinzipien fixierte Lessing vorrangig in seinem 1778 verfassten Werk Ernst und Falk. Gespräche für Freymäurer, welches für den Festredner des Gründungsfestes der Barmer Freimaurerloge das „klassische Gründungsdokument des modernen Freimaurertums“ 7 darstellt.8

Angeregt durch die (größtenteils) wohlwollende Rezeption Lessings als Freimaurer sowie seiner freimaurerischen Schrift Ernst und Falk, verfolgt die vorliegende Arbeit die Zielsetzung, einen umfassenden Überblick über Lessings freimaurerische Biografie sowie die Bearbeitung dieser in seinem Werk Ernst und Falk zu gewährleisten. Mit dem Abschluss der Arbeit soll ferner folgende Leitfrage beantwortet werden: Inwiefern stellt Ernst und Falk die Ambivalenz Lessings zwischen Bejahung und Kritik an der Freimaurerei dar? Der Gegenstand der Betrachtung im ersten Teil der Hausarbeit soll dabei zunächst das Wesen und Wirken der deutschen Freimaurerei zu Lebzeiten Lessings sein. Daran anknüpfend, soll die Beantwortung der Frage nach Lessings freimaurerischen Wirken skizziert werden. Mit der detaillierten Betrachtung der Freimaurergespräche folgt der zweite Teil und der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit, bei der Form und Charakter des Werkes illustriert, die Wahl der Dialogform begründet sowie zentrale Programm- und Kritikpunkte herausgearbeitet werden sollen. Die Darstellung der zeitgenössischen Rezeption des Werkes stellt den Abschluss der Hausarbeit dar. Es folgt ein Resümee, in dem umfassend über die Arbeit reflektiert und die Beantwortung der Leitfrage geprüft werden soll.

Der aktuelle Forschungsstand zur untersuchten Thematik ist als quantitativ hochwertig einzuschätzen; die hier verwendete Literatur entspringt einem breit gefächerten Quellenfundus. Zahlreiche Werke über die Freimaurerbünde stammen allerdings von Freimaurern selbst und sind deshalb aufgrund ihrer hohen Subjektivität kritisch zu betrachten.

2 Freimaurerei der Aufklärung in Deutschland

„Die Freimaurer sind allezeit schlechte Geschichtsschreiber ihres Ordens gewesen und haben sich von jeher an zufällige Übereinstimmungen gehalten, um alle möglichen kühnen Geister alter und neuer Zeit für Freimaurer erklären zu können“ 9, heißt es in Oskar Posners Vorwort zur Historiographie über die Geschichte der Freimaurerei. Dieses Zitat formuliert eine grundlegende Problematik bei der Untersuchung der Ursprünge der Freimaurerei: ihre Historie ist derart schlecht oder verfälscht dokumentiert, dass sich kaum noch ein eigentlicher Ursprung feststellen lässt. 10 Vielmehr stützt sich die freimaurerische Geschichte auf drei gängige Gründungsmythen. So stilisieren sich die Freimaurer oftmals als direkte genealogische Nachfolger verschiedener Mysterienbünde, etwa dem Bund der Pythagoräer, dem Mithras-Kult oder den Kabbalisten 11, oder aber sie konstituieren den Templerorden als ihren Vorgänger, der nicht zuletzt häufig als Rechtfertigung des ritterlichen Lebensgefühls der Freimaurer dient. 12 Nicht nur am populärsten, sondern auch am wahrscheinlichsten ist aber die Annahme, dass die Freimaurerbünde sich aus den mittelalterlichen Steinmetzbruderschaften entwickelt hätten. Handfeste Beweise gibt es auch hierfür nicht, vielmehr gründet diese Theorie auf zahlreichen Ähnlichkeiten zwischen den Bräuchen und Werten der Freimaurer und der Handwerksgemeinschaft der Steinmetze.13

Ebenso schwierig wie die Festlegung auf einen Gründungsmythos, ist die Konsensbildung über eine eindeutige Definition der Freimaurerei. Nach Rolf Appel „kann [es] eine solche Begriffsbestimmung niemals geben, weil das Wesen der Freimaurerei sich jeder logischen Erfassung entzieht“ 14. Entscheidende freimaurerische Grundsätze, festgesetzt in der Verfassung der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, stellen zumindest einen minimalen Konsens in Bezug auf die Definitionsfrage dar. Gemäß diesen Grundsätzen seien Freimaurer Mitglieder einer Gemeinschaft, „die in bruderschaftlichen Formen und durch überkommene rituelle Handlungen menschliche Vervollkommnung erstreben“ 15 ; sie seien dabei eine Geistes- aber keine Glaubensgemeinschaft. Eine eindeutige Begriffserklärung „menschlicher Vervollkommnung“ gibt es darüber hinaus nicht.16

Die Auswahl der Mitglieder der Freimaurerlogen erfolge unabhängig von Konfession, Rasse, Staatsangehörigkeit oder politischer Ideologien. Dennoch war die Möglichkeit der Mitgliedschaft lange nur christlichen Männern vorbehalten.17 Mit dem Eintritt in eine Loge schließt der Freimaurer einen lebenslänglichen Bund mit seinen Brüdern und verpflichtet sich zur ständigen Arbeit an sich selbst und innerhalb der Gesellschaft. Ihre höchsten Werte seien dabei die Achtung der Würde des Menschen, Brüderlichkeit, Toleranz und Hilfsbereitschaft. Insbesondere das Recht auf freie Meinungsäußerung gilt den Freimaurern nicht nur als höchstes Gut, sondern auch als Voraussetzung für freimaurerische Arbeit überhaupt.18

Die Leitideen und Ziele der Freimaurerei weisen offenkundig zahlreiche Analogien auf. Vielleicht fand ihr Konzept auch deshalb, ausgehend von den britischen Inseln, allmählich auch in Deutschland Zuspruch. Die erste Freimaurerloge Deutschlands wurde 1728 in Hamburg nach englischem Vorbild gegründet. Aufgrund des damaligen Mangels an kulturellen Zentren wie Salons oder Clubs, breiteten sich Logen mit rasanter Geschwindigkeit aus.19

Besonderen Zulauf fand die Organisation dabei vorrangig, da sie einen „Versuch, sozialen Raum zur Realisierung von Moral zu schaffen“ 20 anbot.21

Nach Norbert Schindler realisierte die Freimaurerei während der Aufklärung, gezeichnet durch das Spannungsverhältnis zwischen dem absolutistischen Staat und dem aufblühenden Bürgertum, aber noch ein viel wichtigeres Interesse: sie diente dazu, „zum einen den Funktionsverlust der adelständischen Eliten zu kompensieren und soziokulturell zu verarbeiten und zum anderen dem Prestige- und Anerkennungsbedürfnis der aufsteigenden bürgerlichen Schichten entgegenzukommen“ 22. Die aufgeklärte Freimaurerei stellt also eine Art Regulativ des erstarkenden Bürgertums in Deutschland dar.

Ab den 1730er Jahren stiegen die Freimaurerlogen (nach englischem Vorbild) zur „wesentliche[n] moralische[n] Stoßkraft im Kampf gegen den absolutistischen Staat“ 23 auf; sie durchbrachen durch die zunehmende Konzentration geistiger Eliten, auch über Standesgrenzen hinweg, das vorherrschende Sozialgefüge. 24 Gleichzeitig und paradoxerweise verstand sich die Freimaurerei jedoch nicht als direkte politische Triebkraft, vielmehr wurde sie durch „ihre aufklärerische Tätigkeit und die Errichtung eines neuen moralischen Wertesystems zur indirekten politischen“ 25 Macht. Hierbei wirkte insbesondere das Freimaurergeheimnis, welches Außenstehende von dem Wesen und Wirken der Logen ausschloss und somit die Tätigkeiten der Logen von der Macht des Staates weitgehend unberührt blieben.26

Nach dem Siebenjährigen Krieg wurde das englische System der Ständegleichheit zunehmend von dem, über Frankreich eindringenden, schottischen Hochgradsystem abgelöst - einem System, in dem die ständischen Unterschiede der Mitglieder einer Freimaurerloge nicht aufgehoben, sondern in maurerische Dienstgrade übertragen wurden.27

Eine derart private Organisation, die, wie nahezu keine andere gesellschaftliche Gruppierung, unter vehementen Ausschluss von Politik und Staat, Toleranz und Humanität praktizierte, stieß vielerorts auf Ablehnung. So wurde die Freimaurerei nicht zuletzt als Bruderschaft bezeichnet, welche „kein Verhältnis zu der hierarchischen Ordnung“ besitzt, „welche Gott zur guten Leitung der Welt eingesetzt hat“ 28.29

Ob und inwiefern Lessing in diese, seinerzeit auf dem Höhepunkt befindliche Organisation einzuordnen ist, soll Gegenstand des folgenden Kapitels werden.

3 Lessing, der Freimaurer?

„Ich kenn ein drolligt Volk, mit mir kennt es die Welt / Das schon seit manchen Jahren / Die Neugier auf der Folter hält / Und dennoch kann sie nichts erfahren.“ 30 spöttelte Lessing in seinem 1751 verfassten Gedicht Das Geheimnis über die Freimaurer. Nichtsdestotrotz sollte er etwa 15 Jahre später erste Ambitionen zeigen, in eine der Freimaurerlogen seinerzeit aufgenommen zu werden. Als Übersetzer und Rezensent der „Berlinischen privilegierten Zeitung“ kam Lessing wohl schon früh mit freimaurerischen Konzepten in Berührung, die die journalistische Lebenswelt während der 1730er Jahre bereits stark beschäftigte. Weiterhin waren auch der Verleger dieser Zeitung, Christian Friedrich Voß, so wie Lessings engster Freund in Berlin, Friedrich Nicolai, bedeutende Freimaurer 31

Während seines Aufenthalts in Leipzig bis November 1748 unterhielt Lessing enge Beziehungen zu Freimaurern. So waren beispielsweise Heydenreich und Brückner, zwei Mitglieder der Neuberin-Truppe, die Lessings Drama Der junge Gelehrte 1748 uraufführte, begeisterte Anhänger der Organisation.32

[...]


1 Vgl. Dziergwa, 1992, S. 110

2 Fischer, 1982, S. 60

3 Ebd. S. 70

4 Lennhoff, Posner, Binder, 2015, Sp. 919-921

5 Ebd. Sp. 919-921

6 Ebd. Sp. 919-921

7 Boy, 1905, S. 41-44

8 Vgl. Dziergwa, 1992, S. 111

9 Posner, 1927, S. 11

10 Vgl. Binder, 2008, S. 15

11 Vgl. Binder, 2008, S. 22

12 Vgl. ebd. S. 27

13 Vgl. ebd. S. 28

14 Appel, 1976, S. 7

15 Binder, 2008, S. 233

16 Vgl. ebd. S. 233

17 Vgl. ebd. S. 233

18 Vgl. ebd. S. 233

19 Vgl. Barner, 1987, S. 336

20 Ebd. S. 337

21 Vgl. ebd. S. 337

22 Schindler, 1981, S. 222

23 Fischer, 1982, S. 142

24 Vgl. ebd. S. 142

25 Barner, 1987, S. 337

26 Vgl. ebd. S. 337

27 Vgl. Barner, 1987, S. 336

28 Ebd. S. 84

29 Vgl. ebd. S. 84

30 Dig.Bib.Org: Das Geheimnis.

31 Vgl. Dziergwa, 1992, S. 99

32 Vgl. ebd. S. 100

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Lessings "Ernst und Falk". Zwischen Bejahung und Kritik der deutschen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts
Université
Humboldt-University of Berlin
Note
1,7
Auteur
Année
2018
Pages
20
N° de catalogue
V456285
ISBN (ebook)
9783668868199
ISBN (Livre)
9783668868205
Langue
allemand
Mots clés
Lessing, Freimaurer, Ernst und Falk, Aufklärung, Literatur
Citation du texte
Taliah Wröbel (Auteur), 2018, Lessings "Ernst und Falk". Zwischen Bejahung und Kritik der deutschen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/456285

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